Die
Textgeschich...
der
Griechischen
Bukoliker
Ulrich von
Wilamowitz-Moel
ASHMOLEAN LIBRARY
OXFORD
Ex Libris
EDUARD FRAENKEL
Corpus Christi Professor of Latin, 1935-53
1970
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p
PHILOLOGISCHE
UNTERSUCHUNGEN
HERAUSGEGEBEN
VON
A. KIESSLING und U. v. W1LAM0WITZ-M0ELLEND0RFF.
ACHTZEHNTES HEFT:
DIE TEXTGESCHICHTE
DER
GRIECHISCHEN BUKOLIKER.
BERLIN
WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG.
1906.
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DIE TEXTGESCHICHTE
DER
GRIECHISCHEN BUKOLIKER
VON
ULRICH VON WILAMOWITZ-MOELLENPORFF.
BERLIN
WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG.
1906.
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FRANZ BUECHELER
in herzlicher Verehrung
gewidmet.
Vorwort.
In dem ersten Hefte dieser Untersuchungen habe ich eins
unter dem Titel "Theokritos von Kos" in Aussicht gestellt. Das
war vor 25 Jahren, als ich mich zuerst in die hellenistische Poesie
hineingearbeitet hatte und in meinen Vorlesungen vielerlei vor-
trug was ich gefunden hatte oder auch in jugendlicher Über-
eilung mir einbildete gefunden zu haben; von beidem ist dann
manches durch andere fortgebildet worden. Auch der Theokht
von Kos gehörte zum Teil zu den Täuschungen. Denn so richtig
es war, den Dichter in seiner poetischen Tätigkeit von Sizilien
zu lösen, so irrig war die Leugnung seiner Herkunft und die
Annahme eines koischen Dichterbundes. Ich habe mittlerweile
durch den Nachweis der Koer Philinos und Aratos und die An-
knüpfung auch der bukolischen Mimen an Sophron, also an
Literatur, nicht an das Leben oder gar den Kultus, diese Fehler r :
gesühnt.
Dafs ich damals sowohl jenes Buch wie eine Ausgabe des
Theokrit vorhatte, dankte ich der geistigen Arbeitsgemeinschaft
mit Georg Kaibel, der den Alexandrinern schon früher unter
Führung Büchelers intensives Studium zugewandt hatte und nun
nicht nur parallel mit mir seine Forschung trieb, sondern meine
Textkonstitution ebenso wie meine literarischen Konstruktionen
prüfte. Falls er früher selbst au eine Ausgabe des Theokrit
gedacht haben sollte, so stand es nun fest, dafs sie mir zufiel:
ich besitze noch meine Abschriften mehrerer Gedichte, die ich
mit dem Apparat für ihn angefertigt hatte, samt seiner Kritik.
Er wollte dagegen die Epigrammatik der Tyrier, wie er sie
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Vorwort.
nannte, Antipater von Sidon bis Philodem, behandeln, nicht ohne
auch die gleichzeitige phoinikische Rhetorik heranzuziehen, die
uns Berührungen zu bieten schien ; das war das Komplement zu
den Ausläufern der Bukolik, die wir zutreffend beurteilten.
Wir sind beide dann auf andere Arbeiten geführt worden,
haben aber auch in unserem Verkehre die hellenistische Poesie
immer gepflegt. Dafs ich aber jetzt in anderer Form das ver-
sprochene Heft liefere, dem die Ausgabe der Bukoliker auf dem
Fufse folgt (sie erscheint in den Ctassical Texts der Clarendon Press
von Oxford), danke ich doch Kaibel. Denn als sein Tod mich
dazu führte, seine Briefe nachzulesen, in denen immer wieder die
Mahnung stand, den Theokrit zu machen, und mir die Energie
und die jugendliche Siegesfreude entgegentrat, mit der wir
damals ein Feld mindestens für unser eignes Verständnis urbar
machten, auf dem das Unkraut der Konjektur wuchern durfte,
während die gesunden Pflanzen von den Strophenschneidern er-
bärmlich niedergesichelt wurden, da ward mir zu Mute, als
müfste ich dem Toten den Wunsch erfüllen, und ich habe auch
bei der Arbeit, die mir schliefslich sehr sauer ward, als besten
Trost das Gefühl jener Gemeinschaft der Seelen und der Liebe
gehabt, gegen die der Tod machtlos ist.
Das Buch sollte eigentlich nur die Textgeschichte geben,
also die Überlieferung erklären, deren Niederschlag mein
Text ist, und zugleich die Beschränkung des Apparates recht-
fertigen, die erreicht zu haben mir besonders wertvoll ist. Ich
wiederhole nicht, was ich vor meinem Kallimachos über meine
Auffassung von der Pflicht des Verfassers kritischer Noten gesagt
habe. Aus der Rechtfertigung bestimmter Schreibungen sind
dann die Beilagen erwachsen, wenigstens zumeist. Dafs einzelnes
zur Erklärung auch anderer Dinge untergelaufen ist, kann man
vielleicht tadeln. Ein Buch über die Person und die Kunst
Theokrits würde ich ganz anders angelegt haben ; aber das wäre
doch niemals zustande gekommen.
Ich werde sicherlich getadelt werden, dafs ich mich mit den
Meinungen anderer so selten auseinandersetze und Referenzen
nach dieser Seite kaum gebe. Selbst dem sehr fleifsigen Buche
von Legrand gegenüber habe ich die Rechnung gar nicht auf-
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Vorwort.
IX
gestellt, wie weit er das gesagt hat, was ich für richtig halte.
Gerade er hat durch die Belastung mit diesem gelehrten und
gelobten Beiwerke sein Buch — ich will sagen, unfranzösisch
gemacht, was ich als Verehrer der französischen Schriftstellerei
bedauere. Mir liegt gar nichts daran, ob ich die Wahrheit zu-
erst sage: ich bin Platoniker und denke nur an den Aöyog, nicht
an die X&yovreg. Aber ich will gar nicht leugnen, dafs manchem
Leser zu wenig Zitate gegeben sein werden; nur meine ich, in
der Zeit, die mich das Nachschlagen kosten würde, besseres
produzieren zu können.
Schliefslich hat mir gerade auch die Erinnerung an Kaibel
und an sonnigere Jugendtage von neuem nahe gebracht, wie viel
auch ich aus der Ferne dem grofsen Gelehrten verdanke, dem
ich dies Heft zu widmen wage. Die Sprache können (und er
kann zwei), die Stile unterscheiden, die echte Überlieferung finden
und verteidigen, aber auch ihre Schäden erkennen und anerkennen,
und dann die Konjektur üben, nicht nur mit den lehrbaren Hand-
griffen des Handwerks, die freilich gelernt sein müssen, sondern aus
der freien Kunst der nachschaffenden, aber wahrhaft schöpferi-
schen Divination: das war die Philologie, die Kaibel bei Franz
Bücheler gelernt hatte; er weckte in mir die Sehnsucht, unter
dieser Zucht gestanden zu haben, die mir sehr wohl getan haben
würde. Ich habe mich bemüht, das nachzuholen, soweit es an-
ging; aber das Gefühl, zu einem unerreichten Meister aufsehen
zu müssen, ist durch die Jahre nur gesteigert worden. Und so
möge der verehrte Mann die Widmung freundlich annehmen ; ich
kann sie auch im Namen des Freundes aussprechen, und das
wenigstens wird ihr Wert verleihen.
Westend 14. August 1905.
Ulrich von Wilamo witz - Moellendorff.
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Inhalt.
Seite
Textge30h.ioh.te. 1
Theokrit 1. 3—13 6
Theokrit 14. 2. 15—18 39
KvvCaxas Zqoüs 39
c&aQ/uaxtvTQiai 45
lUüjyiäCovocti 48
IlTolt/iaTos 51
Xagtres 56
'Elirtj ßl
Bltovoj tnnatftoe 66
Die Sammlung i I> (>9
Die Sammlung 77 84
Mosch os' EvQWTir) 99
Zusammenfassung 102
Die Überlieferung im Altertum 106
Beilagen.
1. Eigennamen 133
2. Strophische Gliederung 137
3. Zeitbestimmung der Gedichte Theokrit 3 151
4. Hyla8 und Aites 174
5. Dioskuren 182
6. Das vierte Epigramm 199
7. [Theokrit] i) 202
8. Lenai 209
9. Herakles 218
10. Einzelne Stellen.
a. Thyrsis 29. 30 . . • 223
b. Thyrsis 105 -107 229
c. 5, 73 235
d. Zum Herakliskos 237
e. Epitaphios Bions 16 241
11. Zu den Technopägnicen 243
Berichtigungen und Nachträge 251
Register 259
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Die Vulgata der griechischen Bukoliker stammt von Henri
Estienne'); sein Gutdünken hat, natürlich zum Teil nach dem
Vorgange älterer ebenso willkürlicher Herausgeber, die Reihen-
folge und die Zählung der Gedichte und auch die Dichternamen
im wesentlichen festgestellt, die seitdem durch die Macht der
Gewohnheit herrschen. Nur darin ist man, wiederum aus blofsem
Gutdünken und tatsächlich mit Unrecht, von ihm abgewichen,
dafs man die Technopägnien fortgeworfen hat. Es versteht
sich ganz von selbst, dafs jeder, der in dem Texte auf die
Überlieferung zurückgeht, vor der Anordnung und den erfundenen
Xamen nicht Halt machen kann. Rede man nicht von Rück-
sicht auf die Bequemlichkeit: es hat sich gezeigt, dafs die Träg-
heit, die sich von Ahrens nicht hat belehren lassen, immer noch
z. B. das Gedicht von Herakles bei Augeias mit Theokrit in Ver-
bindung bringt, und dafs Ausgaben des Theokrit gemacht werden,
die zwar den Erastes enthalten, der autorlos überliefert ist, aber
nicht den Epitaphios des Bion, der seinen Namen im Titel trägt,
ja die wohl gar seine Syrinx ignorieren.
Es hat eben die einzige wirklich wissenschaftliche Ausgabe,
die mit ganz unübertrefflicher Sorgfalt und mit bewunderns-
l ) Ich benutze die zweite Ausgabe von 1579; angebunden sind mit be-
sonderer Paginierung poemata variontm poetarum Graeeorrtm vel (ul Theocritus
sua voeavit) IdylUa und in Vigilianas et Nasonianas Theoeriti imitationes Obser-
vationen II. Stephani. Die Willkür dem grofsen Manne zum Vorwurf zu
machen, liegt mir naturlich ganz fern: es war ein Segen, dafs er den Mut
hatte und Sträufse band, nicht wie wir Herbarien anlegte.
Philolog. Untersuchungen. XVIII. 1
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wertem Scharfsinn die Überlieferung erschlofs, keineswegs den
Erfolg gehabt, den sie verdiente. Heinrich Ludolf Ahrens war
überhaupt ein sehr viel bedeutenderer Forscher als die meisten
seiner dazumal bewunderten Zeitgenossen, und seine Bukoliker
sind ihres Verfassers durchaus würdig. Gottfried Hermanns
Bio et Moschus hatte noch eben in wahrhaft abschreckender
Weise gezeigt, wie man es nicht machen soll. In der grofsen
Ausgabe von Ahrens war endlich zusammengefafst was sich nach
dankenswerten aber unvollkommenen Ansätzen für den Text
leisten liefs; es war durch den Begründer der griechischen
Dialektologie die grammatische Form der Dialektdichtung be-
reinigt, und in viel höherem Grade als es von irgend jemandem
damals auch nur angestrebt ward, war an der Hand der Scholien
die Geschichte des Textes im Altertume verfolgt. Wenn wir
jetzt sagen müssen, dafs eine Anzahl gerade der schönsten Ge-
dichte durch Ahrens bis zur Unverständlichkeit verstümmelt sind,
so hat er darin gerade dem Lieblingsirrtum seiner Zeit, der
namentlich durch Gottfried Hermann aufgebrachten strophischen
Gliederung, seinen Tribut gezollt. Gewifs ist schon darum eine
neue Ausgabe des Textes notwendig (die einzige billige ist ja
die kleine von Ahrens). Eine knappe Konstatierung der Über-
lieferung unter dem Texte ist auch nötig: man mufs vor Augen
haben, wie verschieden die Bezeugung in den verschiedenen
Partieen ist, wo die Konjektur zu arbeiten hat, wo nicht. Auch
eine Darlegung der Textgeschichte ist notwendig; die stumme
Sprache der kundigen Recensio wird zu wenig verstanden; das
hat Ahrens nicht minder als I. Bekker erfahren. Seine sehr viel
später erschienenen Abhandlungen im Philologus 33 ziehen neben
viel richtigen auch Schlüsse, die niemand billigen wird, der
die Handschriften selbst gesehen hat, und scheinen ihrem Erfolge
nach die Einsicht, die man aus seinem Texte gewinnen kann, eher
zu verdunkeln als zu erhellen. Wenn ich das Nötige zu leisten
versuche, so bekenne ich gern, dafs ich je länger desto mehr
auf Ahrens zurückgeführt worden bin, und wo ich meine, über
ihn hinausgelangt zu sein, ist's nicht durch das Verlassen, sondern
durch das Verfolgen seiner Bahnen geschehen. Dafs ich nicht
von ihm ausgegangen bin, sondern mühselig hintenherum, eigent-
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lieh erst als ich die Handschriften selbst las, die er nie gesehen
hat, mich zu ihm hinfand, erhöht nur die Verpflichtung, anderen
den rechten Weg zu weisen, aber auch die, in dankbarer Ehr-
furcht seinen Ruhm zu verkünden.
Dafs Ahrens so wenig durchdrang, lag zum guten Teile
daran, dafs die Ausgabe von Christoph Ziegler sich ein gänzlich
unverdientes Ansehen erwarb, weil man in ihr eine Anzahl
wichtiger Handschriften besser verglichen fand (obwohl Ziegler in
Wahrheit nicht einmal sicher zu lesen verstand 1 ) und es so schien,
als wären die mafsgebenden aus der bei Ahrens erdrückenden
Fülle ausgesucht. Auch ich habe mich in meiner Jugend ver-
führen lassen. In Wahrheit darf Ziegler nur als Vermittler jener
Lesungen betrachtet werden. Ein Herausgeber, der alle Hand-
schriften ignoriert, die er nicht gesehen hat, und ihre Lesungen
auf den Namen anderer Herausgeber setzt, kann überhaupt nicht
ernst genommen werden, und wer den Vaticanus 1824 beiseite
läfst und dafür seine Abschriften, ja sogar eine Abschrift der
Aldi na vergleicht, von dem kein Wort weiter.
Für eine Anzahl Gedichte hat Eduard Hiller ') die Über-
lieferung mit ängstlicher Sorgfalt festgestellt, in allem Mechani-
schen der Recensio ein sicherer Führer; aber weiter keinen
Schritt.
Das Endergebnis meiner Untersuchung über die Text-
geschichte habe ich in meiner Ausgabe von Bions Adonis bereits
ausgesprochen. Auf dieses Ziel strebe ich zu; die Nachwirkung
Theokrits und ihre Ausnutzung für die jeweilig herrschende Aus-
wahl und Gestalt seiner Gedichte zu verfolgen, ergibt vielleicht
auch für diesen Zweck etwas; aber ich habe die Literatur
*) Wie sehr das zutrifft, kann jeder au deu Stellen sehen, die Ziegler
am Schlüsse seiner dritten Theokritausgabe faksimiliert gibt, und besonders
in seinen Scholia Ambrosiana. Ich habe es vor K und M vornehmlich er-
fahren. Ein Beispiel hebe ich hervor, weil 0. Schneider zu Kalliniachos Fgm.
498 nun wieder das Zieglersche Faksimile falsch liest. Dieser hat ganz
gut nachgemalt was da steht; es bedeutet dipaio //q fls reiua mtav {ivtulov.
Den Fehler in ^ij tls kann ich nicht heilen, weil ich nicht ahne, wer „das
letzte Blut getrunken hatte"; für /uiiralov tox«iov ist der Pentameter zitiert.
-) Beitrüge zur Textkritik der griechischen Bnkoliker. Leipzig 1886.
1*
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darauf nicht durchgearbeitet. Die Handschriften habe ich,
sogar während ich sie in Händen hatte, lediglich als Vermittler
des Bukolikertextes betrachtet, den ich möglichst zuverlässig
geben möchte. Es wird sich ihnen von anderem Gesichts-
punkte aus noch sehr viel abgewinnen lassen. Wir haben ja
nichts Altes, sondern nur Zeugen jener Zeit, da die byzanti-
nischen Gelehrten die Texte der Poeten, an denen das Interesse
neu erwacht war, genau so behandeln wie die Humanisten Italiens
die lateinischen Dichter. Gerade die wichtigsten Bukolikerhand-
schriften enthalten noch sehr viel anderes und sind geradezu
Gelehrtenhandschriften. Wer also die Studien der Byzantiner,
ihre Hilfsquellen und Verbindungen, die Zentra der ganzen Be-
wegung erforschen wird, gewifs ein dankbares Thema, dem mufs
auch das von Wert sein, was für Theokrit schlechthin gleich-
gültig ist, dem Leser der Handschriften, der Theokrit sucht,
sogar unausstehlich. Jeder Schreiber betrachtet sich als Editor,
I er zieht, wenn er kann, mehr als eine Vorlage heran, und
bessert an dem Texte, den er vor sich hat, mindestens an dem
Dialekte. Jeder Leser macht es ebenso. Überall rinden sich,
wenn nicht Korrekturen, so doch Interlinearbemcrkungen. Steht
z. B. über einer Vulgärform die dorische, so kann das immer
ebensogut Vermutung sein wie Eintragung aus einer anderen
Handschrift; steht die attische Form über der dorischen, so
kann es sogar nichts weiter sein als Erläuterung. Die Aufnahme
all dieses Wustes in die Adnotatio hat bei Ahrens das Wesent-
liche geradezu verschüttet. Dazu ist eben der Herausgeber da,
die Kollationen zu sieben; er selbst vor allem, aber auch der
Leser, d$r die Adnotatio mitliest, mufs wissen, wie ein antikes
Buch und eine Byzantinerhandschrift, die eben kein Buch ist, im
allgemeinen aussieht, und alles, was zu ihrem allgemeinen Wesen
gehört, ist im Einzelfalle Adiaphoron. Aber was bei der Kon-
stitution der Adnotatio unter den Tisch fällt, ist dem, der die
Recensio macht, unentbehrlich, und ich wollte, ich verfügte noch
Über mehr Kollationen, sowenig ich glaube, dafs mir die bisher
bekannten Handschriften etwas helfen würden. Ich selbst habe
die italienischen geprüft und die wichtigen kollationiert, wo ich
nicht die Zuverlässigkeit der publizierten Kollationen erprobte.
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Anderes haben mir freundlichst Herr Professor L. Rademacher,
Fräulein M. Vogel und namentlich Herr Dr. F. Spiro verglichen.
Die Bukoliker sind in den Jahrhunderten 4 bis 6 n. Ch.
ganz besonders gern gelesen worden; die ägyptisch -gazäische i
Dichterschule ahmte sie ebenso gern nach wie die asiatische
Epigrammatik. Dann kommt die Zeit der Finsternis, und als
die Photios und Genossen die Studien wiederbeleben, steht die
Dichtung überhaupt im Hintergrunde, und vollends die Bukolik.
Erst die Eustathios, Gregor von Korinth, Tzetzes, Planudcs
finden wir im Besitze von Bukolikerhandschriften ; auf uns ist
keine davon gelangt, und nur weniges aus dem 13. Jahrhundert.
In jener Zeit fanden diese Gedichte sehr viel Anklang, wie ja
auch im Occident die Pastorale gleich mit Petrarca stark in
Aufnahme kommt. So sind' die Handschriften der Jahrhunderte
14, 15, 16 zahlreich und schon durch die Menge verwirrend;
auch an Drucken kann das 16. Jahrhundert nicht genug be-
kommen. Es ist zu hoffen, beinahe zu erwarten, dafs aus der
Masse noch ein wirklich nützlicher Kodex herausgefischt wird;
aber obwohl ich namentlich in Rom Dutzende von Handschriften
angesehen habe, ist mir nichts Neues von Bedeutung in die
Hände gekommen. Dafs die Zeiten, die an dem Idyll und
Schäferspiele so viel Gefallen fanden, weder für die Kritik noch
für die Erklärung Theokrits Bedeutendes geleistet haben, darf
nicht befremden: er ist zwar der Ahn dieser ganzen unwahren
Hirtenpoesie, aber nur durch Vergil und Longus; innerlich steht
er ihr ganz fern. Die sehr anerkennenswerten Bemühungen des
18. Jahrhunderts um seine Handschriften (von St. Amand, dessen
Papiere jetzt in Oxford sind, und von d'Orville) haben keinen
Abschlufs gefunden; ihre Ausnutzung in Gaisfords Poetae minores
lieferte gleichwohl den Engländern und Deutschen das Material
für ihre Konjekturen, deren Ertrag der Natur der Sache nach
nur gering war; aber doch ist das meiste emendiert, was sich
emendieren läfst. Wertvoll ward die Beobachtung des Sprach-
gebrauches und der formalen Kunstmittel; wie sollte man nicht
immer bei Meineke lernen? Die individuelle Kunst scheint mir
selbst jetzt, wo das sehr respektable Werk von Legrand vorliegt,
eigentlich noch nicht erfafst; aber diese anmutigeren und be-
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quemeren Pfade führe ich jetzt meine Leser nicht (oder erlaube
mir nur zuweilen einen Ausblick): es geht in das Dorngestrüpp
der Codices und der Varianten.
Theokrit 1. 3-13.
Wie Ahrens selbst richtig gesehen hat, bilden die Gedichte
Theokrits 1, 3—13 eine Gruppe, die ihre besondere Überliefe-
rung hat. Mit ihr mufs man anfangen. Die Handschriften, die
sie enthalten, reichen aber fast alle weiter; sie werden passend
gleich hier so weit beschrieben, als es für meine Zwecke über-
haupt erforderlich ist.
Der Ehrenplatz gebührt anerkanntermafsen dem Ambrosianus
K 222. Das ist eine dicke inhaltreiche Gelehrtenhandschrift, die
berufen ist eine grofse Rolle zu spielen, wenn die Studien, die
an Tzetzes anknüpfen, einmal verfolgt werden. Dessen Aristo-
phaneskomraentar steht ja darin, wie die Handschrift überhaupt
t an rarem Gute reich ist: ist sie doch der Ambrosianus der
j Olympien Pindars. Wohl möchte man den Ort kennen, der die
Vorlage dieses Pindar und dieses Theokrit bot. Denn dafs die
Abzweigung beider Texte von der übrigen Überlieferung noch
dem Altertum (das für solche Dinge bis zum Anfange des siebenten
Jahrhunderts reicht) angehören mufs, zeigen die Scholien beider
noch deutlicher als der Text. Text und Scholien dieses Theokrit
haben keine Deszendenz, keine unmittelbaren Verwandten. Der
Schreiber hatte leider eine sehr schlechte Tinte, so dafs man
oft nur mit Mühe lesen kann; auch ist die sehr flüchtige Ge-
lehrtenhand nicht bequem, aber mit Geduld und Aufmerksamkeit
kommt man durch; zu Zweifeln, wie sie Ziegler öfter bekennt,
ist kaum je Veranlassung. Der Schreiber ist natürlich nicht
ein blofser Kopist gewesen, er mag z. B. die Scholien selbst be-
rücksichtigt haben, aber schwerlich hat er eine andere Hand-
schrift zu Rate gezogen: die Varianten werden mit zu seiner
Vorlage gerechnet werden müssen. Obwohl wir oft genug allein
auf K bauen, wäre es doch unverantwortlich, nicht nur den
Kultus mit ihm zu treiben, wie er zur Zeit des Einquellen-
prinzips Mode war, sondern auch alle seine Schreibfehler im
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Apparate zu verewigen. Er enthält und zählt durch fortlaufende
Nummern Theokrit 1, 7, 3-6, 8—14, 2, 15, 17, 16, natöixöv
a', irnygafifiata, jtTigvysg, niXexvg. Ich habe die Lesungen
yon Ziegler durchgehends revidiert und ergänzt.
Neben K würden wir den Kodex von Padua stellen, den
ich B nenne, wenn wir ihn noch besäfsen. Er gehörte dem
Paduaner Gelehrten Paolo Capodivacca, den Markos Musuros
gräzisiert Bukaros oder Bukephalas nennt 1 ). Musuros hatte
die Handschrift benutzt und die damals noch nicht gedruckten
Gedichte der Tradition 77 abgeschrieben, aber auch in den
andern hier und da Lesungen in seine Aldina eingetragen.
Sein Material ist je nach Gutdünken in den beiden Theokrit-
ausgaben von 1516 benutzt, in der römischen des Zacharias
Kallierges (Call) und noch ausgiebiger in der von Boninus be-
sorgten Florentiner des Giunta (Iunt)'). So haben diese Aus-
gaben früh sehr viel Gutes dargeboten, freilich im Dialektischen
ganz unzuverlässig und vermischt mit Konjekturen des Mu-
suros und anderer. Wie nicht selten ist im 19. Jahrh. ein
Rückschritt getan, indem man zugunsten der schlechteren
Handschriften, die man selbst hatte, das Bessere verschmähte,
weil man den Drucken nicht traute. Für die Gruppe 1, 3—13
kommt B, so wie wir ihn kennen, kaum in Betracht, obwohl
die merklichen Übereinstimmungen mit K auf ihn zurückgehen
müssen *). Nur hat die Iuntina die Gedichte gegen ihre Vorlage
(das war, wie auch bei Kallierges, eine der im übrigen wertlosen
Aldinen) umgeordnet und dabei mit 1, 7, 3—6, 8 — 13, 2, 14—18
sich K in einer Hauptsache genähert: das kann nur auf Grund
von B geschehen sein. Leider ist Stephanus dabei nicht geblieben.
Es folgt eine Handschriftengruppe, welche besonders deut-
lich zeigt, dafs die Gedichte 1, 3—13 nicht dieselbe Überliefe-
l ) Über ihn Hiller, Beiträge zur Textgesch. der Bukoliker 3 und Val.
Rose in der Vorrede seiner Anacreontea.
9 ) Ich habe die Drucke zwar in der Hand gehabt, hänge aber ganz
von Ahrens ab.
3 ) Z. B. in 13, 31 uqotqu K Iunt gegen üqotqov der übrigen (falsch: zu
einem Pfluge gehören zwei Ochsen), 51 trafyois K Iunt gegen ti«T()os (vichtig),
52 nvtianxos K Call gegen nlevotixo; (falsch).
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rung haben wie die folgenden. Sie hat folgende Änderung: 1,
5, 6, 4, 7, 3, 8 — 13. Auf diese ist beschränkt Parisinus 2884,
Q, vom Jahre 1298. Neben der guten Vergleichung, die Ahrens
mitteilt und auf Grund deren ich mir das richtige Urteil ge-
bildet hatte, verfüge ich nun durch die Güte des Herrn Dr.
C. Wendel in Greifswald über dessen erschöpfende Kollation, die
Q noch näher an seine Verwandten rückt.
Vaticanus 38 vom Jahre 1322, 3 in dem Apparate des
St. Amand und danach bei Ahrens, c in dem d'Orvilles; ich
nenne ihn T und habe ihn durchverglichen. 1 — 13 in der an-
gegebenen Folge, 2, 14, 16 als Eintrag anderer Herkunft kenntlich.
Laurentianus 32, 37, P, 14. Jahrhundert. Er enthält auch
Pindars Olympien und Pythien, wo er E heifst. Nichts zu tun
hat mit der eigentlichen Handschrift was auf dem Vorsatzblatte
steht, Syrinx und V. 1—18 der Dioskuren. Dann steht 17,
durch leere Blätter abgesondert, 1 — 13 in der Ordnung von QT V,
danach 14, 2, 'Emrayiog Bicovog, 16.
Vaticanus 1824 ist ehedem einmal als zweites Stück mit
1825 zusammengebunden gewesen, der auch den Thcokrit ent-
hielt; dann lösten sich die letzten Lagen, viele sind verloren,
und der Rest ist der jetzige 1824; der beginnt aber erst mit
3, 51, was vorhergeht (1. 5. 6. 4. 7), steht am Schlüsse von
1825, wohl zu sondern von dem Theokrit 1 — 18, der dort vor-
hergeht und von mir als U bald besprochen werden soll. Ist
hier schon eine Verwechselung sehr nahe gelegt, so wird es noch
schlimmer dadurch, dafs die Handschrift von St. Amand bis Hiller
23 genannt ist: ich sage V. Es ist eine flüchtige und häfslichc
Kopistenarbeit aus dem 14. Jahrhundert, dem Ende, wie mein
wenig mafsgebliches Urteil ist; Eintragungen späterer Hände
fehlen nicht. Der Wert aber ist für alles, was auf 1, 3 — 13
folgt, sehr grofs; doch das wird an seinem Orte behandelt werden.
Die erste Gruppe stellt sich durch die Reihenfolge der Gedichte
zu PQT; auch die Verwandtschaft des Textes läfst sich an der
genauen Vergleichung von 3 bei Ahrens erkennen. Bedeutend
kann also der Wert der Lesungen für die Recensio schwerlich
sein; immerhin bedaure ich, namentlich um des Triklinios willen,
nicht mehr verglichen zu haben.
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In dem, was auf Thcokrit 1.3—13 folgt, ist die Handschrift,
die sich Triklinios selbst geschrieben hat, ein Bruder von V und
daher unschätzbar. Da er auch in der Ordnung von 1. 3—13
zu ihm stimmt, ist anzunehmen, dafs die Übereinstimmung weiter
geht; indessen hat Triklinios, der sich ja einen Text zu kon-
stituieren ein Recht hatte, so gut wie unsereiner, sowohl anderes
herangezogen (z. B. mehrere Technopaegnia) wie aus eigenem
geändert. So wird man zwar gern seine Übereinstimmung mit
B oder K einzeln notieren, aber bestimmend kann er auf die
Recensio nicht einwirken. Sein Autograph ist der Parisinus 2832,
M bei Ahrens und Hiller; ich ziehe vor Tr zu sagen. Eine ge-
naue Beschreibung der Handschrift hat kürzlich Omont gegeben 1 )
(Rev. de Philol. 28, 128).
>) Sehr merkwürdig ist es, dafs neben den Technopägnien sich Minia-
turen fiuden, Theokrit dem Pan seine Syrinx überreichend. Omont hat sie
aus dem Altertum hergeleitet, scheint aber in der Association pour les ctudes
Grecques auf Widerspruch gestofsen zu sein (Rev. des Et. Grecques IG, 49fi).
Der Text der Syrinx ist der gemeine der Bukoliker Überlieferung; das macht
die Erhaltung Ton antiken Miniaturen wenig wahrscheinlich. In der Zeit,
da Pediasimos und Ilolobolos an eben dem korrupten Texte der Gedichte
fruchtlos ihren Scharfsinn übton, ist eine Illustration mit dem Pinsel sehr
gut denkbar, und wenn man berücksicktigt, dafs jene Byzantinerzeit nicht
nur in der Prosa so gut zu antikisieren verstand wie Theodoras Metochita,
sondern auch so edel zu malen, wie die Grabkirche des Theodnros zeigt
(die Kahrieinoschee), so kann man den Illustratoren auch etwas zu-
trauen. [Seit ich dies schrieb, hat Omont die Bilder in den Monuments
Piot XII 1 herausgegeben. Mein Urteil ist bestätigt. Die Syrirx ist
eine Flöte mit sieben Löchern, Pan hat einen Stierkopf, Theokrit eine
eng anliegende, unter dem Hals zugebundene Kappe; ich dächte, sie käme
bei Bauern der Renaissance, auch in Deutschland, vor. Apoll, der übrigens
recht gut steht, ist ganz bekleidet und scheint wie ein Heiliger ein Tempelchen
in der Linken zu tragen. Dafs der Altar des Dosiades gar nicht geweiht
wird und 'der Chrysa gehört, also mit Apoll gar nichts zu tun hat, ist
dem Illustrator gleichgültig gewesen, der eine Parallele zur Dedikation der
Syrinx machen wollte. Die Illustration wird zu der Erklärung des Holo-
bolos gehören, die auch dabeisteht.] Übrigens bezweifle ich nicht im ge-
ringsten die Existenz illustrierter Theokritansgaben, im Gegenteil, ich glaube,
wir besitzen noch ein Titelblatt, übertragen auf den Psalter. Denn wenn
David, ganz als antiker Hirt, unter Assistenz der JYltXoMa die grofse Leier
(das ist freilich \puli riqiov statt av^iyi-) spielt, während die Herde ruhig
grast, Echo aber hinter einer Säule mit Dreifufs darauf lauscht, so scheint es
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Endlich die Handschriften, die die Verwirrung der Ordnung
dadurch vollenden, dafs sie die Pharmakeutriai an den zweiten
Platz werfen; den Grund hat wohl die Länge und der Reiz des
Gedichtes gebildet.
Sehr wertvoll sind zwei nahe verwandte Handschriften des
14. Jahrhunderts,- der Vaticanus 913, H (h bei d'Orville-Ziegler,
6 bei St. Amand-Ahrens), eine recht unsauber und hastig ge-
schriebene, vielfältig korrigierte Gelehrtenhandschrift, die nichts
als Theokrit enthält, und zwar 1 — 15, 18, 'Emx. Blcov., 28 und
die ersten Verse von 29, die bei der Tradition il behandelt werden.
Es war sehr nötig, sie genauer zu vergleichen. Dasselbe gilt vom
Lauren tianus 32, 16, S, am 4. Januar 1423 von Fr. Filelfo in
Konstantinopel von der Witwe des loh. Chrysoloras gekauft und
daher frtlh in Italien bekannt und Vater einer zahlreichen
Deszendenz. Es ist eine umfängliche Sammelhandschrift: Hesiod,
Oppian, Apollonios, Nikandros stehen darin, übrigens auch etwas
so Rares wie Auszüge aus der Theosophia des Aristokritos, da-
neben Auszüge aus Briefen von Planudes. Von Theokrit stehen
zuerst 1 — 14, dann der Epitaphios Bions und nach einem leeren
Räume 15 — 18. An einem ganz anderen Orte, vor dem Nikander,
steht Moschos' Europa und ^Egcog dQajzitrfg y mit dem Namen
des Dichters bezeichnet (aus der Anthologie, wie wir sehen
werden), und die anonyme Megara. Es liegt an dieser ganz zu-
fälligen Nachbarschaft, dafs diese dem Moschos beigelegt worden
ist, an der Deszendenz dieses Kodex, dafs Ahrens von Codices
Moschei geredet hat. Der Epitaphios Bions steht zwar auch in
S, aber abseits, und seine Zuteilung an Moschos bei Stephanus
hat nur den Grund, dafs der Name Theokrits, obwohl er
überliefert war, aufgegeben ward: dann mufste eben Moschos
der Verfasser sein. Übrigens hat Stephanus noch Moschos
vor Bion rangiert, was dann wieder um des Epitaphios willen
mir evident, dafs dies eine Erfindung, und schon eine recht alte, ist, die den
ßovxolo; darstellen wollte. Ich kenne das Bild aus Wickhoffs Wiener Genesis
S. 88. Bethes vorschnelle Deutung des Epigramms Silos 6 Xios auf ein
Porträt scheitert an us xad* tyQttipa: das deiktische Pronomen zeigt das
Buch, auf dessen Titelblatte das Gedicht steht. Wenn es für ein Porträt
gemacht wäre, würde es heifsen os iviav&n ytyqttfi/Htt.
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geändert ward, bis Büchcler mahnte, dafs die überlieferte Reihen-
folge Moschos vor Bion setzt, und zwar mit Recht.
Diese beiden Handschriften gehen in Gutem und Bösem so
oft zusammen, dafs für ihren gemeinsamen Bestand, 1—15, 18,
'Emr. Blcw., gemeinsame Grundlage sicher ist; das Eigene wird
aus Varianten der Vorlage stammen. Beide Schreiber dachten,
während sie kopierten, änderten also auch aus Vermutung. Da
beide Handschriften von Gelehrten nicht nur stammen, sondern oft
gelesen sind, haben die späteren Eintragungen gar nicht selten
das Wahre getroffen, wohl überwiegend aus Vermutung. Stimmen
aber beide übereio, so mufs das in demselben Sinne als Über-
lieferung gelten wie die Übereinstimmung PQT.
Auch eine Sammelhandschrift, umfänglich und reich, ist der
Vaticanus915 (m bei d'Orville-Ziegler, 9 bei St. Amand-Ahrens,
bei mir M), 14. Jahrh. Es ist der 0 des Theognis, auch für
Musaios, Ps. Phokylides u. a. von Belang, übrigens stehen auch
Tzetzes' homerische Gedichte und Auszüge aus Eustathios zum
Periegeten darin. Er enthielt einmal Theokrit 1—17, jetzt fehlt der
Anfang bis 2, 4, dann 3, 7 bis 5, 58, und 13, 69 bis 15, 70. Auch
sonst ist das Papier (s. g. Bombyx) sehr zerfasert, und er befand
sich in der Handschriftenklinik, aus der ihn mir und noch später
Dr. Spiro, der ihn für mich einsehen wollte, die grofse Güte des
Padre Ehrle kommen liefs. Auf 17 folgen Theokrits Dioskuren
(22) und das Gedicht von Herakles bei Augeias, aus der Familie
$ entnommen. Dann stehen an anderem Orte, passend neben
Musaios, die Europa des Moschos, endlich Syrinx, Altar des
Dosiades und nvegv/eg. M darf in 1. 3—13 für die zweitbeste
erhaltene Handschrift gelten.
Ferner das älteste Bruchstück einer Theokrithandschrift,
Vaticanus 40 (8 bei St. Amand und Ahrens; 0 von mir genannt)
aus dem 12. Jahrhundert; nur 5, 62 — 8 ist erhalten. Der
Text gehört ganz in diese Sippe, am nächsten zu den folgenden,
und hat Fehler in Überflufs, weshalb er ganz verachtet war. Um
seines Alters willen habe ich ihn genau verglichen; er gibt auch
in ein paar wenig bedeutenden Fällen das Richtige.
Die Gedichte 1—18 in der Reihenfolge, die auf unsere
Ausgaben übergegangen ist, stehen in drei Handschriften.
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— 12 —
Zwillingsbrüder sind E, Vaticanus 42 (e bei d'Orville-Ziegler,
5 bei St. Ainand- Ahrens) aus dem 14. Jahrhundert, und der
Ambrosianus A (G 32) gleicher Zeit. Beide weichen aufser in
Doppellesarten oder durch spätere Eintragung kaum ab; in allen
Einzelheiten, wo ich den oder jenen eingesehen habe, stellte
sich das heraus. E hat als Überschufs die Syrinx. U nenne
ich den Vaticanus 1825 (4 bei St. Amand- Ahrens), über den
oben bei V schon berichtet ward. Ahrens teilt nur wenig Les-
arten aus U mit, aufser zur Helene, 'wo ich auf ihn zurück-
komme. Auch ich habe nur einzelnes notiert, dann eine Anzahl
charakteristischer Stellen aus dem Thyrsis und Ptolemaios
durch die Güte von Dr. Fr. Spiro einsehen lassen. Danach
stellt sich U mehr zu P Q T. Aber mit A E teilt er am Schlüsse
das barbarische Gedicht als Unterschrift, das Ahrens Buc. II, 3
gedruckt hat:
Iifu/Jöa 8e6y.Qite ooyiöv öiojv xoifidwoQ
xai xoxdöaw änvüv ahtole pr)>täöcov y
vag 'EXixcovirldeg ßovdvai $Qiipav xa?Mouog,
ov jieqI fidvÖQav Mvv rerfv, äkkä onooddag
öo£(ov ovvü.E§a xal ig fäav rjyayov fxdvÖQav
ßovxoXixäg fioloag, at yti>vtjiua aid-ev
ov siXbiovcov d'taetvyov, inel ye [töfag xal rcövde.
Das besagt also in Nachahmung des bekannten Gedichtes
von Artemidoros, dafs der Verfasser dieser wilden Disticha (der
sich toller Weise an ojtovöeid&vveg versucht 1 ), eine Sammlung
von Theokritischen Gedichten angelegt hat, weil er die von
Artemidoros angegebene nicht mehr vorfand.
Stünde dieses Epigramm nur in A E U, so würden wir es
ohne weiteres für den Urheber dieser Sammlung (1 — 18) in An-
spruch nehmen. Nun findet es sich aber auch in P und zwar
hinter 14, vor 2. P hat aber 1, 3—13 mit QT gemeinsam.
l ) Die Silben sind nicht gezählt; der Verfasser weifs nicht einmal (so
wenig wie Klopstock, Hebbel und die meisten Deutschen, die jetzt angebliche
Disticha bauen), dafs die zweite Hälfte des Pentameters sieben Silben haben
mufs. Fest ist der Accent auf der vorletzten im Hexameter und Penta-
meter, der sechsten Silbe im Hexameter. Vielleicht wird die Kenntnis der
verwilderten byzantinischen Metrik die Verse einmal datieren.
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Wir werden denselben P in 14. 15 mit K verwandt finden; auch *
in 2 ist davon eine Spur. Meist aber hat er da wie in 16. 17
denselben schlechten Text wie in A E U. Also mindestens drei
Ingredienzien hat sein Urheber für seinen Mischtext verwandt,
natürlich zuweilen auch in dem ersten Teile. Auch T hat über
die erste durch Q vertretene Sammlung 2. 14 — 16, wie P, ohne
sich mit dem zu decken. Auch M hat das Epigramm, am Rande
neben dem schlechten Texte des Herakles, den er aus einer ganz
anderen Sammlung (0) genommen hat; er hat es also ohne Zweifel
von der Stelle, wo es in seiner Vorlage stand, an den Schlufs
des letzten Gedichtes gerückt, das er hatte auftreiben können.
Grundverschieden von AEU in 1.3 — 13, teilt er doch mit ihnen
die Anordnung und bringt in 2. 15 — 17 im wesentlichen den-
selben Text. Aber 18 haben weder P noch T noch M aufge-
trieben, obwohl sie alle ein Plus über die Gruppe der zwölf
Gedichte haben. So kann das Epigramm für die ganze Samm-
lung 1—18 nicht in Anspruch genommen werden; es bleibt un-
sicher, was sein Verfasser über 1. 3 — 13 und 2 (dem er seinen
Platz hinter 1 gab) hinaus bereits hatte; ich denke 14 — 16. H S,
deren gemeinsamer Bestand 1 — 15, 18 ist, teilen mit der Samm-
lung des Epigramms den Platz von 2 und die Redaktion von
18 mit AEU; unabhängig sind sie also nicht. S ist auch in
16. 17 von dieser Familie. Wer sich dies klar macht, dem mufs
einleuchten, dafs es in der früheren Humanistenzeit der Byzan-
tiner, vom 12. bis 14. Jahrhundert nicht anders zugegangen ist
als im 15. und 16. Jahrhundert, dessen Handschriften wir meist
beiseite lassen, weil diese kontaminierten Texte nur täuschen.
Es bemühten sich die Gelehrten auch vor Boninus, Kallierges,
Musuros, Triklinios, den Bestand der Gedichte zu mehren und
ihren Text zu reinigen. Es mag sein, dafs minutiöse Prüfung
die Relationen unserer Vertreter der älteren Zeit noch genauer
aufzeigen kann. So viel ist klar, dafs man im 12. Jahrhundert
in den interessierten Kreisen für die Gedichte 1, 3 — 13 eine
gröfsere Anzahl von Handschriften besafs und sich mit Erfolg
nach mehr umsah; wir würden es sehr viel leichter haben, wenn
wir wenigstens eine der damals zur Ergänzung aufgetriebenen
Handschriften hätten.
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Man hat wohl bald mindestens 2 und 14 gefunden, dann
15—18, aber der eine dies, der andere jenes, wenn auch im
Grunde alles auf eine einzige Rezension zurückging. Sehr viel
glücklicher, wem ein reicherer Kodex in die Hand fiel, der zu-
gleich auch reiner war, wie K, der aber gar keine nahen Ver-
wandten hat, oder der noch reichere B, oder die Vorlage von V.
Diese hat auch dem Triklinios zu Gebote gestanden, daneben ein
Kodex von 1, 3-13, der manches Gute mit KB gemeinsam
hatte.
Nehmen wir denn die erste Gruppe der zwölf Gedichte vor.
Da fragen wir zuerst nach ihrer Anordnung, die ja schwankt.
'* Indessen dafs der /utfiog ywcuxeTog der ^ag/mxevtQiai aus dieser
bukolischen Reihe definitiv ausscheidet, ist schon eine wichtige
Sache. Neben K B und dem Ahnen der Gruppe P Q T lehrt das
auch Stobäus, der offenbar selbst Verse aus 1, 3— 14 ausgehoben
hat, nicht aus 2, soviel ihm dieses Gedicht auch bieten konnte.
Auch das vielbesprochene Zeugnis des Servius in der Einleitung
seines Kommentars zu Vergils Bucolica erledigt sich einfach, denn
die decem eclogae mere rusticae, von denen er spricht, sind eben
die ersten zehn, die als ßovxofaxä an der Spitze stehen und der
ganzen Gedichtsammlung des Theokrit ihren Namen verliehen
haben; mit dem 'Alrrjg ändert sich der Charakter. Der Kyklop
ist zwar ein mythischer ßovxöXog, aber bei ihm ist die rusticitas
besonders stark aufgetragen. Aufser der Stellung des Thyrsis
am Anfang 1 ) ist die Reihe 8—13 einhellig überliefert; 7 aber
steht in KB, an sich den besten Zeugen, an zweiter Stelle, die
ihm auch zukommt, da hinter dem Gedichte auf den Stifter der
Gattung das persönlichste, übrigens auch längste Gedicht am
passendsten Platz findet. Und zwischen den Wettkämpfen 6, 8, 9
') Die Hypothesis des Thyrsis erörtert die Frage, warum er hierher-
gestellt sei, nicht etwa von dem Dichter selbst, sondern von den Heraus-
gebern, und bemerkt, hier stürbe Daphnis, 6iu M tov i$fjs <as {wtos uvtov juvrjuo-
vtvti. Das kann nur auf G. 8. 9 gehn, in denen er Person ist. Meineke hat
daher iwv ^^'geschrieben; das ist überflüssig, Jio iov i£f)s heifst 'im fol-
genden 1 , der Artikel flektiert das Adverbium. In 7, dem in Wahrheit folgen-
den Gedichte, wird Daphnis als der Vergangenheit angehörig, also verstorben
erwähnt 73.
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— 15 —
darf es keinesfalls stehn bleiben. Wie 3, 4, 5 zwischen 7 und
6, 8 — 14 unterzubringen sind, ist nicht so sicher, da PQT, SH
nicht zu KB stimmen, aber diese werden doch den Vorzug ver-
dienen: die Wiederkehr des TivvQog von 7 in 3, der Amaryllis
von 3, wo sie lebt, in 4, wo sie tot ist, sichert diese Folge, und
5 eröffnet passend als längster die Wettgesänge.
Überblickt man nun die Varianten, so ist das wichtigste,
dafs sie den Eindruck eines einheitlichen und durch grammatische
Kontrolle aus dem Altertum gesichert überlieferten Textes machen.
Die Scholien sind ja mitüberliefert, und ihr Wert ist gröfser
durch die Garantie des Textes als durch die kontroversen und
seit alters verdorbenen Stellen, die sie besprechen. Sie sind
freilich ordentlich noch nicht ediert, da Ahrens das Material
nicht hinreichend bekannt war, und besonders bedenklich sind
gerade die oft auf geringe Bezeugung hin von ihm verzeichneten
Varianten ohne weitere Besprechung, die schwerlich alle ins
Altertum hinaufreichen 1 ); aber zumal seit die ambrosianische
Redaktion K hinzugetreten ist, kann man doch bei einiger Vor-
sicht gut mit den Scholien operieren; man mufs es freilich an
anderen gelernt haben.
Wenn ich den Text einheitlich nenne und zugleich darüber
klage, dafs die Handschriften wegen der Masse von Abweichungen
und Doppellesungen mühselig zu vergleichen wären, wenn die
Herstellung der Adnotatio auch wirklich eine äufserst penible Sache
war, so scheint das ein Widerspruch. Man mufs sich darüber
klar sein: Was ist ein einheitlicher Text? Wenn man jetzt von
den Varianten im Piaton viel Wesens macht, weil sich heraus-
gestellt hat, dafs nicht nur von B und T die zweiten Hände
genau so gut antike Überlieferung geben wie die ersten, und
dafs nicht nur W hinzutritt, sondern manches andere, so be-
einträchtigt das in keiner Weise, dafs wir einen wunderbar ein-
heitlichen Piatontext haben, eine einzige Ausgabe des Altertums,
der gegenüber Stobäus und die Neuplatoniker eigentlich auch
noch nichts Verschiedenes geben, wohl aber wirklich alte Zitate
l ) Auch in den Tragikerscholien, z. B. im B des Euripides, aber auch
am Rande des Marcianus, z. B. in den Phönissen, findet man solche spätere
Varianten, die teils Lesefehler, teils Konjekturen sind.
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— 16 —
und vollends die Papyri des 3. Jahrhunderts. Es wäre dringend
zu wünschen, dafs sich die Kritiker Piatons daran gewöhnten,
all das, was nur Deutung derselben Überlieferung ist, und auch
die ganz pusillen Abweichungen, hier ein Artikel, dort ein Par-
tikelchen mehr oder weniger, eine Haplo- oder Dittographie, bei
der Frage nach der eigentlichen Textgeschichte beiseite zu
lassen: für die Herstellung des Wahren macht ein ovv oder 6i
sehr viel aus, für die Bewertung der Handschriften kaum je.
Wortabteilung und Prosodie sind niemals Überlieferung, aber in
dem Augenblicke, wo sie zugefügt wurden, brachte das ovi&iv
unverweigerlich eine Anzahl Änderungen mit sich, da man doch
eben durch das avitßiv einen Text konstituierte, den man ver-
ständlich machen, also selbst verstanden haben wollte. Bei
Piaton stehn wir sofort im 9. Jahrhundert: Theokrit hat diese
Arbeit der byzantinischen Textmachcr mehrere Jahrhunderte lang
erfahren, ehe wir eine Handschrift von ihm erhalten. Daher
wimmelt es auf der Oberfläche von kleinen Abweichungen; aber
der Grund, auf den es ankommt, ist einheitlich. Halte man da-
gegen die Überlieferung der Europa, der Megara, die wir nach-
her besprechen werden: da ist jede Handschrift zugleich eine
andere Rezension; sehe man auch nur die Gedichte 14 — 18 an,
die eben deshalb eine besondere Gruppe bilden, weil wir eine
doppelte Überlieferung unterscheiden. Hier dagegen gilt die Regel,
dafs man einer vereinzelten Lesung mifstrauen mufs, weil sie
vereinzelt ist, obwohl auch das gilt, dafs jeder Zeuge der Über-
lieferung allein etwas Echtes erhalten haben kann. Daher eben
gehört Urteil zu der Recensio.
Gesondert zu betrachten sind also die hin- und herschwan-
kende, nicht fördernde, sondern nur verwirrende Tradition des
Äufserlichen, wo die Aufgabe einer ordentlichen Adnotatio ist,
wegzuwerfen, und die in das Altertum reichende Grundlage des
Textes, wo es gilt, nichts umkommen zu lassen.
In einem dialektischen Texte kann mit der Accentuation
wenigstens einzelner den Grammatikern merkwürdiger Wörter
und Formen gerechnet werden; dafs keine durchgehende Dori-
sierung der Accentuation vorhanden war, entsprechend den
Regeln, die wir sonst darüber hören, steht aufser Zweifel. Die
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Scholien geben nur zum ersteu Gedichte reichlichere Bemerkungen
über die Prosodie (zu 1 die rare Psilose von äöv\ 50 (jzaidiov),
83 (gpoo?/rcu), 110 (Tgcbag), 112 (Unterschied von avdarji Kon-
junktiv und otaarji Futur); sonst noch 3, 10 yvidi, 51 xetpäXav;
beides befremdlich.
Auf die Accente, die die Byzantiner gesetzt haben, kann
nicht viel ankommen, aber es ist doch nicht wohlgetan, z. B. mit
Meineke nach Herodian Travel rovxel mit dem Circumflex zu
versehen, wenn der Akut durchgehends geschrieben wird: seine
Urheber können doch einen Kanon gehabt haben, den wir nicht
mehr besitzen. Die Accente im Hesychios, die dieser nach
Herodian gesetzt zu haben angibt (Diogenian gab also keine:
die Dialektglossen sind ohne sie aufgezeichnet), werden auch nicht
nur sehr verdorben sein, wie die Handschrift in allem ist, sondern
gar manches vollkommen willkürlich, wenn das Wort bei Herodian
nicht vorkam. Gleichwohl müssen wir konservieren was wir haben, • ^ "
weil wir das Falsche nicht aussondern können. Nichts kann an i
sich törichter sein als das dorische d>g übt zu behandeln als
wäre es äg quam, das ohne Accent zu lassen eigentlich auch
absurd und wider die antike verständige Grammatik ist, die
keine Atona kennt; aber mindestens jetzt ist es geraten, den
Byzantinern zu folgen, freilich mit der Einsicht, dafs man es tut.
Vielleicht wird es einmal anders, wenn das wichtige und ganz
vernachlässigte Gebiet der Prosodie von einem kundigen modernen
Grammatiker bearbeitet ist. Die Theokritüberlieferung läfst dem
Heta seine Kraft im Falle der Krasis und Elision. Das war
nicht immer so, wie Apollonios mit einer Reihe Beispielen belegt.
Ich habe gleich bei Entdeckung des Oxyrynchosbruchstückes des
Hylas darauf hingewiesen, dafs dieses zu Apollonios stimmt im
Gegensatze zu unseren Handschriften; das ist das einzige Wert-
volle an dem Bruchstück, das sonst denselben oder einen schlecht
variierten Text zeigt, ebensolche Varianten, wie wir sie zwar schon
in 14—18, aber in dieser Gedichtgruppe nicht haben; worüber
wir uns freuen können, wenn's keine besseren gab als die von
Oxyrynchos x ).
J ) Papyr. Oxyr. 694. v. 19 xw, #w unsere Codd. 30 itaw «T 5q/*ov
?9(vto Codd., pquov Xxovio Ox. 34 Itiftwv yuQ tstfiv exeiro Codd., kUfttov
Fhilolog. Untersuchungen. XVIII. 2
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— 18 —
Was nun den Dialekt uud die Wiedergabe seiner Laute in
der Schrift angeht, so steht es hier für die Gewinnung des
Wahren mifslich genug; sich im ganzen klarzumachen, was
wir erwarten müssen, ist die Vorbedingung für die Behandlung
des einzelnen. Rechnen wir zunächst mit dem, was später nach
Ahrens gezeigt werden wird, dafs die Konstituierung des Textes
erst zwei Jahrhunderte nach Theokrit stattgefunden haben kann,
also eine ganz unkontrollierbare Zeit dazwischenliegt, in der
aber der Volksdialekt aller Orten sehr stark heruntergekommen
war, so dafs Theokrits Nachahmer eigentlich gar kein Dorisch,
sondern verwildertes Theokritisch schreiben. Es ist schon sehr
anzuerkennen, dafs dank der diplomatischen Konstituierung seines
Textes der Unterschied zwischen Theokrit und Bion und Ge-
nossen handgreiflich ist. Unser Ziel aber kann kaum je ein
anderes sein als die Herstellung der so spät konstituierten Aus-
gabe. Denn mit dem, was wir auf anderem Wege über die Doris
seiner Zeit ermitteln, dürfen wir hier nicht in der Weise ope-
rieren, wie wir etwa im Herodot oder im Alkman das trotz
der Überlieferung für richtig halten, was echt ionisch oder
lakonisch ist. Denn er schreibt nirgend naiv die eigene Sprache,
sondern ist bereits Dialektdichter im Unterschiede zu der ge-
bildeten Weltsprache, die er selbst im Salon redet. Er würde
vielleicht gar nicht imstande gewesen sein, einen reinen Dialekt
zu schreiben, gesetzt, er hätte das beabsichtigt. Er stammte
aus Syrakus, also aus einer Stadt, die an ihrer Mundart fest-
hielt; diese war längst durch Epicharm und Sophron literarisch
ausgebildet, und zumal an Sophron hat Theokrit gelernt 1 ). Aber
er hat die längste Zeit seines Dichterlebens im Auslande gelebt
und für ausländische Kreise gedichtet. Kos war zwar dorisches
Sprachgebiet, aber ebendarum mufste diese Doris unmerklich
auf ihn einwirken. Aber er war auch durchaus Kunstpoet, der
oytv nttQ&uto Oi. Die bösen Verse 23. 24 stimmten zu unserer Überliefe-
rung. Vgl. die Beilage Hylas.
l ) Auf Epicharm hat er das Epigramm gemacht, als Syrakus ihm eine
Statue setzte; er lobt an ihm seine yvüixm ßmifiltTg, also das, was höch-
stens bedingt epicharmisch war. Selbst deren Benutzung ist in den Ge-
dichten nicht kenntlich.
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— 19
sich im Episch-ionischen (nicht im Dialektisch- ionischen, wie es
nach dem Vorgange des Kallimachos sein Nachahmer Herodas
später tat 1 ) und im Äölischen versucht hat, der auch das
Lakonische des Alkman und die alte Lyrik, Pindar und Simo-
nides studiert hatte. Selbst abgesehen von der Einwirkung der
epischen Sprache, die in epischen Versen selbstverständlich und
überall bemerkbar ist, ist von vornherein gar kein einheitlicher
Dialekt zu erwarten, am wenigsten das, was in dem einen Ge-
dichte zu finden ist, auf die anderen zu übertragen. Die Ver-
suche, äolische Lieder zu machen, sind notorisch nicht besser
gelungen, als in einer Zeit zu erwarten war, die kaum die ersten
Anfänge zu wissenschaftlicher Dialektforschung machte. Man
dürfte den Theokrit auch sonst für Mifsgriffe kaum schelten.
Ein solcher liegt vielleicht in der Quantität des a vor, wenn er
1, 78 igaoai, 2, 149 eoarat an den Hexameterschlufs setzt. Denn
die Verdoppelung des o, mit der einige Handschriften helfen
wollen, ist nur schlechter, und die jetzt beliebte Betonung igä-
ocu igdtai (was eigentlich iQfjvai sein sollte) führt ein ganz
befremdendes Medium igcöftai und eine noch viel anstöfsigere
plebejische Form der zweiten Person ein; 7, 97 ist nicht egavti
sondern Sgavtat das Angemessene, und das gegen KPQT auf-
zunehmen steht vollkommen bei uns.
Bedenklich sind einige Fälle, in denen Verba auf -ow in
die auf -eco überspringen. Von ögäv ist das allgemein bekannt,
und auch ävrigcbTevv 1, 81 wird man angesichts der Herodot-
!) Diesem kann ich ein Schöpfen aus der lebendigen Rede nirgend zu-
trauen; die las des Kyrenäers Kallimachos lag ihm ja vor Augen. Am
wichtigsten sind die Formen xov xore u. dgl., die auch Kallimachos als
plebejisch aufgegriffen hatte, nicht ohne das Gekrächze zu verspotten (Fgm.
70). Diese Aussprache war in Ionien in die literarische Sprache aufgenommen,
als man sich im 6. Jahrhundert mit radikalem Realismus von der epischen
Konvention abwandte. Neben der Prosa redete auch die Poesie des Tages so,
Anakreon, Hipponax. Allein die attische Herrschaft hat dem rasch ein Ende
gemacht. Da die Athener ebenso sprachen und schrieben wie das Epps, er-
kannte und verbannte man in Milet die plebejische Neuerung: die Schule
hat bald Erfolg gehabt. Die Hippokratischen Schriften scheinen ncSg nute zu
haben, wohl auch die Abderiten. Die Steinschriften stimmen dazu. Also
ist das xmq xore bei Herodas dasselbe Kunstprodukt wie bei Aretaios.
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Überlieferung nicht bezweifeln. Aber öjirevfievog 7, 55, yaafiev-
fievog 4, 53, xat^o/uu 5, 77 sind bedenklich 1 ). Denn 4, 53
und 5, 77 geben HS die normale Form; aber sie sind geneigt,
das Dialektische abzustreifen. Andererseits haben sie 2, 109 mit
xvv^iövtai sicher recht: xw&vvrai geben da KMPTA(E)V;
aber Triklinios und die alten Ausgaben gehen mit HS. Dagegen
ist 6, 30 ixvv^elto nur in K 3 P ohne Gewähr 2 ); £xvv±ävo über-
wiegt und gehört in den Text, da ixwgfjTo (HS) einen Dorismus
bringt, den wir der Überlieferung nach im Passiv nicht haben.
Ob ihr zu trauen ist, stehe dahin: xw£eloftat jedenfalls fällt
fort, und ich traue seinen Gefährten wenig, obwohl ich die rho-
dischen Analoga kenne.
Am gefährlichsten sind die Übertreibungen des Dorismus,
der den Spätlingen wesentlich in a für i) zu bestehen schien.
Wir müssen dem Bion und Genossen selbst <plla}ia zutrauen,
nicht nur notgedrungen, weil wir unsere allerdings ganz unzu-
verlässige Überlieferung nicht aus eigner Machtvollkommenheit
von Grund aus umwerfen wollen, sondern weil der Isishymnos
von Andros, eine kaum viel jüngere und sicherlich gelehrtere
Poesie, einen Fehler teilt, der bei den Nachahmern unzweifelhaft
vorkommt und den die Grammatiker (Schol. 4, 10) auch dem
Theokrit zutrauen, .udAov das Schaf für fifjlov^. Es ist da-
l ) Epigramm 6, 5 liefert xXayytvpTt, obwohl neben xlayyalvw, xXayyäna,
xkayyütu) nur xlayyav (besser aber xlayyäa&ut) denkbar ist. Allein das lehrt
nicht mehr, als dafs die Nachahmer solche Formen für dorisch hielten: so
hat ja Iqtivu im Herodot wie im Theokrit falsche Analogien erzeugt. 4, 57
hat zwar die Lesart xo t u£ovit (-r«i Schreibfehler), die jetzt T bietet, bestan-
den, da sie im Et. M. aontihtdoe steht; aber xouotovn ist die Überlieferung
unserer Handschriften, und damit ist die Anomalie fort, wenn auch die
homerische Distraktion bei dorischer Endung etwas Hybrides ist.
*) P ohne QT ist an sich verdächtig; mit schlechten Lesarten von K
wird er sich in den Gedichten 15 — 18 zusammenßnden.
3 ) 164 ftulovofiots. Der streng dorische Vokalismus, immer w für ou,
Äolismen, nicht nur -o«<j«, sondern auch mit trügerischem Äolisch xliji-
Coiat clandentibus 159, dagegen keine Verbalform auf -w, sondern xnXttai
139, alles zeigt eine gekünstelte Sprache, aber sehr verschieden von dem
Kreise des Bion oder anch dem des Meleager. Theokrit ist aber bekannt:
das lehren die (ftoXadts aQxtoi 46 aus 1, 115. Die Schilderung der ersten
Schiffahrt 155 steht irgendwie iu Zusammenhang mit Catull LX1V.
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gegen sehr erfreulich, dafs im Theokrit Ähnliches so verschwindend
selten einstimmig überliefert ist, dafs man mit Zuversicht nicht
nur ihn, sondern auch die älteste Ausgabe von solchen Mifs-
griffen freisprechen darf; dafs sie eindrangen, wenn sie im Bion
zu Recht standen, ist verzeihlich. Gellius IX 9 hat 3, 3 jze<pua-
fitve gelesen, wie wir es in allen Handschriften lesen, aber ruhig
beseitigen dürfen.
Einige Deutungen der Grammatiker zeigen, dafs ihre Sprach-
kenntnis nicht ganz zureichte. Sie sind 1, 105 und 8, 49 geneigt
das erstemal ov, das zwcitemal cd für ov und a> in der Be-
deutung ubi zu halten, was doch nicht existiert und nicht exi-
stieren konnte, da w unde in der Sprache lebendig war, auch bei
Theokrit 3, 11. Da ist es nun sehr tröstlich, dafs unsere Hand-
schriften dieselben Buchstaben geben; auf die Accente ov und co
kommt ja nichts an. In der echten Stelle des Thyrsis ist ov vom
Sinne gefordert 1 ); ob der Verfasser von 8 den Fehler o> begangen
hat, läfst sich kaum ausmachen ; die Stelle wird später behandelt.
7, 62 versuchen die Scholiasten cogia nicht nur als &Qia,
wie die Handschriften richtig betonen 3 ), sondern auch gleich
') Aphrodite hat zu Daphnis triumphierend gesagt: ovx avils "Egtoios
in' äoyakfa ttiy//S>jff; Er flucht ihr und rühmt sich, auch im Tode dem
Eros ein Schmerz zu bleiben, weil er sich nämlich nicht hat zwingen lassen,
der Liebe nachzugeben. Die Begründung seiner Abweisung der Göttin mufs
folgen. Er weist sie an Anchises, Adonis, Diomedes, denen sie allen erlegen
ist, den beiden ersten in der Liebe. Die Pointe, die aufserdem in ihrer Er-
wähnung liegt, geht uns nichts an, vgl. die Beilage „Einzelne Stellen". Hier
genügt es zu zeigen, dafs allein die Aposiopese pafst: ov liytrai rt}v Kvngiv
6 ßovxnXos; zu ergänzen ist dem Zusammenhange nach Xvy(Z«i\ das bekommt
durch die Aposiopese den Stich ins Erotische, höchst geistreich. „Ich will
nichts mit dir zu schaffen haben und ich bin dir über. Warst du's auch dem
Anchises? Geh doch auf den Ida! Auch Adonis ist ein hübscher Junge.
Wenn du mit mir fertig geworden bist, versucht doch einmal mit Diomedes!"
Dagegen halte man das plumpe, durch die Wortstellung noch plumpere „Wo
der Hirt die Aphrodite pp.; geh zum Ida!*. Und wenn man das glücklich
erreicht hat, so pafst tont noi' lly/taav nicht mehr, und dann fängt das
Athetieren an.
2 ) Dem Ageanax wünscht er ujqiu nuviu ytvono, tempestiva, damit er
trotz der Winterszeit glücklich nach Mytilene fahren kann. Die Jahreszeit,
in der auf halkyonische Tage menschlicherweise nicht zu rechnen ist, eigent-
lich also nanu äiona sind, bedingt die ganze Haltung dieses nQonettnrixov,
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ovQia zu fassen, obwohl ovQog mit dorischem co nicht vorkommt,
vermutlich weil es überhaupt nur episches Lehnwort war. Mit
einem ovgia sind die Texte hier verschont geblieben. Dagegen
7, 116 steht olxevvvsg in fast allen Handschriften, olxevvtag in
0, olxevvra mit der Glosse tojzog Mih)tov in S, K hat das
Scbolion olxevma' kv Murjvcoi TÖJiog' Isqöv 'A^Qodinjg 1 ). Da
ist die dorische Vokalisierung eingedrungen, nachdem der Name
im Text zum Verbum verkannt war: es kann doch nur olxöeig
zugrunde Hegen, • 'ein rönog auf dem Häuser stehen', wie ein
anderes Dorf des milesischen Gebietes Teiyiovoaa heifst, 'eine
ummauerte x&pirf. Zu 4, 28 notieren die Scholien die dorische
Form iadfr = &n?fct>. Das hat K 1 PAETr, ind£a> K 2 QT,
ejtrj&g H S. Ohne die Scholien würden wir das Richtige schwer-
lich noch lesen. Gibt uns das aber ein Recht, 5, 6 Ixxäoa für &c-
vdaco gegen alle Überlieferung mit einem Humanisten zu lesen, der
es in seiner Handschrift konjiziert hat? Doch nur, wenn Theokrit
konsequent sein wollte und konnte; von der Euphonie, die ihm
vielleicht höher stand 8 ), ganz zu schweigen. Dann wollen wir
doch <j(pe 15, 80 im Munde der recht platt dorisch redenden
Praxinoa schleunigst in ye ändern, das die Grammatiker und
das uns literarisch auch als Vertreter seiner Gattung vom höchsten Werte
sein mufs. Daher wird Lykidas die Nachricht von der glücklichen Ankunft
des Ageanax am Kaminfeuer feiern. Ageanax ist offenbar der wirkliche
Name, ein sehr vornehmer. In Kos ist er bisher nicht aufgetaucht, wohl
aber ein I4yrjva$ 'Poöios (49 a Paton); aus Lesbos kennen wir 'AyfyoQioc
Uyaaog, andererseits Uqxi«v«$ EvavaZ Atoßüral Die Zukunft wird schon
einmal entscheiden, wo Ageanax hingehört.
>) Der Aphroditetempel zwischen zwei Quellen, 'YiUg (die also wohl
nur von Regenwasser gespeist war) und BvßMs, mufs unweit Milets in der
Ebene gelegen haben, da auch das Röhricht für die Gegend bezeichnend
war (28, 4). Es gilt ihn zu suchen, denn die Anhaltspunkte sind nicht sehr
vergänglich. Theokrit hat ihn natürlich kennen gelernt, als er Nikias in
Milet besuchte. Aber auch Poseidippos A. P. 12, 131 kennt die Aphrodite
von Milet, und die Lokalisierung der Geschichte von Kaunos und Byblis
hängt an diesem Heiligtume. Sie ist eine der ältesten 'milesischen' Ge-
schichten.
2 ) Man darf wohl der Überlieferung trauen, die 14, 55 nUvaov^a^ nicht
das häfsliche nltvatv^at gibt, wider den sonst beobachteten Dialekt: nlev*
oovfitti sagte man eben neben nksvaopm in der attischen Sprache.
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Handschriften 4, 3 darbieten, und äff txev 15, 149 vertreiben, weil
11, 42 das plebejisch syrakusischc ätpixevao steht. Wer weifs,
zu welchem Fickschen fieTaxaQaxttiQtafiog wir gelangen, sobald
wir uns auf diese abschüssige Bahn begeben.
Nein, der Dichter setzt einen Vulgarismus ganz ebenso als
ein einzelnes Licht auf wie einen Homerismus; er greift Sprich-
wörter aus niederer Sphäre auf, wie er heroische Personen und
alte Orakel zur Vergleichung heranzieht. Wie wir die epische
Distraktion xofiöcovri fanden, trotz der dorischen Endung, so
steht neben dem grobdorischen neivävn der Gorgo 15, 148 dis-
trahiert, scheinbar äolisch yeXdotoa 1, 95, dicht davor im Munde
des Priap das dorische ysXävri und das rein äolische f^axeiaa
1,85'). Wie er 1,36 die dreisilbige Form, die dem yekdoiaa
entspricht, gebildet hat, ist unsicher; ye?.oloa KAES 1 Iunt (da
ihre Vorlage yeXevoa hat, wohl B), yeXevaa QTTr, yeXüoa HS 3
also unglaubwürdig, yeXäoa P, das man aufgegriffen hat, das
aber nur Konjektur sein kann, da sowohl QT als K abweichen.
yeXevaa ist falsch und sekundär; ob er yeXdoiaa zu ysXolaa oder
yeXmaa zusammengezogen hat, damit es äolisch würde, ob er
das echte yiXaiaa gesetzt hat (was mir am besten gefällt), wird
schwerlich festzustellen sein. Natürlich kann manches Dialektische
verwischt sein, wie der Dativ afiävteoavv nur 6, 41 erhalten ist,
wo der Vers interpoliert ist und in K fehlt, nicht 10, 17, wo er
echt ist, und JzaQeXävva 5, 89 nur in QTV und bei Gellius IX 8
steht, sonst -cövva KMHST 2 Tr, verdorben zu -Xevvta AE, in
P recht übel zu -Xavvva, dasselbe bei dem Nachahmer 8, 72 in
PTQTr, in den übrigen wieder -Xüvta -Xevvta 2 ). Aber da
l ) Das ist sicher, nicht nur weil es die Scholien geben und K 1 , sondern
weil die nach den Scholien vorliegende andere Lesart £«Toioa unglaublich
ist: das würde Caifvaa sein. Charakteristisch ist übrigens die Überlieferung
des Satzes, der in sich unverständlich sein mufs, damit der Hörer auf das
Cdraoa lauert, das erst hinter dem Schaltvers kommt, « ök ü xtoga niioas
«r« xQavag, navi' ttloea noaal if oothai — . Gefordert wird die orthotonierte
Form des Pronomens; sie steht nur in S und bei Triklinios, aber H mit yt
ist dasselbe; die übrigen haben in toi und n Trübungen von tu.
*) Mit ttäv hat es eine eigene Bewandtnis ; da auf den koischen Steinen
nur in diesem Verbum das « auftritt, sonst tu, und in Argos auch der Sin-
gular TioitXüna vorkommt (Barth de Coorum tit. diakcto Basel 1896, 56), kann
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können wir nicht helfen : stehen doch auch solche Dorisraen wie
xcogog, (SwAog, Möaai (10, 24, aber Movaai P) nur vereinzelt.
voaarjvov steht 1, 54 ganz fest, es hat nicht einmal ein Scholion
und in der Grammatikerüberlieferung nur eine schwache Spur 1 ).
Der Zusammenhang lehrt, dafs es toaovtov bedeutet. Wenn nun
P ganz allein 3, 49 og towr\v' ixÜQfjoe hat, alle andern töaacov
haben, so ist es unerlaubt, darin mehr zu sehen als eine Re-
miniszenz jenes kühnen Schreibers an die Stelle des ersten Ge-
dichtes. Er kann richtig vermutet haben, aber solche Einfälle
gehören nicht in einen wissenschaftlichen Text.
1, 96 behauptet sich in unseren Ausgaben Xä&Qia piv
yeMoioa 3 ), und doch ist das eine freche Änderung von P, dem
einzigen Zeugen, während alle sonst M&Qrj haben. Man braucht
es nur auszusprechen, dafs das nicht nur die einzige Überliefe-
rung, sondern auch einzig richtig ist, und gern wird man die-
selbe Bildung anerkennen, die uns aus duzXfj als dorisch nun
geläufig ist. Bei Theokrit lesen wir so nij 'wo' 1, 66, 15, 33
{jtä nur AEVTr), QTcr\ 4, 24 (KPHS, öxä die übrigen): an jiäi
oder tibi wird keiner mehr denken. Jiäi heifst 'wohin', 2, 1. 19.
7, 21. 11, 72. Sehen wir nun den Tatbestand für das jetzt
das Verbum nur, wie Blafs gesehen hat, nach lorapi, flektiert sein, und wir
müfsten eigentlich noitluvia betonen.
1) Nämlich bei Arcadius S. 65 (74 M. Schmidt), wo unter den Aus-
nahmen von der Regel, dafs die Wörter auf -nvos zu oxytonieren wären,
steht ti naQtt Svqaxooiüis nagayoiTO xct&' ö/uoto/najiyJjv OTjuaoCav. % Das hat
Lobeck Pathol. 191 auf Toaoijvos bezogen, dessen Accent übrigens nur auf
den Theokrithandschriften beruht. Ahrens Diall. II 290 setzt im Anschlufs
daran Hntelhge Tooofjvos loifjvos et 8imilia\ Lentz Herodian I 182 setzt mit
Berufung auf Ahrens J<« ro rooarjvos jotfjvog in den Text des Arcadius, und
II 854 steht der ganze auch sonst mit Ungehörigem verquickte Kanon wieder,
ohne dafs der Leser davon erführe, dafs roirjrog nichts ist als exemplifikato-
rische Fiktion eines modernen Gelehrten.
2 ) In dem Gegensatze ßanvv cT uva dvftöv f^oia« ist «vfyttv mit der
sehr seltenen Tmesis, soviel ich weifs, eine Singularität. Denn uvfy* tv X f 'Q t( Si
ovs, ntvxas, kvqu, das alles ist sinnlich «in die Höhe strecken', und das
selbst war zu Theokrits Zeit bereits aus der lebendigen Rede geschwunden.
Ich bezweifele es gar nicht; aber ich würde ebenso wie Bücheler einen
älteren Beleg für öoyrjv oder (qmtu uviytiv prae se ferre gern zur Verfügung:
haben.
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herrschende xelöe 'hier' und 'hierher' an. 'Hier' bedeutet es
I, 12: da haben alle einschliefslicb der Scholien K xijöe; auf K
Vöde, Q Velde ist nichts zu geben. 5, 60: alle haben rfjöe.
15, 118 xijöe alle aufser K. 5, 52 xelöe Klunt (gegen die
Aldinen, also wohl B) AEQ 8 , xrjtöe OH 2 Tr, xävöe S (also wohl
H 1 ), xelvöe PQ'T. 5, 118 xelöe K, xt)öe MOHSAETr, relvöe
PT, xrjvöe daraus entstellt Q. 'Hierher' 5, 67 xelöe K, xelvöe
PQT, xijöe die übrigen; dasselbe Verhältnis 8, 39, nur dafs QT
relvöe mit H neben xijöe haben. Daraus ergibt sich erstens,
dafs ein Unterschied nach der Bedeutung wie zwischen szij und
jtäi nicht besteht; es ist wie mit aide, das schwerlich dorisch
war; ferner dafs xelvöe auf PQT beschränkt ist: man versteht
es leicht als eine Mischform, xelöe mit übergeschriebener Variante
II, die als N genommen ward; xdvöe in S 5, 52 ist xäöe mit
der Korrektur rj. Damit haben wir so gut wie durchgehend die
beiden Formen xijöe und xelöe, und die Bevorzugung von xelöe
in K ist nichts als die Bevorzugung einer Variante. Da jirj öjir)
feststeht, gebe ich xijöe den Vorzug. Natürlich ist das keine
Sicherheit; aber darin liegt der Fortschritt, dafs man den Grad
der möglichen Sicherheit schätzen kann. Wie sie auch ist, die
Überlieferung, die sich sorgfältiger Prüfung als solche ergibt (nicht
die 'Vulgata'), hat zum mindesten das Recht des Besitzes für sich.
Mancher wird die seltsamen aö überhaupt bezweifeln, zumal
wenn er dasScholion 1,2 liest, das eine solche Schreibung ausdrück-
lich als äolisch verwirft. Aber bei den Lesbiern und bei dem La-
konen Alkman sind sie genau so befremdend, bestanden aber aller
Wahrscheinlichkeit nach zu Theokrits Zeit, so dafs er sie über-
nehmen konnte, als äolisch oder dorisch, das war ihm einerlei.
Und jenes Scholion zeigt selbst, dafs das aö bereits geschrieben
ward, da es dagegen polemisiert. Ahrens hat auf ganz schwache
Indizien hin die so gut wie einheitlich überlieferten Pronomina
äfifieg v/t/tieg u. s. w. ausgemerzt; in Wahrheit weil er nicht
begriff, was Theokrit mit den Äolismen gewollt hätte. Das weifs
ich auch nicht; aber ich respektiere die ganz überwältigende
Überlieferung; Abweichungen ins Vulgäre sind eben Abirrungen,
die gar nichts besagen. Ahrens bevorzugte den Infinitiv et/^ev,
weil Theokrit zu seiner Doris milior inklinierte: da sind wir nun
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in der Lage, das besser bezeugte rjfim» zu rechtfertigen, denn
so hat man zwar sicher nicht in Syrakus, aber regelmäfsig in
Kos geschrieben.
Das korinthische Dorisch, zu dem Syrakus gehört, hat schon
sehr früh die Schreibung ov für das geschlossene o aufgebracht,
das aus 0 + 0 und 0 + Nasal entstanden war. So stand bei
Epicharm und Sophron. Dieselbe Praxis haben die kleinasiati-
schen Dorer gehabt; bei ihrer Nachbarschaft zu Ionien nicht
verwunderlich. Dagegen hat der Peloponnes, Argos und Sparta,
ebenso wie die stammfremden Arkader, sich für w entschieden
und das haben die Kyrenäer dauernd behalten, deren Sprache
und ganze Kultur überhaupt keinesweges von Thera, sondern
vom Peloponnes abhängt. So ist es ganz begreiflich, dafs der
Kyrenäer Kallimachos die Sitte seiner Heimat in den Hymnen
beibehalten hat, die er dorisch formte. Wir haben ja kürzlich
sogar gelernt, dafs er mit dem -oiaa statt -ovaa -coaa in den
') Ich fürchte, wir haben uns in der griechischen Dialektforschung
noch zu viel auf die Buchstaben verlassen und die Gegensätze der Laute zu
sehr mit den Gegensätzen ihrer Bezeichnung gleichgesetzt. Das Zeichen £1,
in Ionien im 7. Jahrhundert erfunden, wird dort zuerst das geschlossene,
nicht das lange o bezeichnet haben. Lesbos hat wohl immer die Schrift mit
Ionien geteilt; aber dort hat man jedes lange o mit £1 geschrieben; ob Al-
kaios schon, weifs niemand. Das mag auf den verschiedenen Klang des
älteren gleichgeschriebenen 7/7770 in Lesbos und in Chios deuten. Schon auf
den Kykladen übernahm man zwar das Zeichen, verwandte es auch zur Diffe-
renzierung der O-Laute, aber ein bestimmter Lautwert wohnte dem Zeichen
nicht inne. Nach dem Mutterland ist es durch die ionische Buchschrift ge-
kommen; da hatten aber die Korinther bereits ov für das aus 0 + 0 und o ■+•
Nasal entstandene lange geschlossene o. Sie haben also £1 nnr für das bisher
O geschriebene naturlange o verwenden können. Die übrigen Peloponnesier
standen anders, weil sie ov noch nicht hatten, Arkader so gut wie Lakonen.
Sie gingen also konsequenter vor und setzten £1 für jedes lange o: ov bot
ihnen wohl selbst die Buchschrift noch nicht, oder doch inkonsequent. Daraus
folgt noch nicht, dafs man 777770 in Argos wesentlich anders sprach als in
Sikyon. u sprach man es doch auch in Sikjon schwerlich, als man ov zu
schreiben begann, und wenn man bei Epicharm rbs ardQtonovg schrieb, so
bedingt o zwar die Kürze, aber nicht die Klangfarbe. Es ist auch kein
Gegensatz der Aussprache, ob man ttfttv oder ^uv schreibt, oder doch nicht
anders als 'Hoaxhtos und 'Hoaxtfog, das man zur gleichen Zeit schrieb, und
nicht nur auf dem Gebiete der verwilderten Dialekte.
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Partizipien, die wir für äolische Beimischung hielten, kyrenäisch
geschrieben hat 1 ). Aber wie Theokrit auf sein (o verfallen ist,
läfst sich schwer sagen. Sein Landsmann Rhinthon schrieb es,
weil er in Taren t eine tarentinische Gattung pflegte: das trifft
auf die Theokritischen Gedichte nicht zu, die ja alle episch
sind, mit Ausnahme der ganz äolischen fieXij, die freilich co
haben mufsten, weil das lesbisch war. Einerlei wie er dazu
gekommen ist, Theokrit hat das co in den Gedichten durch-
geführt, die recht dorisch klingen sollten, während er schon im
Hylas, weil er ihn mehr homerisch hielt, ov bevorzugte — wenn
wir der. Überlieferung trauen. Und wenn wir das nicht tun, so
ändert das zunächst wenig. Sintemal seine ganze Dialektpoesic
ein künstliches, gelehrtes Gebilde ist, bleibt uns nichts zu tun
übrig, als aus der Überlieferung nur das in ihr selbst Wider-
sprechende zu beseitigen. Die peinliche Einsicht, dafs wir viel-
leicht in sehr weiter Ausdehnung niemals erfahren können, was
der Dichter schrieb, steht ganz unabhängig neben der erfreu-
lichen, dafs wir die antike Ausgabe mit sehr grofser Sicherheit
herstellen. Da haben dann die Einzelirrtümer der Handschriften
gar kein Recht auf Erwähnung. Die grofse Zahl von Hand-
schriften, die unabhängig nebeneinanderstehen, soll doch nicht
dazu da sein, die Summe der Schreibfehler unter dem Texte zu
vermehren, sondern das Richtige sicherer herauszuerkennen: die
Überlieferung, nicht die ungewollten oder gewollten Abweichungen
von der Überlieferung, ist der Herausgeber dem Leser schuldig.
Von diesen Schreibfehlern, die bei einsichtiger Würdigung
weder etwas lehren noch etwas schaden, will ich noch einige
bemerkenswertere behandeln. Dafs ovöe nofttxei und oüöiaoti*
ixbi keine Varianten sind, mufs man heute nur den Allerrück-
ständigsten noch sagen. Wenn in dem ionischen Gedichte 12, 35
&mßonä(i) so geschrieben und betont ist, so ist überliefert doch
nichts anderes als das korrekt ionische imß&vai, das Ahrens
erkannt hat; Variante ist erst imßaavQäi, imßcooTQeT, und zwar
Interpolation aus dem dorischen Gedichte 5, 66. Das dorische
i) Dittenberger Syll. Inscr. Or. 767: für fiktiv kann ich die Doris gerade
in Kyrene nicht halten.
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xä entgeht kaum je der Verschreibung in xev und xal\ da Theokrit
auch xe{v) anwendet, wenn er eine Kürze braucht oder elidieren
will, kann man xa für die Länge ziemlich sicher einsetzen, vor-
ausgesetzt dafs das Gedicht im ganzen den Eindruck strengerer
Doris macht: sicher wird es nur durch die Varianten xev xai.
ya ist sehr selten; man wird es nur setzen, wo es sich noch
zeigt, aber glauben, dafs es einst viel weiter galt. Die En-
dungen der Adverbia wie vovvö'&t. tovtöüe schwanken ziemlich
überall: man hat also freie Wahl; für die einzelne Handschrift
besagt das nichts. 8, 68 ist das richtige xatielofre, das hatte
schon der Korrektor des ersten Druckes gefundeu; jetzt gibt es
0, zweifellos aus Überlieferung, xd/noiade K, xdfirjod'E PQT M 2 ,
xänr)tie HS Iunt (d. h. Musurus korrigierte etwas Falsches
hinein, vermutlich aus B), xd/ieifte M 1 T : das ist kaum für die
Beurteilung der Handschriften von Wert, für den Text gar nicht,
und ob 0 die Orthographie bewahrt, ist im Grunde einerlei.
1, 152 steht ov firj axiQTaafjte allgemein: da ist die falsche
Orthographie also dem ausgehenden Altertum zuzutrauen: im
Klange war ja axigraaelvs nicht mehr verschieden. Dagegen
8, 38 ist aiJiEQ . . . (xovaloÖEi bewufste Besserung eines Kor-
rektors in der Vorlage von AE (E l stimmt noch zu den übrigen),
die einzige, die als sein alleiniges Eigentum zu führen ist:
f.oovalööot war überliefert, und oi und ei klangen mit nichten
gleich; aber o und e werden immer verlesen und verschrieben.
6, 24 hat 0 wie die ältesten Drucke yigoi Jiovi olxov richtig,
K Tr haben noch q>egei novl, so auch A, sein Bruder E (f iooiw
jzori: in der Vorlage stand also die Variante, die die andern
Handschriften beherrscht, yeQoito zzox* olxov, eine üble Kon-
jektur, die wir freilich ins Altertum hinaufdatieren müssen.
1, 11 'du wirst die Ziege bekommen'; dafür steht in der Über-
lieferung ägrjg; PETr mit d^tg fallen ohne weiteres fort. Aber
das Bekommen ist für den Angeredeten immer im Medium be-
zeichnet 1 ), bei den fernerstehenden Göttern auch im Aktiv, und
') Interessant gegenüber dem sonst durchgeführten und eigentlich ge-
forderten Konjunktiv des Aoristes ist das Präsens npnw 9. Auch die
Steine, deuen ich früher öfter Haplographie zutraute, geben «yuv oft für
(iyayttv: offenbar merzte die Sprache den reduplizierten Aorist aus, soweit
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äyeiv kann diese Nuance überhaupt nicht annehmen. Also haben
H 2 S 2 mit d|i)t unbedingt recht; für Theokrit ist es einerlei, ob
aus Konjektur oder Überlieferung, die sehr wohl in einer Variante
stecken kann. Das läfst sich nicht entscheiden, aber wohl ist
sicher HC aus HI in der Buchschrift entstellt Dieselben HS
geben auch 5, 44 das grammatisch allein zulässige Futurum
medii ßcoxokid^rii gegen -j-etg oder -fyg der andern: da ist die
Erhaltung des Echten um einen Grad wahrscheinlicher, damit
aber auch glaublich in 1, 11.
Unvermeidlich war bei den des Dialektes unkundigen
Schreibern die Verwechselung der dorischen Verbalendung -vxi
mit ^vai oder -vto und weiter den Nominalendungen des Parti-
zips -vva -wag. Es charakterisiert keine Handschrift besonders,
wenn sie da abirrt oder auch wenn sie das Richtige bewahrt.
1, 87 ßarevvvai PQTTr, -rag K, -rt HSAE; 3, 53 töovtai HS,
•vn die übrigen; 7, 23 fßaivovn gegen -vtat, nur durch Galen
erhalten. Ebenso unvermeidlich ist das Durcheinandergehen der •
kleinen Wörtchen ti tv toi ve va. 7, 21 Jiäi di) tb fieoafttQioi'
aödag eAxetg; xo nur in einem Zitate der ambrosianischen Scholien
erhalten und in Q T, also Variante des gemeinsamen Ahnen von
PQT, sonst rv toi av, also tv. 7, 59 Tai tci iiäfaoTa öqvI&cov
£([Mr)&ev, nur H (der Tal erst ausgelassen, aber selbst nach-
getragen hat) und Kallierges, der es also wohl aus B bekam.
Da hat also in der gemeinsamen Vorlage von HS neben rri
die Lesart der Vulgata ts gestanden, die S bevorzugt hat.
10, 3 deddv tv nur KM, die andern ein ganz verwerfliches
ts\ nur P erfrecht sich ÖeuaiE zu interpolieren, macht
aber bei der Kritik Glück, deren Methode Variantenjagd ist.
10, 14 ToiyäQ Tä Jtqb frvQttv PHSTr, die andern ToiydQ-
toi\ ich ahne nicht, wie man das hat bevorzugen können. Hier
können die Scholien das Richtige geliefert haben, das sie vor-
aussetzen; aber das ist sehr unwahrscheinlich. Ganz besonders
sie nicht das von den Ioniern schon im 5. Jahrhundert gebildete ?)£<c zuliefs.
So ist blbixa, weil es perfektisch klingt, durch JlJcox« eingeengt, l^a hat
praktisch kein unterschiedenes Perfekt neben sich; aber töty/.u hat über ?/-
öijxu gesiegt; später hat man TtSttxa zu schreiben vorgezogen, um den Unter-
schied stärker hervortreten zu lassen.
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mufste sich die Vermischung der dialektischen Pronominalformen
zevg TSV rot re rv einstellen, vsvq hat Apollonios als besonders
theokritisch ausnotiert; er las es noch öfter als wir, zweimal
(11, 5 und 55) hat es K allein erhalten; es mag von Theokrit
noch Öfter gesetzt sein, aber Normalisieren wäre unverant-
wortlich. 7, 25 müfste man das solöke wg rot noai viaaof^svoio
jiäaa Mftog maioiaa tzot' äoßvhideoöiv äelöet auch durch Kon-
jektur ändern: nun hat H das richtige reu; dafs die Variante in
der gemeinsamen Vorlage stand, zeigt in S die Glosse oov, und
auch Triklinios hat das Richtige, ebenso Kallierges, also viel-
leicht B. So etwas hat sogar P einmal, 7, 86 in' faev 'bei
meinen Lebzeiten', gegen efioi (S ifilv). Es ist sein einziger
positiver Vorzug; aber ich bezweifle es nicht. Ganz ebenso ist
das beständige Wechseln von fiiv und /tetv, vvv und vtv, agäv
und jhqIv; man kann das Richtige ruhig aus jeder Handschrift
nehmen, wenn es not tut, auch aus KoDjektur.
Das führt uns zu den Sonderlesarten der einzelnen Hand-
schriften hinüber, die wir notwendig überblicken müssen, soweit
sie Aufnahme fordern. Dabei mufs vor allem mit den Scholien
gerechnet weiden, deren Varianten natürlich vom Rande ein-
dringen konnten. Seine Scholien sind der Hauptvorzug von K.
Sie bestätigen die besonders wichtige Auslassung der unechten
Verse 13, 61 und (wenn der auch hier noch nicht hergehört)
2, 61. Allein das geschieht nicht so, dafs wir etwa anzunehmen
hätten, die Vorlage von K hätte die unechten Verse auch ent-
halten, und sie wären dann auf Grund einer Athetese in den
Scholien ausgelassen: ihre Existenz in den anderen lehrt also
ebenso wie die besonderen richtigen Lesarten in K, dafs diese
Tradition sich sehr früh von allen übrigen abgesondert hat, in-
klusive der Scholien. Es mufs also zugestanden werden, dafs
13, 61 schon im Altertum eingeflickt ist, um die spezifisch theo-
kritische Einführung des Gleichnisses ohne Vergleichungspartikel
mit der homerischen auszugleichen, und 2, 61, um eine alte Kor-
ruptel zu heilen. Das ist ein schlimmes Ding; ich werde an
anderer Stelle in 5, 73 eine Interpolation aufweisen, die aus ganz
ähnlichem Grunde entstanden ist, aber allgemein überliefert.
Sonst läfst K noch eine Wiederholung aus, 6, 41 = 10, 17;
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davon ist aber auch in M eine Spur geblieben ; der Vers mufs
am Rande gestanden haben, da er jetzt an anderer unmöglicher
Stelle eingeordnet ist. Eine gleiche Wiederholung hat Valckenaer
richtig beseitigt, 8, 76 = 9, 7. Weiter kann ich im ganzen
Theokrit keine Interpolation zugeben'); denn die unechte Strophe
in 8 ist älter als die grundlegende Ausgabe.
Sieht man von demjenigen ab, was unter die besprochenen
Kategorien fällt, so gibt es selbst in K nicht sehr vieles, was
er allein erhalten hat. Man kann die Form öaaa gegen oaa
wirklich kaum rechnen, und doch zeigt sich, wieviel ein so ge-
ringer Fehler anstiften kann. 10, 32 war das echte alfte /nov
fjg öaaa KqoZoov jzoxa (pavtl jzejzäo&at. Das steht nur in K;
aber PT geben dasselbe mit der unschuldigen Schreibung oaa.
Was daraus ward, zeigt schon der Bruder von PT, Q: i)oav oaa
Kqoioov eyeiv n. q>, n. Da hat er mit ijoav und dem Zusätze
huv (den auch K l hat) die beiden verbreitetsten Ergänzungs-
versuche vereinigt, mit öaaa, das er aus oaa macht, auch die
richtige Verbesserung angemerkt. Die übrigen Handschriften
haben ijoav oder $xeiv oder auch oaa top xqoioov. Wichtig ist
o, 120 die Erhaltung eines durch Verschleif ung für den Vers
nicht nötigen und daher sonst ausgeworfenen r\ durch K, und
12, 36 yavlog gegen q>av?.ov, wovon an anderer Stelle. Sonst
beschränken sich seine besonderen Vorzüge auf die Gedichte 4
und 13; in den ersten, 1 und 7, ist er sogar nicht eben hervor-
ragend, und wenn M nicht 4 verloren hätte, würde dieser wohl
wie in 10 und 13 Öfter neben ihm stehn. Nun gibt aber K
wirklich allein in 4 xe gegen rot n, woraus Ahrens xa gemacht
und so Syntax und Vers geheilt hat 4, 12 aide gegen aide, 56
m'jfajzog gegen dvrjktnoq; am wertvollsten, aber nur von erster
Hand, 49 Jtdva^a gegen Jtavd^co. In 13, 8 vlia gegen via im
Versschlufs, 19 d(pvubv 'I(okx6v gegen ig ayveiäv 'lacoXxöv
0 8, 22 = 19 könnte fehlen, aber Köchly hat ihn wegen der Responsion
getilgt, also aus nichtigem Grunde. Wenn zwei Jungen sich anrenommieren
und der erste alle möglichen Vorzüge seiner Rohrpfeife aufgezählt hat, so
wird der zweite vielleicht keine neuen finden, aber um so sicherer sagen,
dafs seine Pfeife das alles auch besäfse und dann noch etwas Besonderes
dazu, und es ist nur recht, dafs er einen Vers mehr sagt.
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wider den Vers, 69 t)i.dfteoi gegen fjtöeot. 73 'HgaxXef] (lies
'Hgaxkrj) gegen 'Hgaxkir}v\ 51 teilt es das Richtige mit Iunt,
d. i. B (vgl. S. 7), 33, 40 {&gua), 48 mit M 1 ), 41 mit MA,
40 mit AE. Freilich hat er auch einen eigenen Fehler 58,
ßagvg gegen ßativg, denn ßagvg /.aiixög kann unmöglich ßagv-
(f ütvog sein. Wenn von dem Knaben ägcuä qxavd kommt, so
brüllt Herakles ßadvg oaov rjgvye kai/iög, aus vollem Halse, ex
imo pectore. Dies Gedicht, das letzte der ursprünglichen Samm-
lung, war in dem Ahn von PQTHSAE so verwildert, dafs man
sie ganz fortwerfen kann, KBM reichen aus, K als bester, aber
es bleiben Korruptelen, und in 65. 66 nicht nur unheilbare,
sondern auch selbst für die Byzantiner olfenkundige.
Die andern Handschriften stehn natürlich ungünstiger. HS
1, 130 ig äidog gegen äg ätöav, S allein 7, 106 xel gegen xrjv:
so etwas konjiziert nicht leicht ein Byzantiner. M 10, 2 ovte
röv öyfiov gegen K ovteov, woraus otf#' iöv in den andern
werden mufste, da ovte durch sein Korrelat gezeigt war. Hier
gehn aber Triklinios und die alten Drucke mit M. Dagegen
ganz allein hat er 10, 53 iyx^ vta gegen exxevvta; 12, 28 Jtegi
allwv gegen neglaXXa ist noch bedeutender und steht ebenso in
dem Scholion zu Aristophanes Acharn. 774; wir wissen nur noch
nichts über die Herkunft und Gewähr dieses Scholions. 5, 146
hat M die schwache Unterstützung von AE für Ivßagvxlöog
yvtti XlfjLvag gegen xgävag, das aus 5, 3 stammt. Man wird die
Schafe nicht in der Quelle, sondern in dem Teiche waschen, den
sie sich unterhalb ihres Ursprungs ausgespült hat. PQT liefern
nur 1, 29 negl für notl, doch so auch UTr, und namentlich
147 Jthijgeg öe gegen szhrjgeg toi, das aus dem vorhergehenden
Verse stammt, aber auch bei Galen VIII 971 gelesen wird,
] ) 48 lesen sie tSuf oflyotv gegen aufptxdlvxptv, das stammt aus 5 294,
denn Theokrit hat das homerische fyw» nvxivas tf (>ivu<; ocfjuf*xü\v\ptv in tQtos
ünalas <fQtw$ Ifrqoßrjotp umgesetzt. Ihm waren (fQÜe; kein Körperteil mehr,
den die Leidenschaft umschattete, sondern (fQuvnoif, dafür aber die Leidenschaft
eine Person, die dem Menschen die Selbstbeherrschung aus der Seele jagt,
vertreibt: l^tu? tU^vfv avta; tnl nut"YXai konnte es ebensogut heifsen. Ganz
ebenso 2, 13G vvjn(fav Ix &aX«uoio l$t<iofir]atv, wo wieder t&fATjvev stehen
könnte, wie bei Euripides Bakch. 36 l&fitiva ötouäjoiv. Statt zuzugeben,
dafs die Stellen sich stützen, hat man beide geändert.
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— 33 -
wenigstens jetzt noch. 11, 14 heifst es von dem Kyklopen avTÖg
in' ätövog xatetdxexo, wo avrög 'allein' gefordert wird. Das
steht nur in Q 1 VTr., nicht nur gegen die übrigen, sondern auch
gegen die Scholien, die atizöftev paraphrasieren, also auch avrov
gehabt haben. Trotz der schwachen Bezeugung ist hier die Er-
haltung des Echten in einer Variante aufser jedem Zweifel.
1, 17 ist allein möglich ean de mxgög; aber de gegen ys steht
nur in HTA 1 ; wenn wir ihnen trauen, gab es also die Variante
in der Vorlage von HS, und S verschmähte sie, in der von PQT,
und PQ verschmähten sie, in der von AE, und E verschmähte sie;
K und M kannten sie überhaupt nicht. Seltsam; aber die An-
nahme von drei Emendatoren ist noch viel seltsamer, und eovi
öi hat Stobäus 20, 23 gelesen l ).
Die Varianten, die in den antiken Büchern standen, in denen
mit gelehrtem Material am Rande natürlich vornehmlich, sind
eben das Wichtigste; erst sie gestatten von der Textüberlieferung
zumal der grammatisch behandelten Werke eine glaubliche Vor-
stellung zu gewinnen. In der Auswahl der Varianten, die dem
Herausgeber von der richtig gewürdigten Uberlieferung freigestellt
sind, zeigt sich erst seine Kunst; aber obgleich ihre Zahl auch
hier im Theokrit nicht klein ist, gibt es nicht viel Gelegenheit,
die Kunst zu zeigen. Wir gelangen in diesen 12 Gedichten mit
hinlänglicher Sicherheit mindestens in die letzte Zeit des Alter-
tums. Lesarten, die die Scholien voraussetzen und die Hand-
schriften verloren haben, fehlen gleichwohl nicht ganz. Von
7, 116 war schon die Rede (S. 22), wo olxevvva in allen Hand-
schriften mit Ausnahme von SO zu olxevvteg übel entstellt ist und
0 auch schon olxevvvag hat, d. h. eine Vermischung von beiden,
da der Accusativ sich nicht einfügt. 12, 12 zeugen die Scholien
für /ierd nootegoioi; die Handschriften haben seltsamerweise alle
fier' äfKporeQOiai; das kann nur eine alte falsche Variante sein.
Interessant ist 5, 38. Da steht fast überall d'ge'yjai xal hvxtdelg,
ÜQiyai xvvag, cbg rv (pdyovn. Die Paraphrase der Scholien ex-
" • -
!) Stobäus allein hat faxt gegen tvrt, und so etwas wiegt in seinem
Texte leicht; aber glücklicherweise gehört hu als Singular zu den falschen <
Dorismen, die wer die Überlieferung überschaut dem Theokrit ohne weiteres • 1
abnehmen kann, während er sie bei den Nachahmern dulden mufs.
Philolog, Untersachunrrcn. XVIII. 3
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- 34 -
tigitpetev äv ng lehrt, dafs xal aus xa entstanden ist, wie Ahrens
bemerkt hat. Aber der Optativ mit äv pafst für die Verglei-
chung nicht, auch nicht für das Sprichwort, auf das die Scholien
deuten und das sie mit Aktaion in Verbindung bringen. Das
ist nicht nötig: auch heute werden Hunde, die erst ganz artig
waren, gerade durch gute Behandlung bissig 1 ); Theokrits Hirt
übertrumpft das mit den jungen Wölfen. Nur fögstpe ng könnte
stehn; dann aber schwerlich ibg (pdywotv. Der Imperativ ügiipai
dagegen ist vorzüglich. Nun fehlt xai in PAE, unsicheren
Gewährsmännern; aber es fehlt auch bei Stobäus Ecl. II 96, 7
Wachsm. Also dürfen wir der Auslassung trauen und dürfen
glauben, dafs Meineke die Lücke mit toi richtig ausgefüllt hat.
Ganz dasselbe Heilmittel wende ich in demselben Gedichte 118
an. tovto fikv ov f.itfivafi', öxa {.idv rtjdi tv 6i)aag Evfidgag
txdfrqgs, xaXcög fidXa tovto •/' taafii. Die Lücke füllen Kyg
PQTITS'Tr mit aoxa, d. h. der Versuch der Ergänzung
stammt aus dem Altertum; aber wie soll Jtoxa neben öxa be-
stehn? Das Scholion lautet r)vlxa fävToi drioag oe 6 Evpdgag
£vTavfta emfiehüg xal evTÖXftcog (es zieht xa?.ä>g zu ixddrjge)
oe ifidoTtgev, äxgtßcbg . (soll /xdXa sein) olöa. Er kann mit
fjLBvroi auch fidv wiedergegeben haben; aber noxa kennt er nicht:
das ist neben fjvixa so unerträglich wie neben ote. So vermute
ich fidv toi, denn 8, 21 steht sogar fj fidv toi.
Zum Schlufs nur noch zwei Stellen, deren Korruptel als
solche von Interesse ist. 8, 49
(b TQdys Tav kevxdv aiy(öv dvep, a> ßdftog vXag
50 fivgiov (o) oi/iai Öevt' ly' vöcog egiyoi)'
iv ti)v(M yäg Trjvog' td' oj xö?.e xai kiys MiXcoi,
dtg ügcoTEvg <pcbxag xal fteög iov Evsfiev.
So wie ich hier geschrieben habe, werden die Verse von
dem Scholion vorausgesetzt Co xoXoßk Tgdye, äxEX&E exsX, otcov
eotIv 6 Mlkoiv xal ?.6yE avTiöi, ort xai 6 ügcoTEvg fisög tov
(f ibxag EVEf-iev, und dann wird die Pointe der Botschaft richtig
erfafst, "wenn ein Gott sich vor den Robben nicht geekelt hat,
*) "Mache deinen Hund fett, dann wird er dich beifsen!"' ist ein ara-
bisches Sprichwort.
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- 35 -
kann dir auch ein Geishirt als Freund nicht zu schlecht sein".
Im einzelnen wird noch cb Ms und der angebliche Dativ MIXcoi
erläutert. Aber den haben, eben aus dem Scholion, nur QM J ,
Triklinios, die Iuntina, und gleich mit dem rangiert MIXcovi M' AE.
Überliefert ist also MIXcov, und von einer Elision MIXcov' cbg hat
man ehedem zwar geredet, aber das ist nicht mehr nötig. Also
MIXcov ist Anrede; wenn es das ist, kann diese unmöglich mit
MIXcov anfangen, dem letzten Worte des Verses, dem man zudem
den Vokativ nicht ansieht, und es war direkte Rede, so dafs cbg
nicht richtig sein kann. Nun liefert der Ambrosianus in der
Paraphrase Jtgög vöv VQdyov q>i)olv cb xaXi. Die Anrede pafst
zwar für den Bock nicht, aber W 'cb mXe" xal Xzye ( MlXcov\
liefert nicht nur die Verbindung von MIXcov mit dem Hexameter,
sondern zeigt auch die Schönheit des Knaben, um derentwillen
er sich für einen Hirten zu gut dünkt. Die Umstellung von
xai, die in lateinischen Versen ein Schüler ohne weiteres er-
kennen würde, und die doch aus der griechischen Kunstsprache
stammt, pflegt mifsv erstanden zu werden; aber dafür können die
Dichter nichts. Da hat also die Überlieferung sowohl in MIXcov
so gut wie allgemein, wie vereinzelt in xaAe noch den besseren
Text bewahrt, den die Scholien mifsdeuteten. Aber cbg im Penta-
meter, entstanden, weil es indirekte Rede sein sollte, ist überall
eingedrungen; 6 IJQcovevg hat Meineke richtig gefunden. Gewifs
ist der Dichter nicht zu loben, dem sein Versuch, recht lebendig
zu werden, ziemlich mifsglückt ist; dem Theokrit würde so etwas
nie passiert sein. Er hat die notwendige Angabe, wo Milon sich
befindet, sehr unklar gegeben, 'wo der Wald am dichtesten ist',
und die Relation dieses Ortes mit Milon noch unklarer, da vijvog
eher ausgesprochen wird als der Name. Er hat sehr richtig
gefühlt, dafs die Herde der Ziegen eine Anweisung bekommen
mufs, damit sie dem Bocke nicht folge, der in den Wald gehen
wird; aber die lebhafte Anrede tritt störend mitten in die an
den Bock; weswegen denn auch cb xöXe als eine neue Anrede
an den konjiziert worden ist. Vorbildlich war 4, 46; es ist mir
fast sicher, dafs auch hier al oifiai für cb aifial zu schreiben ist,
vgl. 5, 100. 102. 147 u. a. Damit sind wir die täuschende
Anapher von cb los. 6) möchte ich in wg, noch lieber in eg
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- 30 -
verbessern. Wie leicht die Verse mifsverstanden werden, lehrt
Vergil Ecl. 7,7, also in dem Gedichte, das überhaupt von dem
. ; , f l unsern inspiriert ist, huc vir gregis ipse caper dterraverat: er hat
".'.'./" -T iv Ti)vcoi yäg rtjvog auf den Bock bezogen, w ßdftog gesprochen
' ^ und verstanden 'Nun mein Bock — ach, wie tief ist der Wald,
, hierher ans Wasser ihr Ziegen; da steckt er nämlich'. Dann
werden also die Ziegen ans Wasser gerufen, wo die Knaben
sitzen; sie kommen, und mit ihnen der Bock, der dann seinen
Auftrag erhält. Das kann nicht richtig sein, denn die Haupt-
sache fehlt, wohin soll der Bock gehen? Aber was Vergil mifs-
verstand, mufs wohl mifsverständlich sein, und vor allem, es
stand schon damals im Texte.
1, 56 geben die Handschriften
ahioXixöv u üdr)fia' rigag xi tv frvfiöv dtv^ai.
Schreibfehler wie ftdvfia PQ, aber nicht T, oder toi für xv
zählen nun nicht mehr mit. Aber #di)fia ist ein Palimbacchius,
und wer Mafia aus dem Attischen oder d&rffia aus dem Ioni-
schen herbeiholt, vertauscht den metrischen mit einem Dialekt-
fehler. Wenn Hesych das Lemma aloXixbv Otrjfia hat, so zeigt
das gerade, dafe Mrjfia nur ein gleichgültiger Fehler in seiner
Handschrift ist. Sein Zeugnis schon vertreibt das anstöfsige rt,
das natürlich aus einer Variante Mafia, dem Eindringen des
Vulgären, entstanden ist. Porson hat n schon mit gesundem Sinn
kurzerhand ausgeworfen. Aber es hat auch nicht nur im ersten
Jahrhundert nicht bestanden, als Alpheios von Mytilene Anth.
Pal. XI, 5 aljioXixbv fiijWfia schrieb, sondern noch das Ex-
emplar des Theokrit, das Ausonius in Bordeaux besessen hat
(denn, so wenig Griechisch er gelernt zu haben gesteht, er hat
einen Theokrit und hat auch eine Epigrammensammlung gehabt,
die für die Anthologiegeschichte nicht zu verachten ist), las das
richtige: daher hat er Epist. 14, 33 oyvoQixöv Mrffia, mit der
Variante Mafia; das n interpolieren erst die Modernen. So
weit ist das einfach. Der Vers ist nun heil, denn sein zweiter
Teil bedeutet: "das kann dich wohl als ein vtgag aufregen".
Ein fidrfna sieht man sich mit Bewunderung an, zumal wenn
man ein alnöXog ist; aber dies ist so schön, dafs es einen
Hirten fast aufser sich bringt, wie ein rsnag: es ist "verblüffend
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- 37 -
schön", wie jetzt der Argot von Berlin W sich ausdrückt. Der
Ätnaausbruch ist für die Beschauer ein veoag ftaviiäawv, für
die, welche von ihm nur hören, ein #at),wa, Pindar Pyth. 1, 26.
Nun gibt es aber die, Variante Alohxöv, die uns schon bei
Hesych begegnet ist, auch in den Scholien, mit der gleichen Er-
klärung, das wäre so viel wie ätolisch, und Hesych nennt geradezu
Kalydon. Damit hängt zusammen, dafs nach den Handschriften
der Hirt im nächsten Verse für den Becher den Preis aogtipet
Kakvöcüvlm gezahlt hat. Wie in Kalydon eine Fähre über den
Korinthischen Golf sein soll, das wird belächeln wer den Golf
kennt, und wie dieser Fährmann zu Thyrsis kommen soll, ist gar
ein tigag. Freilich Hiller konnte noch mit der überlegenen
Plattheit, die er für die Force seines Dichterverständnisses hielt,
aus Meineke abschreiben, dafs Heliodor den nooftfibg Kat.vöobviog
bezeuge, ohne sich zu fragen, wie weit die Bekanntschaft des
Emeseners mit Ätolien ginge, und ob er nicht vielmehr den
jzoQ^ög KaXvöebvtog von dem jvoQÜfievg Kahvdcoviog des Theo-
krit genommen hätte. Er konnte dann von sich hinzufügen, es
wäre keineswegs unmöglich, dafs ein solcher Fährmann einmal
nach Sizilien gekommen wäre (wohin er den Schauplatz des Ge-
dichtes verlegte), und man brauchte sich darum nicht den Kopf
zu zerbrechen. Heute ist es wohl nicht mehr notwendig zu be-
weisen, dafs der Schauplatz des Gedichtes Kos ist und der Fähr-
mann von Kalymnos, der abhängigen Nachbarinsel von Kos, kam 1 ).
Die hat Theokrit mit gelehrtem Namen (B 766) bezeichnet, und
echt ist allein die von den ambrosianischen Scholien mifsfällig
beurteilte Variante jzoQ^fji KaXvdvim. Aber woher nur die
Aoler und Kalydon und Ätolien? Das kann ich zeigen. Bei
Euripides Phoen. 134 sagt der Pädagoge von Tydeus jialg fikv
Olvitog £(f v Tvöevg, "Aot] ü" AlvcoXöv iv aregvoig £%£i. Da
haben sich die Erklärer bei dem einfachen Sinne nicht beruhigt,
dafs Tydeus die ätolische Wildheit, die den Athenern so viel zu
') Bücheler (Rh. M. 48, 85) widerspricht zwar, aber er greift zu einer
Hilfshypothese. Theokrit mache dem Alexander von Pleuron mit Kalydon
ein Kompliment. Das beruht auf einer Ausdeutung der Thalysia, die selbst
ganz in der Luft schwebt.
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- 38 -
schaffen machte, im Busen trüge, jenen Berserkermut, um desscnt-
willen Ares auch als Vater ätolischer Helden eingeführt ist.
Das Scholion lautet c5g eyovtog avvov im rtjg äanlöog zöv
vov ovög nö?.e/iov. KaXM[ia%og "elfii tigag Ka/.vdävog, eya
ö' AhcüXöv 'Agrja", Fgm. 226. Bei Schneider kann man
lesen, wenn man Lust hat, was alles über die Worte hin
und her geredet ist. Da bei Euripides alles einfach ist, kann
die Auffassung, es wäre ein Schildzeichen gemeint, nur daher
entstanden sein, dafs die übereinstimmenden Worte AlvcoXöv
"Agr) bei Kallimachos wirklich eins meinten, und dazu stimmt
ja auch "ich bin ein Wunderzeichen Kalydons, und ich führe auf
mir den ätolischen Kampf", nämlich den Eber, denn mehr ist
nicht notwendig. Also war das, wie Meineke allein richtig er-
kannt hat, ein Epigramm, in dem ein Wahrzeichen von Kalydon,
ein Schild mit dem Kalydonischen Eber darauf, redete. Der
Genetiv bezeichnet gewifs nicht dasselbe wie KaXvötiviov, son-
dern jedes tigag ist ein portentum für einen bestimmten Menschen
oder ein bestimmtes Volk, dies natürlich für die Heimat des
Meleagros. Ob das Epigramm für sich stand oder in einer Elegie
der Aitia, können wir nicht wissen; aber man braucht den Vers
nur einmal im Kopfe zu haben, während man die Varianten bei
Theokrit überlegt, dann sieht man, wie ein Grammatiker, der auch
an Kallimachos dachte, von regag (dessen Variante ysgag in einer
Euripideshandschrift unschädlich gemacht wird) ausging und ver-
mutete, hier wäre auch solch ein ätolisches Wunderwerk gemeint,
wo sich dann Kalydon sehr leicht, die Ätoler aber nur auf dem
gelehrten Umwege über die Äoler einstellten. Es ist eine Kon- .
jektur, die wir nicht loben werden, aber im Stile der Einfälle
von Bentley, Meineke, Schneider über den Kallimachosvers, und
wie viele solche Konjekturen sind gemacht und haben Beifall
gefunden.
In unserem Zusammenhange ist die Spur gelehrter Experi-
mente in unseren Scholien und in unserem Texte wertvoll: es
zeigt sich, dafs es dem Theokrit gehn konnte wie dem Homer
oder Euripides oder Vergil, dafs übel angebrachte Gelehrsamkeit
ihn verdarb. Aber es zeigt sich auch, dafs das den Text nicht
wesentlich geschädigt hat. Wir sehen, wie nicht nur Versehen
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der Schreiber, sondern auch allerhand Reminiszenzen ihm ge-
schadet haben; aber daran ändert das alles nicht, dafs in der
Gruppe der 12 Bukolika ein fester, einheitlicher Text samt den
Varianten und Scholien einer gelehrten Ausgabe auf uns ge-
kommen ist.
Theokrit 14, 2. 15-18.
Das Bild ändert sich, sobald wir an die folgenden Gedichte
herantreten, wenn auch die Grundlage dieselbe bleibt. Hier be-
ginnt V seine Rolle zu spielen, der 2, 14, 15, 16 hinter den
andern, 17 und 18 zwischen Un theokritischem bietet; die Über-
sicht gebe ich bei der Klasse dort auch mehr von Triklinios,
der hier noch nicht Zwilling von V ist, aber sehr viel aus
derselben Vorlage hat. Hinzu kommt ein Parisinus L des
14. Jahrhunderts, 2831, der zwar schon mit 5, 55 beginnt, aber
nur für 15, 17, Epitaphios Bions, 16, bekannt ist; übrigens auch
sonst entbehrlich. Für die Charites ziehe ich auch den Parisinus
D, 2726, heran, weil Ahrens da eine sehr genaue Vergleichung
Dübners gibt; der Kodex spielt später eine grofse Rolle, ist auch
hier mit B und K verwandt, aber er kann das Urteil nicht
wesentlich beeinflussen. Ich will von 14 die Varianten in grösserer
Ausführlichkeit geben; immerhin bleibt so manche vereinzelte
Nichtigkeit, zumal Dialektisches, fort. Von der Prosodie und der
Personenverteilung sehe ich überhaupt ab.
Kvvloxaq egeog.
4 äv atiakeoi steht jetzt überall, aber K scheint vor der
Rasur äv atiovaMoi gehabt zu haben; in P ist von der ersten
Schreibung übrig äv . . av . . kioi. Die Scholien (die ich mit 2
bezeichne) wissen von dem unsinnigen äv nichts und erklären
avy^Qol xaTd&iQoi mit denselben Worten, die zu t 327 die
Scholien, Apollonios Archibiu, Hesyck als Erklärung von dvaraksoi
haben. Also ist in allen Handschriften die Silbe töricht ergänzt,
die fehlte, als man nach der jüngeren Praxis auataXioi sprach.
Aber dies Wort selbst war in der Vorlage von K noch ganz, in
der von P wenigstens noch in irgendeiner Spur erhalten.
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- 40 —
2 voi aövüj VHS edd. ant., voiavta die andern richtig.
6 xdvvjtoörjvog V 2 THS (?) richtig — <5arog die andern.
10 fiäv KP, fiiv die andern richtig.
äovxa (d. i. -avy^q) ZKPV^Tr 8 richtig, äov%og die andern.
14 tfogg. VLTr, x&QW die andern richtig.
15 ßlßktvov KPT 1 V 1 , nach der grammatischen Regel, ßvßhvov
die andern.
17 xoxMag VTrlunt richtig, xolyiag die andern, aber X% in K
auf Rasur.
21 v&v PTr, vovv. Die andere Form ist 11, 74 sicher über-
liefert.
22 elns(v) die übrigen richtig, elsiov THS, sljtsg P.
23 äyag (äipag, ätymg) KPTAEVTr richtig, äyaig HS.
24 eavi KHLIunt, evtl die übrigen.
25 ^djzaiög TAE, arcaAög die übrigen richtig.
27 jto%' HS, 310$' die übrigen.
datf^a (^a.) KVAETr, ijavy' T, dot^eog P, äov%ov HS.
32 jre^t V 3 T edd. ant, naoa die übrigen richtig.
33 i§a£vr)g KVL richtig, £%aivig die übrigen,
xd^cov PHS, xöfazco die übrigen richtig.
34 rijfiog KPTVL, täfiog die übrigen richtig.
35 jtmXovg PT, ainlog die übrigen.
36 djioixevo KP.
37 rd ddxeva KD, rd od d. die andern, dem Sinne nach
richtig, und den gibt Z Das echte red hat Ahrens ge-
funden 1 ).
>) Damit ist die Stelle aber noch nicht in Ordnung. Der eifersüchtige
Jüngling schlägt sein Mädchen zweimal, weil sie durch Tränen ihre Liebe
zu einem andern verrät. Dazu sagt er: "ist dir ein anderer lieb? geh zu
dem andern; riy'iwt z« aa dax(>va pala (){ovit'\ Das erklärt 2.' 'ihm rinnen
deine Tränen als Äpfel', d. h. als Liebeszeichen; 't« {tiovxa auv JtixQtvt urfta
niniH\ Das ist zu kraus für die Ethopöie des Theokrit. Von den Kon-
jekturen sind die meisten nicht einmal einen Fufstritt wert: oder wäre das
für [iti/li statt fjrjla nicht zu hohe Ehre? Nur t<« daxQvoi fiiiXa (>(ovti ist
sinnreich; aber die erneute Konstatierung ' für ihn bist du in Tränen 1 kann
nimmermehr genügen, am wenigsten von einem Faustschlag begleitet. Den
zwei Schlägen entsprechen zwei Zurufe, der erste 'du liebst einen andern —
so geh', 'ihm fliefsen deine Tränen — so weine'. Das verlangen wir um so
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- 41 —
43 £ßa xai tavgog VTr edd. ant. tßaxe(v) tavQog oder zßa
xivravgog die andern (£ßa vavQog T). Dem entspricht
es, dafs die Scholien in K geben izagoifda ötä tö tovg
xsvratiQOvg vhag imkafißavofievovg ätyntovg tfvcu, in
andern aber vavgovg für xevTavgovg steht; wieder andere
drücken sich mit tovvo tb qwXov um die Entscheidung 1 ).
45 Tcovifteg HS richtig, noviftei die übrigen.
övo xai öixa KVD, övo xal övo die übrigen richtig.
/ijJvegKD, fiävveg (d. i. iiäveg mit übergeschriebenem ??) T,
^cb>eg die übrigen.
46 ov KPVD, <5 die andern.
ovö* ei KP VTr D richtig, ovdi die andern.
mehr, als sie zwar um Lykos weinte, aber nun unter dem Schlage ganz
andere Tränen vergiefsen wird, iijjwt t« aä JaxQva; das genügt als Vorder-
satz. Den Nachsatz meine ich mit dika (>toviu> zu geben. Der dorische
Imperativ war der Korruptel ausgesetzt. Ebenso konnte der Hiatus An-
stofs erregen, der an dieser Stelle bei so starker Interpunktion gerecht-
fertigt ist, vgl. 2, 154. Die Metapher Äpfel für Wangen ist in der medi-
zinischen Literatur geradezu technisch und hat (aber doch wohl spontan)
in den französischen pommeties ganz ebenso die Geltung einer xvQt'a k£$ig;
in der griechischen Poesie ist sie nicht häufig. Kaibel Epigr. 243, 13
oiov <T vjivüovTos tgev&nai avSta pr^wv verdient Hervorhebung. Ver-
dunkelt ist die Bedeutung in der Megara 56. Die Heldin hat lange ge-
klagt, und als sie an Kinder und Eltern dachte, flaktQwrfQa Juxqvk
kmv xoknov is iptootvTtt xaxu filitftiQtov t%iovui. Uber die Brauen fliefsen
die Tränen nicht, sondern über die Wangen. ßkeff-tcQtov ist entstanden, als
/uriXtav zu dem Komparativ dakiQtöiina gezogen war; verdrängt kann es also
nur ein Adjektiv haben, ykntfiguv. Äpfel für die Brüste des jungen Mädchens
ist häufig nur in der attischen Komödie. In der Oaristys sagt der Jüngling,
als das Mädchen ihn fragt, weshalb er an ihre Brüste fasse, ftnka t* « zvouon«
TfUf nqmiaia diJtt£tü, woran sie anstofsen und Scheufslichkeiten konjizieren
'Deinen flaumigen Äpfelchen will ich meine Lektion zuerst geben 1 . Mufs
man das noch näher erklären?
l ) Dafs nur der Stier, das Haustier, nicht der Waldteufel in das Sprich-
wort gehört, ist klar und anerkannt. Aber das Sprichwort bringt ja einen
Fall der Erfahrung, der als Analogie zu dem vorliegenden angeführt wird.
Also pafst xai vorzüglich ; "auch der Stier ist in den Wald gegangen", sagt
man, wenn jemand auf Nimmerwiedersehen fort ist. "Der Stier ist einmal
in den Wald gegangen" (noxa), ist eine Absurdität. "Murrjahn was en ollen
Hund, und Murrjahn gaw sich ok", sagt Reuter.
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— 42 —
47 olöe- Avxog (so) JSKD Iunt richtig, d (^) <5e 4tfx<p (rd de S')
die übrigen.
48 ägid'firjTol HAE — (laxol die übrigen.
49 dvoTrjvoi HSAEV, öuötcwot die übrigen 1 ).
ftoigg. V 2 edd. ant.
51 nöftev fivg KLD und neben dem andern VS, aö&ev «g fivg
PTHAETr.
Jilocrqg PT.
53 jtA^v PHS vtioxä?jUQ K 2 aus 2 v. 1.
54 hmXzvoag KD, ohne richtig die übrigen.
jrdAw rjvfi' für inavfivd* K 2 .
äXixKüTag PVTr, 17A. die übrigen.
56 jrgdirog HT.
58 djro<5a/4e?j> VLTrE richtig, -örj^slv HSAT, -öga/ieiv KP.
60 fehlt SP, rd 6' dAA' äviqg Jtoiog ng HAE und so viel P'
am Rande. In H ist iXevtie'gcoi öovtg ägiavog und 61
von zweiter Hand ergänzt; boxig auch L', edd. ant.
61 tpiXofxcooog STVL* edd. ant., (pilöfiovoog die übrigen richtig.
64 ßaailia VL, ßaat?.tja die übrigen richtig.
65 dgiaxot HS, dgiaxei die übrigen richtig.
66 fäjiov PTAEV 2 Tr, Xümog die übrigen richtig.
67 roXfiäg K 2 ), toXfiaoelg die übrigen richtig.
68 jielö/ue&a K, neXd/neotia die übrigen richtig.
69 sgjtoi PE (A?), ignsi die übrigen richtig.
70 äg 2K l ? (richtig), d»s K 2 DLV 1 Tr, olg die übrigen.
Wer diese Liste überdenkt, der mufs zuerst sehen, dafs die
einzelnen Handschriften im Dialekt kaum etwas bedeuten. Im
ganzen ist der Dorismus unverkennbar, aber Vulgäres ist auch
in die besten gedrungen, 34, 46, Hyperdorismen auch 6, 48. HS
wird man es zutrauen, dafs sie 27 das Echte allein erhalten
hatten, und wenn ich früher auf tiod\ das Ziegler als allein
>) Hier ist also doch der Ionismus in dem Zitate vollkommen kenntlich
geblieben.
2) xoluaau atntovia fand K (oder vielmehr sein Vorfahr) vor, hielt ets
für die Präposition und liefs sie aus. Ziegler hat nicht lesen können. Der
Hyperdorismus rofyinaijc PTAE gehört zu den Dingen, die ich prinzipiell
unbeachtet lasse.
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überliefert gab, eine Konjektur gebaut habe, so ist das nun
gegenstandslos. Aber auf das richtige vüv PT 21 kann sich
nicht verlassen wer 34. 35. 46. 51. 53 erwägt, und eigentlich
ist es einerlei, ob hier ein Kodex (die Vorlage von PT), wahr-
scheinlich aus Vermutung, die dorische Form gibt, die in ri/ig?t-
'dvgco 42 gegen alle von uns eingesetzt wird. Dann zeigt sich
die Wertlosigkeit von Itazismen in den Verbalendungen 65. 69:
das scheint nur eine andere Überlieferung; wir haben also das
Recht, in solchen Dingen allein der Ratio zu folgen. 22 elnev :
elnov ist wertloser Lesefehler, slneq späteste Konjektur danach:
auch das keiner Erwähnung wert, fidv (bei Theokrit als reine
Adversativpartikel gewöhnlich) wechselt innerhalb der Hand-
schriften 6 (so auch 6, 46. 2, 159. 5, 122 u. ö.): auch das ist frei,
und so hat Vahlen pev 57 hergestellt: das fidv der Handschriften
ist eigentlich nur ein Hyperdorismus. Ferner sehe man K in 45.
54. 58. 67. 68: das sind Versehen, die gar nichts lehren, K
seinen Wert nicht nehmen, aber immerhin den Aberglauben
widerlegen, dafs K in jedem Titelchen berücksichtigt werden
müfste. Nun das Handschriftenverhältnis in den beweisenden
Varianten. Dafs P mit K etwas gemein hat, in Gutem und
Bösem, verraten 36. 46. 58. 70; aber im ganzen stellt er sich
öfter zu den geringen, und selber hilft er gar nichts. Und vor
allem: die Tradition, die in VLTr steckt; es macht nichts, ob
einzelne jener drei zur Vulgata abgesprungen sind. Diese Tradition
ist in noch höherem Grade als P geeignet, zwischen K und H S
den Weg zur echten Überlieferung zu zeigen. Sie allein gibt das
echte 17, vermutlich einst mit K 1 , und 43 Auch einen Fehler von
K teilt V 45. Unentbehrlich sind neben KB und der Gruppe
VLTr nur HS, die 27 (was allenfalls Konjektur sein könnte)
und 45 allein das Echte bewahren, öfter ihm näher stehen als
PTAE, freilich auch sehr viel eigene Sünden begehen. TAE sind
irrelevant. Sehr bemerkenswert ist, mag es auch erst, wenn man
den Bestand in den folgenden Gedichten kennt, ganz einleuchten,
dafs die Iuntina eben in 17 und 43 mit VTr geht, also wohl B
überliefert, und dafs D sich häufig zu K stellt.
Die Recensio leistet aber mehr, als dafs sie die Schreibfehler
der letzten byzantinischen Jahrhunderte abstreift. Sie. lehrt so
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— 44 —
verschiedene Zweige der Überlieferung kennen, dafs deren Spal-
tung höher hinauf, wohl bis ins Altertum gerückt werden inufs;
und sie kann doch mit Sicherheit auch hier einen jenseits jener
Spaltung liegenden einheitlichen Text erreichen. Wie der be-
schaffen war, lehren die Scholien, so karg sie sind. 23 steht
ganz sinnlos xt}q)äv (nur in K ein besonderer Fehler x*)g>är' er'):
die Scholien erklären £<pX6yeTO, lasen also noch xt)g>äjtt\ 39
bieten die Handschriften ein ganz sinnloses d' ola\ die Scholien
paraphrasieren unverkennbar dolaa. Damit ist bewiesen, dafs
jenseits unserer so stark gespaltenen Überlieferung ein gemein-
samer Archetypus liegt, in dem je ein Buchstabe verloren war.
Wenn aber K sich im ganzen als so weit von den übrigen ent-
fernt darstellt, dafs man die Abzweigung nicht erst in die Byzan-
tinerzeit rücken kann; wenn VTr ähnlich stehen, so gilt das
erst recht von dem Kodex oder besser der Redaktion, auf die
K und VTr mit allen andern zusammen zurückgehn. Das be-
stätigt sich in überraschender Weise durch ein Citat.
V. 59, 60 haben in dem Archetypus gelautet
/«fft?o<3drag Utoke^alog MewfriQCOi olog ägiorog.
xföla ö' ävrjQ jvolög xig ilev^iom olog ägiatog.
Auf die Versuche, das zu verstehn oder zu ändern oder auszu-
schneiden, die in den einzelnen Handschriften gemacht sind,
kommt nichts an. Es kann auch namentlich nach den Dar-
legungen von Vahlen kein Zweifel sein, dafs der zweite Teil des
Verses 60 durch Dittographie verloren ist. Als Thyonichos dem
Aischinas gesagt hat "Für einen freien Mann ist Ptolemaios ein
Dienstherr so gut einer sein kann" fragt der "Wie ist er im
übrigen?" und ruft damit die nähere Schilderung hervor. Ob
der fehlende Halbvers noch zu der Frage gehörte oder schon
zur Antwort, wüfste ich nicht zu entscheiden. Ist es aber nicht
wirklich seltsam, dafs Stobäus 48, 1 1 den Vers 60 bereits an-
führt, und sogar mit der Korruptel vä d' äXX' ävrjg ng £Xev-
ftiocoi olog aQiotog, also wie HAEP 1 ; das konnte allerdings in
scriptio continua auch durch Zufall wiederholt entstehen. Also hat
der Theokrittext im 6. Jahrhundert im wesentlichen so aus-
gesehen wie im 12. Obwohl eine kommentierte Ausgabe, war
sie bereits zugerichtet wie der Georgos des Menander oder die
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Berliner Sappho. Die Ausgabe können wir uns sehr wohl als
eine Bearbeitung der alten Gelehrsamkeit denken und in den
Jahrhunderten 4 oder 5 unterbringen, als man so viel Bukoliker
nachahmte. Von ihr haben sich für diese Gedichte ein paar
Kopieen in die Zeit gerettet, die wieder Interesse an der Poesie
nahm. Sie zeigen so starke Differenzen, dafs sich Familien sondern,
und doch haben sie eine gemeinsame Vorlage. Diese ist ganz gut
herstellbar, aber sie war schon durch Zufallsfehler entstellt. Vier
Jahrhunderte zurück wird der Text noch ganz rein gewesen sein.
Bei den folgenden Gedichten glaube ich kürzer sein zu
können; ich lasse die vereinzelten Fehler fort und gebe nur was
für das Handschriftenverhältnis bezeichnend ist.
$aQfjLa>tevTQiai.
Gegensatz der Scholien zu dem Texte aller Handschriften
ist, wie Toup bemerkt hat und durch die Scholien von K noch
sicherer geworden ist, 3. 10. 159 vorhanden, wo I xaraöijoo/nat,
die codd. xavafrvoofiai bieten. Dann läfst K in Übereinstimmung
mit seinen Scholien den Vers 61 aus; in den andern Scholien
scheint das Echte auch noch zu stecken: das Falsche ist jeden-
falls scholienlos. So ergibt sich
xa &Q6va ravti' tinöfiagov
zag ztfvü) (pfoäg, xadvmQzegov äg fai xai vvv
[kx tivfiö) dedefim, b de fiev /.oyov oudeva jioiel).
Der letzte Vers steht zum Teil 3, 33 zb ö£ pev Xöyov ovdeva
jzoif]i, und zwar nicht die Wiederholung, aber wohl die Verände-
rung des Mediums richtet ihn, abgesehen von der Auslassung in
2K. Aber die Erklärung ecog ezi ivö4%ev<u xatads^f/vai avzöv
bringt kein Heil und ist schwerlich mehr als ein Versuch, das
neben Zug unerträgliche hi xai vvv zu erklären. Die sinnreichen
Einfälle xai vv% (wo xai unbequemes Füllsel bleibt), xaiQÖg (wo
man in nicht begreift: droht denn bald ein Hindernis?) halten
nicht stand, vor allem, weil das vnoiiäooeiv unmöglich oberhalb
der Schwelle stattfinden kann. xafrvae'QTeQov gehört also zu dem
Folgenden; es bedeutet nur 'mächtiger'. Eingefallen ist mir
manches; aber ich mag nichts halbes sagen. Auf jeden Fall ist
der unvergleichliche Wert von K deutlich, der sich hier auch
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sonst bewährt; doch das braucht nicht gezeigt zu werden; ich
zähle diese Stellen nicht auf.
50 ojg xai AiXyiv Uoifu, xai ig röÖe düfia xegdaai
fiaivofiBvcoi Xxslog KH'Tr, die übrigen haben xegaoai
(jceQfjoat) als Infinitiv genommen und geben daher
txs/.ov.
61 ix dv/icb VTrlunt. iv dv^Co die übrigen.
65 ix rrjvco ö' äg^o) K, ex vivog die andern alle, äo^opat MP,
a.Q^(a(xat HSIunt, äg . . . /tat T, äg^o/A,' iycb VTrAE. Da
ist ohne weiteres klar, dafs äg^ofiai die älteste Lesart
war, und dafs um des Verses willen drei verschiedene
Änderungen versucht sind. Dafs der Conjunctivus des
Aoristes (HS) zu ix xivog pafst, diskreditiert ihn nur,
denn diese Frage gehört nicht her. Als ihr Dienst-
mädchen fort ist, sagt Simaitha: ' 'Jetzt bin ich allein;
von wo aus soll ich meine Liebe beklagen? Damit will
ich anfangen, wer mir das Unheil zugeführt hat. Es
kam Anaxo . . ." So gehört es sich. "Von wo aus soll
ich meine Liebe beklagen? Womit soll ich anfangen?
Wer hat mir das Unheil gebracht?" das würde nur
passen, wenn sie wirklich fragte, zweifelhaft wäre. Also
ist ix vivog auch Änderung. Hier behauptet K mit dem
Demonstrativpronomen Recht. Aber sein aktivisches
Futurum ist falsche Änderung. Auf sicheren Boden ge-
langen wir, sobald wir uns klar machen, dafs das Futurum
ja dg^ev/xm lauten mufs. Hat man das, so stellt sich
vt)vib&£ auch ohne Schwierigkeit ein.
74 täv gvorlda xäv K).eaqlavag KATr richtig, rag Kl. die
übrigen.
79 tv Zeldva KMIunt. Call, (also B, wie ich hinfort sage)
richtig, tö aekdvag die übrigen.
101 vfpayio B'V'Tr, dcpayeo die übrigen. Dafs die Liebesbotin
den Delphis nicht stracks an den bestimmten Fleck ab-
führt, sondern ihn allmählich, sachte hindirigiert, wird
man nicht bezweifeln: man mochte nur nicht von
KMPTSAE abweichen.
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_ 47 —
107 xoyvösaxev KB Eustath zu P 56, xoyveaxev die übrigen
(xey. HS).
142 <hg xa — &Qvkioifii KV, ^cog xa die übrigen. In dem
Finalsatz ist xa beim Optativ unerträglich; daher haben S 2
(xdt so zu deuten) und M 8 xa/ hergestellt, aus Konjektur,
die doch y<hg xai nicht erträgt. Da zeigt sich der Wert
Yon KV. (bg xai mit poetischer Inversion der Verbindungs-
partikel ist das Richtige.
144 xovrs xi HSB richtig, xovx&i die übrigen.
inefjdfMpavo HSB, änenifiip. V, tnifixparo M'Tr, damefi-
yaTo KPTV'AE.
146 dpag STr, dx/tdg M (d. i. afyidg mit Korrektur e), e/tdg die
übrigen (ye fytdg edd. ant., auch Iunt, Call ; Musurus hatte
nichts notiert). Nach griechischer Sitte kann das Mädchen,
das mit ihrem Delphis viele Symposia gefeiert hat, eine
Alte sehr wohl bezeichnen als "die Mutter der Philista,
unserer Flötenspielerin, und der Melixo". Eine Flöten-
spielerin brauchen sie immer zum Symposion; das ist
eigentlich ein untergeordnetes Wesen, aber der sozialen
Stellung Simaithas entspricht es, dafs sie sich mit ihr,
ihrer Schwester und Mutter auf Verkehrsfufs gestellt hat.
Die Flötenspielerin ist aber auch am besten in der Lage,
von den jetzigen Liaisons des Delphis zu wissen : sie hat
ihm auch gestern beim Symposion gedient. Eine Konjektur
wie Sapiag macht die Stelle ganz farblos ; d/tdg müfste
auch als Konjektur Aufnahme finden, aber man hat keine
Veranlassung, es so zu betrachten.
147 BtQayov VTr, ezQoyov K, hgsyov die übrigen.
159 fidv KVTrlunt richtig, ftiv die übrigen.
163 nö&ov KPV, adfrog T, siovov die übrigen. Es haben also
schon im Altertum Leute daran angestofsen, dafs sie
"ihre Liebe tragen soll" und ein 'Leiden' oder eine
'Mühe' dafür eingesetzt. Als ob sie nicht BQCota auch
hätten sagen können. Wie Daphnis, indem er hinstirbt,
ävve mxQÖv Zgcova, 1, 93. Gewifs greift der Dichter
auf 143 zurück, wo in der ersten Liebesnacht ijZQdyjh]
td fieyiota xai ig jzö&ov < i}X / dofi,eg äf-KfO) (dafs ich das
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- 48 —
einst angezweifelt, brennt mir auf der Seele): da liegt
auf ä(jb(pco der Ton. Erst in ihren Armen hat sich auch
in Delphis der jcöftog entzündet; damit begann die selige
Zeit. Jetzt hat er den nö&og verloren: sie wird ihn
tragen cögjzgq vjteava.
Für das lange Gedicht ist das sehr wenig. Was heraus-
kommt, ist der beträchtliche Wert von VTr und B; man ermifst
es von den Stellen ausgehend, wo sie K neben sich haben. Da-
neben gibt es in HS Gutes, zuweilen nur in einem enthalten.
Aber sie und alle übrigen, selbst M (der 14 verloren hat),
könnten ohne Schaden wegbleiben. Der einheitliche Text ist
nicht stark variiert und nicht stark verdorben.
'Aöcovid^ovoai.
4 (UepdTO) Stephanus 1 ), dösfidTCo KVLTr, dd(s)t/.id(v)vov,
dda(id{v)tov die übrigen.
7 ixaatigco KV 1 gegen kxaototEQO) der übrigen, das den
Vers füllen soll. Offenbare Korruptel.
15 (5t fiQÖavK VLTr, ageoav die übrigen, dasTheokrit nicht kennt;
offenbar gab er dorisch nur jrpöavund kontrahiert ngäv 2 ).
18 rawäi Reiske, tarn KP, vavta y* die übrigen.
20 frunov K VTr richtig, (waog die übrigen.
27 aivöÖQvjive KSAE, aivo&QvxTe die übrigen, beides H. Das
Schimpfwort kennen wir sonst nicht; aber man wird es
nicht von dem anonymen dorischen Verse bei Apollonios
de pron. 105 trennen dürfen alvoÖQvyi'ig de tdlaiva
teov xavavvfißoxoriaa "). "Jämmerlich zerkratzt" ist die
Das ist nicht 'das bifschen Leben', wie Ameis, Fritzsche, Hiller er-
klären-, TjAfuctTog ist ftaiaios nach den Grammatikern; aber man lese nur im
Ftymologicum weiter, wo diese Erklärung mit der Etymologie von yleug und
ju«Tr t v (das erste richtig) steht. Eben yktög folgt, fulraiog, paivöutvog fuoftög.
Gorgo schilt ihre eitele Tollheit, dafe sie sich auf die Expedition eingelassen
hat; schon den ersten Gang hat sie kaum überstanden. Dabei schiebt sie
die Schuld auf ihre il'v/tj, die nach allgemeiner Menschenart r)Uf4ttjog ist.
In älterer Zeit würde sie den O-v/xog oder die jucuvo/n^iif x(tu6Ut angeredet haben.
2 ) Daher ist 14,5 rotoviog Ttniöur ng (hfixtro verdorben; *«i ttquv fügt
•ine sehr erwünschte Vergleichungspartikel ein.
3 ) Den Vers sprach eine Witwe nach der Bestattung ihres Gatten, denn
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Sklavin nicht durch die eigenen Hände, sondern ihre
Herrin mahnt sie daran, wie sie ihr mit den Nägeln ins
Gesicht gefahren ist, als sie letzthin das Gespinst auf
dem Boden und die stinkenden Wiesel darin gefunden
hatte.
30 di) jioXv K, ök JtoU VLPAES 1 (wenn nicht gar fii) drj),
novXv HS 2 Tr. Von K ist natürlich auszugehen; dann
sitzt der Fehler in dem letzten Worte änXr^ate. Mit
einer glänzenden Konjektur hat E. Schwartz geholfen,
der das im Herodas aufgetauchte Schimpfwort XtjiotqI
erkannt hat, das dorisch XaiarQt lauten mufs: daher
das a.
38 xa etjieg KTrlunt, xev W 1 (Abschrift von V), xakov die
andern. 2' erklärt tovto ähfökg eljteg, hatte also
wohl xakov. Dennoch wird die Emendation nur von
KTr (W) ausgehen.
59 ö%kog Jtokvg KPIunt richtig, öaog öykog die andern aus 44.
60 vixva. elta jvaoevftelv H^WTr, & vixva. elza jz. AEL,
ü) vixva. si. KP edd. ant., und so liest man allgemein.
Aber elva ist vortrefflich; wenn die Alte durchgekommen
ist, kann es nicht schlimm sein. Und den Anlafs zur
Änderung gab der erlaubte Hiatus.
68 äftüv die übrigen richtig, dfioad K, öfifoig P.
72 q>vkd£ofiai statt des dorischen <pvka£ev/j,ai, das schon der
erste Mailänder Druck verbessert hat, alle, daher HS
ä&Qoog ö%kog für öykog äftgcog der übrigen. Dies ist
ganz richtig, und wenn K äfticog hat, so weist das nur
auf eine unmittelbare Vorlage in ähnlicher Minuskel, wie
er sie selber schreibt: bei ihm ist ein verbundenes q
•
nfvoJQvif^i ist nach «f<(/<J(»i"f »}? gebildet, das von Laodameia B 700 steht.
0. Schneider hat den Vers als fgm. anonym. 262 in seine Callimachea aufge-
nommen und wegen des Dorismus den Gedanken an Antimachos abgewiesen;
das ist nicht sicher, vgl. S. 57, aber sein Gedanke an Kallimachos' Aitia ist
damit abgetan. Der Vers steht überhaupt sehr seltsam bei Apollouios, gant
verbindnngslos zwischen »} /{ftjois 7r«p« 'Eniytin^tMt x«< Z'oxfQori und den so
angekündigten Belegen aus beiden. Wenn Apollonios ihn überhaupt zitiert
hat, kann er es nur als Nachtrag getan haben.
Philolog. Untersuchungen. XTltl. 4
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— 50 —
von einem verbundenen e oft schwer zu unterscheiden;
ich glaubte auch hier zuerst ä&Q(og lesen zu dürfen.
83 ävftQconog KP, bestätigt durch Schol. Soph. Ant. 343, <m>-
ftgaszog (mnJ.) die übrigen.
87 ävdvvTa PAETrlunt, ävr)vvva HSVL, äin)i>»y.za M, Ava
vvxva K.
107 äv&QOüJicov richtig die übrigen, fbv§Qo')jzo)v KAE.
124 altTot KPW J L*Tr, atevoj die übrigen. Den Dual ohne
Hervorhebung der Zweizahl würde Theokrit nicht ge-
nügend gefunden haben, selbst wenn nur an zwei Bett-
pfosten der Träger als ein vom Adler geraubter Ganymed
gebildet gewesen wäre. Es steht auch allgemein (psoowsg.
Minuskelverlesung von oi zu co.
129 -dexetrjg H richtig, -dsxaEtijg P -dexav^g die übrigen.
139 ysQalrarog HS- richtig, yenaiveoog die übrigen').
i41 xqotbqov MPVVLTr, nnovegnt die andern richtig.
143 Ua&i vvv (pik' "Aötovi xai £g viov ev&vftetioaig
xai vvv fjirfrsg "Adonu xai (')x%' dq>lxrjt (fllog rj&lg.
So K, bisher noch nicht anerkannt, obwohl aHein dem
Schlüsse zukommt ''Lieber Adonis, sei gnädig jetzt, und
auf nächstes Jahr. Es war uns wohl, als du diesmal
kamst, und wenn du kommst, wirst du uns willkommen
sein". An ig veov wird man nicht mehr anstofsen, da
Radermacher Rhein. Mus. 57, 480 den Gebrauch be-
sprochen hat. Bv{h)(ielv, gemeiniglich Evdvfielofrai pflegt
'lustig sein, sich ein Vergnügen machen', zu sein; zumal
l ) Es ist gauz unausstehlich, wie oft man in allen möglichen modernen
Texten die Komparative der Handschriften konserviert findet, wo die Gram-
matik Superlative fordert. Ich sehe voraus, dafs iu unserer Zeit, die mangel-
hafte Sprachkenntnis immer mehr mit der Achtung des überlieferten Buch-
stabens verbindet, jemand ein paar Dutzend solcher Stellen aufrafft und
damit den Sprachgebrauch dokumentieren will. Er mag es tun, wenn er Kom-
parative anderer Bildung als -t«w<; zur Verfügung hat. In der Schrift, die
Abkürzungen anwendet, ist -Koos -utTot durch sie vertauscht; vor allem aber
soll man wissen, dafs der Superlativ wie iu den romanischen Sprachen durch
den Komparativ mit dem Artikel auch im Griechischen ersetzt worden ist,
also die Bildungen auf -mios immer mehr verschwinden mufsteu.
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51
beim Aktiv denkt man an die demokratische, d. Ii. ioni-
sche evOt\uh). 149 entspricht fc yalgowag äqixBv.
Lieber sähe ich hier Fvfripmi> aus dem späteren Ge-
brauche der Münzen und Steine; aber ich hüte mich vor
der Änderung, denn die Stimmung ist von Belang: 'es
war uns wohl' ist feiner als 'es ging uns gut'. Wie
freilich jemand evfrvjueZv von dem Gotte hat verstehn
wollen, das wcifs ich nicht, und haben die andern auch
nicht gewufst. Es ist sehr fein, dafs der volle Parallelis-
mus nicht durchgeführt wird: denn das evftviielv läfst
sich nur heute dankbar bekennen, für nächstes Jahr nur
hoffen : aber das Fest kommt mit dem Kalender wieder,
und das mufs willkommen sein, einerlei wie die Stimmung
dafür ist. Und wenn wir dem Gotte unsere Treue ver-
sichern, wird er schon für die Evihp>la sorgen.
Nun die Varianten veov K, viw B, vecov(a) die übrigen.
svO-v/ievaatg K Iunt E(A?), ^Mvftriaaig HSMP, svfrv-
{iTjoeig WLTr.
147 anav MWTr, äyap die übrigen {äyiov S')TrH.
Hier ist abgesehen von dem überwiegenden Werte von K
(ich habe die Stellen, wo er allein das Echte hat, nicht aus-
geschrieben), dem aber doch eine so arge Interpolation wie 87
zur Seite steht, wieder die Berührung von K mit P greifbar,
zumal in dem seltsamen Lesefehler ö h ucod für äiiüv 68, von P
weiter durch Konjektur entstellt. Den Wert von B zeigt 59.
143. 144. Die Gruppe V(W)LTr geht ganz oder in einem Ver-
treter allein mit K 15. 20. 60; sie hat mit M allein das Richtige
147, mit IIS, die wie in der Kyniska ihre Sonderart nicht nur im
bösen zeigen, 60. M (nur von 71 ab erhalten) geht 147 im
guten mitWTr allein; aber entbehrlich sind MP eigentlich und
sind ganz AE, wenn wir ihnen auch zum Lobe anrechnen, dafs
sie 143 mit KB, 60 gegen sie stimmen.
Hrokef.ialog.
Hier ist der allen gemeinsame Archetypus gesichert, da v. 90
hinter 110 wiederholt wird; dafs S das aus eigenem Urteile
unterläfst, wird nach seiner Behandlung von 14, 60 nicht ver-
4*
— 52 —
wundern; H fehlt für dieses Gedicht. K hat durch Vermischung
von 110 und 90 eigne Konfusiou gemacht, stellt also für sich 1 ).
Der Text ist im ganzen fest; er erfordert auch keine Besserung,
die mehr als Deutung der Überlieferung oder orthographisch
wäre 2 ). Mit den rein dialektischen Varianten ist kaum etwas an-
zufangen, da das Epische dorisch abgetönt ist. Ich hebe hervor
48 w/a K, väa (das ungebräuchlich ist) S LWTr, väfia MPAE,
daher das zugehörige Adjektiv -/.navEav in diesen zu
xvavea wird (auf Berenike bezogen). Man sieht die zu-
nehmende Entstellung.
57 dglgaXog BegsvUa SPAE, dgl^/.og die übrigen. Für be-
zeugt mufs danach das Gewöhnliche gelten. Nun hat
Kallimachos Epigr. 51 dieselben Worte, auch doly^kog,
1 ) Er hat auch 131 eine starke eigene Verderbnis, ein Glossem aduvuiior
aviüiv für tt&arajtav im Verse.
*) Abgewiesen sei Bergks »Qovot für «ro.uo? V. 17, weil er die Texte
behauptet. Sagt man denn von einem Stuhle MJutjjai? Ich dächte, das
pafste zu dem Hause tv /libs avlijt. In der hellenistischen Zeit kann der
Olymp nicht so pauvre sein, dafs der Gott nur sein Zimmer hat: es ist ein
Hof, in dem jeder sein Haus hat. Und Ptolemaios wird nicht schlechter ge-
stellt sein als Herakles, der 29 f/? oww« «Ao/oio geht. Es sind däkayot um
einen Hof, wie auf Pergamos im Z. Dafs 19 von dem Sitze des Ptolemaios
an der Tafel gehandelt wird, ist ein neues Bild. Sehr viel Verkehrtes ist
über 133 geredet, obwohl es doch die äyve(a des Ehebettes der Geschwister
wahrhaftig erhöht, wenn die Dienerin, die das Bett macht, sich zu diesem Ge-
schäfte erst die Hände ayyt&tv mufs und doch selbst noch Jungfrau ist,
wobei das ganz gleichgültig ist, wie sie hiefs und ob sie später mal ge-
heiratet hat. Ganz unerträglich sind die Athetesen und Änderungen 08.
Kos sagt zu Apullon "Liebe mich wie Delos ; gib aber Knidos dieselbe Ehre,
indem du meinen dorischen Nachbarn gleichen Rang verleihst (wie mir):
Apollon hat ja auch Rheneia gleich geliebt". Gleich, natürlich wie ibre
Nachbarin, also Delos. Was man auch streiche, die Proportion Kos : Knidos
= Delos : Rheneia, kommt zu kurz, oder es kommt zu kurz, dafs neben Kos
nicht Knidos allein, sondern die dorische Hexapolis steht. Übrigens ist die
Vergleichung mit Rheneia für selbständige Gemeinwesen, Knidos Rhodos,
kein Kompliment: denn Rheneia steht zu Delos wie Kalymnos zu Kos oder
noch schlechter. Also hat Theokrit die Verhältnisse von Kos her beurteilt;
also hatte er bereits zu Kos Beziehungen, als er das Gedicht machte. Es
ist nicht für ein bestimmtes Fest, etwa Ptolemaia, verfafst, denn es gibt
seine Huldigung nicht nur als etwas Eigenes, sondern auch als etwas Ge-
wagtes.
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- 53 -
und er hat das ganze Epigramm dorisch gehalten. Sein
Gedicht kann nur die Berenike feiern, deren Locke er
verherrlicht hat, denn die Frau des Ptolemaios I, der
Theokrit huldigt, war selbst in der Jugend des Kalli-
machos nicht mehr in dem Alter, sich als vierte Gharis
zu präsentieren. Folglich nimmt Kallimachos das Wort
auf, das der älteren Berenike gehuldigt hatte; er sagt
ja auch evcUiov ev näaiv ägl^tj/^og Begevlxa; dafs diese
Trägerin des Namens es mit den Chariten aufnehmen
kann, ist in der Tat eine Steigerung gegenüber der
alten, die Aphrodite ward, und auch das erst nach ihrem
Tode. Der Dorismus ist bei Kallimachos im Epigramm
Ausnahme: so beweist er Anschlufs an Theokrit; aber
die Überlieferung zeigt, dafs wir das eiue Wort nicht
dorisieren dürfen.
Den gemeinsamen Archetypus und seine zunehmende Ent-
stellung mögen folgende Stellen zeigen:
20 edQaxEvavoo(p6voto verschieden geteilt KMLW (xsv als Par-
tikel Tr. lunt: das v ist Zusatz), re für xe PAE, rov S,
K allein hat das Wahre:
34 -xkeizd K edd. ant. -xlvxd.
74 aiöolo ßaoilfjsg K\ -Ifjog K 2 wie die übrigen, die aldoiov
geben; alöoloi Casaubonus.
89 (fdojiToksfioiat re xaoal K gegen -fitnoi xagnoai.
103 t-avftoxotiag K, -xo/tog.
121 TExecov K gegen roxkov; ve xai cov Briggs, vielleicht 2'.
K mit Iuntina (B):
6S xavftüo Klunt, xataihlo die übrigen. Wohl nur Schreib-
fehler, da der Dialekt nicht streng ist und der helle-
nistische Hexameter die Daktylen vorzieht.
72 ahxoq atwoglunt, ahvug öoiogK, at'aiog akvög die übrigen.
Da diese für lunt. in ihrer Vorlage gegeben waren, hat
ß sicher die Umstellung gehabt; aber die Korruptel K
reichte für Musurus, das Wahre zu finden.
K mit der Gruppe LV(W)Tr:
72 äjzo K richtig, äaai (geändert, weil vBq>£<ov folgt) LWTr,
vjto die übrigen mit weiteren Interpolationen.
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84 ivptddeg KWL, irdexadsc die übrigen.
95 xt xavaßgi froi K L W Tr, -ftn die übrigen, yt für xt. S, aus-
gelassen M.
126 ö y£ Tr, wohl Verbesserung aus o te KAEL, öds die übrigen
128 dgelcov KTr, dgelü) die übrigen.
137 dQETtjv yt fiev ix zkrig altw KLWTr, ?$Etc die übrigen.
Das mufs erst gerechtfertigt werden.
Der Dichter schliefst mit %aiQe äva£ IltoktfiaU und spricht
die Zuversicht aus, die Nachwelt werde es billigen, dafs er den
König wie einen Halbgott besungen hätte; das entspricht auf
das beste dem Proömium. Dann das letzte Wort u um die dgert)
mufst du Gott bitten'', dgexi) ist in erster Linie Gedeihen 1 );
aber nun, seit die Sokratik die Begriffe umgeprägt bat, Tüchtig-
keit, dldov d' dQEti)v re xai okßov hatte der homerische Dichter
formelhaft am Schlüsse der Hymnen gebeten; da waren das kor-
relate Begriffe. Jetzt ist materielle Macht und materieller Reich-
tum zum Glück freilich auch noch unentbehrlich; aber der Mensch
braucht die ägevr) dazu, in dem Sinne, in dem man sie erwirbt,
wenn man das Leben darangibt, wie die Athener des Epigramms
tyvyao, dvvioQOJza frevteg ^A/d^ovr' ägETrjv, aber auch in dem,
dafs die svdatfjLOvia ein Erfolg der individuell betätigten dgETt)
ist. Der Philosoph mag sich die Kraft zutrauen, sich beides
selbst aus der eigenen Seele zu schöpfet] : es ist des Königs und
des Dichters nicht unwürdig. Gott darum zu bitten. Und nun
sehe man, was Theokrit an dem Könige rühmt, yevog, also Vater
und Mutter, yovai, o/.ßog 75. 95, und den rechten Gebrauch, den
er von seinem oXßog macht. Taten, Erfolge, Ruhm kann er eben
nicht besingen, weil der junge König davon noch nichts aufzu-
weisen hat, der nur eben als alzfiavdg Ägypten vor jedem Ein-
falle schützte. Wie passend und schön ist das Gebet; wie ver-
blafst z^eig davor! In dem Festzuge von 277 hatte die AgEXt)
neben Ptolemaios Soter gestanden (Kallixeinos bei Athen. 20 Id),
der eben in die Göttlichkeit zu Alexander erhoben war. Für
seinen Sohn konnte man das nur hoffen: Gott mochte es geben.
') Ich lege Wert auf meine Behandlung des Wortes, Skolion des Simo-
nides «ött. Nachr. 1898, S. 214.
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Verständlich ist alles aus sich: aber wie hatte Kallimachos zu
Zeus gebetet, auch am Schlüsse seines Hymnus? Weder ätpevog
ohne aQsvrj, noch doerr) ohne äqpevog genügen: öiöov d' aQetrjv
te xal okßov. Ist es ein Lesen zwischen den Zeilen, wenn ich
sage, das hat Theokrit vor Augen? Kallimachos sagt von seinem
Zeus, nachdem er dessen Thronbesteigung erzählt hat und dabei
verweilt, wie besonders Zeus seinen König gesegnet hätte, "von
deinen Taten will ich schweigen; die kann doch keiner besingen".
Dann kommt das Gebet. Das Gebet gilt dem Dichter selber und
jedem, der es mitbetet: wir brauchen alle ägerrj und oÄßog. Von
Theokrit wird der König direkt gefeiert; dafs er noch nichts
getan hat, wird klug verhüllt, und so eilt Theokrit zu dem fein
nuancierten Schlüsse. Ist die Anregung nicht deutlich? Dafs
das Gedicht an Zeus, das dessen Succession, die auf die Erst-
geburt nicht zu gründen war, auf ßty und xdgvog des Würdigsten
baut, auf die analoge Succession des Philadelphos deutete, sollte
niemand leugnen, wenn auch dadurch der Zeus des Kallimachos
nicht im entferntesten zu Ptolemaios wird. Datiert wird das
Gedicht dadurch, dafs es die Geschwisterehe des Zeus nicht er-
wähnt, die Theokrit geflissentlich heranzieht. Es ist also früher,
aber nicht viel früher verfafst. Die zeitliche Nähe und die Ab-
folge der Gedichte steht ohne Rücksicht auf ihre innere Beziehung
fest; aber sie pafst zu ihrer inneren Beziehung.
LWTr allein geben das Echte oder führen darauf:
100 f^Tjkazo LWTr, £§d?.avo E sffl.Xavo die übrigen. Irrelevant;
der Aorist ist nötig; der Vokalismus ungewifs.
117 17 TrW (? ich schliefse ex silentio), fehlt in den übrigen.
Zu dieser Gruppe tritt S:
112 hQovg WTrS, tegd>g M (in Wahrheit dasselbe), ieoög P,
lenevg KAE.
S hat das Echte:
109 aUv S, aiei die übrigen.
Als Konjektur, in der verschiedene zusammengetroffen sind,
ist kenntlich:
41 mivQmoi ELIunr, -mi (-Jifj) die übrigen.
Eine entsprechende Konjektur von Musurus oder Boninus ist
42 ßidvtji Iunt, ßaivu KL WTrS, ßcüvoi S, P in Rasur.
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— 56 —
Unklar bleibt
78 öyeXXöfiev K, 6(pE).k6fiBvox die übrigen, ötpeXköfiepov D J Al-
dina. Die Verse sind
fivQiai äjtuQoi re xal Zfrvea fivgia gmvcöv
Arjtov äXdrjoxovoiv öyelkoiisvov Aibg öfißgcoi.
Dafs Gottes Regen das Saatfeld fördert und nicht die Länder,
die zudem durch die Völker getrennt sind, sollte keines Wortes
bedürfen: das konnte aber auch ein Humanist sehen, und da die
Aldina nicht aus D stammt, vielleicht D 3 aus einem Drucke, hat
es einer gesehen, vielleicht zwei. Doch die Auslassung der Silbe
rechne ich in Wahrheit zu den Vorzügen von K, mag auch ein
anderer nur eine Auslassung (von -cu) annehmen.
Das Ergebnis ist hier ganz klar. MPAE sind ganz über-
flüssig. Und S hat, wie früher, wohl etwas, das nicht Konjektur
zu sein braucht, nicht Konjektur sein wird, aber es ist eine
Bagatelle; im Grunde ist S auch entbehrlich. Die Recensio
ruht auf K und VLTr; B würde von Wert sein, wenn wir ihn
hätten.
Xagireg.
Hier stellt sich die Sache noch viel einfacher. K hat Eigenes
gar nicht, sondern geht überwiegend mit den Geringen SMPTAE;
die Hauptsache ist sein Verhältnis zu V (W 1 — 22) LTr. B würde
auch hier von grofsem Werte sein. VLTr treten aber noch viel
klarer als eine besondere Rezension hervor.
4 ßgovoi ßgovovg für ßQovovg ßgatol KD'L, zufälliges Zu-
sammentreffen in einem Fehler, der überhaupt keine Er-
wähnung verdient; die Doppellesart in D zeigt die Kon-
tamination dieser Handschrift.
(Uld(Ofiei> Call., -öiojueg K, -öo t ueg L, -dovrtg W, -dot'u die
übrigen: d. h. -dmfieg hatte die gemeinsame Vorlage von
K und LW(Tr); die der andern aus V. 3 -dorn, was in
der gemeinsamen Vorlage von VTr als Variante ein-
gedrungen war. Der diesen Gedichten sonst fremde
Dorismus der Endung von Kallierges mit Recht entfernt.
9 (Uii)(i]v Iunt. Call, (wohl Musurus) S J : ä?.t]0tip> KPSD,
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- 57 -
daraus korrumpiert dka&etr)v MT, äXr}&eir)v AE, d/.Ao-
voirjv WLTr.
)2 eögr) KPAED, Bgat WLTr MST. Angemessen ist der
Singular; die Verwirrung wird die dialektische Variante
söget gebracht haben.
1(5 imö xöXjtov AE, imö xohzto die übrigen. Da der Dativ
wider den Sprachgebrauch ist, liegt ein Dorismus vor,
den jene schlechten Handschriften vielleicht nur zufällig
beseitigt haben; aber sie haben Glück gehabt.
oiaezat KWLTrD, avastai die übrigen.
18 xvdfia 2K'W (xvd/xai) LB, xväftag (xvrj^ag) die übrigen.
23 oöx äds KBD, ov'/i ö* (d. i. oi>x ijde) VL, ov% coöb die
übrigen, auch VygTr.
24 Was soll der Reiche mit seinem Oelde machen, damit es
övaaig sei?
rö fiev ipvxäi, vö öt aov tivi Öovvai äoidüv
jio?>/.ov$ ö' e$ ££>fcu mjcbv, jzokhovg ök xai ä?Mm>
dv&Qcbnxov usw., besonders aber soll er die Dichter
bedenken.
Hierin haben VLTr 24 jiov, die übrigen xai, 25 jzjjcüv, die
andern jza(bv\ das mag zweifelhaft sein '), aber jiov ist gewählter
und entspricht weit besser dem Verhältnis: nicht zusammen-
scharren soll er das Geld, sondern sich dafür den Genufs ver-
schaffen, den er mag; etwas aber soll er auch an die Dichter
abgeben. So direkt övaoig ist das nicht, wenigstens nicht auf
den ersten Blick, daher wird es mit jiov bescheidentlich ein-
geführt. Nun hebt es ausführlicher an 'nämlich die necessarii
müssen das Ihre bekommen, und die Götter ebenso, *), vor
') Den Dorismus hat Nikandros Ther. 3 mit den Scholien, die ihn ent-
schuldigen, weil er als Nachahmer des Antimachos Dorisraen einmischte.
Für nidöv beweist das nichts; aber die aligemeine Tatsache dürfen wir
glauben. Ks ist für die Künstelei des Antimachos sehr bezeichnend, dafs er
die Vokalisation der Lyrik (so i6t's natürlich) zur Veredlung des epischen
Dialektes benutzte, vorbildlich auch für diese Gedichte des Theokrit und für
das Epigramm.
2 ) Die Mahnung "er soll aber auch kein böser Wirt gegen seine Gäste
sein, sondern sie, sobald sie wünschen, fortlassen'', angeknüpft an Homer
o <!8, Theognis 469, trilt störend ein, wenn sie nicht eine Beziehung hat.
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- 58
allem aber die Dichter'. Das wird mit Beispielen belegt, und
am Ende kommt heraus, dafs damit eine nvaaig erreicht wird
57: wo freilich just die Pointe, &vaoav, beanstandet worden ist.
Dafs dies der Bau ist, also 25 dotdcöv allein möglich, so viele
falsche Konjekturen auch von bedeutenden Männern gemacht
sind, hatVahlen gezeigt; ich finde auch, dafs er die Beseitigung
von 66 hinter nolXovg schon erwogen hat, die mir als not-
wendiges Rettungsmittel für den Satzbau erscheint; am liebsten
würde ich die Streichung auf seinen Namen stellen, wenn er sie
auch nicht verlangt hat und ich sie nicht von ihm entlehnt habe.
nov hat er nicht besprochen, vermutlich weil es bei Ziegler gar
nicht erscheint.
28 ijirfv VSM, endv KLTr und die andern.
30 dxomj VLTr, dxovoyg die andern und V a .
33 dyi)v KV (dort jetzt zerstört, aber in W erhalten) S Iunt,
eö/j v MPTLTr.
34 nokkol 6' iv 'Ävv. VL falsch (noA/.oi d' 'Avx. Tr, Konjektur).
39 fj,ä?.a VLTr falsch.
42 äfxvaavor tä öt jio?./A VL falsch gegen ä/ivaazoi de vä
jv. der übrigen, eine falsche Lesart, aber wirklich eine
verschiedene Lesart, kein Schreibfehler.
xslva (gegen vfjva) VL.
44 6 frslog VLTr. Syrian zu Hermogenes I 85 Rabe Igxeov
övt iv tolg vvv (f EQOfifvotg SsoxQitdoig "el jttr) dslog
äotdog" yiyqajzvai' noXh Ö' kxü vb "duvög" olxetövegov.
Nämlich mit öuvög hatte Hermogenes den Vers zitiert.
K und die übrigen lesen xelvog.
47 rjkfrov VSPI), rjvd'ov die andern.
48 xofioä>vtag K und die andern gegen xo^tdowag MST,
aber VLTr notieren die verwerfliche Variante dt xa/uovrag,
eine wirkliche Variante.
Es mufs Gefahr sein, dafs der Reiche die Liberalitat zur Knebelung der
Freiheit macht. So haben es Piaton und Philoxenos bei Oionysios erfahren;
Horaz hat auch von Mäcenas manches gelitten. Wenn Theokrit, der sich
hier dem Hieron anbietet, die Mahnung, bei der er seine Zukunft im Auge
hat, nicht erst bei den Dichtern vorbringt, so ist das berechtigt: jeder, der
sich einem Mächtigen attachierte, lief diese Gefahr.
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- 59
40 x(u VLTr, besser als i} der übrigen.
ZQoirjg VL, XQOiäg die übrigen,
öl elxatt KTr, eixon VMSPT, eixool LAE, wohl richtig.
. r )2 (5' sig V'L, r' KD, r' eZg die andern und V 2 richtig.
54 ö' äv ixpoQßöq KV LD richtig, (5' 6 ovyooßög V'TrMST,
<5' dv 6 giogßög PAE.
57 oyeiag V'L, ogodg die übrigen: ayf'ag nach homerischem
Gebrauche Brunck.
59 d/iaAdwoiri VLTr, -vovot die übrigen.
60 ?)tdn VLTr MS, diovi die übrigen.
63 ytXoxEQdetat, KEygDL, -deiy die übrigen.
ßeßh]fievov MSTTr, ßsßXafifiEvov KVLPAE.
64 öavig volog VLTrD", bang voiovvog KPTAED', hg zoi-
ovvog MS.
68 eXtio) nur L, aber evftco der andern doch falsch.
69 TsÄ&ftovTi trotz Hiat VLTr, -ovatv die übrigen.
dot(5o?g KVLTrD, äoiöäv die übrigen.
70 xovgdcov V L Iunt unbezweifelt richtig, /wvad(ov die übrigen.
,afc'-/a VLB Eustath. zu vi 175, (iBydXov oder daraus ent-
stelltes die übrigen.
72 xivqoevvti VLTr, -aovai die übrigen; wie 69.
73 ifiev VLTr MS, Efiov die übrigen.
äoiöov KVLTrBD, äoiöy die übrigen.
76 dcXia) VLTr, fjsXio) die übrigen.
77 oixovvteg VLTr, oixevvteg die übrigen.
Aißvrjg VLTr MS, Atßvag die übrigen.
ifQQiyavvi VTrMT, EQQiyavn S, -yaai die übrigen.
81 ojadowatv VTr, oxidfrvoiv L, oxendovm die übrigen und
Eustath zu T337, viel schlechter.
83 xovQa &\ ä VLTr, xovqv i)' ry die übrigen.
85 xaxai ntfi-ipeiav dvdyxai die meisten richtig, xaxd (oder
xaxä) — dväyxa KTMD, weiter verdorben Jt^mei ^vKD 1
(ntfiipav M gleichgültig, ebenso jiifiJtovoiv V v. 1.).
86 (fUov für f/fArm' KPV'D gleichgültig.
dr/ßAAovrag BTrPSTE, dyyiXovvng KVLMA: XI oder A ist
überall gleichgültig.
87 diHÖftriTorg Kl), -,/a/rd P, -^laroög falsch die übrigen.
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88 ö£ VL, ve die übrigen falsch.
valoivo V J DIunt, valoive L, vaioivvo die übrigen.
00 ai d' KLD, ai v' die übrigen falsch.
02 ßXaxolvvo VLTr falsch. ßXqx. die übrigen, ßXr)%cövvo
verbessert S a .
03 axvmalov und oxvi<paiov .2 V, die andern eins oder das andere.
94 ExreÄioivTo xard ojiöqov V/oTr, ixjtXeoivvo L weist auf die
Entstehung aus dem exjuoveoivvo Jiovi der übrigen.
95 vy>6&i 2 VLTr, £vdo&i die übrigen. Daher zu 32 ivöofti
als Variante vipofii V und so L.
98 äoiöal MT gegen do«5o/ der andern kommt nicht auf, ob-
wohl an sich gefällig.
99 ö&t KVLTrD, öjzt) die übrigen.
100 ifißaalkevoEv VTrL (ißaoj, efißaailevEv die übrigen. Der
Aorist ist für das historische Exempel das Angemessene.
103 Jiäat fii/.oi KLS'DIunt, Jtäat fitAsi VygTrP, Jiäatv ixot
die andern. Das -ei also spätester Itazismus.
"ÄQE'&ovoav VLTrP, 'Agiftoioav die übrigen.
aiXfiaTdv VLTr, alxfii]trjv die übrigen, vgl. 17, 56.
104 'EvEOxlfjog VTr, 'Evsoxlrjo L, 'EteöxXeioi die übrigen richtig,
davon in L eine Spur.
XäQitsg VTrD marg., frvyavEQEg die übrigen. Das ist eine
gelehrte Variante, deren Beziehung ich in den Göttinger
Nachrichten 1894, 194 aufgezeigt habe. Ich verkannte da-
mals den Wert der Überlieferung. Es zeigt sich, dafs Vahlen
allein im Rechte war, der XdQweg vertrat.
105 Jioxa VLTr, jiote
106 sycoys yivoifu KD, iytjv fjiiv. VL, iycayE fiifiv. Tr, Eyib
lufiv. MST. £y6) fiEv. PAE, pycoyE fiiv. edd. ant. aus
richtiger Verbesserung.
107 txoifiap ES 2 , iolfiav die übrigen. Mit diesem neuen Medium
durfte Ahrens die Grammatik nicht bereichern wollen ; aber
was verbietet uns das simple loip äv'? xe in 103 wahr-
lich nicht. Und gehen pafst besser als kommen, vgl. 68.
108 v^(/j,)£ag VLTr, vfifie die übrigen richtig.
dyajtatov KBTrW 1 , dyajzrjvöv MPSTDLW 2 .
Wer das übersieht, dem springt die gesonderte Überliefe-
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— 61 —
rung von VLTr entgegen, in bösem 9. 42. 48. 94. 104 und in
gutem 24. 64. 70. 81. 88. 90. 100. 104; er sieht ihre Neigung
für den Dorismus, dem er nicht trauen kann, und die Wert-
losigkeit jedes einzelnen der andern. ' So karg sie sind,
stimmen die Scholien 9") zu VLTr: da ist die gemeinsame Va-
riante der übrigen also eine junge Entstellung. Nun ist aber
unschätzbar, dafs eine der unterscheidenden Lesarten 44 durch
Syrian als zu seiner Zeit herrschend bezeichnet wird; so alt ist
die Spaltung. Denn was die andern haben, ist nicht aus dem,
was Syrian kennt, verdorben, sondern aus dem, was Hermogenes
hatte, und das erst gibt die Hand des Theokrit. Seltsam ist
freilich, wie viel zahlreicher und stärker hier die Abweichungen
der beiden Familien sind als z. B. in den Pharmakeutriai,
seltsam auch, dafs hier K fast ganz zu den Geringen rückt;
aber über diese Seltsamkeiten der byzantinischen Codices zu
simulieren trägt nichts ein: seien wir froh, dafs wir durch diesen
Nebel hindurch das praktisch Wichtige leidlich klar erkennen.
c Ekevt]g isti&ahdfitog.
Für die Helene fällt K fort; auch M, der immer noch einen
Grad besser war als die andern, und P: es bleiben also AE,
die elendesten, und S, der aber hier wieder seinen Begleiter H
erhält, und gut bekannt ist hier U, der im allgemeinen nach
AE gravitiert, aber durch die Auslassung von 46. 47 mit HS
verbunden ist (sie sind nur in jenen nachgetragen). Von D ist
genug bekannt, um ihn als ganz interpoliert wegzuwerfen. Die
andere Familie hat V und L verloren, und für den Verlust von
V entschädigt die Abschrift X nur von V. 51 an: daraus folgt,
dafs Tr hier dieselbe Rolle zu spielen hat, die sonst VLTr
spielte; ja, er mufs noch mehr bedeuten, da er ja die Ver-
bindung jener Familie mit K auch ersetzen mufs. Was sich
für B erschliefsen läfst, ist vom ersten Range; dafs es öfter zu
Tr stimmt, ist normal, bestätigt aber die Diagnose. So seltsam
das klingt, zumal wenn man mit dem Texte des Sophokles und
Pindar Bescheid weifs: hier gilt die Regel, wenn eine der Aus-
gaben von 1516 und Triklinios zusammenstimmen, kann man
alle Handschriften ohne weiteres wegwerfen, und selbst wenn
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Triklinios aliein steht, hat er die Piäsuinption für sich, das
Echte zu liefern. Die Übersicht wird das bestätigen.
2 bdxiv&ov TrluntS", vaxivd<ivov die übrigen.
5 dyajzazdv Trlunt, dyanr)tdv\ TvvöaQiöav Tr, -da die
übrigen (-öi S l , -dij S a ). Da soll man über das para-
sitische v des Akkusativs sich nicht ereifern, in
der Zäsur für - . - ist ganz unanstöfsig. Es ist gar
keine Variante.
6 6 ved)TSQog 'AtQeog vioyv Tr, gewählter als viög der übrigen.
8 jzoooi JiSQuiAixroig, vjzö 6' m/e öäfi' v[ievaicot Tr, die
übrigen JieQuzAsxvotg .Teo/. Darin ist negi durch me-
chanische Wiederholung entstanden. Und die Mädchen
flechten die Beine nicht, sondern sie spreizen sie, sie
machen lange Schritte. Es genügt auf Pollux II 172.
173 und was Bethc dazu bemerkt zu verweisen. Dar-
unter ist die Hesyehglosse neouTEJTAiyiieva, jieQuu-JzXey-
fisva, dafs man sehe, wie die Vulgata entstanden ist.
Für athenische Mädchen wäre ein solcher Reigen unan-
ständig, für koische ohne Zweifel auch: daher gibt ihn
Theokrit den Spartanerinnen; es hat Lokalfarbe. yv{i-
vaddofiat yäg xai Jiovl Jtvyäv älkofiai sagt die Lam-
pito des Aristophanes.
!) Jtgcbige Tr, nocbifr die übrigen ; das steht auch bei Hesych,
wohl aus Homer B 303, wo es Theokrit auch herhat.
10 Ztav TrB, (pike ((pÜ.og S) die übrigen aus dem w <piXe V. 9.
12 evÖEiv fiäv ojzevdovva xaft' ägav avvöv $%gf]v vv Tr, evö.
fih> xQyi&vva x. (o. i/of)p avvöv vv. die übrigen. Die
Adversativpartikel ist nötig; der Versschlufs spricht für
sich selbst; die Verse passen beide.
14 ivag TrBS, svvag die übrigen.
16 dyaftöc voi Tr falsch, dya&ög vig die übrigen.
20 oia 'A%audÖG>v yalav ovdefit' äXXa TrluntS'. Aufsei-
äX'Ar), das gleichgültig ist, haben die übrigen 'Ayatlöa
yalav oder führen doch sicher darauf, nur U hat 'Ax ai ~
tÖav, das auch Versehen sein kann. Nur das Mifstrauen
gegen Tr, der doch hier B neben sich hat, kann ent-
schuldigen, dafs viele Konjekturen gemacht sind, alle
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schlechter als das, was nun als Überlieferung zu gelten
hat, zumal alle die das Monosyllabum yäv vor die Zäsur
stellen.
22 äfifiBs d' ai Jiäocu Tr, yda für ö' al die übrigen, ganz sinnlos.
23 Xoevgm Tr, Schreibfehler, XoetQotg die übrigen.
28 ötatpaivsT' iv dfilv TrS (mitr), dteqncuW h> iffilv die
übrigen, falsch.
32 ix rakaga) Tr, ev r. die übrigen, falsch.
35 ov fiäv ovdk /.vgav Tr, ov xtftdoav die übrigen, ovde ist
notwendig: das entscheidet.
41 veovg Iunt. U, reov STr, ved HAE.
47 kagvfievai Iunt, Xa^öfievai die übrigen. Die Formen
wechseln, ka^vfievat steht bei Hesych (aus Cyrill), kayo-
t im>ai Apollon. Rh. 3, 1394. Aber kd^vadai ist gewählter;
schwerlich hat es sicli Musurus ausgedacht.
50 vfifitv TrBS', äfi/uv die übrigen sinnlos.
52 Zevg öi TrB richtig, <5e fehlt den andern.
53 £A»fy TrXB, tvtfy und -#ot S, &>(A)#»?? oder -tfotg die
andern. Nötig ist die dritte Person und die dorische Form.
57 deiQdv TrX, deioiiv die übrigen
58 fy^i» S-, vfidv B, /) /wfr XTr, iyuv HA EU, S': die
Korrektur >/ zu a ist in XTr falsch auf die erste Silbe
bezogen.
Also BTr vereinigt sind immer im Rechte, B gegen Tr 41
(mit U) und 58. Wo B fehlt, hat Tr die Führung, und er hat
gegenüber den anderen das Falsche nur 9. 16. 23. Die Ab-
weichungen der Handschriftenfamilien sind hier sehr stark, aber
methodische Handhabung der Recensio führt doch auf einen
nicht minder einheitlichen Text als im Ptolemaios und der
Kyniska. Dieser Text trägt auch so schlimme Wunden wie dort
n)(päz' und öola, oder wie sie die Kreuze in den Adoniazusen
zeigen. Aber hier fehlen die Scholien, die in der Kyniska
halfen. Folglich mufs alles, was diese sonst Gutes lieferten, und
was etwa K bis zum Ptolemaios darbot, durch Konjektur ersetzt
werden, wenn die es vermag').
>) 29 hat eine blinde Henne ein Korn gefunden, Eichstädt, der Jenenser
Flachkopf, den man so ungern von Goethe gut behandelt sieht, nämlich u(yu
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Überschauen wir nun die Ergebnisse unserer Prüfung dieser
Gruppe. Es hat sich die Familie VTrL so stark abweichend
gezeigt, wie es in der bukolischen Gruppe der zwölf Gedichte,
die wir zuerst besprachen, gar nicht vorkommt, und Syrian hat
eine Zeitbestimmung für diese Familie geliefert. Neben ihr
steht K und dann B, der zwischen beiden vermitteln würde,
wenn er noch existierte, und vielleicht könnte man dann die
übrigen fortwerfen. So bringen wenigstens HS noch einigen Gewinn.
Dagegen MPTUAE sind entbehrlich, und der Leser Theokrits
wenigstens braucht mit all ihren Fehlern wahrlich nicht behelligt
zu werden. Aber wie in der ersten Gruppe der einheitliche
Text sich aus der Wolke gleichgültiger Einzelfehler klar heraus-
hob, so ist auch hier schon durch die gemeinsamen Korruptelen
ein nicht minder einheitlicher Text jenseits der Spaltung unserer
Familien unverkennbar. Dem entspricht es, dafs diese Gedichte
ja alle noch einige und zuerst noch recht reichliche Scholien haben.
Also zugrunde liegt doch dieselbe antike Ausgabe wie in der
ersten Gruppe, demnach auch derselbe Text. Man kann nicht
einmal sagen, dafs er schlechter bekannt wäre, weil die Zeugen
zum Teil verstummen oder weiter auseinandergehen, und noch
viel weniger, dafs er wesentlich schlechter wäre: es fehlt nur
Xüior in utyuku ( Aij Tr.) «i\ Es ist die Vergleichungspartikel in die theokri-
tische Form des Gleichnisses gedrungen, Interpolation ganz gleicher Art
wie der Vers 13,61. Die Vergleichung davor lautet in der Überlieferung (nur
tiutfmtt von Ahrens verbessert)
üvljg antHoio« xitk'uv Jtfyai'f itQuatxinov
710111« vi<i, ait itvxbr *«p ^tiuwvui uriytog.
Es liegt auf der Hand, dafs die Nacht oder die Morgenröte fort mufs, und
da der Anbruch der Nacht eben das Signal zu dem Hymenäus gegeben hat,
ist die Wahl nicht schwer. Diese Nacht ist verglichen mit dem Erscheinen
des Frühlings nach dem Winter. Das pafst schlecht für die Nacht im all-
gemeinen, obwohl man sie in der südlichen Hitze als tvtfpori) empfindet, aber
für diese Nacht, die Uochzeitsnacht, darf auch der Jungfrauenchor so weit
gehen. Das ist dann freilich etwas Pretiöses. Und was wird mit «w?? Ich
denke, das kann auch bleiben, nur als Genetiv. Die Nacht hat aufsteigend
ein schönes Eosgesicht leuchten lassen: das Abendrot führt Theokrit statt
des Abendsternes der Sappho ein. Es ist schon richtig, dafs die Griechen
sehr selten von ihm reden (Herrn. 18,420; ich könnte mehr geben), aber danu
ist dies nur ein Vorzug Theokrits.
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- 65 -
immer mehr die Hilfe der Scholien, die allerdings sehr viel be-
deutet. Die Handschriftengruppe VLTr ist scholienlos; die
andern aber gehören ohne Zweifel genau in dem Sinne zusammen
wie in den ersten 12 Gedichten.
Wenn wir also in dieser Reihe nichts anderes als die Fort-
setzung der Theokritausgabe haben, so hat die Frage der Reihen-
folge eine Berechtigung. Da zeigt sich doch trotz aller Ver-
wirrung der Handschriften, dafs die Helene an das Ende gehört:
daher fehlt sie in K; die Adoniazusen in die Mitte, zwischen die
beiden Paare, Kyniska und Pharmakeutrien. Chariten und Ptole-
raaios; unsicher ist nur die Anordnung dieser Paare in sich.
Für das erste Paar darf die Umstellung des langen schönen
Gedichtes an die zweite Stelle der ganzen Sammlung in HSMAE,
also den schlechten Handschriften, nichts ausmachen, denn sie
ist eben um seiner Bedeutung willen von später Willkür gemacht
worden. Dagegen scheint mir die Erwägung durchschlagend,
dafs die weiblichen Mimen zusammenstehn müssen, vor ihnen
der männliche, der zwar auch nach Sophron gebildet ist, aber
eben zu den anderen männlichen Mimen hingravitiert. Die
Scheidung männlicher und weiblicher Mimen in der Sophron-
ausgäbe Apollodors war vorbildlich. Hiermit folgen wir zugleich
der Reihenfolge in K, der die so wie so bedeutende Autorität
beanspruchen kann, gegen V Iunt, also wohl B. K stellt auch
die Chariten hinter den Ptolemaios (gegen Iunt und die ge-
ringen; V hat mehr verrückt). Das wird ebenfalls richtig sein.
Denn mit den Chariten beginnt die Dorisierung des Textes in
VTr, die wir in den folgenden Gedichten dieser Familie (Dio-
skuren, Herakles) antreffen werden, während der Ptolemaios
davon noch ziemlich frei ist.
Der Dialekt ist in Charites und Ptolemaios sehr unbehaglich.
Streift man auch die übertriebene Doris der einen Familie rasch
ab, so gelangt man doch nicht zu einem reinen Resultate, wie
es die Angaben über die las vor dem Aites und vor den Dios-
kuren gestatten. Denn eine Mischung, wie sie durch die Hand-
schriften geht, konnte weder durch reine las noch durch reine
Doris entstehen. Man mufs sich also durchlavieren, ziemlich wie
in dem auch unbehaglichen Hylas, und anerkennen, dafs der
Philolog. Untersuchungen. XVIII. 5
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- 66 —
Dichter selbst nach seinem Geschinacke um der Klangwirkung
willen den epischen Dialekt dorisch temperiert hat. Es ist ein
merkwürdiges Problem, und ich glaube recht getan zu haben,
wenn ich hervorhob, dafs der ältere Zeitgenosse des Theokrit,
Isyllos, es ebenso gemacht hat, wo die Erhaltung uns Sicherheit
gewährt'), so dafs wir hier gewaltsame Experimente unterlassen
sollten. Fraglich ist mir nur, ob ich mit Hecht die beiden Dorer
von der epischen Praxis ihrer Landsleute, wie sie die inschrift-
lichen Epigramme zeigen-), aHein abhängen liefs, wenigstens
wenn das S. 57 angeführte Zeugnis mit Recht dem Ionier Anti-
machos Dorismen zuschreibt. Wir haben wohl eine allgemein
verstattete literarische Freiheit des künstlich erneuten Epos an-
zuerkennen, die zu dem kyklischen Schlendrian und dem gramma-
tischen Ilomerisieren, mit dem Apollonios beginnt, im Wider-
spruch stand. Die damalige Lyrik treibt es ganz ähnlich. Wenn
es denn aber keine Gesetzmäfsigkeit gibt, sondern der Wille
des Dichters nur aus der Tat erkannt wird, so hängt praktisch
alles an der Zuverlässigkeit des überlieferten Textes. Dafs wir
hier selbst die Fassung der antiken Ausgabe nicht mehr sicher
erreichen und, wenn wir sie erreichten, immer noch weit von
der Sicherheit entfernt bleiben würden, die Hand Theokrits zu
haben, ist praktisch für die Konstituierung des Textes wertlos;
aber auch der Leser darf es niemals vergessen.
'Ejztväy 10g Blovog.
Ehe wir die nunmehr in ihrer Sonderstellung erfafste
Familie VLTr in den Gedichten verfolgen, die sie über die
rein theokritischen Handschriften hinaus erhalten hat, sei ein
'•) Ich dehnte den Zweifel damals auch auf Aites und Dioskureo aus;
das war unberechtigt, und Ahrens hatte ganz richtig geurteilt.
2 ) Kirchhoffs Aufsatz, Hermes über den Dialekt der inschriftlichen
Epigramme ist sehr folgenschwer geworden ; die ganzen Fickscheu utiuyQuuua-
uauo( sind nur eine Übertreibung seines Prinzipes. Angesichts der Funde
namentlich aus dem Perserschutt mufs zugegeben werden, dafs Kirchhoffs
Induktion aus ganz wenigen Indizien die Verallgemeinerung nicht vertrug.
Wer Bescheid weifs, kann den Dialekt Findars und der alten Tragödie nicht
mit geringerem Mifstrauen betrachten als den des Theokrit.
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— 67 -
Gedicht besprochen, das die Überlieferung durchaus mit der
eben besprochenen Reihe echttheokritischer Gedichte zusammen-
fafst, der 'Emtdyiog Biayvog. VTr können das zwar nicht
zeigen, da sie noch sehr viel anderes daneben haben, alles
anonym; aber L hat ja nur Theokritisches, in P steht der
Epitaphios vor dem Ptolemaios, dessen Überlieferung er
teilt; H hat auch nur Theokritisches, also mufs die Nennung
Theokrits in der Überschrift von S auch für ihn gelten: sie ist
gemeint auch in PHL, falls sie wirklich überall fehlt. Die
beiden Familien VLTr und SHP sind auch hier ganz deutlich
geschieden, aber man mufs mit freiem Urteil zwischen ihnen
wählen, und das tatsächliche Verhältnis liegt nicht so ungünstig
für HSP wie in der Helene. Übrigens spielt manchmal eine
Lesart der einen Familie in einen Vertreter der anderen hin-
über, was auf ursprüngliche Doppellesarten führt. Davon ist
98 ein guter Beleg. Das Echte ist, wie Briggs gesehen hat,
dt fie. Die Handschriften haben a^e mit verschiedener Pros-
odie, aber V (vielleicht auch Tr) afi/Liea. Was ist das anders
als afifie mit der übergeschriebenen richtigen Variante «?
Der gemeinsame Archetypus ist gut kenntlich. 2 ist die
Überlieferung xaldoive oder xAodotre, was dasselbe ist, also ein
ganz gemeiner Schreibfehler, den erst Musuros berichtigt hat:
das erweckt zu der Treue der Abschriften einiges Vertrauen.
37 hat Bücheler das Richtige gefunden, aeiQi'iv^ das ist
kaum entstellt in VLH 1 oe jzq(v, natürlich in Buchschrift. Kon-
jekturen daraus in den übrigen Handschriften beider Familien,
di jzqIv P, yi jiqIv Tr, dtfaplv, am frechsten und sinnreichsten
SH\
55 hat Kallierges (oder Musuros) äx<» d' sv richtig ge-
geben, ayedcov hat L, d%BÖvi) VTr, dyedovEt die andere Familie,
aus der Lesart von L interpoliert. Die sinnlose Lesart VTr
deutet auf etwas Übergeschriebenes in der Vorlage.
121 ist scheinbar eine schwere Abweichung "ich möchte in
den Hades, zu hören, vi neklodeai. xai jtaoä Kcbgai ItxeÄtxov
n /.iyaive". So VTr, unmöglich wegen des Versmafses. d//.' im
xmqcu HS. Darin ist im grammatisch unmöglich, dk/.d jräoa P,
y.ai jzäoa L. Das bringt iu seiner UnVerständlichkeit die Vermitte-
5*
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lung. Der Archetypus hatte dAAd jiaod; das ist in der einen
Überlieferung durch die Änderung der Partikel in x<u, in der
andern durch die Änderung der Präposition in &xl zurechtgemacht.
Echt ist aber sicherlich die Partikel der Aufforderung dAAd: sie
fordert der Gedankenfortschritt. Ich denke, es ist ein guter
Einfall, naqd mit der bekannten Abkürzung geschrieben zu
denken, die über dem n einen Haken, ziemlich wie £ hat: das
ergibt fast ohne Änderung dAA' äye, xwqcii . . . /.iyaive. Der
blofse Dativ ist auch viel angemessener als jede Präposition.
Der Überlieferung nach mufs man das Gedicht zu der
zweiten Gruppe der Theokritischen rechnen, mufs auch denen,
die es hier hergestellt haben, zutrauen, dafs sie es dem Theokrit
beilegten. Anderseits gibt es kein antikes Zitat daraus; ja, auch
keine Nachahmung ist mir bekannt. Daher ist es unwahrschein-
lich, dafs es in der kommentierten Ausgabe gestanden hätte; es
eröffnet also die Reihe der Zusätze, zu denen wir nun übergehen,
ohne sich jedoch in eine der Gruppen zu stellen, die ich mit
den Zeichen <P und // zusammenfasse. Dann kann es aufge-
nommen sein, weil es durchaus bukolisch ist, von dem Thyrsis
Theokrits und dem Adonis des Bion vor allen beeinflufst; auf
Theokrit ist es erst geschoben, als V. 95 die leichte Verderbnis
erfahren hatte, die ich Herrn. 39, 141 gehoben habe; seltsamer-
weise hatten die Modernen die Lücke immer noch als gegeben
betrachtet, obwohl sie wufsten, dafs sie eine Hypothese des
Musuros war. Wie sich die antiken Leser mit iv dt Ivgaxooloioi
toeöxQitog avzäg sycoye abgefunden haben, dürfen wir dahin-
gestellt sein lassen: die Zuteilung kanu so spät sein, dafs sie
avtdQ verdauten.
Das Gedicht ist auch um der Verwendung des Schaltverses willen
recht merkwürdig, so schlecht, es ist. Er sondert hier sozusagen
die Kapitel, in die der Verfasser sein Carmen ganz verstandes-
mäfsig zerlegt hat, Vielleicht ist es ein täuschendes Gefühl,
jedenfalls kann ich es nicht begründen, aber mir ist, als spürte
ich die italische Art des Dichters, als klänge es schon nach
Statius').
l ) Es wäre verwegen, die Beherrschung der griechischen Sprache durch
den Verfasser zu beanstanden; aber in einem ist er mindestens bis an die
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Die beiden Handschriften VTr, deren Lesungen sich von 14
bis 18 als immer bedeutender herausgestellt haben, enthalten
eine weitere Reihe von Gedichten, die sie uns zum Teil allein
überliefern. Es ist wohl nicht unbedingt sicher, dafs sie un-
mittelbar aus derselben Vorlage abgeschrieben sind, aber es liegt
am nächsten, und praktisch kann man es nur so behandeln.
Hiller hat diese unmittelbare Vorlage 0 genannt, was nicht nur
unpraktische Häufung von Zeichen im Gefolge hat, sondern das
Urteil leicht verwirrt. Ich bezeichne also mit 0 die Hand-
schriftenfainilien, die den Anhang der Theokritischen Gedichte
erhalten hat, der in VTr vorliegt, hätte ihn also schon vorher
brauchen können. V selbst ist hier stark beschädigt, und
nur zum Teil liefern seine Abschriften Ersatz, Vaticanus 1311
(11 von St. Amand bis auf Hiller; ich sage X) und Laurentianus
Conventi soppressi 15, aus der Bädia di Firenze, W. Dieser hat
für die Gedichte, die es auch in anderen Handschriften gab,
weiteres Material zugezogen (was übrigens, wie die Doppelles-
arten zeigen, auch in V geschehen war), X ohne Zweifel auch,
da er sogar den Bestand um Theokrit 28, 29 aus H und um
Herakliskos 1—87 erweitert hat; davon später. Aber für die
Gedichte, auf die es wesentlich ankommt, gab es für WX keine
andere zugängliche Tradition. Die alten Ausgaben kommen hier
gar nicht in Betracht, denn B enthielt eben diese Reihe nicht,
und die Drucke gehen auf Tr zurück. Anderes ehedem fälsch-
lich Herangezogenes hat Hiller richtig beseitigt. Ich gebe zunächst
eine Übersicht des Tatbestandes, bei der ich die Reihenfolge
von V zugrunde lege, zu der Tr in dem, was von Belang ist,
stimmt. In eine rechte Kolumne setze ich die Zeugen der Über-
Grenze des Solöken gegangen. 23 ßvts tu nor) juv^oi; 7ik«CÜf.itk«i 52 ris
noTi oai aimyyi titMStrat, 48 xaftfZoutmt 7101t TTQhurut; txwxvov, 16 norl
XttUotv ... «ftJfr. Dafs die Stellen einander schützen, ist klar; aber noil,
das überall räumlich nahe Verbindung bezeichnen soll, ist überall ungewöhn-
lich gesetzt; man erwartet 23 «u«, IC und 48 etwa tnt\ 52 den blofsen
Dativ, noti ist die Liebliugspräposition des Theokrit, und ihr Gebrauch
reicht viel weiter als im Attischen; aber dies ist doch noch ganz anders.
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— 70 -
lieferung; das Zeichen // umfafst eine Handschriftengruppe, die
später behandelt wird.
'Hgaxk^g V (lückenhaft) WX Tr M II
Meydga V (1-13) W Tr // S
Iho?.€(ialog W Tr L ! KB SM PL' A ED
J3tWog€mra^ogV(36-Ende)W(l— !6)TrL ! H S P
AiöaxovQoi V (92— 1 85) X ( 1 — 44) Tr M P ( 1 - 1 8)
'EMvr) X (52-58) Tr
Bovxokloxoq X Tr
'Abels X Tr
"Egcog ÖQajiivrjg V (18- Ende) X
Kr}QioxXijzvrjg V
'Adcovtg V Tr
sig vsxqöv "Aöfoviv V
EQaotrjg V (1-55) X Tr
Axdknog emftaXdfiiog X Tr
II
BHSUAED
S Anth. Pal.
Triklinios hat also drei Gedichte weniger, das Anakreon-
teum auf Adonis und die beiden kleinen Erotika. Mit Recht
sieht Hiller in ihrer Auslassung eine bewufste Kritik des Tri-
klinios. Das Anakreonteum schien ihm als lyrisch überhaupt
nicht hierher zu passen; Ahrens hat ebenso geurteilt. Den
"Egcog dganivrig konnte er aus der Anthologie kennen, dann auch
seinen Verfasser Moschos; er gab aber alle Gedichte dem Theo-
krit, dessen Namen er überall, wo er fehlte, zugefügt hat; dann
gehörte Moschos nicht herein, und so hat er auch dessen Europa
nicht aufgenommen, die ihm doch leicht zugänglich war. Den
xrjQioxXemyg hat er wegen seiner Nachbarschaft und inhaltlichen
Verwandtschaft zu dem dgan&Tyg gerechnet, also dem Moschos
zugetraut, was ja auch später vielfach geschehen ist. Natürlich
weisen diese Urteile die Gedichte nicht aus <f> aus, und wir
müssen uns an V halten; aber mit dem Anakreonteum hat Tri-
klinios doch richtig gesehen. Schon wenn man die Handschrift
selbst vor Augen hat, bemerkt man den Unterschied seines Textes,
dessen Reinheit zu der Verwilderung seiner Umgebung in grellem
Kontraste steht. Es sind zwar auch hier ein paar Korruptelen,
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- 71 -
allein die liegen tief 1 ). Die Oberfläche ist ganz glatt und alles
fast ohne Korrektur-). Der Schlufs liegt ja auch so nahe, dafs
das Gedicht irgendwann um seiner inhaltlichen Verwandtschaft
willen hinter den Adonis des Bion eingestellt ist. Wann soll
man sich diese siebensilbigen Anakreonteen, die allerdings auf
den Accent keine Rücksicht nehmen, aber in vXav 44 die Schlufs-
silbe bereits kurz brauchen, anders entstanden denken als in
der frühbyzantinischen Zeit, dem vierten bis sechsten Jahr-
hundert, als das Mafs so sehr beliebt war? Der Inhalt ist so
ganz leer, dafs man aus ihm wie bei den sympotischen
Anakreonteen gar keinen zeitlichen Anhalt gewinnen kann.
Wir müssen das Gedicht natürlich an dem Platze lassen, den
es in V einnimmt; es wird auch dem Leser gegenwärtig
halten, wie jung die Tradition ist, in der wir die Bukoliker-
sammlung überkommen haben. Und doch war zwischen der
Handschrift, in der das Anakreonteum Aufnahme gefunden hat,
und der Vorlage von V und Tr noch eine breite Distanz. Diese
Vorlage war nicht einmal identisch mit dem verstümmelten Kodex,
der mitten im Verse des 'EmüaAäfuog 'Ayükhog abrifs, also
vielleicht noch sehr viel mehr enthalten hatte; dann haben V und
Tr gemeinsame Fehler, die also in der Vorlage standen, und zeigen
ganz grobe Ergänzungen unlesbarer Buchstabenkomplexe. V und
'J 32 xt<( ,un xuttoivuCf scheint hoffnungslos; schwerlich reichte eine Zeile
hin, den geforderten Sinn, wenn auch noch so kurz, zu geben 'und da hat mein
Hauer das Unheil angestiftet'. Als dann der Eber begnadigt wird und in den
Thiasos der Göttin eintritt, heifst es zum Schlüsse xui it (tüi Heinsius) Ttvfil
itnoaiXOtöv fxitif roii hhotu*. Da haben die ältesten Erklärer offenbar mit
Recht gefordert, so absurd das ist, dafs der Eber seine Hauer sich selbst
verbrennt; es konnte ihm sonst im Verkehr mit Eros und ähnlichen Schön-
heiten zu leicht dasselbe Malheur passieren. Aber dann auch das einfache
Heilmittel, uJövi«; statt (nun«;: das letzte Wort war verstümmelt. Übrigens
kann die Anregung dem Poeten von der bildenden Kunst gegeben sein, die
bis in späteste Zeit Eroten bei allen möglichen Verrichtungen zeigt. Hier
ist das einzige lebendige Bildchen, wie sie das gefangene Wildschwein her
antreiben.
-') Es ist aber ein Verschen von Hiller, dafs er die Emendation i>'"»
V. 19 der Aldiua zuschreibt: sie steht in V, wie Ahrens zutreffend angab.
Auch IJ gibt dieser eine Korrektur richtig an; aber sie ist gleichgültig.
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Tr selbst sind auch weder sorgfältig genug gewesen noch recht
ehrlich. Beide machen alle Arten Abschreibefehler, beide korri-
gieren nicht nur sich, sondern auch ihre Vorlage während des
Schreibens und während sie das Geschriebene überlesen. Tri-
klinios ist gar nicht so viel willkürlicher als V. Hillers Ab-
druck, der im wesentlichen die Vorlage gibt, ist dazu sehr brauch-
bar, dieses Verhältnis zu zeigen. Leider läfst sich die Adnotatio
gerade hier, wo nur zwei unzuverlässige Kopien vorhanden sind,
nicht so vereinfachen, wie es sofort möglich ist, wenn ein dritter
Zeuge die Einzelsünden überführt. Wer die nur in V Tr ent-
haltenen Gedichte, also vom Bukoliskos ab, zuerst in der hand-
schriftlichen Überlieferung ansieht, dem kommt das Gefühl der
Verzweiflung; gar manche Stelle ist auch noch immer verzweifelt,
und würde eine unabhängige Fassung irgendeines Gedichtes ent-
deckt, so könnte mich auch die stärkste Abweichung von dem
nicht überraschen, was ich jetzt geduldig hinnehme.
Dafs die Orthographie im weitesten Sinne bei solcher Über-
lieferung ganz verloren ist, also auch auf das Dialektische nicht
der mindeste Verlafs, liegt auf der Hand, und wenn die Ver-
fasser der Gedichte unbekannt sind, mufs man sich wirklich be-
scheiden: desinas ineptire, et quod vides perisse, perditum ducas.
Ich will den Zustand des Textes an einigen Beispielen der letzten
Stücke zeigen, wo mir die Verbesserung gelungen scheint'): in
den Fischern zumal harren noch mehrere Verse auf eine glückliche
Divination, die sich aber nicht kommandieren läfst. Epithala-
mios des Achilleus 14 "Kein Grieche (telvev tbv xavä dco/xa
<p£Qü)v diooiv aväv (so Tr, Övaiv dyvov interpoliert X) dorn":
(puya)p övovavov Bentley, äQrja Scaliger. Davon hätte man
nicht abweichen sollen und, weil es leichter schien, (ptgov d'
') Für richtig halte ich 17 nu{ti>tvixlv xöyov was einen Gegen-
stand bezeichnen mufs, mit dem junge Mädchen hantiereu. Das ist (»in
Besen; es ist das Wort, zu dem hxuQtir xootipu usw. gehören. Bei He-
sych stehn uoch andere Bedeutungen für x<no±: xio.Xu'ioor, n).tytnt ^noaitr^
7itnou}u(i'o}\ dies geht auf eineu Vers des alten Kumikers Lysippos xu)
xöqqvs nXtxutii üx{iuiti\tii uKQn(r>,$, Et. M. xo{)v!UtXd\. Das Wort gehört zu
xovgus (IG. JI 841) von xtinw; die Grammatiker sind mit der Zusammen-
stellung mit xo(tt>; }><tr, auf falscher Kühlte.
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dvd vtjvoiv ägrfa vermuten, mit bedenklicher Präposition und
Verkennung des Fortgangs Xdvdave d' £v xcogaig Avxofirjdlot
ßovvog Ay&Xevg. Das pafst zu dem Fliehen vor dem Kriege,
nicht zu dem Hinüberschiffen des Krieges. Ebenso hat man 24
eine vorzügliche Heilung von Lennep unbeachtet gelassen und
ganz Schlechtes statt dessen gesetzt (ich fand Lennep erst, als
ich mich der eignen Emendation freute): Achill sitzt neben dem
Mädchen, trägt ihr ihren schönen Webstuhl, td d' ddta öoxqv'
infivet. Da sind die Tränen unsinnig, von dem Schreiber so
gewaltsam und so pervers hineingebracht, wie er in demselben
Verse ovätiova in aTÖfi' ävä geändert hat. Loben wird Achill
nur das Gewebe, das Deidameia auf dem Webstuhl augefangen
hat: rä öaidaka d' ärgi' emjivei. Auf die Frage des Lykidas,
vi fitXyw, antwortet Myrson
5 2xvqiov Avxida QaX&v /Uvog dövg epcora,
XdfrQia IltjXeidao (piXrj/jtava, kd&qiov svvdv,
jifbg Jialg eaaaro (fägog, öticog ifisvaavo fWQ<fdv,
xt)v ÖJiiog iv xcoQaig Avxofir)dlotv djtaXiyoiaai (v. 1. -oa)
dr)ö (deiö. X) rfvrja td Jtaatöv A%ihkia ArjiÖd/jieia.
In V. o ist fitXog ein unbrauchbarer Einfall : weder ist das Lied
ein skyrisches, noch pafst Qol'mo oder auch mit weiterer Ände-
rung £arc5: man sagt nicht, ich suche ein Lied, wenn ich
wünsche, dafs es mir gesungen wird. Sinnreich hat Ahrens
nach Theokrit 1, 19 ^aX(b(xevog dtdeg vermutet; aber was Theo-
krit angibt und hier fehlt, macht die Wendung allein erträglich,
die Gelegenheit, bei der der Aufgeforderte das Lied früher vor-
getragen hat, und sein Erfolg: in ^aXcbfavog kann der nicht
liegen. Und schliefslich fehlt das Wichtigste, die Aufforderung
zum Singen; das führt zu der Änderung dioov; aber da ist
wieder frXtinsvoc unerklärlich. Also gar kein Verbum erfinden,
sondern den unverkennbaren Akkusativ Sxvqiov egiora von dem
fie?.ti)(o des Lykidas abhängen lassen, was dann nur die Her-
stellung der an Avxiöa angeglichenen Akkusative kostet. £ako>-
fievov ist gesagt wie von Geminus Anth. Pal. 6, 2(50 Ktingidog
if vtyvt), L!)Xovf.i£vov ovx imjuefKfkg düoov. An der skvrischen
Liebe des Achilleus kennte mancher, so süfs sie war, Anstofs
nehmen. <<<?/<</ tot/a/ . während der Hirt nur ^ij/.og für sie hat.
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In der Ausführung ist ganz untadelig, dafs der thessalische
Knabe, der die ykafjLvg trug, statt ihrer das weibliche lange
ipägog antat, und in ijievoaxo hat W. Canter ohne Mühe eipev-
aavo erkannt; die Nachahmung bei Nonnos 44, 289 ist leider
nicht verwendbar, weil sie ihrerseits in iioQ<päv auf Konjektur
beruht. Dann folgt xt)v önwg sv xi'ooaig, dem Sinne nach "und
unter den Mädchen", aber yomcog £v xcbgaig ist nicht die Form,
auf die die Überlieferung führt, und diese Poeten setzen mög-
lichst wenig Spondeen. xr)v weist den Weg; es ist nur umzu-
stellen, xi\v xtooaioiv ÖJtrog Avxofnjdlaiv djzaXiyoioai. Da das
letzte Wort sich als dAeyo/öcuc ohne weiteres ablöst, hat Ahrens
an; in ovx sicher geändert: also eine Korrupte] aus Minuskel.
u Unter den Lykomedesmädchen , ohne dafs diese sich darum
kümmerten, ni]dt]vt]ata jcaovov den Achilleus Deidameia". Nun
mufs doch die Hauptsache bezeichnet sein, und das xatä szaavov,
das Ahrens aus rjava Jiaatoi' gewonnen hat (Korruptel der Buch-
schrift) zeigt es noch deutlicher. Was hat Deidameia im Bette
mit Achilleus gemacht, der so tat als wäre er ein Mädchen?
Worauf deutet der Zusatz, dafs ihre Schwestern sich darum nicht
kümmerten? Das ist doch eine Szene, die an Dudus Benehmen
in Byrons Don Juan ihre Parallele hat. Als Mann hat sie die
Gespielin erfunden, und das ist ihr sehr recht gewesen, ävda'
rjivsi.
Offenbar ist es so zugegangen. Ein sehr übel zugerichtetes
Exemplar eines antiken Buches, geschrieben wie wir das jetzt
sattsam kennen, ist in späterer byzantinischer Zeit gefunden und
in die damalige Schrift umgeschrieben und dann nach mehreren
Etappen die Vorlage von VTr geworden, die beide nicht treu
kopierten. Vor so verwahrlosten Texten sitzt man schlimmer
als vor einer schlechtkopierten Inschrift, da die Korruptelen
aufser den Lesefehlern gegenüber der Buchschrift auch in solchen
gegenüber der Minuskel beruhen; Ausdeutungen einzelner sinn-
loser Zeichenkomplexe schaden hier wie da"). Natürlich ver-
') Ich notiere noch eine Stelle, die ich durch Zurückführung auf die
Buchschrift geheilt zu haben hoffe. Der Bukoliskos rühmt in Nachahmung
von Theokrits l'olyphein seine Schönheit. Seine Augen sind trotziger als
die Athenes . . . seine Stimme süfser, yXwxtnoutn«, als Honig. Dazwischen
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langt man zu wissen, ob wenigstens die zugrunde liegende
antike Schrift leidlich war. Dazu helfen uns zwei kleine Zitate
wenig. Aus dem 'EoaoTiig sind V. 28-32 in dem Baroc-
cianus 50, einem sehr wertvollen gelehrten Miszellankodex des
zehnten Jahrhunderts, als Blaadvulling ausgeschrieben : es ist der-
selbe Text, abweichend nur in Gleichgültigem oder Falschem, und
einen Fehler nehme ich in beiden Überlieferungen an.
"Auch die Rose ist schön, und die Zeit macht sie verdorren;
auch das Veilchen ist schön im Frühjahr, und bald welkt es.
30 Xevxöv t6 xglvov kavi, f^agaivevaL ävixa JiljiTt/t,
ä de yloiv kevxä xai tdxntai ävlxa jza%frf}i,
xai xdkkog xaXöv inri vö Jiaidixöv, alV ö/Uyov £>> ')".
Vielfach hat man das zweite Paar der Vergleiche ausgeworfen;
allein dafs neben der vergänglichen Schönheit auch die den
Griechen so reizvolle glänzend weifse Farbe hervorgehoben
wird, ist bei dem Knaben, dem Uvxönvyog, nach der Ästhetik
dieser Liebespoesie (man denke an die Karnation der iotofiFvoi
in der Malerei) besonders angemessen: eon xai iv ykovvolg
(pvofitvr) vefteatc. Dafür ist die Lilie ein Bild, die stolz auf-
ragt, aber Neigen und Welken ist für sie dasselbe; vom Schnee
weifs jeder Schulbube, dafs er schmilzt, wenn er backt: beides
ist der unentrinnbare, der Entfaltung des meisten Glanzes nur
zu nahe Moment; die Lilie wird erst ganz glänzend weifs, wenn
sie sich voll erschliefst, und dann neigt sie sich schon; der
Schnee bleibt in Griechenlands Städten nicht liegen. Dafs in
der Apodosis des Gleichnisses nur auf das allgemeinere xaköv
Steht T(> arä/iu J' nv nttxfai yXixfmouoov Tr, iu arüuu rj xtt) im' nxtiii X.
Das Jaurti, die mtxtd, hat Triklinios in Erinnerung an 11, 20, Inxoiin«
nuxiäs, erkannt; <T «v ist falsche Deutung, also unglaubhaft gegenüber >/*«'»
oder vielmehr rjxc, oder auch ij und x sind ebenso verschiedene Leseversuche
eines undeutlichen Zeichens wie J«. Ich denke, da stand MY d. i. uoi. Nun
ist Jaurti alles andere als süfe; ylixfoontouv stammt aus dem fulgenden Verse;
also ist keine Bnchstabenkonjektur zu suchen, sondern die Ähnlichkeit zwischen
Jaurti und den feuchten (9) Lippen des Tölpels : yltuf votoxtnor. Recht feste
dicke Milch, die stehen bleibt, wenn man einen Löffel voll herausnimmt, wird es
denen deutlich machen, die die türkisch-griechische Delikatesse nicht kennen.
') 150 xai uuoniriiiit ijv/xu ftintt^i Bar. u«t>. <«r. nt'rtjn XTr. 31 fii<-
otthtrai >/»/>« Bar.
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Bezug genommen wird, ist inkonzinn, gewifs: aber sollte der
Dichter etwa hinzufügen
xai Xtvxog %Q(og eortv 6 naidtxög, dXXd ka%vovxai'i
Solche Kongruenz ist ein Pedantismus, über den selbst diese
geringe Dichterei erhaben ist. Nur eins: wenn in dem ersten
Paare die antithetischen Glieder durch die Kopula verbunden
sind, in dem Schlufsverse die Adversativpartikel steht, so
würde es nach Versnot aussehen, wenn in dem zweiten Paare
einmal die Kopula stünde, das anderemal Asyndeton: daher
ändere ich xai xdxExai in xaxaxdxExai.
Die ersten vier Verse des Bukoliskos stehn auch ohne
Verfassernamen, den es eben nicht gab, in der Anthologie 9, 136.
Es gibt lediglich dialektische wertlose Varianten. Das einzige
Wichtige ist die Doppelüberlieferung des "Egtog dgajiixrjg. Er
steht mit dem Verfassernamen in der Anthologie 9, 440 und in
derselben Rezension, also wohl aus der Anthologie, in S neben
der Europa des Moschos. Für die Verse 7—10, 16, 17 kommt
noch Stobäus Flor. 64, 20 hinzu. Ich lasse alles fort, was nur
orthographisch ist, dann bleiben doch folgende wichtige Varianten.
V ist erst von 18 ab erhalten; bis dahin ersetzt ihn X.
2 öaxig X 1 : ei xig ASX J , schlechter.
3 fiavvoag X 1 : [ia%>vxdg ASX", schlecht.
4 dydyi]i X: dydyt)tg AS, geändert wegen der Konzinnität.
6 toxi öe xai X': toxi d' ö Jtalg ASX*, richtig.
(i&dQto X': /trf#otc -tfyc) vtv ASX S , richtig.
10 (hg öt %okä vöog evxi, dvdfiegog X: rjv dt: %ohäi, vöog kaxiv
dvdfiEQog AS Stob. B, kv ö. %. Stob. A. Wenn X über-
haupt Glauben verdient, ist die Entscheidung für ihn
auch hier sicher.
11 müaöoiv X 1 : nalodei ASX-', falsch.
12 fiexconov X': ngdaastov ASX", falsch.,
14 xai sig diötjv ßaauija X, xai dlöao A 1 , dlÖECo A"S, ßaoü.ffa,
sehr bezeichnend: ßaoi/.eia ist gemeint, was Ahrens er-
kannt hat ; wie man die vorletzte Silbe vokalisiert, ist ganz
gleichgültig. Daraus folgt, dafs die eine Überlieferung
den Genetiv erhalten hat, dafür aber die Präposition
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ausgeworfen, weil sie ihn in falscher Form gab: eig
'Aida ßaoiXna ist das Echte.
15 yofivög öXog vo ye ocbfia X', yvfivög [tir vöye acdfia ASX',
viel schlechter.
ev jiejzvxaotai X": efimenvxaoTai ASX 1 , unmöglich.
10 dXXov Stobäus: äXXot ASX, falsch.
19 vvv&dv fikv tö ßeXefivov V: vvv&öv est A, r. dd S, sinnlos.
22 fikv VA: de S, falsch.
yo. rai5ra V: ndvva ASV, falsch.
xdvva fisv äyQia ravva' JtoXv nXtov (5' dei avrioc
ßaid Xa/njtäg iotaa röv "AXiov avtöv dvaid'ei.
So V mit yq. nXtov deei, Ji?.elov (rcXdaiv S) öi ot
avTüi und 23 ivolaa und ival&ei AS. Es ist evident,
dafs schon 22 die Fackel des Eros bezeichnet sein
mufs: das ist aus daei leicht zu gewinnen: d datg; die
Interpolation AS ist übrigens klar, auch wenn man die
Emendation verwirft. Dafs jtoXv nXiov dem ftfv respon-
diert, halte ich für zulässig und habe daher tö ös nXiov
aufgegeben.
25 yiv V: ijv AS, richtig.
28 yfh'W 1 : i}v AS, richtig: meine paläographischen Kenntnisse
reichen nicht zur Erklärung des Fehlers.
Diese Übersicht lehrt evident, dafs V trotz seines verwahr-
losten Äufseren im Grunde einen sehr viel besseren Text gibt,
so stark abweichend, dafs eine sehr frühe Sonderung der Familien
anzunehmen ist; das bestätigt sich dadurch, dafs Stobäus in den
Bukolika des Moschos (auf welche die Anthologie doch auch zu-
rückgehen wird) in V. 10 dieselbe falsche Lesart fand, die AS
liefern. Aber nun kommt noch ein böses Stück für V. Nach
dem guten Schlüsse u hüte dich vor seinen berückenden Gaben:
sie sind alle in Feuer getaucht" bringt V den Vers
alal xai tö oidaQov, o xbv miQÖevva xa#e$£<.
"Ach, so ist auch noch das Eisen, das den Glühenden niederhalten
wird." Ich verstehe das nicht ganz; ob der Verfasser gemeint
hat, es gäbe schon ein Mittel gegen die Liebe, aber nur mit
glühendem Eisen könnte man ihre Glut bezwingen, d. h. mit Tod
oder Entsagung, Askese, die schlimmer ist als Tod? Jedenfalls
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hat er sich nicht klar auszudrücken vermocht, und jedenfalls war
er ein Byzantiner: denn vb oiörjQOv ist dem Moschos nicht zu-
zutrauen, aber aus Byzantinern belegt es der Thesaurus.
Also selbst mit Zusätzen ist zu rechnen; ich halte freilich
sonst keinen Vers von 0 für byzantinisch und weise nur zwei aus,
aber als eine alte Variation. Im Bukoliskos weist die städtische
Schöne den Bauern ab
(J ota ß?Jjzeig, ÖJtJtola ?.aXelg, öjg aygia JialoÖeig,
[<bg TQV(pEQ6v xa/Jeig, (bg xcoriXa §rjfiara (fQdadeig,
ibg fiakaxöv xb yevetov exeig, (hg äöta yairav]
yeiled xoi vor&vrt, X^Q € 9 X01 £ ^ ai pehaivai
nah y.axbv i^öoöfig.
Sie konnte ihrem Abscheu ebensogut höhnisch den Ausdruck
geben "wie elegant du mich aufforderst, wie witzige Worte du
sprichst, wie weich dein Kinn ist, wie anmutig dein Haar", wie
andererseits "was du für Augen machst (gierige), wie du sprichst
(ungebildet), wie plump deine Späfse sind. Deine Lippen sind
nafs, deine Hand braun, du riechst aus dem Munde". Aber
durcheinandermischen durfte und konnte sie das nicht: das Ethos
ist ja verschieden. Und der Dichter war derjenige, der die
Situation festhielt. An die feine Hetäre ist ein Bauer heran-
getreten, hat sie angepackt, ihr plump einen Antrag gemacht,
ist ihr mit dem lüsternen Munde nahe gekommen, sie hat seinen
Atem und die Nässe seiner Lippen (d. h. seines nicht abgewischten
Bartes, Eurip. Kyklops 569) gespürt. Dagegen kommt die Nach-
dichtung nicht auf.
Die ausgiebigste Kontrolle für deu Text zu <P haben wir in
Herakles, Megara, Dioskuren, die in einer, die Megara sogar in
zwei, verschiedenen Handschriftenfamilien stehn; das Ergebnis ist
dort viel ungünstiger als wir es in Chariten und Helene und
eben im Eros des Moschos gefunden haben. So dürfen wir uns
darüber nicht täuschen, dafs die sechs Gedichte, die <P allein
hat, möglicherweise auch in ihrer Grundlage einen gefälschten
Text haben; nur hat das praktisch keine Bedeutung für die
Kritik. Der Kunst der Dichter treten wir vielleicht zu nah:
aber wir müssen sie nach dem beurteilen, wie ihre Gedichte sich
uns darstellen.
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79 —
Wer sind diese Dichter? Die Dioskuren kennen wir durch
die Handschriften MP, die selbt zu 4> gehören, und durch antike
Zeugnisse als theokritisch. Herakles und Megara sind auch in
der anderen Überlieferung anonym; es kann ernsthaft kein Prä-
tendent für ihre Verfasserschaft ins Feld geführt werden, aber
hellenistisch sind sie, der Herakles sogar noch aus dem dritten
Jahrhundert, stark unter dem stilistischen Einflüsse sowohl
von Theokrit wie von Apollonios. Es ist durch die Art, wie er
die Rhapsodie der Odyssee, die ja kein sv ist und weder Anfang
noch Ende hat, nachzubilden versteht, ein eigentümliches und
sehr interessantes Kunstwerk. Die Megara, die Hiller auf den-
selben Dichter zurückführen wollte, weil sie in // und <f> neben
dem Herakles steht und er selber nur für äußerliche Indizien
Empfindung besafs, hat keine Spur von Ähnlichkeit mit dieser
epischen Weise; sie ist überhaupt nicht mit dem Epos zusammen-
zufassen, sondern höchstens mit der Kitharodie. Direkte Rede
der Heroinen, Gefühle, Stimmungen, Reflexe der Heroentaten in
weiblichen Seelen, das wäre nichts Geringes; aber das Talent des
Dichters reicht dafür nicht hin 1 ). Der hellenistischen Lyrik,
die er vermutlich in seiner epischen Form reflektiert, traue ich
es besser zu. Während im Herakles genug steckt, was seine
Aufnahme in eine Bukolikersammlung begreiflich macht, ist hier
nichts davon. Aber die Alkmene des Herakliskos konnte diese
Alkmene leicht zu sich ziehen. Den Adonis weist das Gedicht
auf Bions Tod diesem zu. Der Eros ist von Moschos. Es liegt
nahe, diesen beiden Bukolikern mehr zuschreiben zu wollen, aber
das ist nicht nur unerweislich, sondern unwahrscheinlich. Das
Gedicht von Achilleus in Skyros ist dem Bion aufs Geratewohl
beigelegt worden: es hat die Namen Myrson und Lykidas von
ihm entlehnt (Fgm. 8. 17), deutet wohl auch auf seinen Kyklopen
(Fgm. 15), ist also von einem Nachahmer. Der Bienen-
dieb ist ebenso willkürlich bald dem Bion auf seiu Konto ge-
schoben, bald dem Moschos. Beide haben solche egwrvAa ver-
fafst, wie sie Bion nennt (Fgm. <J, 13); aber dies Gedichtchen steht
denn doch sehr tief unter ihren Produkten. Die alte grofsartige
M Vgl. Herakl. P 84.
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Konzeption, in der Aphrodite selbst fiehaaa oia rig jzsjzövavcu
(Eur. Hipp. 564), die hinaufreicht bis zu dem vorgriechischen
Biencnkult, ist hier in entwürdigender Spielerei mit einem
lustigen Motive des Theokrit (4, 55) auf Eros übertragen; der
Ausdruck bleibt ganz konventionell. Wie viel besser knüpft
Moschos an die Annoncen verlorner Sklaven an 1 ), die man auf
den Strafsen ausrufen liefs, und zieht Bion in dem Gedichte
vom vogelstellenden Knaben, der den Eros fangen will (Fgm. 12),
die erotische Moral 2 ). Der Bienendieb hat in den Anakrconteen
eine Parallele*), keine Imitation : er rangiert mit diesen, und ich
könnte mir bei ihm am ehesten denken, dafs er erst in später
Zeit in die Sammlung eingedrungen wäre.
Der Bukoliskos und die Fischer tragen in $ den Namen
des Theokrit; in der Anthologie aber ist der erstere anonym.
Es wäre eine arge Naivität, der Bezeugung des Namens Gewicht
beizumessen, und es bedarf der Erwägung nicht erst, dafs diese
bukolischen Gedichte (die Fischer sind bukolisch in dem Sinne
wie die 'Egyartvat 12), in der vorderen Reihe stehen würden,
wenn der Ordner der Theokritausgabe sie als dessen Werke ge-
kannt hätte. Der Bukoliskos ahmt den Theokrit ganz grob nach;
in der Behandlung von Zäsur, Elision, Vokalverkürzung ist er aber
so peinlich wie Bions Adonis (übrigens auch der Erastes), aber die
Tendenz ist ganz untheokritisch: Theokrit sympathisiert innerlich
') Ihn hat schon Meleagor 5, 177 nachgeahmt: von Theokrit habe ich
bei ihm und in seinem Kreise keine Spur bemerkt.
2 ) Das hat dann Longus 2, 3 breit, aber nicht ungeschickt ausgesponnen.
3 ) 35, nachgeahmt von Niketes Eugenianos 4, 315. Da stiehlt Eros
keinen Honig, sondern die Biene safs in einer Blume, die er pflückte, und
er hält die Biene für eine geflügelte Schlange. Aphrodite sagt ihm recht
mütterlich: wenn dir das so weh tut, stelle dir mal vor, wie es denen tut,
die du stichst. Alles viel natürlicher als hier, wo er sich über das Mifs-
verhältnis der Gröfse des Tierchens und der des Schmerzes beschwert, und
die Mutter sagt ''du bist grade so, denn du bist klein und die Wunden so
grofs wie du sie machst", d. h. "ich kann gar nicht sagen, wie grofs, und
brauche es dir nicht erst zu sagen". Besser dichten als dies t« TQttvftaiu
allxa nouif ist leicht: aber die Worte bedeuten doch vulnera sunt qualia ea
facis: es steht nicht nallxu da und pafst nicht in den Satz. Und woher
weifs man, dafs der Poet das nicht fein gefanden hat? o?r* yt 5 ist erst
recht geflickt.
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mit den Landleuten, er ist kein Salontiroler, sondern der Simi-
chidas der Thalysia. Hier aber liegt der Reiz der Erfindung
darin, dafs sich der Bauer durch seine Selbstschilderung so
blamiert wie der Kyklop des Theokrit. Der Dichter teilt durch-
aus den Geschmack der städtischen Hetäre. Bezeichnenderweise
gehört zu den Anzeichen mangelnder Politur, dafs der Bauer das
Haar lang trägt und sich einen Bart stehn läfst 1 ). Unter den
mythologischen Beispielen fallen auf Kybele und Attis, dieser als
Hirt, und Dionysos, nicht mehr als Stier, sondern als ßovxö?»og.
Beides deutet auf Entstehung in Asien, also in demselben Kreise,
in dem Bion der Smyrnäer erwachsen ist, der freilich selbst nach
dem Westen gegangen zu sein scheint, wo er seinen ausonischen,
d. h. italischen Schüler fand. Der Erastes steht dem Bukoliskos
nahe; inhaltlich gibt er die episch-bukolisch stilisierte ^oe/a, die
der Schlufs als Sentenz zusammenfafst, nicht mehr an den Mythos
(etwa Anaxarete) angelehnt, sondern an den ßiog. Es ist be-
zeichnend, dafs es ein ähnliches Thema in der Rhctorenschule
gab 2 ). Die Rache der Bildsäule kennt man aus alter Zeit z. B.
von Mitys aus Argos. Formell ist das Gedicht voll von Remi-
*) 21 tpol tnav&tev ttJv n xdkkog, tos xiaabg 7üqI (noxl * verbessert
von Meineke) nQifivov. Da die Schönheit am Menschen nicht als etwas
Fremdes aufsitzt, wie der Efeu am Stamme, kann die Vergleichung nicht
hierher gehören, sondern zum Folgenden, ist also dort die Adversativpartikel
eingeschwärzt, ifiäv [<P] lnvxa£tv inijvav, und die Haare liegen mir um die
Schläfe wie krause Petersilie {ovka u>s aikiva). Dafs der Bart mit Efeu
verglichen wird, ist treffend; aber wo ein Subjekt für tnvxa&v hernehmen?
nvxa&tv bedeutet seiner Herkunft nach dicht machen, erst übertragen be-
decken, wenn dies, oretfävots, jawtaig riv xtif aktiv nvxdCuv auch der ver-
breiterte Gebrauch ist. Schuhe mit Filz füttern ist dem Hesiod n(6ika
nikotg nvxdfrtv (Erg. 541); also ist t*iv v^^vijv nvxa^uv den Bart dicht
wachsen lassen. Das tut niemand als der Träger dos Bartes; also tnvxaCov;
nun natürlich xtoaöv. Dem Dichter war Vorbild Theokrit 3, 14, wo der Ver-
liebte in die Höhle kommen möchte, Efeu und Farne durchdringend, «(0 rv
nvxaodti -öets -(T»j* überliefert, nvxufrod-at ist nur passivisch und vorwiegend
im Perfekt gebräuchlich; nngriechisch ist, was Meineke empfiehlt, « rv nv-
xctWa, oder safs das Farnkraut an dem Mädchen? Nur das Aktiv gibt
Sinn, wie im Bukoliskos. Theokrit dachte nun wieder an den Homerischen
Gebrauch, P 551 vapik^i nvxäaaau kavier; da kommt die Nuance des Ver-
bergens hinein.
2 ) Sopater, Walz V 59. 63.
Philolog. UntoMUohungon. XVIII. 6
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niszenzen aus Bion, die Schlufssentenz stammt aus Moschos'):
der Nachahmer ist auch hier zu fassen, und auch er mufs in die
Zeit bald nach Bion gehören.
Die Fischer fallen dadurch aus der ganzen Bukolik heraus,
dafs sie eine moralisierende Tendenz haben. Hier wird die
Thesis probanda an die Spitze gestellt, xgeia diödoxei xäv äfiov-
oos ootpöv (Eurip. Fgm. 715), nevia de ooytav £Ac#e (Fgm.
641). Und der Traumdeuter zitiert und bewährt das Euripi-
deische (idwig <5' aQiatog öong elxd& xaXüg (Fgm. 973) s ),
auch der vovg als Lehrer stammt aus der Euripideischen An-
schauung. Der Traum von einem gefundenen Schatze wird in
eine Mahnung zur Arbeit umgedeutet. Die Fischer sind dafür
ein Exempel; ihre Schilderung ist realistisch, auch in dem Aber-
glauben dessen, der geträumt hat 3 ). Sympathie hat der Ver-
fasser gar nicht mit ihnen. Den Typus der Fischer kennen wir
aus der Epigrammatik, vorwiegend des Philippischen Kranzes,
und aus der realistischen Plastik, die für hellenistisch gelten darf;
er war also dem Poeten gegeben. Die Einführung solcher Typen
1) 19: B. 1, 52. 25: B. 1, 48. 40: B. 1, 45. Schlufs x«*?* 1 * ™ l
ifiX(ovt(S . . . orioytte <T ol /uiotvvtts: Moschos 6, 8 oi(Qyex( rovs tftUonae,
%v\ riv ifiltyK, <f,iXf\o&(. Auch 3 (itau xbv tf*teovxa stammt aus jenem Ge-
dichte 5 tpiote xbv (fiXiovxa.
2) Wenn der Fischer, der geträumt hat, den Kameraden fragt, oh er
Trauradeuten gelernt habe, so erwartet er eine andere Sorte von Deutung
als die, deren ötdäoxaXos 6 vove ist: der gesunde Menschenverstand wird
nicht gelehrt, und er hat die Traumbücher wahrhaftig nicht geschrieben.
Also spricht diese Worte der andere Fischer, der ja nach dem vove deuten
wird, und er setzt auch allein passend 31 ein ''teile mit von deinem Traume,
wie du's von dem Fange zu tun pflegst". Danach mufs sich die Verbesse-
rung des Folgenden richten: ov yag wx«|q xma xbv vo'oi-, und zwar so, dafs
das asyndetisch folgende ovrog «ntatöe toitv bvttgoxQixae, b öttiäaxalöe
ton nao' ou vove Anschlufs findet. Also ti y«q x' tixa^m. Er mufs ja auch
die ihm zugetraute Kenntnis der Kunst ablehnen.
3 ) Der Skrupel, den er hat, ist in den zumeist durch Konjektur unver-
ständlich gemachten Worten enthalten 52 'der Fisch war ganz mit Gold be-
deckt; er hatte aber ein Zeichen (atjfitt)\ also wie ein Herdentier ein Braud
mal als Eigentumsstempel hat. Daher die Frage "gehörte er vielleicht dem
Poseidon oder der Amphitrite? war er also ein ttnbs ix&üs t den ich nicht
fangen, geschweige denn behalten durfte". Ob man das überlieferte pijtt
. . . nikot in nO.tv oder n&ti oder niliav ändern soll, ist nicht ganz sicher.
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des ßlog ohne innere Teilnahme, aber mit minutiöser Schilderung
des Äufserlichen, war die Force des Leonidas von Tarent ge-
wesen: dessen schwülstige Epigrammatik steht dem Theokrit
besonders fern. Von Schwulst ist hier nichts; die Aufzählung
ist dürr, dafür aber eine rhetorische Antithese: "sie hatten nicht
Verschlufs, nicht Tür, nicht Hund: ihre Armut war ihr Wächter";
Murredius könnte das sagen, oder auch Ovid, und das trauen
sie den Theokrit zu. Dagegen die Widmung des Gedichtes durch
die blofse Anrede an einen gewissen Diophantos ist in der Art
des Theokrit, freilich auch des Horaz und Properz. Imitationen
fallen nicht auf; der Versbau stimmt, soweit die Korruptel es
beurteilen läfst, zu hellenistischer Technik in Zäsur, Vokalver-
kürzung, Daktylenhäufungen, ohne die Feinheit ganz zu er-
reichen 1 ); aber mit ihm kontrastiert die Sprache. Da haben
wir das prosaische firjn und firjaore "vielleicht" 54, wohl
auch 57. Auf Xqitcqv 59, ganz in der späten und heute noch gel-
tenden Weise gleich einem dXXd neben dem Imperativ, habe ich
schon Vorjahren aufmerksam gemacht; heute ist es nicht mehr
anstöfsig wie damals, ein späthellenistisches Gedicht in der
Sprache mit dem Neuen Testamente zu vergleichen ; aber für die
Datierung kommt etwas auf dies Xouröv an. rga^egög 44 im
Sinne von rgö^itiog kennen wir nur aus Hesych, als eine der
Deutungen, die zu dem einzig lebendigen Gebrauche für die
Erde im Gegensatze zur dtgvyexog ftdXaooa ersonnen sind. Es
ist also Katachrese. 49 lesen wir evgov äy&va acog xev eXco
fieyav Ix'&vv dqxxvgozegoioi atddgoig. Da ist nicht nur der
Konjunktiv mit xev sehr anstöfsig, sondern auch der Sinn: er
hat den Fisch gefangen, elXev, nur das Herausziehen macht
Schwierigkeit. Ich zweifle nicht, dafs xev falsche Dorisierung
ist für äv, dies aber anders zu verbinden, ncog dveX6>, das seit
der hellenistischen Zeit gebräuchliche Futurum. Wer dies Ge-
dicht dem Theokrit zutraut, der soll über hellenistische Poesie nicht
mitreden; es wird recht weit herunterzurücken sein, aber immer
l ) Das Enklitikon am Versanfang 33 ist nicht hübsch; 47 der Artikel
in der Zäsur sehr hafslich, vgl. Gerhard lectiones Apollon. 135. Gerhards
archäologische Arbeiten sind veraltet: seine Dissertation lohnt immer noch
das Lesen.
6*
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noch in die Generation um und nach Bion. Am interessantesten
ist es als Parallele zu den moralisierenden Erzählungen der
römischen Satire.
So repräsentieren diese Nachahmer, zu denen auch die für
uns auf anderm "Wege erhaltene Oaristys gehört, die griechische
Dichtung um 100 v. Ch., während Meleagros uns die Blüte der
phönikischen Epigrammatik derselben Zeit repräsentiert, eine
poetisch höher zu bewertende, aber innerlich verwandte Erschei-
nung; zwischen beiden Kreisen gibt es keine direkte Berührung.
Das römische Asien und das römische Grofsgriechenland und
Sizilien scheinen diese s. g. Bukolik gepflegt zu haben. Der
Italiker, der um Bions Tod klagt, hat am ehesten Anspruch,
einer der unbekannten Verfasser zu sein. Wie diese gering-
wertige Poesie sich erhalten konnte, ist eine Frage, die man
immer wieder stellen müfste, auch wenn sie nicht ihre Lösung
finden könnte, wie das unten versucht wird. Die bildende Kunst
bietet in der Plastik des spätem Hellenismus Asiens wohl un-
erfreuliche Analogien; erfreulichere die pompejanische Malerei.
Wesentlich ist, dafs von dem Streben auf die klassische Kunst
zu, das in der. Malerei schon bei Timomachos hervortritt, in den
neuattischen Reliefs sogar früher, noch gar keine Spur in dieser
Dichtung zu finden ist. Diese Poeten stehen auf dem Standpunkt,
den die Römer von Valerius Cato lernen. Aber die Poesie ist
an dem Stilwandel zuerst überhaupt unbeteiligt; der Strahl, der
zu Theokrits Zeit stark sprudelte, tröpfelt hier nur noch, und
unter Augustus versiecht er.
n.
Das Zeichen IT ist auch von Hiller eingeführt, der damit
die präsumptive Vorlage von BCD bezeichnete ; ich lasse diese
Vorlage, mit der wir wenig gewinnen, dahingestellt und ver-
wende das Zeichen für die Familie, die uns diese Handschriften
repräsentieren.
Praktisch für uns am wichtigsten ist D, Parisinus 2726, von
dem schon oben S. 39 die Rede war. In dieser Handschrift hat
sich ein jüngerer Zeitgenosse des Triklinios einen möglichst
vollständigen Theokrit zusammengestellt; tf> war ihm unerreichbar.
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Er hat auch, da er mehr Material hatte, kontaminiert, vielleicht
noch stärker als Triklinios, daher hat die Handschrift nur in
den Gedichten Wert, wo sie zu 17 gehört. Hüten mufs man
sich vor den Eintragungen letzter Hand, die aus der Iuntina
abschreiht; es ist das leicht, da Dühner die Hände überaus
genau unterscheidet. In D folgt auf 1—14. 16 gleich als ob sie
dazu gehörten Üaidixov a' 1 ), 'Ernygä^iava , IlTiQvysg. Eine
zweite Reihe bilden 17. 18. 15; eine dritte 'HgaxAtöxog, leere
Blätter, Atöoxovgoi von 69 ab, Ar)val, 'HAaxd.Tr), Meydga,
'HgaxAfjg, 'Emtdg>iog Blcovog, leere Blätter, 'Oagiavvg, II6Ae-
xvg. Die leeren Blätter bezeichnen Lücken der Gedichte, die
der Schreiber bemerkt fand oder selbst bemerkte: es fehlt der
Anfang der Dioskuren und der Oaristys. Ein Eindringling ist
der Epitaphios auf Bion, nach Ahrens kopiert aus Paris. 2802,
ganz wertlos. Offenbar hat der Schreiber die Ordnung selbst
gemacht, also kann er die Epigramme und ihre Nachbarn an
dem gleichen Orte wie die Reihe 'HgaxAloxog ffg. gefunden
haben. Ein Prinzip der Ordnung ist freilich nicht kenntlich; er
hat auch den Herakles, dessen Teile Einzelüberschriften tragen,
für zwei verschiedene Gedichte gehalten und daher 1—84 hinter
den Rest gestellt.
Ganz nahe verwandt mit D war in diesen Teilen der Pata-
vinus B, aber schon durch die Verstümmelung des Paidikon ge-
sondert Auf dem Umwege über Musuros und die beiden Drucke
von 1516 ist uns das Dialektische ganz verloren und überhaupt
sehr vieles unsicher geworden, vollends in den Gedichten, die
schon in den Aldinen standen, Meydga, 'Hgaxlr)g, Atöoxovgoi,
kennen wir nur einzelne Lesarten. Die Anordnung der Gedichte
in B läfst sich auch nicht erschliefsen. Kallierges hat nämlich
l ) Es ist begreiflich, dafs man naiötxti für synonym zu airijg nahm, so-
lange man nur eines kannte. Jetzt ist klar, dafs es natöixä (uopaja sind,
wie sie mit diesem Namen Chamaileon bei Athen. XIII G01 a erwähnt. In der
Hypothesis des ersten steht naititxa aioltxd in CH, dasselbe vor ß in C, und
naiSixa ebenda bei 'UXaxäitj. In D steht "tjlaxaTtt, ntttJtxct aioltxd" vor der
'nXttxuTti (es beweist nebenher, dafs die richtige Ordnung der jetzt weit ge-
trennten Gedichte in der Vorlage gewahrt war). In K in der Hypothesis
Tlaiöixa itagioii, oi öe atoliori; das Gedicht selbst trägt den Titel fiävXltov
iQtSvTos, in D iQtoviog.
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im ganzen die Anordnung der Aldina behalten; dahinter gibt er
'Hgaxlioxog, 'HQOxXfjg, Aqval, 'HXaxdtr), Jlaidixov a', 'Oagi-
otvg, 'Ernygafifiava, üiXexvg, ntiQvysg, Bco/xög. Er hat also
den 'Hgaxkijs, obwohl er schon in den Aldinen stand, hinter
'Hgaxklaxog um des Inhaltes willen geruckt. Seine Ordnung
ist die Grundlage für Stephanus und dadurch für die Vulgata
geworden.
Die Iuntina hat mehr nach B geneuert; wir sahen schon,
dafs sie die Thalysia an ihren Platz hinter Daphnis gerückt hat.
Dann folgen 2—18, Aiöoxovqoi, 'Hgaxhloxog: offenbar schien von
diesen der Theokritische Ursprung dem Herausgeber so unzweifel-
haft wie von den ersten 18. Danach steht die Europa des
Moschos, also ein Gedicht mit einem festen Verfassernamen.
Danach Ilaidixov a', Arjval, 'OaQiotvg, 'Hlaxdvr), MeyäQa,
"Hqclx?^, dann die lange Reihe aus $, die auch den Epitaphios
Bions umfafst, 'Ernyga/tfiaTa, 2vgiy£, Jlr^ovyeg, üiXsxvg. Da
die Syrinx schon bei Aldus stand, auch bei Kallierges ihren
Platz behauptet hat, ist die planmäfsige Versetzung dieser An-
hänge an den Schlufs kenntlich, also auch die der Epigramme.
Ein vielleicht erst Anfang des 16. Jahrhunderts von einem
Italiener geschriebener Kodex ist der Ambrosianus 75, C. Er
beginnt mit den 'Ernyga/nfiara , hat dann 'Hgaxkloxog, Arjval,
'OaQiavvg. Dann folgt, wie Hiller sehr breit bewiesen hat, eine
Abschrift der Theokritsammlung des Triklinios unmittelbar aus
dessen Autograph kopiert. Dann das Ei des Simias, 'HXaxdvr)
und die beiden Ilaidixd. Schliefslich EvQcbJir), "Egcog Aganiriyg,
Kt]QioxXejtT7]g, also was Triklinios fortgelassen hatte, aus der
Aldina kopiert. Am Rande von Aiöoxovqoi, 'HQaxXfjg, Meydqa,
auch am Rande oder im Texte von 'EXevrj uud IlvoXefiaiog
finden sich Varianten, die sich durch die Übereinstimmung mit
BD als zugehörig zu dem Kodex erweisen, aus dem C den Trik-
linianischen Theokrit ergänzte; sie haben eigentlich keine prak-
tische Bedeutung. Dafs die Vorlage weder mit B noch mit D
oder ihren unmittelbaren Vorlagen identisch sein kann, zeigt ihr
Plus, das zweite IIcuöixöp und das Ei des Simias, die sich über-
haupt nur hier finden. Es ist sehr seltsam, dafs die Vorlage
von C spurlos verschwunden ist; man mag mit ihr die Hand-
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schrift zusammenbringen, in der Stephanus das Ei für seine
Editio princeps gefunden hat, ebenso die Handschrift, in der
Portus das erste üaiöixöv vollständig fand. Es ist wohl zu er-
warten, dafs eine oder die andere dieser Handschriften noch
einmal ans Licht tritt.
Zwar nicht im engeren Sinne mit 17, aber doch mit dieser
Reihe der Gedichte gehört der letzte Teil von K zusammen, der
hinter Theokrit 1 — 17 Ilaiöixov a', 'ErnygamiaTa, nrigvyeg^
IliXsTcvg führt und zählt, endlich H mit 'HXaxdvi] und Haidixov
a' 1 — 8. Da hier Reste von Scholien sind, die Technopägnia
auch Scholien haben, ist die Zugehörigkeit dieser Gedichte zu
der kommentierten Ausgabe Theokrit 1 — 18 aufser Zweifel.
Selbstverständlich gehören auch die andern Technopägnia und
Ilaiöixöv ß' dazu: das zu bezweifeln stünde auf derselben Linie
wie die Helene von 15—17 zu trennen, weil sie in K fehlt.
Diese Reihe ist auch in G noch leidlich zusammenhängend, im
übrigen lohnt es sich in einer Übersicht zu zeigen, wie die
Handschriften oder Drucke ordnen.
Düatö.a' imyg \'HgxXiox Aiöox Aqv HXaxMeyHg Oag Texv
C imyg 'HgxXiax Ar\v Oag \ 'Qiöv HX JJaiö. a' ß'
Call 'HgxXiax Aqv HX Haid, a' Oag Emyg Teyv
Iunt Aiöax.HgxXia\ Ilatö.a' Atp> Oag Hl Mey Hg EmygTeyy
Dafs D für 'Hgaxkloxog und Aiöoxovgot allein die über-
lieferte Anordnung gibt, folgt aus dem, was oben über CCall
Iunt gesagt ist. Eine feste Position haben dann die Atjval;
dahinter wird es verwirrt, und ich wage nicht, die Ordnung von
B durch Vermutung zu erschliefsen. Aber für iT hilft die Er-
kenntnis, dafs 'HXaxdtT) naidixd zusammengehören, und zwar
an den Schlufs der kommentierten Ausgabe: das lehren RH.
Ferner gehören Meydga und 'HgaxXfjs immer zusammen, und
sie stehn mit den Dioskuren auch in Dadurch rücken die
beiden einzigen Gedichte, die H noch allein überliefert, Ai^val
und 'Oagiavvg nebeneinander, und so stehn sie wirklich in
Clunt. Da die Oaristys vorn verstümmelt ist, besagt das aller-
dings für noch frühere Zeit wenig. So haben sich statt eines
einheitlichen II eine Anzahl Gruppen gezeigt, deren Zusammen-
gehörigkeit wichtiger ist, als wie sie aufeinander folgten. Hera-
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kliskos und Dioskuren (diese vorn verstümmelt), Megara und Hera-
kles, Lenai und Oaristys, die äolischen Gedichte und Epigramme
und Technopägnia; nur Arjval, 'Oagtovvg lassen sich vereinzeln.
Für die letzte Gruppe garantieren EH die Zugehörigkeit
zu der kommentierten Ausgabe. Es zeigt sich auch in den
äolischen Gedichten hinter einer dünnen Wolke gleichgültiger
Schreibfehler ein einheitlicher, reiner, grammatisch behandelter
Text 1 ), dies letzte besonders aufser den Resten der Scholien
durch die häufig erhaltene Barytonese z. B. 28, 18 [iveXov, 20
Xvyqaiq, 21 igdvvav, 22 8evyevig dafiöriöi. Seltener in 29, aber
doch 25 djtdXco K, 30 ovXXdßrjv C 1 , 32 avvigav C\ 29 (pogr). Auch
in 30, 2 xdXco, 9 i/nsdev, 7totlör}v, yögei u. a. Wäre das ganze
System klar, so gebührte sich, dies Zeugnis antiker Theorie zu
konservieren; aber in der Vereinzelung kann es den Leser nur
verwirren, und restituieren soll man doch nur was des Dichters
ist. Da mufs doch aber der Wahrheit die Ehre gegeben werden :
Theokrit setzte keine Accente, er kannte gar keine. Wenn er
sang oder rezitierte, hielt er sich dann an das, was er über die
lesbische Betonung wufste? Was wufste er davon? Was wissen
wir davon? Diese moderne äolische Accentuiererei ist ein ab-
scheulicher Zopf, freilich im Theokrit nicht zopfiger als in der
Sappho und den äolischen Inschriften, verwerflich nicht nur,
weil es Spielerei ist, sondern auch, weil die Spielerei unbedingt
täuschen mufs. Die wenigen, denen sie nicht schaden, brauchen
überhaupt keine Accente. Für den Archetypus, der für KH der-
selbe ist wie für JI, ist 28, 24 hübsch, iget tü) szoasidcov HC,
iget reo jioöiög) mit Lücke D; B hat noaiöcov gehabt; seine Be-
tonung kennen wir nicht. Das ist ganz das antike Buch, keine
Worttrennung, aber äolische Accente: eget x&xoo, löcov. Der
Itazismus und der Poseidon sind sekundär.
l ) 29,4 ov X SA«5 KBD, axölas C»H: das ist einfach ovx6Xas>, das* ist später
Irrtum, von mehreren begangen, als sie Mag erkannten; die Verschreibung
von ov zu « gar erst in der Minuskel entstanden. 29, 15 uarug B (jtaietv
Cyittv Hesych.), /u«tt] K, dahinter ein verblafstes Zeichen, gemeint nur als
Interpunktion, ^«r« D, ftridtte C, der dasselbe wie B halte und interpolierte.
Das sin^ Entstellungen erst aus der Zeit unserer Handschriften, wirklich
nicht der Rede wert.
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89 -
Die Epigramme, über deren Herkunft die gemeinsame
einheitliche ünd ganz vortreffliche Überlieferung in KBCD keinen
Zweifel läfst, stehn auch in der Anthologie; aber deren Fassungen
vergleichen wir besser in einem späteren Stadium der Unter-
suchung.
Von den Technopägnien stehn Flügel und Beil in KBCD;
ich verfüge nur über die Lesungen von KB, die ausreichen.
C liefert allein das Ei, das dritte Gedicht des Simias, und zwar
ähnlich mifshandelt wie das üaidixöv ß'. Die Syrinx fehlt in
unsern Handschriften von II, und auch $ hat sie nicht gehabt,
aber die Theokritcodices MPETr reichen aus. Um die Er-
klärung der byzantinischen Humanisten Holobolos und Pedia-
simos braucht man sich in keiner Weise zu kümmern : sie hatten
nur die Überlieferung, die wir aus jenen Theokrithandschriften
kennen. Dafs die Syrinx aber ursprünglich zu der Theokrit-
ausgabe gehörte, ist an sich klar, wird auch durch ein Zitat in
den Scholien (auch K) zu 7, 83 gewährleistet. Sie zieht ihre
Nachahmung, den dorischen Altar, nach sich und dieser die
seine, den ionischen Altar. Für diesen haben wir nur den jungen
Vaticanus 434, der auch den dorischen leidlich liefert; das Beil
hat er sehr viel reiner, d. h. der Anthologie ähnlicher als KB.
In dem Ambrosianus B sup. 99 steht der ionische Altar vorge-
zeichnet und ein paar Worte daraus, neben den beiden kleinen
Simiasgedichten (ich habe diese leider nicht verglichen). Das
ist aber nicht der alte gute Kodex, den wir bei der Europa F
nennen werden, sondern ein sehr yiel jüngerer Bestandteil der-
selben Handschrift. Alles in allem ist die Zusammengehörigkeit
aller Technopägnien und ihre Herkunft aus einer sehr korrupten,
aber kommentierten Ausgabe unzweifelhaft. Wir würden aufser-
stande sein, vieles zu verstehen, wenn die ganze Reihe nicht
auch in der Anthologie stünde, in dem 15. Buche, das in Wahr-
heit eine planlose Vereinigung aller möglichen Dinge ist und
mit Kephalas gar nichts zu tun hat. So läfst sich die Zeit nicht
genau fixieren, wann die Technopägnien aus der kommentierten
Ausgabe in die Anthologie aufgenommen sind, die auch ihre
Scholien bis auf die zu dem dorischen Altare mitbewahrt hat.
Aber nur so kann das Verhältnis sein. Unsere Theokrithand-
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— 90 —
Schriften geben den Text um sehr vieles verstümmelter, aber
dafs derselbe zugrunde liegt, zeigen solche Verderbnisse wie
Pteryg. 4, wo Anthologie und II schreiben jvdvta d* exvdoei
xal, die Scholien aber deutlich bezeugen was ihnen Salmasius
abgewonnen hat ndvta ök yäg slxs 1 ).
Lenai und Oaristys stehn nur in BCD: da müfsten sie
wohl dasselbe Aussehen zeigen. Aber die Lenai sind fast ganz
unentstellt, die Oaristys ist vorn verstümmelt, hat einen total
verwüsteten Dialekt, zahlreiche Schreibfehler, und mehrere Verse
waren ausgefallen und am Rande nachgetragen, ein Distichon in
allen Handschriften verstellt (von Haupt berichtigt), ein Vers
steht in CD vor dem, der mit ßaXX&vo) anfängt (18, man kann
aber noch nicht sicher zählen, da die Bezifferung der Ausgaben
schwankt), in B hinter ihm und zerstört dort die Stichomythie.
Einen anderen hinter 8 hat B (oder Musuros) ausgelassen, und
seltsamerweise ist er darum aus CD nicht rezipiert worden. Es
ist eigentlich selbstverständlich, dafs er mit dem anderen, an
seinem Orte unerträglichen zusammengehört. Ich habe vor vielen
Jahren die Partie in Ordnung gebracht'). Die weitaus merk-
würdigste Abweichung steht am Schlüsse.
1 ) Um die Handschriften bat sich, da Ahrens leider die Zagehörigkeit
der Technopägnien nicht erkannte, erst Bergk bemüht, dann Haeberlin in
seiner Ausgabe und Philologus 49. Die Bukolikerhandschriften sind noch
ungenügend bekannt; das ist mir in diesem Zusammenhange bedauerlich; für
den Text selbst und seine ältere Geschichte hat es nicht die mindeste Be-
deutung.
2 ) Herrn. 13, 276, im wesentlichen richtig; ein paar jugendliche Über-
treibungen fallen fort. Es ist Gleichmacherei, wenn das Mädchen sagt naltv
"Agre/uis itjupw «pijyo/, zu verlangen, dafs sie vorher povov "AQiepi; tkaos ttt]
gesagt hätte, nicht llaos "Anitas. An der zweiten Stelle mufs "4qti(us zu
naXiv vorrücken; an der ersten ist TXaog mindestens ebensogut an erster
Stelle. Verkannt hatte ich die Pfiffigkeit des Knaben, der ihr Wort "Hoch-
zeit bringt Sorgen" beantwortet "bewahre, Hochzeit bringt Tanz, keinen
Schmerz" (oöwt) xal itlyog, physischen Schmerz): er tut so, als sollte yäfxos
nur die Hochzeitsfeier sein, und das Mädchen an die Tänze denken, die sie
bisher bei solchen Gelegenheiten getanzt hat Der Titel 'OttQiatvs kann aus
B nicht stammen, weil der Anfang verloren ist: Subskriptionen gibt es in
diesen Handschriften nicht mehr; übrigens ist er gut erfunden. Schliefslich
war ich in der Hauptstelle zu erpicht auf die Verfolgung des Bildes, das ich
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— 91 —
%r\ fikv äv8yQ0[iEvr) aly f EOTi%e (läka votierten'
öfifiaaiv aldofievoig, xgadlr) de ol evdov Idvxh].
bg ö' bil vavQelag dyikaq xexagqfie'vog evväg
rjiev.
öixwoo täv cögiyya recbv näXiv ö%ßi$ aoifiidv,
%(bv xai Jioifiaiyvlcov ht^gr^v oxetpcbfied'a tiofozrjv 1 ).
Das einzelne Wort haben so BD, G den gleichgültigen Schreib-
fehler xiev. Dafs es eine Glosse ist, das Verbum zn liefern, das
man sich in Wahrheit aus ^anxev zu holen hat, liegt auf der
Hand. Die beiden letzten Zeilen stehen nur in G D. Unleugbar
sind sie nicht nur entbehrlich, sondern das erste Gefühl ist, weg
mit ihnen. Es hat sie noch niemand aufgenommen. Sollte dann
aber nicht Musuros so wie die Modernen gedacht und sie ver-
worfen haben? Jedenfalls darf man sie auf sein Zeugnis hin nicht
für unsicherer überliefert halten als das ganze Gedicht. Sie stehn
keineswegs als Subskription, sondern als die letzten Verse. Wenn
die Worte auch verschrieben sind, so weit ist der Sinn unver-
kennbar "Nimm die Syrinx, Hirt, wir wollen andere Gesänge
prüfen". Ahrens hat darin eine Subskription gesucht mit dem
Sinne "Hier ist eine Gedichtsammlung zu Ende, nun wollen wir
erkannt hatte. 'Bedenke, die Jugend flieht', 'Die Traube ist (schon) Rosine:
sie ist nicht dahin wie eine verwelkte Rose'. "Die hier soll (schon) trocken
werden? Das ist doch Milch und Honig, was ich trinke." "Fafs mich nicht
an, xal tlain x^os dpvfa (so überliefert)." Dafs er sie küssen will, folgt
aus seinen Worten; dafs er sie vorher gekfifst hat, aus V. 3. Nichts haben
wir aus ihrer Drohung "ich werde dir auch noch die Lippe zerkratzen" ab-
zunehmen, als dafs sie ihn bei dem ersten Kusse gekratzt hat: sie mufs sich
ja auch seiner erwehrt haben, sonst wäre er gleich weiter gegangen.
l ) Ahrens schreibt rav avqiyya itav, evident. Die übele Wortstellung
hat ihre genaue Parallele 59 jdftn^xoyov . . . tuöv, und das schützt einander.
Wir wollen die Solözismen des Dichters nicht loben, aber auch nicht ver-
treiben: er hat mit </i)c /<cm nävta Soptv (sollte ätliouv sein)- id/a J' vaxiqov
ovö' SXa 6o(i\s (sollte av bei sich haben) Madvigs gerechten Zorn erregt.
Dafs er dicht hintereinander «^tt^oVij und d^niyovov braucht, ist dagegen
nicht einmal zu tadeln: zu wechseln ist hellenische Kunst. Im letzten Verse
schreibt Ahrens tag xa noi/Atvttov htQ« axnpaf/ut&a polnav. Das ist billiger
zu haben, notfxtvtov die Herde, nach dem Homerischen alnohov, wäre un-
tadelhaft, auch wenn es die Lexika nicht aus Oppian und ähnlichen Versen
belegten. Also riu xtä notutvtov h^Qtov axttyüfitda pükm)v.
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- 92 -
zu einer anderen Übergehn". Ich kenne keine ähnliche Sub-
skription, und der Versuch mufs doch gemacht werden, die Verse
als das zu nehmen, was sie vorstellen, als Schlufs der Oaristys.
Diese beginnt jetzt als Mimus, Knabe und Mädchen agieren; aber
die Erzählung des Schlusses zeigt, dafs der Mimus auf keinen
Fall einer in der Form von Theokrit 4 und 5 war, sondern
höchstens in der Form von 8: es mufs vor dem Gespräche der
Liebenden eine Einleitung gestanden haben, die dieses als Vor-
trag einer dritten Person erscheinen liefs, also etwa des Dichters.
Denken wir uns aber einmal, von dem Thyrsis wäre so viel ver-
loren, dafs er in dem Liede begänne. Dann würde uns der Schlufs
zeigen, dafs vorn eine Unterredung zwischen Thyrsis und dem
Ziegenhirten stand, in dem dieser die Belohnungen aussetzte, die
er am Ende dem Thyrsis übergibt. Das Gedicht ist zwar mimisch,
aber das Daphnislied ist eine Einlage. Wenn wir nun hören,
dafs auf den Vortrag eines Liedes, das einen Dialog gibt 1 ), die
Verse folgen: "nimm deine Syrinx, glücklicher (reicher) Hirt; wir
wollen die Lieder anderer Herden prüfen", so gibt das ein ganz
genügendes Bild des Mimus, in den der Vortrag des Schäfer-
stündchens eingelegt ist. Ein Hirt hat eine schöne Syrinx und
läfst andere Hirten auf ihr blasen und dazu Lieder singen; ver-
mutlich wird die Flöte geblasen zwischen den einzelnen Reden
der eingeführten Personen, anders als im Daphnis, wo Flöten-
vortrag und Gesang Gegensätze sind. Als dieser eine Hirt ge-
sungen hat, soll die Prüfung bei anderen Herden gemacht werden.
Natürlich kann das noch viel ausgeführter gewesen sein; es ist
nicht unsere Aufgabe, die Möglichkeiten zu erschöpfen, geschweige
*) Die unmittelbare Einführung eines Dialogs im Vortrage des Dichters
hat an den Dioskuren des Theokrit 54 — 74 eine Analogie. Das Daphnislied
verbindet die Reden durch Erzählung. In dem Wettgesange 6 nehmen die
Sänger ohne Vorrede die Maske einer Person an. Im Kyklopen 72 — 76
unterbricht die Zwischenrede eines Anonymus den sorgfältig eingeführten
Gesang Polyphems. Diese virtuose Abwechselung ist eine spezifisch theo-
kritische Kunst. So beurteile ich auch die Thalysia: Einleitung des er-
zählenden Dichters, zwei Konkurrenzvorträge, Schlufserzählung. Der Dichter
ist diesmal nur eine der agierenden Personen, was dem Ganzen frisches
Leben gibt; aber formal ist doch nur der Rahmen des Wettgesanges be-
sonders reich ausgestattet.
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— 93 —
das Wahre zu raten: es genügt zur Rechtfertigung der über-
lieferten Verse, dafs sich eine Geschichte denken läfst, in die sie
passen. Die Oaristys ist also ein recht viel umfänglicheres Ge-
dicht gewesen. Sie steht durch ihren rein bukolischen Charakter
und die Theokritimitation, die bis zur Entlehnung eines ganzen
Verses geht 1 ), in Gegensatz zu der Sammlung 17, wie wir diese
kennen, obwohl wir sie nur dieser verdanken. Wenn sie durch
ihre Erhaltung und Stellung zu den Arpal zu gehören scheint,
so spricht ihr Erhaltungszustand für eine andere Geschichte ihres
Textes.
Die drei Gedichte, Dioskuren (von 69 ab) 2 ), Herakles
und Megara teilt II mit tf>. Das Verhältnis des Textes ist
aus dem Abdrucke bei Hiller leicht zu entnehmen, nur kann es
täuschen, dafs er lediglich für die gemeinsame Vorlage von
VTr verwendet, nicht für die ganze Familie. V ist für die
Dioskuren selbst in Abschriften nur teilweise vorhanden, und
Hillers Verdienst ist es, dafs er zeigt, wie wenig die scheinbar
verschiedene Bezeugung für die Qualität des Textes ausmacht 3 ).
>) tau xal (v xtveoiat ifiX^aaiv aöta ?^i//t? = 3, 20. Bei Theokrit
heifat das "lafe dich küssen: wenn das auch fit) ixnXijQui ilp IntSipCav,
so ist es doch ein Genufs", also "lafs dich küssen: ich will mich ja dabei
bescheiden". Bei dem Nachahmer Bagt das geküfste Mädchen "Renommiere
nicht; man sagt, ein Kufs ist xtvöv, hat nichts zu bedeuten", worauf der
Koabe den Yers ganz zitiert, anf den sie anspielt, der nun aber den Sinn
erhält "meinethalb xtvov; schmeckt aber doch gut". Es ist beschämend, dafs
das Zitat hat verkannt werden können, zur Athetese des Theokritverses be-
nutzt ist, und was der Plumpheiten und Sophismen mehr ist.
3 ) Dafs die ersten 68 Verse in den Vorlagen von B und C auch fehlten,
wird mit hinreichender Sicherheit daraus erschlossen, dafs Musuros und C zu
ihrem auf * beruhenden Teite keine Varianten geben.
3 ) Natürlich ist es in dem Teile, der in 77 fehlt, unumgänglich, die
Abschriften anzuführen, die sonst hinter </' verschwinden, und in 45—68, die
nur in MTr stehn, ist* nicht immer sicher herzustellen: die Fehler von </',
die uns II berichtigt, mufs hier die Konjektur heben, wenn sie überhaupt für
uns kenntlich sind; manches wird uns sicher entgehn. V. 66 fragt Poly-
deukes, wie er kämpfen soll, nvyuäxog % xal noaal dtvtov axüog, ö^«r« cT
6n&6g. So Hiller. teva>p Tr, M; ÖQ&dg M, b Q öd Tr. Da Ühqov
das Verbum ist, zu dem nvj>nü%og als Apposition gedacht wird, ist es schwer-
lich angemessen das Treten auch zu subjungieren. Alis der Überlieferung
gewinnt mau ebenso leicht den dubitativen Konjunktiv Qivfa. Die Augen
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— 94 -
So viel hat er auch richtig gesehen, dafs M 1 ) in Megara und
Herakles einfach die Tradition von VTr gibt; aber indem er es
von $ sondert, erweckt er doch den Eindruck, als bedeute
MVTr: JT mehr als VTr: II; VTr: M II kommt kaum vor. In
Wahrheit steht immer Familie gegen Familie, und den Ausschlag
gibt allein unser Urteil: mechanische Regeln sind nicht vor-
handen, denn dafs II im ganzen besser ist, hilft in dem Einzel-
falle nicht das mindeste. Das entspricht vielmehr dem Ver-
hältnis von $ in den Theokritischen Gedichten vorher: JT mufs
ja K und B und die geringen jetzt mit vertreten. In einem
Punkte hat Hiller nach dem Vorgange von Ahrens $ ganz und
gar verworfen: $ dorisiert oft, während II den epischen Dialekt
gibt. Entscheidend ist von der inneren Wahrscheinlichkeit ab-
gesehen, dafs selbst die Bemerkung rrji xoivrji *Iädi im
Titel trägt. Uns ist diese dorisierende Neigung von $ keine
Überraschung: wir haben dasselbe in den Charites gegenüber
allen andern Handschriften gefunden 8 ).
gerade zu halten gehört nicht zu den Bedingungen des Kampfes; Amykos
schlägt sie in der Sonne nachher nieder, 90. Die Worte bedeuten offenbar:
mein Blick ist gerade, ich ducke mich nicht vor dem Kampfe, sondern sehe
der Gefahr ins Gesicht. Das gehört nicht zur Frage. Dann ist aber auch
0Q9d das Echte. So Ahrens. 63 sagt Amykos auf die Anfrage des Polydeukes,
ob er ihm aus der Quelle zu trinken gestatten wolle, yvtöaeat el aov Sltyos
«rupiva x*tte« rtgofi. So MTr; auf Stya von M kommt nichts an. Da ist
ifQoet allenfalls verständlich, wenn es Präsens ist, obwohl man neben dem
Futurum etwas anderes erwartet. Aber Buttmann, Gr. Grammatik 2, 299 (ich
bin so unmodern, das Buch gern und oft nachzuschlagen) hat es für Futurum
erklärt und den Aorist trigoa aus Nikandros mit vollem Rechte verglichen.
Für ein Präsens t^qocj ist Ttnotrat ij 124 freilich auch ein Beleg (in der
Schilderung der Alkinoosgärten, also der jüngsten Schicht). Nun ist aber
die Bedingungspartikel auch nicht bequem, wenigstens sl; man erwartet iav
mit dem Conjunctivus Aoristi, ich denke, tvr( ot Mxpos . . r^oijt gibt die
Hand des Dichters.
') Am nächsten zu M stellt sich P, der auf dem Vorsatzblatte die ersten
18 Verse hat, aber so liederlich geschrieben, dafs es unverantwortlich wäre,
von ihm weitere Notiz zu nehmen.
2 ) Dafs die Übereinstimmung eines Vertreters von * mit J7 die andern
richte, ist im Prinzip richtig; die Möglichkeit, dafs * eine Doppellesart
hatte, die von n und seine eigene, ist aber vorhanden. 22, 11 owtyvQt
richtig die Randlesart von C und M, owttffQt VTr, avvi^vqat D, d. h
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Höchst belehrend ist es, dafs in derMegara zwar M fort-
fällt (das ist kein Schade ; wir kennen # auch so genug), aber S
dafür eintritt, und zwar mit dem Werte einer dritten gleich-
berechtigten Familie. Hier steht es denn auch so, dafs die
Übereinstimmung zweier Familien gegen eine in der ganz über-
wiegenden Masse der Fälle das Echte bietet; die Einzelfehler
aller drei Familien sind recht stark, die von $ so offenkundig,
dafs ich ihnen nicht einmal einen Platz in der adnotatio zu-
billigen kann.
27 alvovöxeia (plkov yövov (röxov 36 &t)ßrjv innoTQÖ-
(pov (xovQOTQÖyov 0), 46 ix Aiög rj/Aaft' bn6aoa (ijfiaTa Jtdvta
53 äxwvai (äx&erai 94 elaaro (lozavo 121 <pai-
vöfog ijcbg (qxtidifiog $) sind bezeichnende Beispiele: sollte man
deren Gedächtnis konservieren müssen? Am Ende könnte man
auch die Einzellesarten der beiden Familien fortwerfen: aber
die Methode reicht doch nicht für alle Fälle. 32 xXavaavte
(plh)to ' h> z s Q°i toxfjeg . . . nvQ^g iaifirjoav. Da hat h> nur S,
evi C, teü DTr, in W fehlt die Präposition. Die Eltern werden
die Leiche ihres Kindes nicht auf, sondern in den Armen halten.
77 (jL7)'&ev D, firjöiv S<2>. Die hellenistische Form ist in der
Kaiserzeit von den Attizisten möglichst ausgemerzt. Es wäre
Pedantismus, sie gegen die Überlieferung einzudrängen, aber wo
sie steht, stammt sie aus dem Altertum. 83 "Du mufst nicht
sagen, ich kümmerte mich nicht um dich (vergäfse dich in meiner
Trauer), wenn ich auch wie Niobe weine, otid' cbg yäg vefieorjTöv,
owitfvQt mit übergeschriebenem t : also die Variante stand sowohl in // wie
in *. 114 xal XQ 0l V n t * ai X(f ot v l «V »' *• also xal und öi i' Varianten.
Also könnte Tr 69 mit ov yt a,uo f gegen yiwig ta>v 77M (V fehlt) eine
möglicherweise richtige Variante erhalten haben, und es war sinnreich, das
verschollene Pronomen «fiel? heranzuziehen, das zu duüütv gehört. Nur gibt
ov yvvviq rte x«xAij<r«£' o nvxir\i keinen Sinn. Was soll denn tu! ov yvvns
iüv läfst sich allenfalls verstehen. "Du siehst den Kämpfer vor dir. Nicht
als einer der ein Weichling ist wird er aufgerufen werden". Aber es ist
sehr hart, gar nicht von der präzisen Verständlichkeit, die der Dichter sonst
bewährt, und xixlr,atai steht gleich darauf in dem einfachen Sinn 4 du wirst
heifsen'. So glaube ich, dafs der Vers verdorben ist; aber Triklinios hat
gemeint "raein wird der Kämpfer heifsen", unbedacht das Folgende herein-
ziehend.
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dafs eine Mutter um ihren unglücklichen Sohn klagt, vvv de
fioi or/ETai". Der ganze Aufbau verlangt, dafs sie sage, auch
ohne den jetzt besonders beängstigenden Zustand ihres Sohnes
dürfte sie durch die Sorge um ihn okkupiert werden; also hat
S mit ovö' ö>s recht, nicht D$ mit ov&iv; aber das ist sicher
eine sehr alte Variante, und wegwerfen dürfen wir nur die by-
zantinischen Entstellungen. Immerhin sind Stellen der Art sehr
selten. Das ist der grofse Wert der durch S kontrollierten
Überlieferung von il und # in der Megara, dafs man lernt, wie
so sehr viel, wohl das meiste der scheinbar so starken Diver-
genzen erst in der Byzantinerzeit, während der Sonderentwicke-
lung der Familien entstanden ist. Aber das ist uns auch nichts
Neues mehr: Theokrit 14. 2. 15—18 haben dasselbe Bild gezeigt,
und auch da hat # bald sehr Gutes, bald sehr Schlechtes ge-
liefert
Den Herakliskos 1 ) wird man schon um seiner Stellung
willen geneigt sein in eben diese Reihe zu stellen; aber er fehlt
in Da tritt in befremdender Weise eine der Abschriften
von V ein, der Vaticanus X, der sich bemüht hat, den Bestand
von Gedichten, die er übernahm, zu ergänzen. So hat er aus H
die 'HXaxdtrj und den Anfang des ersten Ilaiöixöv genommen
und Gott weifs woher die ersten 87 Verse des Herakliskos.
Ich sehe von allem ab was sich ohne weiteres als Korruptel
der Lesung von // ergibt, auch von den zahlreichen Auslassungen
und gebe folgende Übersicht:
6 aalöwv II ndvxcov X, sinnlos.
8 evooa II, äooov X, sinnlos. Korruptel erst aus Minuskel.
9 da> ixotofte II, dd> idoite X.
12 diiqsalvu II, ifKpalvEi X, falsch.
x ) BCD repräsentieren wie immer eine Handschrift; also ist es schon
an sich unverantwortlich, 34 tjiidQtipt C gegen IniyQtxo BD aufzunehmen.
Aber es ist auch gedankenlos: bei Pindar läuft Alkmene selbst barfufs zu
den Kindern; Theokrit läfst sie im Bette bleiben und ihren Mann schicken,
dem 6ie verbietet Stiefel anzuziehen: bewufste Umbildung. V. 74 fehlt in B,
in CDX lautet er unvollständig &t<Qatr fttli-ouuv öi rö kunov lv <fQta£. Da
hat es gar keine Gewähr, wenn D 3 einen höchst unbequemen Infinitiv 9£o&ai
zufügt. Die richtige Ergänzung liefert das Homerische hl (f (i( at ßäklto oyoiv.
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28 T8TVXT(U 11, XtXQVJlTCU X.
29 vä xai B, u xai DX, om C.
36 veolg II, tolg X.
43 xeÖQlvo) BCD corr., öeÖQivco D 1 , ÖevÖQivü) X falsch.
51 e/ovaa CD, f./otatv X sinnlos (in B fehlt der Vers).
52 dcuofi&voioi n, xatofUvoig X falsch.
53 dfJL&eg II, öptb(ov X sinnlos.
62 tin* dfivßlav II, vre' dyvoftu X sinnlos.
63 xolvov II, xoira sinnlos.
64 äeiöov II, aeioav X falsch.
66 ZQtog Iunt, zgecog Call, om CD, vigag X.
68 votovTi II, voioivvo X falsch.
71 .advrt II, fidvvtv X, beides falsch.
72 rwg J7, rdoo' X richtig.
83 (wyßovg II, fioyßoig X sinnlos.
Es ist beachtenswert für die Vorlage, dafs die Varianten 6.
9. 28. 51. 63. 64 im Versende stehn. Eine Verbesserung ist nur
72, rein graphisch'). Zu besprechen sind die, welche Liebhaber
gefunden haben. 3 'Schlaft wohlbehalten 2 ) meine Kinder und
kommt wohlbehalten bis zum Morgen'; da wird die Mutter
wieder ans Bettchen treten und nach den Kindern sehen; viel-
leicht schlafen sie noch weiter. Viel besser als 'und erblickt
1 ) 7, 90 /<w fniv röaa' tlmov cmtnavamo, ebenso 1, 142. 7, 128 ruaa
ttfnuav mit der Variante MP tu; (tfnfmv aus 42 i<fä[iav tm'tnäts-
2 ) Bechtel (Herrn. 36, 422) deutet tvoou (vxivriru, nicht «<x</«,Uü? awfd-
utvu; die Hesychglosse, die beides liefert, zeigt, dafs die beiden zu ntitCtafhai
und oovo&ai gehörigen gleichlautenden Wörter existiert haben, dvaaoa sind
bei Theokrit 4, 45 Ziegen, die sich verlaufen, von aovo9«t ; aber der Hirt,
der über die Härte der Geliebten verzweifelt, nennt sich Si-aaoog 3, 30 doch
wohl als xttxüq anolov ftfvog. Hier geben die Scholien, besser im Etymologicum
erhalten, beide Ableitungen; zu 4, 45 nur die von oovaOat. fiaoia ev&tjt'ia
[tv&tvi'a ist Variante dazu; tva&tifut immer wiederkehrende Korruptel) So-
phokles OC. 390 natürlich nur zu aiöi^aOai gehörig. Denn wenn Bechtel
tüooos mit laytlav oQurp nQvg avsqaiv f/wy erklart (nach Hesych a6og), so
liegt die «v^atq doch in dem Worte nicht. Heftige Bewegung liegt in allem,
was mit aoZo&at. zusammenhängt. Die Mutter wünscht nicht, dafs die Kleinen
sich blofs strampeln; aber den Wunsch, dafs ihr Kindlein die Nacht in Ge-
sundheit und Gedeihen durchschlafen möchte, hat manche Mutter, auch wenn
sie keine bestimmte Gefahr von Drachen oder Bazillen wittert.
Philolog. UntettuohuDjfeD. XVIIF. 7
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glücklich den Morgen'. 66, erzählt Alkmene dem Seher veo/-
/toa' xtgag oder /.geög? Gewifs geht an sich beides; veoxfiöv
xegag selbst steht bei Aristophanes Frösche 1371; aber schwer-
lich 'erzählt man', xavaHyst, ein xegag y das immer geschaut
wird. Wer von der Tragödie her xl xmvöv dü)ßaaiv xq£°*
und ähnliches im Gedächtnis hat, oder dafs bei Homer Odysseus
Tsigsaiao xatä y.gtog, %getav eyiov avxov in den Hades geht,
wird nicht zweifeln. Zu dem zgetüdeg jzgäyfia (wie die Gram-
matiker glossieren) pafst xaxaXiyeiv. Hier hat man unbedacht
aufgenommen was 'handschriftlich' beglaubigt war, weil das
andere nur in Drucken stand; wir kennen den Wert von B jetzt
besser. 28 "der Schlund, in dem bei den Schlangen das Gift
sitzt," ist das xixgvaxai oder rtvoxrcu? Beides geht natürlich,
aber Theokrit liebt xixvyiiai und das ganze Verbum sehr; in
diesem Gedichte steht noch 135 evvä fjv xexvyfiiva, "bereitet",
22 q>äog d' dvä olxov kxv%{hi, "es ward". Und so steht xi-
xvxxai gleich yeyevrjxat 3, 26. 2, 20. Und wenn bei Homer
steht E 446 ö#t ol vrjög ye xexvxxo (eigentlich "erbaut war"),
so wird man über die Wahl zwischen xexvxxai und xixgvnxat
nicht im Zweifel sein. Meineke, der im übrigen X verworfen
hat (sogar 72), hat 36 §olg aufgenommen, damit eine alexandri-
nische Katachrese entstünde; aber ohne Not und Zweck wird
die doch nicht angewandt, blofs um unverständlich zu werden.
So ist denn X eigentlich ganz unbrauchbar und kann aus dem
Apparate ausscheiden; aber man wird doch Bedenken tragen,
ihn als einen verwilderten Deszendenten von II anzusehen: es
liegt so sehr nahe, den Gegensatz von 0 und J7 auf ihn zu
übertragen, zumal der Herakliskos in U vor den Dioskuren
steht, als erster der ganzen Reihe.
Bei so dürftiger Überlieferung ist es nicht leicht, über den
Dialekt zur Klarheit zu kommen; da das Gedicht theokritisch
ist, mufs man andere Anforderungen machen als etwa in der
Oaristys. So viel scheint klar, dafs der epische Dialekt nicht
glaublich ist; die Ionismen sind spärlich -rjiot 30, 91, aber nur
in einem von zwei zusammengehörigen Dativen; "AÖQijaxog 131
mag man dulden wie 'Afj,g)idgr)og bei Pindar 1 ). Andererseits
>) Ich glaube nicht daran, denu im Hylas führt die Überlieferung auf
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sind starke Dorismen wie tvftelv, das allerdings allgemein über-
liefert ist, und (o für ov, das ein paarmal in den Handschriften
steht, schwerlich zu dulden. Die dritte Pluralis geht immer auf
-vxi aus, aber da sie 77 einen Hiatus hineinbringt, der diesem
allerfeinst polierten Gedichte gar zu schlecht steht, so wird
sie auch 29. 68. 112 nicht original sein. Das zeigt aber, wie
unsicher der Boden ist: es ist eben zwar sehr bequem, aber
auch ganz müfsig. da zu normalisieren, wo die Überlieferung
versagt, und die Praxis des Dichters je nach seinem künstleri-
schen Belieben schwankt.
Von den Gedichten in 11 kann man, da auf Musuros für B
kein Verlafs ist, nur sagen, dafs sie sämtlich anonym waren,
aufser den Technopägnien vielleicht. Die äolischcn gehören dem
Theokrit auf das Zeugnis der nur von ihm Gedichte enthaltenden
K und H, die Dioskureu auf das Zeugnis von MP, das nicht
eben schwer wiegt; Triklinios hat so wenig Gewicht wie Mu-
suros. Da nun für die in <P erhaltenen dasselbe gilt, mufs die
Echtheit, nicht die Unechtheit in jedem einzelnen Falle bewiesen
werden Sie wird es für den Herakliskos durch die ganz zu-
verlässigen Zitate der Grammatiker 1 ). Das Gedicht trägt frei-
lich innnerlich den Stempel der spezifisch Theokritischen Kunst
in ihrer höchsten Vollkommenheit, so dafs es der Zeugnisse
nicht bedarf.
Es mag hier kurz noch die Überlieferung der Europa des
Mosch os besprochen werden, die nirgend passend stehen kann,
da das Gedicht gar nichts mit der Bukolikersammlung zu tun
hat, obwohl zwei seiner Handschriften uns schon wohl bekannt
sind. Der Sammler von S hat sie neben den "Eq(o$ dganirrig
gestellt, den er in der Anthologie finden konnte; für beide Ge-
dichte war der Verfasser überliefert, die Zusammenstellung lag
also nahe. Ebenso hat M die Europa vereinzelt gefunden und
7«<j<ü»', ist aber daneben '/»jann- eingedrungen, wie denn die epischen Namens-
formen natürlich den Schreibern besonders nahe lagen.
') V. 105 steht jetzt ganz und richtig zitiert in den Scholien zu Dio-
nysios Thrax S. 447 Hilg. Die mythographische Überlieferung der Pindar-
scholien reicht mindestens bis ins erste Jahrhundert n. Chr. zurück; anderer-
seits zitiert Choiroboskos V. 1 wohl noch aus erster Hand.
7*
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— 100 —
ganz passend neben das Epyllion des Musaios gestellt. Die
gleiche Überlieferung wie M zeigt ein Bruchstück in einem
Baseler Kodex, nicht aus M kopiert, aber neben ihm kaum von
Belang 1 ). Um so wertvoller ist die dritte Redaktion in dem Am-
brosianus B99, aus dem 13. Jahrhundert, wo die Europa allein
steht; er ist die einzige Quelle von Sallustius jieqI ftem>, also
ein rares Stück. Sehr gut und alt ist, dafs die Abschnitte des
Gedichtes durch eio&eoig bezeichnet sind (21. 28. 63. 72. 108.
125. 131. 146. 153. 162), und eine Subscriptio Verfasser nennt
und Verse zählt. Den Verfasser nennt auch eine Subscriptio
in S. Beides zeugt für die gesonderte Überlieferung des Ge-
dichtes. Alle drei Handschriften weichen mindestens so stark
ab wie in der Megara 0J7S, aber keine ist ganz entbehrlich,
wenn auch S gewaltig zurücksteht (schon weil viele Verse
fehlen) und nichts Wesentliches beibringt: man darf M allein
ebensogut wie F allein trauen. Auch hier aber werden die Kor-
ruptelen erst später Verwilderung angehören , denn wenn . sonst
die Konjektur auch nur wenig zu tun findet, der Schlufs ist in
FMS gleich und ist unerträglich.
rj ök ndgog xovgr) Zrjvöc y6vav' avvixa vvfMfr)
xai Kgovlörjt texva rlxve xal avrixa ylvsvo firjtrjQ.
Dafs der zweite Vers Unsinn enthält, liegt auf der Hand, drei-
fachen Unsinn; so rasch wie mit der Geburt von Fausts Eupho-
rion ging es um so weniger, als Minos, Rhadamanthys und Sar-
pedon nicht Drillinge waren. Aber ganz verwerfen kann man
den Vers nicht, sondern mufs sich mit der zweiten Hälfte be-
gnügen, die eine Lücke flickt. Da Zeus eben (161) das Ver-
sprechen gegeben hat, dafs alle Kinder Könige werden sollen,
mufs mindestens gesagt gewesen sein, wer sie waren. Hermann
hat änavTsq freilich wegkonjiziert; dafs Moschos zur Zeit von
Philometor und Euergetes II, der Deszendenz des Antiochos III
und des Attalos I lebte, ist ihm ganz gleichgültig gewesen : dafs
Zeus von keiner Sterblichen sonst eine Anzahl Kinder hat, also
mit keiner andern ein dauerndes Verhältnis, pflegt überhaupt
nicht gewürdigt zu werden, und doch stand es in Hesiods Kata-
') Das einzig Richtige ist 85 t noyluvoeaxt, wo M das a zu d verlesen
hat; vnoylai'xioxt F; S hat den Vers nicht.
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logen. Aufserdem aber ist ja der Eingang, die Erscheinung der
beiden Weltteile, noch ganz ohne Beziehung: die Benennung des
Erdteils nach der Heroine mufste den Schlufs machen, nur nicht
im nackten Chronikstil, wie Horaz sein Europagedicht mit dem
kahlen tua sectu* orln« nomina ducet schliefst (es ist wirklich im *
ganzen und in jedem Zuge geschmacklos und absurd; er selber <
hätte sich's nicht verzeihen dürfen; mit Moschos hat es nichts
zu tun). Vermutlich war die zukünftige Herrschaft der Söhne
mit dem Namen des Erdteils in Verbindung gebracht. Also ist
doch ein zufällig verstümmeltes Exemplar der Archetypus unserer
so stark abweichenden Fassungen, und die Verszählung in F
setzt diese Verstümmelung voraus; die Subscriptio konnte gar
nicht miterhalten sein.
Gemeinsam ist den Handschriften auch eine Interpolation,
denn ich kann nicht umhin, den Vers 140 für unecht zu er-
klären; auf die abweichende Fassung in S ist freilich nichts zu
geben. Aber wenn Europa auf einem Stiere so über das Meer
reitet, dafs des Stieres Füfse nicht einmal nafs werden, so ist
es in der Ordnung, dafs sie ihn einen Wunderstier nennt, #eo-
tavgoQ, dafs sie das Unbegreifliche hervorhebt, wie das Land-
tier über das weite Meer läuft, dafs sie denkt, er könnte am
Ende auch Hiegen. Aber dazu hat sie keine Veranlassung, in
ihm einen Gott zu sehen (der Pegasus ist kein Gott), oder zu
sagen "du tust etwas, was Götter tun".
// cum tiq deÖQ iaar Ömlc evaUyxta Qt&ig. ,
Was ist darin den Handlungen der Götter ähnlich, dafs der
Stier sich benimmt wie ein Delphin? IlaQa tpvaiv ist das, wie
die Sprache des Xanthos zu Achilleus, die Menschenfresserei
der Diomedesrosse: soll die auch auf den Verdacht der Göttlich-
keit führen? Und wenn sie deu Gott in dem Stiere ahnte, wie
konnte sie gleich danach in Klagen darüber ausbrechen, dafs sie
ihm gefolgt wäre, und die Hilfe des Poseidon anrufen: da war
doch der Gott, auf dem sie ritt, der nächste. Der Vers unter-
bricht einen geschlossenen Zusammenhang; man hat ihn daher
versetzen wollen; aber nirgends läfst der Zusammenhang ein
Loch. Da hilft es nichts. Das Motiv, das der Vers anschlägt,
hätte sich wohl verwenden lassen; dann durfte Europa nicht
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- 102 -
klagen und um fremde Hilfe rufen, sondern so tapfer auf ihrem
geliebten Stiere reiten, wie sie die Mosaiken zeigen. Wenn es
in einem Verse angeschlagen wird, so stammt der von einer
anderen Hand.
Zusammenfassung.
Wir haben die einzelnen Zeugen verhört, ziehen wir die
Summe der Rechnung. Schon in Theokrit 2. 14 — 18 haben wir
die Gruppe von Handschriften im Gegensatz zu allen übrigen
fassen können, die wir später tf> genannt haben. Sie ist sehr
reich, aber keine Spur davon, dafs sie die äolischen Lieder und
die Epigramme Theokrits oder die Technopägnien enthalten hätte.
Ebensowenig gibt es Spuren, dafs sie je Scholien trug; die
Existenz von Hypotheseis oder kurzen Vorbemerkungen wie
AiöaxovQoi Ttji xoivijt lädt sind damit nicht ausgeschlossen, wie
die unkommentierten Euripideshandschriften lehren. Sie enthielt,
wie es scheint mit Theokrits Namen, die Dioskuren, dann anonym
den Epitaphios auf Bion, der in anderer Überlieferung theokri-
tisch ist, Megara und Herakles anonym, vielleicht auch den Hera-
kliskos des Theokrit. Die Ordnung dieser ganzen Reihe, inklu-
sive Theokrit 2, 14—18, ist unsicher. Hinter ihr hat 0 die
Reihe, die mit dem Bovy,o?Uaxog beginnt, allein sie reifst im
'EmüakdfiioQ 'A%äXt(x)<; mitten im Verse ab: es konnte also
wer weifs wie viel folgen.
Die Sammlung J7 können wir von der kommentierten Aus-
gabe nicht sondern, denn unsere Handschriften geben zwar die
Sicherheit, dafs die ersten 18 und dann die äolischen Gedichte,
die Epigramme und die Technopägnien der kommentierten Aus-
gabe angehören, aber was sonst da ist erscheint ganz ebenso als
ihr Anhang in den Vertretern von //, Ii CD, die unkommentiert
sind (mindestens für uns. falls etwa B Scholien hatte). Es liegt
auf der Hand, dafs noch mehr aus der kommentierten Ausgabe
stammen kann und wird, und wenn wir am Anfange der Zusatz-
reihe in Jl Herakliskos und Dioskuren finden, so ist ihre Her-
kunft aus ihr sehr wahrscheinlich, denn diese beiden Gedichte
sind als theokritisch den Grammatikern bekannt. Damit hört
es aber auf. Der Epitaphios Bions heifst zwar gerade in der
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— 103
Tradition theokritisch, die neben <P für ihn und neben 0 und /7 für
die anonyme Megara noch existiert, aber er gerade ist für Tl nicht
nachweisbar. Nun haben <I>II abgesehen von dem für 0 nicht
ganz sicheren Herakliskos noch Herakles und Megara gemeinsam:
dann bleiben für // als sein eigener Sonderbesitz nur Lenai und
Oaristys, deren Verbindung bei der Verstümmelung des Anfangs
der Oaristys nicht sicher ist. Aber die Oaristys ist. sowohl
ihrer Art wie auch ihrer Textverderbnis nach wirklich mehr mit
Bukoliskos und Fischern vergleichbar als mit ihrem Nachbar,
den Lenai. So kommt man zu der Annahme, dafs zwar die
Familien 11 und <I> sich wohl schon im Altertume getrennt
haben, wie das für </' ja gegenüber allen anderen Handschriften
in den Chariten und ähnlich auch im "Egcog des Moschos be-
wiesen, ist; aber dafs die Sammlung in Wahrheit identisch war,
also einstmals auch die beiden Gedichte Lenai und Oaristys in
beiden standen. Das war denn eine Sammlung unkommentierter
Gedichte der Bukoliker, die weit über Theokrit hinausgreifend
neben der gelehrten Ausgabe, deren sich die Grammatiker be-
dienten, herging. Sie umfafste auch Theokritisches, und es bleibe
dahingestellt, ob sie seinen Namen ebenso wie die übrigen Ver-
fassernamen verschwieg. Sie hatte den Adonis aus den Werken
Bions, den "Eq(o$ ÖQuntTtig aus denen des Moschos genommen;
die waren aber anonym geworden wie die der übrigen Bukoliker,
deren sicherlich eine Anzahl hier vertreten waren, soviel wir
wissen nur hier, und nur auonym. Wir können uns die Samm-
lung gut und gern noch weit umfassender denken. In der By-
zantinerzeit ist dann der Bestand der Theokrithandschriften in
verschiedener Weise durch Stücke aus dieser Bukolikersammlung
bereichert worden. Für die letzte Zeit zeigen das unsere Sammel-
handschriften MPS, die wir noch selbst einzelne Gedichte
ihrer Theokritreihe hinzufügen sehen. Je nach dem was sie für
eine Handschrift finden, stellen sie sich in den Zusatzgedichten
zu <P (wie MP in den Dioskuren, M im Herakles) oder sind selb-
ständiger, wo dann S in "Kgtog dganetiig ganz schlecht, in der
Megara sehr gut sein kann. Dagegen war ein Vorfahr von BCD,
den wir zeitlich nicht bestimmen, nur dafs er weit zurückliegt,
auf die Gedichtreihe in dem Texte geraten, den wir II nennen.
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— 104 —
Er verband sie mit einer sehr reichen und guten Handschrift
der kommentierten Ausgabe, während das ganze <P auf die sehr
viel geringere Theokritüberlieferung gepfropft ward, die nur
1. 3—13 enthielt. Denn es ist weder erweislich noch wahr-
scheinlich, dafs diese Gruppe ursprünglich zu 4» gehörte. Es
steht ja analog mit den kommentierten Euripidesstücken, die
uns in den Handschriften der unkommentierten Reihe entgegen-
treten.
Wir müssen uns nun umsehen, wie weit wir die Existenz
der Sammlungen zurückverfolgen können. Die ausgezeichnete
Sammlung der Testimonia bei Ahrens gibt das Material. Eusta-
thios hat eine Handschrift von FI gehabt, denn er zitiert aus
eigner Kenntnis neben 15 und 16 (nicht 17. 18) Dioskuren,
Herakliskos, Lenai, alle drei unter dem Namen Theokrit.. Dies
ist der einzige Grund, der Ahrens dazu Veranlassung geboten
hat, die Lenai unter die Werke Theokrits zu stellen. Wir
haben gesehen, sie stehen in 11 auf der Grenze zwischen den
anonymen Gedichten, die wir als theokritisch kennen, und den
ebenso anonymen, die sicher nicht von ihm sind. Dafs Eusta-
thios Theokrit sagt, hat natürlich an sich nicht mehr Gewicht,
als wenn es Triklinios und Musuros aus eigner Machtvollkommen-
heit tun: ob zwölftes oder vierzehntes oder sechzehntes Jahr-
hundert, das kann keinen Unterschied machen. Aber da Eusta-
thios keins der untheokritischen Gedichte von II anführt, so ist
die Möglichkeit nicht abzuweisen, dafs er eine rein Theokritische
Handschrift, nur reicher als KH, gehabt hätte. Dafs Dioskuren
und Herakliskos einst in der Ausgabe standen, beweisen uns die
antiken Grammatikerzitate. Wenn für die Lenai keine vorliegen,
so reicht das bei der Kürze des Gedichtes nicht aus, es zu dis-
kreditieren. So bleibt hier die Entscheidung allein der inneren
Prüfung des Gedichtes. In der Anlage wird die Uncchtheit er-
wiesen. Dann ist das nächstliegende wahr: Eustathios hat eine
Handschrift 11 gehabt. Natürlich war sie um so viel reiner als
die Masse der unsern, wie sie älter war; aber zur Bestimmung
einer besonderen Familie reichen ein paar Zitate nicht, und
Übereinstimmung im Richtigen kann keim* Verwandtschaft be-
gründen.
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— 105 —
Bei Gregor von Korinth, der für die Überarbeitung der alten
Kompendien über die Dialekte seinen Theokrit fleifsig exzerpiert
hat, reicht die Kenntnis nicht über 15 hinaus; schon 18 würde
sonst nicht fehlen. Dagegen hat Niketes Eugenianos (Ende des
12. Jahrh ) aufser Theokrit 1 — 1 4 1 ) Ptolemaios, die beiden
tlatöixd 2 ), 'EQaavtjg, "Eqmq dQaji£Ttjg"). Er hat also gerade den
Teil der kommentierten Ausgabe, von dem wir für 4> keine Spur
nachweisen konnten, neben 0. Auch wenn eine Spur der Oaristys
bei ihm zu unsicher ist') um auf sie zu bauen und natürlich
l ) 4,410 WS uvi Jiaöi vyoas tfintomr niaatjs /vtQar nach 14,51 ui'S
... ytvfte&tt nfaat;;. Ich könnte die Sammlungen von Ahrens auch sonst
vermehren, aber für Theokrit kommt nichts dabei heraus. Es sollten diese
byzantinischen Romane auf ihre Entlehnungen genauer durchgearbeitet wer-
den, namentlich solche, die unbekanntes Material liefern. 1), 23 steht das
xvuaia nQi9/utii von Margites auf Koroibos übertragen; es ist mir nicht
sicher, wem von beiden es ursprünglich gehörte. 3,82—100 wird Dionysos
in einer Platane verehrt: für die Schilderung ihres Kultes wird direkt auf
Herodot 7,31 verwiesen ; aber Dionysos im Baume, wie in Magnesia, das
hat sich der Spätling nicht ausgedacht: wo hat er es her? 8, 110 tfOt
Ctif VQos vor ytvoutjr, nanSfrt, ai J* tvxQtüi fll/novaa ngoanviona ut iit
atfava yvuvtuonaa ntioakußots fpf Das stammt aus dem Distichon, das wir
als Anth. Pal. V 83 führen fifr' unuoi ytrout^v, xai ai arti/ovaa nag avyta
atrjdut yvprtüGnK xai fit nvfovia Xaßot* (das Mädchen geht in der Sonne,
da ist ihr warm und sie öffnet den xulno$). Dasselbe Distichon hat Arethas
zu Dion Chrysostomos 2, 65 an den Rand seines Exemplares gesetzt (Reiske
II 556); er hat xai av für ai M der AP erhalten. Niketas hat eine Reihe
solcher Wünsche 2, 332 zum Teil mindestens selbst geformt (Spiegel, Hemd,
Wasser, Parfüm, Sandale); aber es ist auch bei den Griechen ein rünu; der
ältesten Liebespoesie, in den attischen Skolien, Athen. XV (Leier und (Jold-
schmuck), und bei Dion 2, 63, wo eben Arethas das angeführte zuschrieb und
aufser ihm dasjenige, welches neben diesem Anth. Pal. V 84 steht, und auch
bei dem Parömiographen des Parisinus 1773 (Cohn zu deu Parömiographen 53),
t(8t (toifop ytrouqr etc. Das ist nachgeahmt von einem Theophanes aus Hyzanz
A. P. XV 35, von Planudes neben seine Vorlage gestellt: tiHt /mvor ;<fi/.u>ji.
In Pompei steht an der Wand <jemma relim jieri Hücheler Anth. Lat 359.
-) 4,411 Juxti <JY um ns. uv nagflStji xai t/.cyijt "kmoiu tot Jv(tair»r
fyi imtoud ui xai iiä«; ftf t'i.'.'or; fxunnijam anifitas nach 30, 27.
A ) 4, 313 geht, nicht auf den Krjgioxifniii;. sondern auf das Anacreonteuin.
*\ t!, 545 wird der Heldin ein lieiratsvorschlag gemacht, wobei auf den
Kyklopen Theokrits ein Seitenblick füllt Etioxouu^ ngiutiom* fr tm ^oxhmi.
i, Kc.M.iJtjuü, ovx i't/aoti dfav tujv tvytrtZp ti\ fori xai twf t-inoautv, du
tn-d-yfioa* in utraufloi k«ßr t t Agöadkav. Das erinuert au die Nennung der
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- 106 -
die Möglichkeit besteht, dafs er zwei Handschriften des Theokrit
besessen hätte, bleibt doch die überwiegende Wahrscheinlichkeit,
dafs wirklich 0 ganz ebensogut eine Erweiterung der rein Theo-
kritischen Sammlung ist wie J7, von dem. hier nichts zu finden
ist. Das bewährt sich denn am Ausgange des Altertums bei
Nonnos, aus dem Ahrens sichere und schlagende Imitationen an-
gemerkt hat aus <P von Bovxokioxoc, "Emd-akäftiog L4^AAewc,
"Adoavig, aus ü von der 'Oaoiorvg, aus den ihnen gemeinsamen
Gedichten von 'HQaxXyc, daneben aus dem ersten Ilaiöixöv*).
Damit ist die Brücke von 0 zu II geschlagen. Es darf als er-
wiesen gelten, dafs eine grofse umfassende Bukolikersammlung
gleichzeitig mit der kommentierten Ausgabe des Theokrit be-
stand, die allein in den Händen der Grammatiker war.
Es existierten damals auch noch die BovxoXtxä des Moschos
und Bion, vermutlich beide in einem Bande, denn die Zitate des
Stobäus legen nahe, dafs er sie wie die des Theokrit (1,3—14)
selbst ausgehoben hat und dafs er die Gedichte beider zusammen
fand*). Nonnos ahmt auch die uns erhaltene Europa und nach-
weislich ein anderes Bruchstück des Moschos nach ! ); vieles werden
wir nicht erkennen. Wie das Verhältnis jener Gesamtausgabe zu
den in die Bukolikersammlung aufgenommenen Stücken Adonis,
"Kgcog ÖQCLJitvrjg war, entzieht sich unserer Kenntnis; nur ist 0
auch gegenüber Stobäus einmal im Rechte, vgl. S. 76.
Die Überlieferung im Altertum.
Von unseren Handschriften aus sind wir bis an den Aus-
gang des Altertums gediehen. Damals gab es erstens eine kom-
mentierte Ausgabe des Theokrit mit den Technopägnien als An-
hang, zweitens die Bovxo/jyA des Moschos und Bion für sich,
Eltern und die Erörterung der Lebensstellung bei der Werbung des Knaben,
Oarist. 40 — 42 *:/«</ rif iy">, ./i'Xi'd«? Tf nui^n , . . tvr\ytv(tar.
') Ich habe bei Nonnos auf die Theokritnachahmung nicht geachtet;
man mufs auf Spuren des zweiten /TmJixov aufpassen.
-) Darauf führen die Nester von Zitaten beider in Fluni. C3 und 64:
allerdings steht aber ein Bionzitat im Florilegium des Orion
'■<) 37, 172 aus dem offenbar berühmten Gedicht auf die Arethusa, Fgm. 5.
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drittens eine Sammlung Bovxo/uxd, die sicherlich auch von
Moschos und Bion manches enthielt, aber daneben anonyme
Gedichte, deren Ursprung teils in ältere hellenistische Zeit reicht,
meist aber in die gleich nach Bions Tod Nach Mafsgabe ihrer
Erhaltung ist anzunehmen, dafs sie als Anhang der Theokrit-
ausgabe gelesen ward. Von dieser Ausgabe läfst sich nichts
weiter sagen, da irgendwelche verläfsliche Spuren von ihr nicht
nachgewiesen sind. Nur mufs die Sammlung jener besonders
geringen Gedichte nicht gar lange nach ihrer Entstehung ange-
setzt werden : so etwas wäre in der Vereinzelung notwendig ver-
kommen, und selbst die ganze Sammlung kann nur dadurch,
dafs sie sich dem Theokrit angesetzt hatte, erhalten sein, falls
er nicht immer darin stand.
Für die kommentierte Ausgabe helfen uns die Scholien
weiter. Die Hypothesis des Aites trägt in anderen Handschriften
den Namen des Eratosthenes, nicht in K, obwohl sie auch in
dem steht. Diesen Eratosthenes hat Ahrens mit Sicherheit in
dem Epigrammatiker der Justinianischen Zeit gefunden '). Seine
Hypothesis gibt aufser dem was sich entsprechend in allen andern
findet, eine Nacherzählung des Inhaltes. Daraus folgt, dafs der
Spätling die ältere Fassung überarbeitet, und was er von Eignem
gibt ist wertlos. Man beginnt jetzt wieder zu vergessen, was
Hypothesis ist, obwohl die Rhetorik das doch lehren sollte. Sie
unterscheidet sich von der iHaig dadurch, dafs ein konkreter
Fall vJioxsiTat. So ist die Hypothesis einer Tragödie das, was
der Dichter als Voraussetzung seiner Erfindung übernimmt oder
auch fingiert. Die Ausführung, also der Inhalt des Gedichtes,
gehört keineswegs dazu. Die Gedichte sind zwar auch sehr früh
nacherzählt worden; die Umsetzung des Epos reicht wohl bis
ins sechste Jahrhundert. Aber das ist etwas ganz anderes.
Will man das benennen, so sagt man imTOfitj 2 ). Dafs wir uns
über eine solche Nacherzählung sehr freuen, wenn sie die ilvxhr\
oder den liowoa/.6£avÖQoc des Kratinos betrifft, und dafs sie
l ) Sein Gedicht A. 1\ (I, 78 variiert Theokrit Ep. -\ Ob der Theätet der
Scholien der Spätling gleicher] Namens in der Anthologie ist, bezweifle ich.
*) Z. B. hat Agatharchides eine iniiqui, r^g "Arnuäyoi uiiih^ gemacht.
Phot. Bibl. 171 a.
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uns ganz gleichgültig ist, wenn wir die Gedichte haben, hat mit
dein eldog nichts zu tun. Den Aristophancs von Byzanz und
den Dikaiarchos wollen wir mit so etwas nicht behelligen. Die
haben gelehrte Arbeit getan, analog derjenigen, die uns auch in
den Hypothesen der Theokritgedichte so Wertvolles überliefert:
Eratosthenes übt müfsig seine Feder. Was er sonst gemacht
hat, entzieht sich unserer Kenntnis, und wir beklagen es nicht.
Wohl aber zeigt es, wie spät unsere Scholienredaktion ist, wenn
selbst K die Eratosthenische Überarbeitung gibt. Indessen, dieser
Redaktor und nicht minder Eratosthenes sind eben gleichgültige
Kompilatoren wie Phaeinos in den Aristophanesscholien, in denen
wir kurzer Hand trotz ihm auf Symmachos überspringen. So
tun wir es hier auf Amarantos, den Zeitgenossen des Galen.
Dafs die Scholien in ihrer Masse in das zweite Jahrhundert ge-
hören, lehrt das Fehlen der späteren Grammatiker: Vereinzeltes
beweist in solcher Literatur nie etwas, die nur beurteilen kann
wer vieler Schriftsteller Scholien durchgemacht hat. Da nun
der Verfasser unserer Scholien gegen Munatios von Tralles pole-
misiert, den wir auch als Zeitgenossen des Herodes Attikos
kennen, bestätigt sich die Zuteilung. Den Namen des Amarantos
lasen noch späte Vorlagen des Etymologicum in ihrem kommen-
tierten Theokrit').
Ganz denselben chronologischen Schlufs geben uns die Techno-
pägnien an die Hand, die im Anhange der Ausgabe standen,
offenbar um der Syrinx willen. Unter ihnen sind drei Gedichte
des Simias, und das Grundbuch der Metrik, auf das Hephästion
zurückgeht, wird sie wie andere Gedichte des Simias aus dessen
gesammelten Schriften, den Symmeikta, kennen : diese beweisen also
nichts. Dagegen das Studium des Altares von Dosiadas belegt
für jene Zeit Lukian Lexiph 25, und ohne Paraphrase ist er
nicht verständlich. Sextus \adv. yrammatico* 314) operiert mit
einem Verse ovot? o fldv, avQiyy' lyoyv iv v>)i /toi, der aus der
Paraphrase ißnoßagi^ ro "0?.ov, iAxog f%0)v iv rrji /eqI geraten
werden soll: das ist klarlich aus der Syrinx entwickelt. Durch-
') Dies habe i»h Herakles I 1 187 ausgeführt: ich mag mich nicht ab-
schreiben
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schlagend ist freilich allein die Aufnahme des ionischen Altars,
dessen Akrostichon O/.v^utu JtoXXolg freot tfvoetag, zumal der
Angeredete ein Dichter ist, von Häberlin (wie auch von mir) mit
Sicherheit auf Hadrian bezogen ist. "Dies ist ein Altar, den
die Musen gebaut haben; kein materieller, für materielle Opfer
bestimmter, wie der der Chryse (der des Dosiadas, der immer
noch einen wirklichen Altar voraussetzt, während dieser nur in
der figura carminis besteht). Hier darfst du opfern, der du aus der
Hippokrene getrunken hast". D. h. du bist Dichter; wir wollen
aber den Reisekaiser Hadrian nicht vergessen, von dem wir ein
Gedicht aus Thespiä haben (Kaibel, Epigr. 811); also auch
wirklich hat er aus der Musenquelle getrunken. Er ist auch in
Samothrake gewesen: sehr glaublich, dafs ihn das Problem der
Niai bei Lemnos und der Altar der Chryse antiquarisch inter-
essiert hat'). In dem Dichter, dessen Name Btjaavvlvog un-
sicher und unverständlich ist, hat Häberlin gescheit Iulius Ve-
stinus vermutet, der vom Vorsteher des alexandrinischen Mu-
seums zum ab epistulis avanciert ist und eine Etappe der Lexiko-
graphie zu repräsentieren scheint. Leider liegt Ovrjorivog etwas
zu weit ab, als dafs man sich darauf verlassen könnte. Passen
würde er besonders gut deshalb, weil es beinahe so aussieht, als
wäre dies Gedicht allein von den Technopägnien im Hesych be-
rücksichtigt 2 ). Wie dem auch sei, die Aufnahme eines Gedichtes
an Hadrian in unsere Sammlung beweist schlagend, dafs die
Ausgabe Theokrits, deren Anhang die Technopägnien sind, bald
nach Hadrian gemacht ist. Unter Konstantin hat Optatianus
Porfirius diese Ausgabe in Händen gehabt, denn er ahmt gerade
den ionischen Altar nach.
') Die Epiphanie des Hermes von Imbros verherrlicht die Akrostichis
des Dionysios Periegetes: es mufs in der weltverlassenen Gegend durch den
Besuch des Kaisers allerhand Spuk entfesselt sein.
2 ) oXog: to fiilav rt){ oqniaf. lißoöv: oxoutvbv, uiknv. uaO.ig: uü-
%nton. Votöoai: u^vrtu. loiyvog: aitXfyo;. yloroog: XQ 1 ™*. Die abweichen-
den Formen, namentlich &owom (im Altar Ooovutvut), sprechen freilich eher
dafür, dafs der Verfasser seine Glossen aus dem Lexikon nahm. Er ist die
mühsame Arbeit bald satt geworden; von V. 7 ab hat er nichts Besonderes
mehr, nur manches aus Dosiadas.
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Über Amarantos und Munatios hinausgehen heifst die Quelle
unserer Scholien suchen. Dazu helfen sie selber wenig; nur das
Mythographische zeigt dieselbe Doktrin und Methode wie in den
Scholien zu Apollonios, Nikandros, Lykophron, und da es sich
um Zitate und Varianten handelt, nicht um Erzählungen, ist ein
Appell an ein Handbuch nicht zulässig. Diese Varianten sind
ersichtlich für die Erklärung der hellenistischen Dichter ge-
sammelt, und da derselbe Theon als Erklärer ziemlich aller
dieser Dichter bekannt ist, liegt der Schlufs nahe, dafs er der
Urheber dieser Scholien ist; es ist allerdings der gewichtige Ein-
spruch Scheers mitzurechnen, dessen Ausgabe der Lykophron-
scholien die gauze Untersuchung hoffentlich in Flufs bringt. Ein
Lmofivrjfia Theons zu Theokrit hat noch Orion in Händen gehabt 1 ).
Eine sehr wertvolle Erweiterung unserer Theokritscholien kann
und mufs einmal aus den Vergilscholien samt ihrer Dependenz
gewonnen werden 2 ) Servius selbst verhält sich zu der alten
Grammatikertradition, die er exzerpiert, wenn nicht wie Erato-
sthenes, so doch wie Sextion zu Theon. Wenn ich von dem
Leben der Grammatik während der Kaiserzeit irgend eine zu-
treffende Vorstellung habe, so kann die Überleitung jenes reichen
! Stromes griechischer Gelehrsamkeit in die lateinische Schule nur
■[ im ersten Jahrhundert stattgefunden haben.
Am wichtigsten ist Vergil selber. Er hat unsere Ausgabe
der Bukolika, aber auch 2 und 18 so gelesen, wie wir sie haben,
und kein Verständiger kann bezweifeln, dafs er gelehrte Er-
'} Orion ygtnog, vollständiger erhalten im Et. Sorbonicum (Gudianum).
Den Artikel setzt Orion zusammen aus den Autoren, die er zitiert, Uerodians
Orthographie und Theon zu Theokrit 1, wo zu 39 unsere Scholien im wesent-
lichen dasselbe bieten. Anderes mehr bei Ahrens.
2 ) Thilo und seine Helfer haben keine Ahnung davon gehabt, was sie
zu tun hatten. Diese schauderhaft splendide Ausgabe sollte durch eine nach
dem Rezepte billig und gut ersetzt werden, die das gesamte Material bereit-
stellte, also ein gutes Stück Macrobius und aus den abhängigen Scholien zu
: Lukan, Statius etc., endlich eine Menge Referenzen auf griechische Scholien
und entsprechende Literatur (Doxo-, Puradoxographen) enthielte. Innerhalb
der überlieferten Vergilscholien müfste der richtige Herausgeber das Weg-
werfen verstehn, damit für Wertvolles Raum würde. Aber auf einen solchen
Herausgeber ist heutzutage nicht zu hoffen.
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— III -
läuterung nötig hatte und gefunden hat 1 ). So bezeugt er auf
das unzweideutigste die Existenz einer Ausgabe und einer Er-
klärung, und eben diesen Text, wenn auch natürlich entstellt,
und diesen Kommentar, wenn auch stark verdünnt und verkürzt,
besitzen wir in unsern byzantinischen Handschriften. Er hat das
so viel angetastete neunte Gedicht genau so gelesen wie wir es
lesen, einschliefslich des Aoristes rjipdfirjv von faeoftai. Denn
3, 58 incipe, Damoeta, tu deinde sequere, Menalca garantiert für
9, 2 die Lesart cbidäg oq/bo ngätog, Eysipaaftw dt MevdXxag-).
Er hat auch die unechte Strophe vor Augen gehabt 8, 57—60
öevÖQEOi fiEv xetficbv yoßeoöv xaxov, 3, 80 triste lupus stabulü etc.
Und überhaupt ist die Bestätigung des Textes im ganzen noch
wichtiger als die Berichtigungen 1 , 136 yaQvoaivvo für öijQlaaivto
(Scaliger nach Ecl. 8, 55 certent et cycnis ululae), 7, 8 nveUai
ä?.aog Eg>aivov für vcpcuvov (D. Hein^ius nach Ecl. 9, 42 te.mut
umbracula vites) 3 ), obwohl auch das von Wert ist, dafs wir die
1 ) Natürlich enthielt der Kommentar auch Prolegomena rrfpi tvvfKto;
,-toixuhxäiv, aber reichere, wie wir ja die unsern aus den Prolegomena von
Vergils Bucolica (Diomedes gehört dazu) erweitern. Da hat Vergil die Ab- '
leitung der Bukolik aus Arkadien gefunden, das durch ihn aus dem Lande ,
der Bären und Wölfe zum Paradies der Schäfer geworden ist. Bei den '
Griechen sind nur geringe Spuren davon: Erykios A. P. VI 96 % AQxafas d^ö-
TfQoi kann ich nur aus Vergil direkt ableiten. Theokrit selbst hat y A<>xuöixd
gelesen, denen er sowohl die gelehrten Lokale (EUxtjs n(ov, Ainviov jvußog)
im Thjrsis, wie die Züchtigung des Pan in den Thalysia verdankt. Vermut-
lich hat aus denselben Kallimachos im ersten Hymnus die yoml Aiös. Aber !
eine arkadische Bukolik kann ich nur so weit glauben, als selbstverständlich
auch dort die Kuhhirten gesungen und gepfiffen haben.
2 ) Er entscheidet also gegen KPQ (T geht nicht mehr mit) Jdyn
avvtopüaübi, was auch an sich schlechter ist. Für die alte Ausgabe, den
Ahnherrn unserer Handschriften, und wohl auch für die Vorlage von PQT
ist die Doppellesart anzunehmen. Eine Kontamination nQarog (<f«\i>uaüto
liefern MVTr. Natürlich stiefs die attisistisch geschulte Grammatik an
dem Solözismus an, den sich der späthellenistische Poet erlaubt hatte.
m/»«o fnov und tipctro fixolovätjotr liefert Hesych, vermutlich aus gleichartiger
Poesie. Bei Nikander könnte man sich über so etwas nicht wundern; auch
dem Euphorion traue ich es tu.
3 ) II, 48 hält sich der Kyklop elf Rehe, näaas tifjvotfvotos, welche gro-
teske Albernheit! Die Scholien liefern die Variante ««JTo^o^wf. Pollui
5, 99 unter den Namen für Halsschmuck. txuXtiio J* rt x«i udnos r t itörvot,
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- 112 —
Berechtigung zu solchen kleinen Verbesserungen erhalten. Für
die Reihenfolge der Gedichte ergibt Vergil nicht mehr, als dafs
die Bukolika eben eine Gruppe bildeten. Aber Properz konnte
II 34, 68 die Bukolik nur mit Thyrsis et attritis Daphnis arun-
dinibus bezeichnen, wenn das eiste Gedicht Thyrsis hiefs und
von dem Syrinxbläser Daphnis handelte.
Also um 40 v. Chr. gab es unsere kommentierte Ausgabe
; Theokrits. Jenseits ist keine Spur von ihr. Catull, der den
Adoniazusen die raren Kultorte Aphrodites Golgoi und Idalion
entlehnt hat (64, 9G und 36, 12. 14 nach Theokr. 15, 100) und
(Plin. N. H. 28. 19) die Pharmakeutrien nachgebildet haben soll,
kann die beiden filfioi yvvaweloi in der Ausgabe vereint ge-
funden haben; sie konnten ebensogut irgendwo sonst zusammen
oder vereinzelt stehen : denn natürlich, wenn es diese Sammlung
der Werke Theokrits noch nicht gab, so gab es doch gewifs so
und so viele Rollen, in denen mehrere der kleinen Sachen zu-
sammen standen. Nicht lange vor Catull hat Laevius das sive-
Qvyiov (polvixog als Technopägnion nach dem ntBQvyiov "Egcotog
des Simias verfertigt (Charisius p. 288): aber er konnte ja dessen
SvfifAeixTa benutzen. Wir haben so wenig von der hellenistischen
Literatur, dafs es nicht angeht, auf die geringen vorhandenen
Spuren des Theokrit in ihr zu sagen, er wäre wenig bekannt
gewesen 1 ). Wenn König Philippos V seinen Daphnis anführen 2 )
xul fiiikiOTa TtKQtt JwQitvoi. Calpurnius 6, 37 von einem weifsen Hirsche
radiant redimicula collo. Nebenher ein Beweis, dafs Calpurnius den Theokrit
selbst gelesen hat: das ist einem gebildeten Römer der Neronischen Zeit
genau so sehr a priori zuzutrauen, wie man es dem Afrikaner Nemesianus
zur Zeit des Carus nicht zutraut.
l ) Herodas ist auch ein Nachahmer Theokrits: in der Richtung konnte
er zum «MW 0 * H l M<ov werden. Und wer an ihn 'HQaxlrji und Meynga ge-
schlossen hat, dem galten die treulichen heroischen Erzählungen für seine
spezielle Force. Ähnlich hat ihn der Dichter des Epigramms alXos 6 Xtos
eingeschätzt, wie wir bald sehen werden.
a ) I'iodor 29, 16 ^'f/.innoi ürttdiCt toi's Omakoii wf — loiäanaCni rovi
7i noytyovoTfts xvq(ov; oüx tMortt oft ovnut nag «i'tcmc [6] iqliog ö(Svxt. Livius
39, 26 nondum omnvim diertnn solem occidisse. Natürlich sagte er '»/<f»j yä(i
(foäa&rjt ntirtt' «hov üftfu foövxtiv'. Prächtig von Mommsen in der Geschichte
verwandt. Den Thyrsis ahmt auch der Isisbymnus nach, s. oben S 20.
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— 113 —
konnte, also auch Polybios, der unpoetischste der Sterblichen,
ihn kannte und als bekannt voraussetzte, so ist das ein grofser
Erfolg. Die bukolische Nachahmung bei Bion und seiner Schule
(denn Moschos zeigt wenig davon) besagt ja auch etwas, und
sie hat ohne Zweifel bewirkt, dafs Theokrit wesentlich als Buko-
liker gegolten hat, wozu seine Werke gar keine Veranlassung
boten. Aber als ein grofser Dichter der Nation, was Arat und
Kallimachos immer gewesen sind, kann er nicht wohl gegolten
haben. Die phönikische Epigrammatik, von der wir so viel be-
sitzen, hat mir, obwohl ich sie noch eben daraufhin durch-
gesehen habe, keine Spur von ihm geliefert, während man sie bei
den Epigrammatikern der augusteischen Zeit nicht selten antrifft.
Ihr einflufsreichster Vertreter, der Gadarener Meleagros, hat
gerade in Kos gelebt, und doch kennt er in der Vorrede seines
Kranzes den Epigrammatiker Theokrit nicht, und er hat auch
nichts von dessen Epigrammen aufgenommen. Falls die Sammlung
schon existierte, hat er sie nicht gekannt: absichtlich konnte
er solche Perlen nicht verschmähen.
Hier ist der Ort, von den Epigrammen zu handeln.
Wir haben gesehen, dafs sie uns in K und II (BCD) überliefert
sind, also der kommentierten Ausgabe, wenn auch von Scholien
keine Spur ist. Daneben stehn sie in der Anthologie; Musuros
hat aus dieser (Planudes) zuweilen interpoliert. In der Antho-
logie stehen sie versprengt, aber doch meist in Gruppen. 6, 336
—340. 9,432- 437. 598-G00 gehören keinenfalls in einen der
alten Kränze: das sind also Zusätze aus der Ausgabe: aus der
stammen ja auch die Technopägnien in der Anthologie, sogar
mit ihren Scholien. Dafs 13, 3 unter den ' Ernygafi^ava öta-
<pÖQO)v fiitQov steht, die fast nur alten Dichtern gehören, weil
die Polymetrie das dritte Jahrhundert nicht Überdauert, spricht
nicht dagegen: das Buch beginnt mit einem Gedichte des Phi-
lippos, in dem ich nur den von Thessalonike sehen kann. Auf
das versprengte Gedicht 9, 338 ist nach keiner Seite Gewicht
zu legen. 7, 262 scheint aus Meleagers Kranz, aber gerade das
Der Titel Erotopägnien bei Laevius stellt sich zu den tQturvJLit des Bion.
Aber auch die einzelnen Gedichte waren benannt, tiövXXtn; das galt ver-
mutlich auch von den Symmeikta des Simias.
Philolog. OoteMuchungou. XVIII. 8
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fehlt in der Bukolikersammlung: eiu ganz elendes Distichon,
irgendwo vom Grabe einer beliebigen Glauke abgeschrieben, dem
Theokrit beigelegt, weil er 4, 31 der Kitharodin Glauke huldigt 1 ).
Diese Zuteilung kann also zu beliebig später Zeit in der Antho-
logie, auf Grund der Bekanntschaft mit dem Theokritischen
Gedichte geschehen sein; wir sollten das Epigramm eigentlich
ausschliefsen. Merkwürdig ist nur die Reihe 7, 658 — 664. Beim
ersten steht noch HeoxQitov oi de AecoviÖov ToqovtIvov, dann
gilt nur der letztere Name. Von ihm gehen voran 654 — 657,
es folgt 665. Also ist zu schliefsen, dafs der Name aus dieser
Nachbarschaft stammt, eingedrungen, als die ganze Reihe, mit
Theokrits Namen nur am Anfange, mitten in einer Reihe des
Leonidas Aufnahme fand. Das unerträgliche Gerede, mir riecht
dies oder das mehr nach dem einen oder dem andern oder
keinem von beiden, ist also Gerede. Übrigens trägt keines der
Gedichte den Stempel der bombastischen Gedankenleere, die für
Leonidas zeugt. Alle Gedichte der Theokritausgabe stehen in
der Anthologie und noch eins mehr, denn das Gedicht, das in
einer ganz Theokritischen Reihe an 9, 435 (Theokrit 14) klebt,
kann nur aus der Sammlung stammen und ist von Ahrens mit
vollem Rechte aufgenommen.
'ÄQXaXa td>nöX?.covL väva'&Ti^axa
ffnfjQxev. r) ßdaig de votg pev eixoai,
rolg d' imd, votg de Jtevte, votg de öobdexa
rote de dtrjxooiotm veütriQt} ijö' eviawolg.
5 toaaöaöe ydg viv &£ißf) i-ieTQOvtievog.
Im ersten Verse habe ich gleich die Emendation T(bjtö/.XcDvi
für den überlieferten Genetiv eingesetzt. Also wird ausgesagt,
dafs die Anatheme an Apollon, unter denen die Inschrift steht,
alt sind. Die Basis aber und das Gedicht ist neu, und offenbar
werden die Jahre gezählt, um welche die einzelnen Anatheme
älter sind. Dann kostet es wohl nur etwas scharfes Denken,
bis man einsieht, dafs überall xolg in vov zu ändern ist Die
Korruptel ist von tov de Öirjxooloioiv, wo sie nahe lag, hinauf-
') riuvxr}i n]s 6vouaiofxh'f]i, das ist nicht etwa rijg ntnißoriiov, sondern
ganz prosaisch Huvxrjg orou«. Diodor 4, 84 iov dvo/iatfutw Jtttfnr.
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gestiegen. Also das Gedicht ist gemacht, als eine Anzahl wert-
voller Weihgeschenke bei einem Umbau auf eine Basis zu stehen
kamen; alt war eigentlich nur das eine, für das die runde Summe
200 angegeben wird. Schwer verderbt ist die letzte Zeile. Was
beim Messen (das den Griechen so sehr oft gleich Zählen ist)
herauskam, war doch wohl eben die Zeitangabe, die hier gemacht
wird. Ich sehe dann keinen andern Weg, als */do viv an-
zutasten. Da konnte wirklich kaum etwas anderes als dgi-
0-fiög stehen. Wie dem auch sei, dies ist eine alte gute Inschrift,
kopiert in einem Apollontempel, gut, weil sie klar und schlicht
sagt, was zu sagen war, alt, weil sie den Zahlwörtern gehorchend
einen Hexameter unter die Iamben mischt. Theokrit brauchte
sich ihrer nicht zu schämen; aber von der Echtheit gleich.
Erst noch die Frage, wie stellt sich hier der Text der
Theokrithandschriften im Verhältnis zur Anthologie? Keines-
wegs wie in den Technopägnien, die sie eigentlich allein rettet.
Vielmehr ist im ganzen die Übereinstimmung sehr grofs, und
die kleinen Differenzen lassen sich meistens befriedigend schlichten,
indem man bald diesem, bald jenem Zweige der Überlieferung
folgt. Nur in dem Dialektischen bleibt natürlich die Unsicher-
heit: da hat man zu lernen, dafs jede Sicherheit trügt, die nur
auf einer Überlieferung ruht. Interessant ist etwa 5 = AP 9,
433 6 ßovxolog ä/ujMya fo'PJ^t K/7, iyyv'&ev äioet AP aus
Theokrit 7, 72 interpoliert. Gegen die übereinstimmende Über-
lieferung zu ändern hat man selten Veranlassung. 4, 11 ävva-
X,evoi für ävvta%evoi (Scaliger) ist Bagatell. 11,4 ist avvfjg K/7
nur Itazismus für avvolg AP; aber nicht leicht war die leichte
Emendation avrüi zu finden (liecker). Das Gedicht ist vorn
Stein kopiert "Grab des Eusthenes, der ein vorzüglicher Physio-
gnom war; seine Gastfreunde haben ihn in fremden Lande be-
stattet, %v[xvo$£Taq avvolg daifiovixog q)i?>og rjv. So hat der
weise Mann alles was ihm gebührt im Tode: so schwach (äxixvg)
er war, an Fürsorge hat's ihm nicht gefehlt". Nicht um einen
schäbigen YQiyog zu machen (äxixvg — äodevrjg) und dann mit
dem Eigennamen Eusthenes zu spielen, sagt das der Dichter,
sondern Eusthenes war äoüevqg, weil ein Physiognom von Pro-
fession selbst im Kreise der fahrenden Sophisten oder besser
8*
- 116 —
Charlatans eine kümmerliche Figur war und, wenn er irgendwo
starb, nur auf ein Begräbnis von Sklaven oder Armen zu rechnen
hatte. Dieser dagegen fand fürsorgende Freunde und erhielt
Grabstein und Grabgedicht. War das nicht ein Beweis für seine
Kunst, "die Gesinnung aus dem Gesichte zu erschliefsen"? Die
er für seine Freunde hielt, waren's wirklich. Zu ihnen ge-
hörte der Dichter; aber nur dem Toten, avvm, nicht diesen
Freunden öaiftovicog (p(?.og rjv. darum hat er das Gedicht bei-
gesteuert. viivoMtag für den Epigrammatiker ist nicht zu be-
anstanden, falls ein Epigramm vftvog heifsen kann. Das ge-
schieht z. B. in dem parischen Gedichte I G XII 5, 229 : vfivelv
'durch das Wort verherrlichen' ist seit Euripides ganz gebräuch-
lich: diesen Sinn hat das Nomen in dem parischen Gedichte und
hier ebenso: es ist äoge statt i/.eyelov. 18, 7 oogxov soixe in
acogov ei%e (so A P, o(0qw yäg Eixe K II) zu erkennen erforderte
die wahre divinatio, die darum nicht aufhört divina zu sein, dafs
die Schächer sie im Prinzip und in jedem einzelnen Falle leugnen
müssen. Schwerlich würde das Kaibel gefunden haben, wenn er
uicht an die Emendation von Inschriftkopien gewöhnt gewesen
wäre: acoQÖv in aoq>6v zu ändern dürfte man sich selbst einer
guten Abschrift gegenüber getrauen, wenn sie von einem ver-
dorbenen Steine genommen ist. Diese Korruptel ist älter als
die Spaltung der Überlieferung; aber anzunehmen, dafs sie gleich
bei der Kopie der Inschrift vom Steine begangen wäre, ist nicht
nötig; denn die Buchschrift bietet ziemlich dieselben Zeichen.
Für die Echtheitsfrage ist die Anordnung der Sammlung
nicht unwichtig; natürlich kommt nur die in den Bukoliker-
handschriften in Betracht, die in der Anthologie noch Spuren
hinterlassen hat. Die phantastischen Umordnungen der späteren
Herausgeber sind Unordnung. 1-6 haben bukolischen Inhalt
oder scheinen doch so; 7 — 16 sind Weih- und Grabinschriften,
wie sie die Menge der Gedichte auf den Steinen bilden; in sie
pafst die nur von der Anthologie erhaltene Inschrift von der
Basis eines Apollontempels vortrefflich hinein: wir müfsten sie
eigentlich hinter 14 stellen. Den Schlufs bilden Gedichte auf
Dichter in verschiedenen Mafsen; unter sie ist um des Vers-
mafses willen 20 eingeschoben, eine sehr elegante Umschreibung
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der einfachen Inschrift KXeivä Ogäiaaa /„alge. Gestört ist die
Ordnung nur darin, dafs von den beiden Gedichten auf das
Grab des Eurymedon das eine als 15, das andere als 7 steht.
Die Anthologie hat sie noch vereinigt: da war also ursprünglich
auch beste Ordnung. Wer mit den Steinen Bescheid weifs,
wird die Anbringung von zwei Tetrasticha auf demselben Grab-
male nicht beanstanden: das ist ganz gewöhnlich, und die be-
rühmten Epigramme 'der Erinna auf Baukis (AP 7, 710. 712)
sind ein leuchtendes, von der Unkenntnis des wirklichen Ge-
brauches natürlich auch beanstandetes Beispiel.
Ist so eine verständige Ordnung vorhanden, so stellt sich
die letzte Gruppe durch die Polymetrie ganz deutlich als Eigen-
tum eines Dichters dar. Die Gedichte auf Epicharm, Anakreon,
Peisandros geben sich als stehend unter Statuen, die von den
Städten der Dichter gesetzt sind: es ist nichts als unwissende
Willkür, das zu bezweifeln. Unter einer Statue will auch das
Gedicht auf Archilochos gestanden haben, und wieder ist jeder
Zweifel unstatthaft: wer kann bezweifeln, dafs Statuen der Art
im dritten Jahrhundert massenhaft errichtet sind, und dafs man
dann sehr gern einen guten Dichter für das Epigramm gewonnen
hat? Dagegen hat das Gedicht auf Hipponax die Form einer
Grabschrift als Einkleidung der Charakteristik des Mannes, zu-
gleich in Anwendung seines Mafses und seiner Sprache. Das
ist der Stil der übrigen auch. Also kein Zweifel, dafs der Ver-
fasser von jenen auch einmal einen Dichter hat charakterisieren
wollen, für den er keinen Auftrag von aufsen erhielt. In diesem
Dichter Theokrit zu sehen, der denn also zu Syrakus und zu
Rhodos und Teos Beziehungen gehabt haben mufs, ist unsere
Pflicht, wenn nichts dagegen spricht: nun hat er aber in Syrakus
und in Kos gedichtet; also pafst alles vollkommen. Die Ge-
dichte sind so fein und eigenartig, dafs wir diese Seite seiner
Tätigkeit besonders hochzuschätzen haben. Schwerlich hat sie
erst jemand in den weit auseinanderliegenden Orten kopiert;
nur mufs ihre Sammlung im verborgenen geblieben sein, da
nicht nur Mcleager nichts von ihnen weifs, sondern die ganze
Art keine Nachfolge gefunden hat.
Von den Grab- und Weihgedichten gehört ihm dann das
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polymetrische auf Kleita um der Form willen ; 8 auf ein Asklepios-
bild, das sich sein Freund Nikias aufstellte 1 ), und 13 auf eine
Aphroditestatue im Hause des Amphikles 1 *) sprechen für sich:
Amphikles kennen wir als koischen Namen (Paton 404), und das
Gedicht ist so recht der Ausdruck der Familien freundschaft, die
auch die Gattin des Freundes umfafst, wie wir sie in Kos dem
Simichidas zutrauen. Andererseits ist in 12 das attische Ge-
dicht des Choregen Demomeies von Paiania (Kirchner, Prosopogr.
') Ein feines Gedicht fordert mehr und andere Erklärung als dies und
seinesgleichen bei Fritzsche- Miller finden: die bringen nur ein Zitat bei,
damit man belegt hat, dafs das Zedernholz auch im Altertum gut roch.
'/litte xal ig Alii-tjiov o rov lltttijovos viug IrjrrjQi voGtov arögi ovvoio6//erog
Nu(ai. So greift es gut in das nächste Distichon über. Asklepios besetzt
damals Stadt um Stadt; jetzt kommt er durch den Privatkult eines Arztes
nach Milet, der ihn verehrt nicht als Spender des Zaubers, sondern als
«QXVyttW- Wer den ersten Vers hört, hört mit Paieon und lt)T*)Q Homeri-
schen Klang; der neue Gott erhält alte Würde. AW«t og utv in' u/uao atl
ttvftootv ixvttittt xal Tf<J' u7t' tvfodov; y).v\pui üyalfitt x{tf()ov, '//fn'wj'i %(t(>H'
yXitq-votig uxqov vnoaiag uia&ov, ü d' tig toyov nitoav fafijxe if'/rav.
Wie schön das Enjambement von Hexameter und Pentameter! ti-ui^e ist
kein leeres Schmuckwort: das harmoniert mit dem Dufte des Weihrauchs,
den Nikias alle Morgen streut. Und so nimmt die ylmf.v(iu /</p das ylvquv
auf (wie schön das Medium), und als * Dank für die glättende Hand 1 ver-
spricht Nikias hohen Lohn, der Künstler aber wendet alle seine ii^vu
daran". Den Erfolg sollen wir erkennen, wenn wir das Werk sehen. Wie
fein stehn /n\> und rf>;i'i}; die Prosa hätte r^vt/g und tntfalte jijv x*'Q tt
ufiä ni'earjs rfj? eaviov ylcuf vQÜTTjrog sagen können.
-) Ebenso schön; gleicher Stil. « KvnQig ov nuväauag IXaaxui jäv
titbv hlntov ovQKviitv. Der vielbesprochene Gegensatz dringt auch in diese
Bürgerkreise; aber aufser an vulgivaga soll man auch an Jnpuadi denken.
äyväg (was das erste abweist) «i#*u« Xnvooyüvug otxtoi ii ■ l-i ruft xltotg, wi xut
ifxrtt xai ßior tlyt $vruv. es ist auch hier das Bild der Hauskapelle, und
die keusche Chrysogona hat die wahre Keuschheit, die der Gattin und Mutter.
iui uY otf.iv Xo'nov tig iiog t^v tx oid-tv anynutvoig, to nuin«: sie brachten ihr
jeden Morgen Weihrauch, aber ihre Liebe war auch die Grundlage ihres ge-
segneten Lebens, xydoutvoi yün (((><cii'ait>r «vtoi TtJ.ttw tyovai /fyoroA Der
fromme Spruch ist au dein Hausaltare keine Trivialität. Diese Aphrodite ist
himmlisch, weil sie der Exponent der natürlichen Menschlichkeit ist: dafs
eine koische Hausfrau die Göttin so auffafst und ihr Leben auf diesem Glauben
aufbaut, bedeutet für das, was Aphrodite ist, viel mehr als alle Spiele der
l'oeten und alle Mythologeme der Theologen.
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3554, wo dies nachzutragen ist) hineingeraten 1 ), das allerdings
mit dem stoekprosaischen, fievQiog t)v iv Jiäm, /opcöt d' ixvrj-
oato vlxrjv dvdgcov, xai vö xakbv xai vö dlxatov ögcbv die rhe-
torische Trivialität, die in Athen im vierten Jahrhundert grassiert,
im Gegensatz zu der hellenistischen Poesie zeigt. Mit der Auf-
nahme dieses attischen Gedichtes, das herrenlos war, wie es der
Dreifufs bot, hat der Sammler sich ein übles Zeugnis ausgestellt,
und natürlich müssen wir nun jedes Stück an sich prüfen: die
Sammlung enthält Echtes und Unechtes; aber wirkliche Stein-
schriften sind sie alle. Es ist nur kaum möglich, objektive Kri-
terien zu gewinnen. Die beiden Gedichte auf das Grab des
Eurymedon, sicher aus dorischer Gegend (tifiaaevvTt ist eine
Form, die über den konventionellen Dorismus geht), das auf die
TQcuzE^a des Kaikos '), ganz besonders anmutig das auf einen
Altar, der ein Relief der neun Musen enthielt (10), ganz wie
wir einen solchen aus Halikarnafs besitzen (Winckelmannspro-
gramm 36), sind ohne Zweifel aus bester Zeit und des Theokrit
ganz würdig: die hat ein Dichter gemacht, der jedesmal das
Besondere besonders zu sagen wufste. Das Gedicht auf Orthon
') Er weiht joinod« xu\ Jtövvoov. Das ist nicht ein Dreifufs und eine
8tatue, also Doppelweihung, sondern im Dreifufs stand die Statue. Das sollte
bekannt sein.
-) *Aorois xut Stivotoiv iaov viuti tiöt loiirtfiw
9tii itftXtv >l>rji/uv Tt obg XöyoY t(t%Oft(vas.
iiXXos Tis uoöifaatv Xtytoio' i« *V ö&niu Ktaxo;
/nrjutn« xai vvxi'os ßovloptvotf
Was sich wohl Kritzsche Hiller dabei gedacht haben, als sie nur hinzu-
schrieben 'auf den Wechseltisch des Kaikos'? Hatte der sein Exchange office
auch bei Nacht offen? Der fremde Bankier hat das freilich über seinem
Kontor stehen; aber die TQttnfCiuu waren längst nicht mehr Wechsler, wie
sie hiefsen, und safsen nicht an einem Tischchen auf dem Markte wie ehe-
dem oder jetzt in der ödö? AlöXov Athens. Kaikos erklärt, er gebe für die
Depots an Fremde und Einheimische dieselben Zinsen (was begreiflicherweise
nicht immer galt), und jeder bekäme sein Depot zurück und könnte die
Rechnung auf dem äßa$ nachprüfen. Er wäre nicht wie die andern, die
n QoifuoiZovTtti, sondern auf Wunsch stünden die Depots selbst bei Nacht zur
Verfügung: seine Kasse könnte nie in Zahlungsschwierigkeiten kommen. Das
ist an sich klar und gut ausgedrückt; aber so ganz selbstverständlich ist es
wahrhaftig nicht.
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aus Syrakus, der in fremdem Lande begraben war (das nicht
genannt ist, weil das Grab ja dort stand), kann ebensogut von
Theokrit dem Landsmanne gemacht sein, wie ihm zugeteilt, weil
er Orthons Landsmann war. Ganz auf dem gemeinen Niveau
der Anthologie und der Steine hält sich nur 16, auf ein sieben-
jähriges Kind, mit den konventionellen Klagerufen: das kann
man dem Dichter der übrigen nicht zutrauen. Aber das steht
auch als letztes der ganzen Reihe.
Die beiden letzten der bukolischen Reihe sind offenkundig
unecht, ö variiert das Motiv des Thyrsis so, dafs die Hirten,
darunter der ganz vermenschlichte Daphnis, musizieren sollen,
gerade um Pan zu stören. Ein Epigramm will es gar nicht sein ;
der Hirt redet: es ist ein Impromptu, wie die Theognidea, die
ja auch zuweilen aus einer bestimmten fiktiven Person heraus-
reden. Gleichen Schlages ist 6, die Anrede an einen Hirten,
dem der Wolf eine Ziege gefressen hat. Andererseits sind 1
und 3 sowohl Epigramme wie ganz vortrefflich, wenn man sie
nur versteht 14 Da liegen Rosen und Herpyllos für die Musen,
Lorbeer für Apollon, und der Bock, der die Terebinthe benagt,
ist für das Opfer bestimmt." Was ist das? Beischrift eines
Bildes; Stilleben, ein Altar, daneben die Zweige und Blumen,
ein Busch, an dem ein Bock frifst: das kann man sofort mit
den Augen der Phantasie als Bild sehen, wenn man sich an die
pompejanischen Bilder erinnert. 3 "Daphnis schläft in einer
Höhle, er hat eben Dohnen gestellt (das kann man leicht aus
dem Beiwerk entnehmen, das neben ihm liegt). Da schleichen
sich Pan und Priapos heran" 1 ). Da haben wir das Motiv der
') Im letzten Verse steht fitthi* vtii'ov xwuu xmity^uittruv, wovon
xaiayoptvov in der Anthologie offenbar Entstellung ist. Das ist anstöfsig,
daher eine Menge Konjekturen, aber keine, die selbst ihren Urheber recht
befriedigt haben kann. Dafs der Zufall einen Äolismus erzeugt haben soll,
ist wenig wahrscheinlich; man mufs sich mit v7not xmu« xmukn^ßaio^ov
auseinandersetzen. ' Lafs los die Schlafbetäubung, die du gefafst hast': ptHtirm
und xaialaßtiv korrespondieren, sichern sich also. t>nt{> nt xait'lafit wurde
besser gefallen, und wenn man auch ebensogut sagen kann, dafs der Mensch
eine Krankheit bekommt und dafs die Krankheit ihn fafsr, so würde man für
das erste schwerlich xarulftin'r sagen statt oiXkafm: Dafür ist aber xmv-
)Q>i% ein»» Solische Vokabel, die der Verfasser bei Sappho auflas Fgm. 43
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Malerei, wie Ariadne von Dionysos oder Hermaphroditos von
Satyrn beschlichen werden, das bis in die neue Malerei fortwirkt.
Nicht ekphrastische Gedichte in dem üblen Sinne, wie sie massen-
weise in dem Kranze des Philippos stehen, sind das, sondern
Unterschriften: das kennen wir doch nun aus Pompei, wo das
bekannte xrjv fie <pdyr}ig km ni£av auf dem Bilde wiedergefunden
ist, für das es bestimmt war. Wer diese Gedichte gemacht hat,
war ein Meister der Stimmungspoesie, der auch für Stilleben
etwas übrig hatte, nicht um blofser LichtefTekte willen, wie es
die Maler des Vart pour l'art treiben, sondern weil es in die
engen Zimmer des Stadthauses etwas Natur und Waldluft hinein-
bringt. Gerade so etwas mögen wir dem Theokrit gern zu-
trauen, dessen Force solche Naturbildchen sind. 2 ist zwar
auch allenfalls möglich als Beischrift eines Bildes "Daphnis
weiht hier dem Pau seine Syrinx, seinen Stab und Rucksack";
aber so etwas gibt es zu oft, schon bei Leonidas und seinen
Nachfolgern, wo es rein epideiktisch ist, und es erinnert so sehr
an die Weihung der Syrinx im Thyrsis, dafs ich es ohne
Schwanken preisgebe. 4, eine längere Elegie, ist so merkwürdig,
dafs ich sie in einem Anhange erkläre. Man kann nicht garan-
tieren, ich kann nicht glauben, dafs sie von Theokrit ist, aber
sie ist ein kostbares Stück, und seines Geistes ist mehr darin
als bei Bion und Moschos. Jedenfalls aber ist sie kein Epi-
gramm, sondern hat nur literarisch existiert. Das ist also die
Hauptsache: der Ordner kopierte nicht selbst die Steine, sondern
fand, so wie er die übrigen Gedichte Theokrits fand, auch Epi-
gramme in Gruppen oder einzeln von ihm oder auf seinen Namen,
hier und da; das sammelte, sichtete, ordnete er. Es gab keine
Lei Apollonios </. protunn. 126 Um /lanv/os «07 1 xumynti ist nicht ganz
verständlich, nur gebt es offenbar grade den Schlaf an. Aber an einer
andern Stelle, Fgm. 4 bei Heimogenes Id. 358 Sp. ist überliefert ntavaaofiirtav
Ji ifvUm> xioua xaia(toti. Diese Form kann man Sappho nicht zutrauen,
aber xitootvii ^Ahrens) hat keine Wahrscheinlichkeit: das Fliefsen an sich
ist keine glaubliche Vorstellung, xtttaynti liegt so nahe, zeigt dieselbe Im-
personale Verwendung wie in dem andern Fragmente (wo itoqi nur bedenk-
lich ist:, es ist begreiflich, dafs dem Nachahmer das genus verbi anstofsig
war: was er gibt, ist freilich nur erträglich, weil er ein Nachahmer ist.
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— 122 —
authentische Sammlung, die der Dichter selbst veranstaltet hätte,
sondern hie und da waren Gedichte bewahrt worden, von denen
man noch wufste, dafs er sie gemacht hatte; bei den öffentlich
gesetzten Statuen konnte das auch urkundlich im Gedächtnis er-
halten werden. Wir sind ja nicht in den Zeiten des Simonides.
Aber es traten auch ganz unberechtigte Dinge zu, deren Auf-
nahme uns befremdet. Eine gewisse Kritik verrät die Anord-
nung. Im ganzen dürfen wir der Tatsache, dafs Echtes und so
ganz Privates wie die Weihungen aus den Häusern des Amphikles
und Nikias erhalten blieb, ein starkes Gewicht beilegen. Mele-
ager hat die verstreuten und vereinzelten Gedichte des Theo-
krit leicht übersehen können: die Sammlung, die wir haben,
kann noch nicht erschienen oder wenigstens noch nicht verbreitet
gewesen sein, als er seinen Stephanos zusammenstellte.
Genau denselben Charakter trägt die Sammlung der grösseren
Gedichte des Theokrit. Da haben wir vier ßovxoAiaoßoi hinter-
einander, 5, 6, 8, 9. Die beiden letzten sind unecht, wieValckenaer
zuerst gesehen hat, und wer das nicht empfindet, mit dem soll
man nicht über Poesie reden. Das neunte Gedicht ist ganz er-
bärmlich, nachgestümpert nicht sowohl dem Theokrit als dem
■ ^ - achten Gedichte. Das achte Gedicht hat grofsen Reiz; Vergil
fand seine eigne weiche Natur darin viel mehr wieder als in den
Theokritischen Hirtenmimen 4 und 5. Ein Dichter hat es ge-
macht, der die knospenden Knabenseelen viel wahrer und reiner
verstand als der Verfasser der mehr als halb konventionellen
Tlaidixd mit ihrer fauligen und nicht einmal heifsen Sinnlichkeit.
Aber der Verse hätte sich Theokrit geschämt. Diese Hiate, diese
Vokalverlängerungen in der Hebung, eiu vierter Fufs el u jid&otg,
ein Sprachfehler wie Jioxa äfivöv, wo das Vau von äotjv auf das
Synonymon übertragen ist, wie Bakchylides log den Pfeil mit
dem Vau von log das Gift ausstattet, das alles wäre bei Theo-
krit undenkbar, der doch Dorisch zur Muttersprache hatte. In
der Tat ist der Verfasser von 8 schwerlich ein Dorer gewesen,
da seine ganze Doris einfach von Theokrit übernommen ist. Aber
ein kenntnisreicher hellenistischer Poet war er: er hat den
Menalkas, wie die Scholien' wissen, von Hermesianax genommen.
Die Distichenpaare, die er zuerst seine Knaben singen läfst, ge-
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mahnen an die sympotischen kleinen Elegien, die 'Theognis'.
Asklepiades usw. machen: davon zeigen Theokrits Epigramme so
wenig etwas wie seine Eidyllia. Also diese beiden Gedichte hat
der Veranstalter unserer kommentierten Ausgabe aufgenommen,
wenn auch als die letzten der Wettgesänge. Unmöglich konnten
ihm die Gedichte Theokrits in einer verläfslichen Ausgabe, also
gewifs nicht in einer von des Dichters eigner Hand vorliegen.
Aber er fand selbst diese Gedichte nicht mehr unversehrt. Wir
sahen oben, dafs Vergil das letzte Distichenpaar, 57—60, vor-
gefunden hat, das doch die Symmetrie des Wettgesanges zerstört
und daher von G. Hermann ausgewiesen ist. Die beiden ersten
Paare entsprechen sich ganz genau. Dann singt Menalkas eine
Anrede an seinen Leitbock, den er zu Milon in den Wald schickt.
Diesen Altersgenossen schwärmt er an und läfst ihm bestellen,
er möchte nicht vergessen, dafs Proteus Robben weidete, die
noch viel mehr stänken als die Ziegen. Also eine bescheiden
scherzende Mahnung "verachte mich nicht". Darauf singt
Daphnis: "Ich nehme alle Schätze nicht, wenn ich nur dich,
mein Freund, im Arme haltend die Aussicht auf das Meer ge-
niefsen kann." Das unechte Stückchen entbehrt des Individuellen :
es steigt von den Gefahren, die den Bäumen und Wassern und dem
Wilde drohen, zu der gröfseren auf, die die Frauenliebe dem Manne
bereitet, gibt diesem aber die Entschuldigung, dafs Zeus selbst
dieser Leidenschaft unterliegt. Gewifs pafst das nicht her; hier
ist gar kein dvrjg. Aber man sieht, das sollte die letzte Strophe
des Daphnis so ersetzen, dafs wieder Frauenliebe der Knabenliebe
entspräche (die in der Schwärmerei für Milon im Grunde gar
nicht liegt, so wenig wie das Verhältnis von Daphnis zu Menalkas
erotisch ist). Ist denn aber das Vorige passend? Gewifs; der
Dichter hat wohl empfunden, was wir in Theokrits fünftem Ge-
dichte nur mit Mühe auffinden 1 ), und was doch ganz in die
l ) Lakon ist uach Theokrit ein Stümper gegen Komatas. Ich schäme
mich, dafs ich seinen Versen das nicht hinreichend abnehmen kann, wenn
der Unterschied tiefer liegt als in der mangelnden Erfindsamkeit. Lakon
bringt allerdings nichts als Parallelen zu den unerschöpflichen Einfällen des
Komatas, so dafs dieser am Ende selbst abbricht und sich als Sieger bezeich-
net; der Richter hat das nur zu bekräftigen. 5, 13«.
- 124 —
Augen springen soll, dafs der den Preis verdient, der ihn erhält:
daher zuletzt keine Aufnahme desselben Motives, sondern eine
Ablehnung der Konkurrenz "wozu mehr als wir haben, wozu
Konkurrenz: unsere Knabenfreundschaft und unser unschuldiges
Dasein ist ja das schönste". Da kann es nicht weiter gehn.
Dieser Gang ist zu Ende, und wir wissen, wer gewonnen hat.
Es folgt der zweite Gang, in hexametrischen Disticha, wie im
Lityerses des Theokrit, der für die rein dem Haudwerke des
Hirten geltende Partie des Menalkas das Vorbild geliefert hat,
nicht einer sklavischen, sondern voll berechtigten Nachahmung.
Aber Daphnis siegt wieder: er weist die weiblichen Verlockungen,
für die er noch kein Herz hat, zurück; was er dagegen sagt ist
dasselbe wie in den Disticha: sein Hirtenberuf füllt ihn ganz aus.
Ich mufste das beiwege erläutern; hier brauchten wir eigentlich
nur den Nachweis, wie es zu einer Eindichtung, nicht als Zusatz,
sondern zum Ersatz kommen konnte. Aber das lag vor der Auf-
nahme des Gedichtes in die Theokritische Sammlung.
Epigramme und Eidyllia lehren genau dasselbe. Eine be-
trächtliche Zeit nach Theokrit, aber vor Vergil, sind sie ge-
sammelt; die Epigramme schwerlich vor dem Anfange des ersten
Jahrhunderts. Das werden wir doch vereinigen. Genau zu der-
selben Zeit schien die umfassende Sammlung der Bukoliker ent-
standen zu sein, die Gedichte von Schülern Bions enthält Das
werden wir doch auch nicht trennen. Diese Gedichte sind ihrer
Bedeutung gemäfs unerklärt geblieben; die Theokrits las Vergil
bereits kommentiert. Folglich ist der Theokritische. Bestandteil
jener Sammlung ganz kurz nach ihrem Erscheinen ausgesondert
und erklärt. Als den Erklärer kennen wir Theon, den Sohn des
Artemidoros.
In unseren Scholien, als ein Teil ihrer Prolegomena. und
daraus in der Anthologie IX, 205 steht das Epigramm
'AoTeßidd)Qov "/Qafifiatty.ov
ßovxofay.ai Molaai ojtOQäöeg Jioxd, vvv (V u/*a jzäoat
fvzi /mag fidvÖQaQy irvi /niäg äyeXag.
Da haben wir die grofse Sammlung bezeugt genau für die Zeit,
die wir erschlossen, denn Artemidor kanu das spätestens um 70
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gemacht haben Da haben wir den Vater eben des Theon, der
dies Werk fortsetzt.
Zusammen mit diesem Gedichte ist das folgende überliefert,
daraus Anth. IX 434 mit dem wertlosen Autornamen Theokrit
äkkog ö Xlog' eyd) de ÜeoxQiTog, ög xdd' byoaipa,
elg öjtb von' JtoV.üv elfü 2vQoy.oaicov,
vlög IJoa^ayÖQao JteQixlelvrjg te <PtXlvr)g'
fiovow 6' öftveiav oyrtv' ig)edxvodf.ii)v.
Das mufs erklärt werden, da so unglaublich viel Torheit darüber * 1 '' i '^ r
in die Welt gesetzt ist. Was uns das wichtigste ist, liegt zu 7j 7 n t -
Tage: "ich, der dieses hier geschrieben habe, bin Theokrit, Sohn , v - ; '
von Praxagoras und Philine aus Syrakus"; das steht nicht unter Y^, 'tj'
einem Bilde, oder wo wäre von seiner Leiblichkeit eine Spur,
sondern auf seinen Werken. Es ist ein Gedicht als Aufschrift
auf das Buch, wie sie seit Kallimachos so zahlreich und schön
verfertigt sind. Also das stammt von dem Titelblatt der Ausgabe
seiner Werke, eben der Ausgabe, an deren Kopfe wir es lesen.
Der letzte Vers könnte an sich die Erklärung enthalten "hier
steht nichts Unechtes drin". Doch nicht gut; denn der Dichter
selbst zieht keine fremde Muse in sich, wenn ihm andere Leute
fremde Gedichte beilegen. Man mufs die so eindringlich an die
Spitze gestellten Worte hinzunehmen: ä/.Xog 6 Xlog. Es ist zu
dumm, das auf Theokrit von Chios zu beziehen, als ob der in
den Verdacht kommen konnte, das Buch verfafst zu haben.
Natürlich ist der Chier Homer, wie ihn Theokrit 7, 44. 22, 218
nennt, und aus Theokrit 16, 101 stammen ja auch die jtoXXoi
Svgaxöotot. Diese Deutung ist die des Altertums: in der Homer-
vita, die zu der Ausgabe der s. g. Didymosscholien gehört, steht
unter denen, die Homer aus Chios ableiten, xai ßeöxgivog iv
volg imYQdfipaotv, Piccolomini Herrn. 25, 453. Derselben An-
sicht ist Welcker gewesen, und es bedarf keines Wortes mehr.
Dann gehört aber auch das letzte Kunsturteil dazu: Homer ist
ein anderer; ich bin zwar Epiker, aber nicht Homeriker, sondern
habe meine eigne Muse. Auch darin hat der kundige Verfasser
des Epigranimes nur Theokrit selbst richtig zu hören verstanden.
') Hermes 35, 543.
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Dieser sagt ain Schlüsse seiner Dioskuren, also eben einer epi-
schen Rhapsodie, 41 Der Chier hat den Heroen den Ruhm ge-
gründet'), vfilv av xai iyö) hye&v fituiyLiaza Movoicov, oV
avtai JtctQSxoim xai ö)g £fwg olxog imdQyei, Tola (pegco". Ein
stolzes, aber berechtigtes Wort, das der Verfasser des Epigramms
bekräftigt. Dieser hat die Gedichte vor sich, wie wir sie haben;
aber er hat sich nicht durch die ganz ungerechte Redensart
fangen lassen, dafs Theokrit der Bukoliker wäre: er sagt das
aber vielleicht schon mit gewolltem Gegensatz gegen eine Mifs-
deutung, wie sie Theokrit in der grofsen Bukolikersammlung er-
fahren mufste, und wie er sie dann erfahren hat, als die Philo-
logen das Griechische lediglich durch die lateinische Brille
sahen 9 ).
Zwei Epigramme haben wir, zwei Sammlungen, zwei Männer.
Die Sammlungen und die Männer stehn in demselben Verhältnis
zueinander. Ich dächte, die Rechnung wäre klipp und klar auf-
gegangen. Artemidor hat die Bukolikersammlung gemacht, von
der er spricht: sein Sohn Theon hat den Theokrit ediert, von
dem das zweite Epigramm redet, einerlei, wer es gemacht hat.
Ich habe die Untersuchung ganz ohne die Epigramme ge-
führt Es ging auch so; aber im Grunde war das falsch: die
Epigramme waren doch da, bezeugten zwei Sammlungen der-
art, wie wir sie mühselig erschlossen haben, bezeugten, da sie
in unsern Scholien stehen, ihren Einflufs auf die Sammlung, zu
der die Scholien geschrieben sind. In Wahrheit waren die beiden
Sammlungen zu suchen, die den Epigrammen entsprachen. Gewifs,
es war eine Übereilung, dafs ich vor 27 Jahren dem Artemidor die
rein Theokritische Ausgabe zuwies: aber waren die weisen Herren,
Hiller an der Spitze, im Rechte, wenn sie die Wahrheit, an der
') Vgl. die Beilage über die Dioskuren. Homer als Dichter der Kypria
in so später Zeit betrachtet ist beherzigenswert; er ist es aber auch 16,49,
denn aus ihnen stammt Kyknos.
Nicht alle haben so günstig geurteilt wie der Verfasser dieses Epi-
grammes. Der Verfasser der Schrift vom Erhabenen urteilt, dafs Theokrit
in den ßouxoXwü sehr glücklich wäre nXi]v oXiyiov raJr i$taiitv. Das klingt
nahe an trotz dem verschiedenen Urteil: wir ahnen etwas von dem ästheti-
schen Geschmacke und dem Kampfe der Kunstrichter in der augusteischen
Zeit.
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- 127
das Urteil über die Herkunft der Gedichte und ihres Textes hängt,
als nicht ausgesprochen behandelten? Es geht nur zu oft so,
dafs eine Wahrheit beiseite geworfen wird, weil ihr ein neben-
sächlicher Irrtum anhängt, der auch in die blöden Augen
fällt. Und dabei hatte doch eigentlich Ahrens, um den ich
mich zu wenig bekümmert hatte, das Wesentliche schon vor
mir gesagt, aber eben auch so, dafs er eigenes Denken ver-
laugte. Gewifs war es schärfster Rüge wert, dafs ich aus un-
berechtigter, aber damals allgemeiner Bevorzugung der elenden
Ausgabe Zieglers dem Ambrosianus C eine Bedeutung beilegte,
die er nicht hat. Aber vor mir liegen die Texte mehrerer Ge-
dichte, wie ich sie damals für Kaibel niederschrieb, samt der
Adnotatio, die wesentlich auf KBC gebaut war. Die kann ich
jetzt nicht brauchen, aber der Text ist ziemlich derselbe: denn B
ist nun einmal neben K die beste Handschrift gewesen, und C
repräsentiert seine Vorlage Triklinios, also die Tradition 0.
Für jemanden, der überhaupt befähigt ist einen Text zu machen,
ging es auch so. Wer das nicht ist, dem wird keine Text-
geschichte beibringen, wie er die Überlieferung zu beurteilen
und zu benutzen hat.
Aus der Tatsache, dafs Artemidoros die Bukoliker sammeln
mufste, und aus der Qualität seiner Sammlung folgt, dafs es
keine ältere Theokritausgabe gab. Artemidors Tätigkeit galt
der Bukolik; er hatte ja die ßovxoMxä des Moschos und Bion
vor sich, und sein Interesse erhielt deren geringe Nachahmer.
Daher hatte er das Schwergewicht auf Theokrits Bukolik gelegt,
und auch dessen Gedichtsammlung hat man nach der ersten
Gruppe ßovxo?.utd genannt: man soll keinen anderen Titel
suchen. Antike Bücher heifsen nun einmal oft nach dem Anfange.
Ein wichtiges Werk zu nennen: die Aitia des Kallimachos,
fünf Bücher, neben denen keine anderen Elegieen gestanden
haben: das ist ja moderne Erfindung ins Blaue'). Aber der
\) Wenu bei Stobäus Fl. 115, 11 das Lemma einiger Disticha ist,
KukXtuüxov fntSv nomor (1. «'), so ist es unverzeihlich, das als ein Zeugnis
für Elegieen neben der Aitia auszugeben: oder sind in hellenistischer Zeit
f/iij auch Elegieen, oder gibt es überhaupt den Buchtitel tnifi Wer sich dem
verschliefst, dafs das miav ist, der spricht sich sein Urteil. Wenn im Ery-
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jikoxapLoq war kein Aition, mufs aber doch darin gestanden
haben. Die Ausgabe des Artemidoros und des Theon hat so
durchgeschlagen, dafs neben ihr kein anderer Theokrit mehr
existiert hat: es gibt keine Fragmente 1 ). Aber vorher hatte er
doch irgendwie existiert, und ein für uns nicht oder noch nicht
nachweisbarer Grammatiker zitiert bei Athenäus eine BsQevix7].
Bezweifeln kann man das nicht wohl : ein Gedicht auf die Mutter
des Philadelphos, deren Konsekration Theokrit erwähnt, pafst
sehr gut zu seinem Ptoleraaios. Also hatte Artemidoros nicht
mehr alles aufgetrieben. Aber der ungeordnete Nachlafs eines
Dichters, dessen Name doch nicht verschollen ist, gewährt leicht
Fremdem Aufnahme: mag doch auch unter den Gedichten, die
wir in der Sammlung finden, wie Herakles und Megara, eins
oder das andere seine Aufnahme dem Umstände danken, dafs
es Theokrit geheifsen hatte, wenn Artemidor sich auch nicht
täuschen liefs. So mag am ehesten die rätselhafte Angabe in
der Suidasvita Erklärung finden, in der, nachdem die ßovxoltxä
ejzt) angeführt sind, es fortgeht: nvhg d' ävcKpSQOvoiv elg atitbv
xai ravra, flgoirldag, 'Elniöag, "Ypivovg, 'Hgcaivag, imxt)-
deta, fie?.t), ernygä^iaza. Davon sind die beiden letzten Kate-
gorieen in der Ausgabe vorhanden, vereinigen sich ja auch gut
mit den ßovy.ofoxä tat). Allenfalls könnte man auch noch die
vjjLvot unterbringen wollen, auch die rjQColvai auf die Arfvai be-
ziehen, was immerhin nur durch grobes Mifsverständnis möglich
wäre. Aber die Ilgoirldeg und 'EXnlöeg sind unbedingt Einzel-
gedichte, von denen nur diese Spur ist, und von kjwit)öeta weifs
mologicutn *. v. Jvai hinter einem Zitate aus Alkaios, also einem lyrischen
Verse, zitiert wird KitXXifutxos h iois (toiq fehlt richtig in einer Handschrift)
tXtytfois, so soll man doch auch wissen, dafs tXfytta das Yersmafs bezeichnet
und nicht tXtytiai. Aber die faulen Fische weiden immer wieder auf den
Markt gebracht.
') Das hat Meineke S. 398 richtig dargelegt. Keitzenstein (Ind. lect.
Rostock 1892/9:» S. 25) hat eins zu finden geglaubt Etym. gen. 'HQdt . .
ndviu dYvJpf« xttl TjQiu xtxur t toitt>%: xul KaXXifta/us 'i/roi r^jlov Hat nie tuvto'
(251). Früher hatte man darin eine Variante zu 2, 13 gesucht. Offenbar
war dieser Vers uro »' %«l f*tt«v aipu, zuerst zitiert; vielleicht ist nuvi«
davon ein Rest; dann ein anderes Gedicht, nicht grade der Hymnus an Hekate
bei Hippolyt Refut. 4, 35 xai' ^ia /«*r»?wrwv, aber vielleicht seine Vorlage.
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auch niemand. Es ist daher das wahrscheinlichste, dafs diese
Titel aus Bibliothekskatalogen der hellenistischen Zeit stammen,
die wir nicht nur nicht verifizieren können, sondern denen wir
einfach den Glauben versagen müssen, wenn es nicht verlorne
Gedichte wie die Berenike waren. Auch für uns ist Theokritos
kein anderer, als der bei Artemidoros erscheint.
Die Grammatiker oder vielmehr unsere Handschriften bezeugen
schlicfslich dasselbe ausdrücklich: sie nennen die Einzelgedichte,
die auch einen Individualnamen führen, eldvXha. Ich bin darauf
nicht eingegangen, weil es auch so ging; in Wahrheit mufste ich
eigentlich davon ausgehen. Wenn Pindars Gedichte stör] heifsen, weil
jedes ein Ton für sich ist, lyrisch zu reden, und wenn jeder weifs,
dafs die Sammlung von Pindars Gedichten das Werk eines Gelehrten
ist, so ist mit demDeminutivum eldvkhov nur das Gröfsen Verhältnis
bezeichnet, sonst mufs es mit Theokrits Gedichten ebenso stehn.
Einen Ton für sich bilden diese epischen Gedichte, weil sie ein
jedes sein individuelles Wesen haben, und weil sie ein Sonder-
leben geführt haben, bis man sie sammelte. Das hätte Theokrit
tun können, wie Simias seine Symmikta, Kallimachos seine Aitia,
Hymnoi, Epigramm ata gesammelt hat. Aber er hat es eben
nicht getan; daher diese Bezeichnung, die bei den andern nicht
wiederkehrt. Parthenios scheint es später wie Theokrit gemacht
zu haben. So hat dieser Text denn ein Schicksal wie der der
alten Lyriker, nicht wie der seiner Zeitgenossen : erst lange Zeit
nach ihrer Entstehung sind die Gedichte gesammelt wordeu und
ist der Text konstituiert. Es konnte nicht ausbleiben, dafs die
Qualität des Textes in vielem den Klassikern ähnlicher ward als
dem Arat oder Kallimachos, die ihre Werke selbst ediert haben,
so dafs unsere Handschriften in ungebrochener Tradition auf die
authentische Originalausgabe zurückgehen.
Philolog. Untersuchungen. XVIII.
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e i 1 a g e n.
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1. Eigennamen.
•
Auch nach der verständigen Untersuchung von Wendel')
(de nominibus bucolicis Leipzig 1900) sind noch einige Bemer-
kungen nötig, namentlich kritische. Namen wirklicher Menschen
und erfundene Namen, die wirkliche Menschen hczeichnen sollen,
müfsten eigentlich onomatologisch ganz gleich aussehen. So ist
es überwiegend in der Komödie; aber nicht immer: Etiefotidift,
Tovyalog, Xdßrjg könnte es geben, gibt es aber nicht. Er-
findungen, die als solche ohne weiteres kenntlich sind, <PäoxXkov,
'AfUfldeos, zählen hier nicht. Dichtungen, die den ßiog wieder-
geben, wollen der Natur der Sache nach nur geben ola äv
yivoivo. So ist die Neue Komödie, so sollte der Mimus sein.
Vielleicht war Sophron so; wir wissen so gut wie nichts von
der syrakusischen, Sikelisches notwendig enthaltenden Ono-
matologie, aber Koixöa und auch Oeavv?Jc, das Theokrit über-
nahm, sind für unsere Kenntnis und waren für das Publikum
Theokrits ungewöhnlich; Thestylis klang aber griechisch. Von
dieser Art hat Theokrit mehr, und das dünkt mich bemerkens-
') Von Mifsgriffen uotiere ich nur, was die Namen selbst angebt.
.Kvtav (15, II) iat keine mala forma, sondern richtig. Der Historiker, Kleit-
archos' Yater, hat ja so geheifsen. Die Archäologen finden es freilich feiner,
von einem 'Deinos' zu reden; aber rollen heifst wirklich thifh\ tf/inj»-
äolisch. 15, 13 wird Büchelers Konjektur Ztonvnwy yXixfobv rfxog dadurch
nicht entkräftet, dafs ZtanvQttav ein in Asien und später allgemein verbreiteter
Name ist: Kindern gibt man gern Kosenamen, und was verschlägt o und w?
TTjvav rav xvitvotfQvv tpoiiSn 4,59 kann keinen Eigennamen 'Eoutiis geben;
an den schwarzen Brauen soll er die Gemeinte erkennen, die Battos so wenig
nennt wie den 'Alten', der mit ihr schäkert, vermutlich den Herrn. fQuris
ist eine Parallelbildung zu lounvlos 3, 7. Anderes kommt gelegentlich zur
Sprache.
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134
Beilage: 1. Eigennamen.
wert Den Hirten, der von Daphnis singt, nannte er dvgoig;
man begreift die Bildung, aber der Name ist unbelegt, und
schwerlich hat ihn ein MeDsch getragen, ehe Römer ihren
Sklaven literarische Namen beilegten. "OXmg 6 ygutevg ist
ähnlich gebildet und kann von öXjit) kommen 1 ); aber wir kennen
doch nichts Verwandtes. Afiagvkkig ist uns vertraut, durch
Theokrit; so war's schon in der Kaiserzeit, als Longus den
Namen borgte, und so tat das Antipatros von Atopeke, der in
der Kaiserzeit eine Tochter 'AfiagvXXlg nannte (IG. III 1557): die
Wahlnamen der Spätzeit (es geht bis Kimon und Alkibiades, bis
Achilleus und Admetos) verdienen auch eine Untersuchung, die
mit den Sklavennamen Roms beginnen mufs. Komvaglg kann
in Syrakus bestanden haben, da die thrakische Kozvtti) in
Koriuth verehrt ward, und für eine alte Wahrsagerin pafst der
Name; nur bleibt er eine Singularität, und die Entlehnung bei
einem Spätling (Anth. Pal. XI 72) ist ganz irrelevant. Sehr gut
hat Bechtel aus dem Nachahmer Herodas die Kakaifttg (5, 15)
in eine Kvlatölg verbessert und eine Etymologie versucht (von
vä xv),a)\ aber diese bleibt doch nur eine Möglichkeit. Kqo-
xvkog und Moqomv konnte es geben: hat es sie aber auch ge-
geben? Bei Möqocov bleibt das Mifsliche, dafs Bion und aus
dem der "Em&aXdfuog AxiXXecog einen Mtigocov haben, was
auf eine Variante bei Theokrit deutet; auch den Lycotas des
Properz und Calpurnius halte ich für eine Variante zu Avxtiaag
(5, 62): welche besser ist, vermögen wir nicht zu sagen. Nun
kommen aber Namen, die für uns nicht nur unbelegt, sondern
anomal sind. Mefal-o) (2, 146); das Spiel mit hypothetischen
Vollnamen (Metädv&rj Wendel) ist sehr billig; es ändert aber
daran nichts, dafs uns unbegreiflich ist, weshalb der Dichter
eine Füllfigur mit einem mühsam ausgeklügelten Namen versah.
Ich könnte mir viel eher denken, dafs er nach dem geläufigen
Heroinennamen IloXv^d) einen andern macht, der griechischen
Klang hat, ohne viel an sein Vorkommen und seine Ableitung
') Verführerisch ist, dafs der attische (d. h. in Athen als Sklave tätige)
Vasenmaler "Oltos zu dein Sikelioten 'Okt/axta IG. XIV add. 372* tritt; aber
das zwingt kein 'Olni auf.
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Beilage: 1. Eigennamen. 135
zu denken. So ist es doch mit Adßag (14, 24), das es, soviel
ich sehe, gar nicht geben kann'). Ich würde den Genetiv
Aaßä vorziehen, wenn man von kaßelv überhaupt Namen machte.
Ferner Adxcov mit langem a. Das ist ein Sklave: der soll einen
Kurznamen von AaxvÖrjg Aaxgdvrjg oder so etwas tragen!
Längst wäre der Name geändert, wenn's eine Möglichkeit gäbe;
Theokrit wird also ohne viel etymologische Schmerzen Xaxtlv
darin gefunden haben. Der Herr des Lakon ist dreimal Evfidgag
mit langer Mittelsilbe, während sie doch in Evfiagog Etifiaglör)g
kurz ist. Da wird also geändert. Aber ßv(ovl%og duldet man
und leitet man von dem böotischen tovltov, geboren im Monat
Hvlog, ab, gleich als ob das u nicht lang sein müfste; den Bvlog
hätte Theokrit übrigens wohl nur gekannt, wenn er wirklich aus
Orchomenos gestammt hätte. Ebenso macht man aus dem gewifs
onomatologisch unmöglichen Hevfxagldag (2, 70), 8ev%agtdag und
verläfst sich plötzlich auf öe-u^ao/Actg, das Triklinios für <f> nicht
genug sichert, 'bmoxlt&v aber, das 10, 16 gerade durch die Vari-
anten gesichert wird, sucht man durch künstliche Mittelchen mög-
lich zu machen; der Erfolg ist sehr kümmerlich. .4700t« 3, 31
haben schon die Grammatiker beanstandet und ä ygoub, dann
YQaiü), ygala konjiziert, immer noch besser als in der Apposition d
jvgdv jtotoXoyevaa Jtagaißdng eine Dame zu finden, die danach
genannt sein müfste, dafs ein Ahn von ihr Jiagaißdvrjg auf einem
Streitwagen gewesen wäre; während die alte Hexe neben dem
Hirten herlief und äygia Xd%o.va. suchte, wie man ihresgleichen
auf den Hügeln von Athen und selbst in den Ruinen oft findet
(denn die Scholien irren, wenn sie an Ährenlesen denken; die
Hirten sind keine kgyaxivaC). Theokrit hat von äygög eine
Bildung gesucht und sich bei der grammatischen Richtigkeit
nicht lange aufgehalten. Das scheint mir das Wesentliche: er
mag nicht in die Farblosigkeit der Xgtfirjg und $aidglag t <Ptlov-
pevr) und Bax%ig der Komödie seiner Zeit sinken ; Sophron weist
ihm auch da den Weg. Natürlich, städtische Sklavinnen bekommen
') Dem Athener Außm IG. II 864 (Prytanenliste 4. Jahrh.) kann ich
kaum trauen: der Hund A«ßr,s in den Wespen ist ja nur boshafte Umbildung
von .lay^i.
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136
Beilage: 1. Eigennamen.
Namen, wie sie zu hunderten herumliefen Evvoa, Evvuxig, und
so die Städter meist, AiXqig, EfiddfMWJiog (klingt vornehm,
junkerhaft, wie es soll) Aiayjvqg, Ilgaj-ivöa, rogyd», Kkeaglara,
Slpaifta (klingt plebejisch); aber bei den Namen der Hirten
und Landleute, die eine ganz andere soziale Schicht bilden,
greift er gern nach Fremdartigem; gewifs denkt er bei Alywv
an die Ziege, bei Kogvdiov an die Lerche. Die Erfindung ist
keine andere, als wenn er einen Freund nach dem Bocke Tlrvgog,
nach dem Wolfe Avxidag nennt. Es ist wahrlich kein Wunder,
dafs grammatisch Anfechtbares oder gar Falsches unterläuft.
A&Atptg, Kgarldag (beides gar nicht gewöhnlich) hat er in Kos
gehört; aber auch IloXvßcottig, wenn auch als Heroenname, und
das ist nur für uns eine andere Kategorie: die drei Nymphen
Evvixa xai Maklg sag ögöcooa Nvyeia sind von dem Dichter
auf demselben Wege der Erfindung geschaffen. Wie sollten wir
allem nachkommen? Adyvig, Meväfotac (bei seinem Nachahmer,
aus Hermesianax), Ko^idvag sind Namen der Sage ; oh Aafiottag,
der Gefährte des Daphnis, das nicht auch war? Denn Theokrit
hat Daphnis (6 ßotmöXog steht ja dabei) nirgends als vulgären
Hirten behandelt. Meg^von» 3, 35 klingt uns sehr fremd: man
denkt an die Mermnaden, also einen lydischen Namen'). Bov-
xalog war schon den Alten so singulär, dafs sie auf Abwege
gerieten. Schliefslich also: die sprachlich bedenklichen Namen
sind aus dem grammatischen Grunde allein nicht anzutasten.
Wenn ein Nachahmer die KvXoiiflg liefert, so nehmen wir das
dankbar an; wir würden auch Hevyagiöag annehmen, wenn es
zuverlässige Überlieferung böte. Einen Namen habe ich selbst
mit Zuversicht geändert: 14, 13 steht neben Kleonikos aus Stratos
'Amg aus Thessalien. Den Apis macht mir weder der Seher
der Urzeit noch der ägyptische Stier wahrscheinlich: auch in
einem Papyrus würde ich r Aytg herstellen : das ist der vulgäre
Name, der dem Soldaten gut steht.
Die Nachahmer der Bukolik bringen nichts Neues in den
Namen: das ist sehr beherzigenswert; sie bringen ja auch im
') In dem Verzeichnis dor Freier Hippodameias fSchol. Find. Ol. 1, 127
ist die Namensform unsicher.
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Beilage: 2. Strophische Gliederung.
137
Dialekte nichts als was sie von Theokrit nehmen konnten, es
seien denn Mifsverständnisse.
2. Strophische Gliederung.
Nichts hat den Text der Gedichte so verwüstet wie die
Annahme, die Lieder, die in den Gedichten direkt eingeführt
werden, müfsten in Strophen gegliedert sein; vollends wenn ein
Schaltvers eingeführt ist, hat man die einstmalige Existenz gleich-
grofser Perikopen eigentlich eines Beweises gar nicht bedürftig
erachtet. Und doch wird in epischen Gedichten niemals das
Lied direkt wiedergegeben, das doch lyrisch ist, d. h. gesungen
wird, sondern ein Reflex des Liedes in einer anderen poetischen
Gattung. Also der rein musikalische Zweck des Schaltverses,
dafs ein integrierender Teil der Melodie immer wiederkehrt, fällt
damit hin. Von der anderen Art des Ephymnions, dafs die Ge-
meinde mit bestimmten Rufen zwischen dem Einzelvortrag ein-
setzt, ist vollends nirgend die Rede. Gerade dies war übrigens
durchaus nicht an Reponsion gebunden: das lehren die Zwischen-
rufe tyjzcudv und ähnliche in wirklich für den Kultgebrauch
bestimmten Hymnen, z. B. denen aus dem athenischen Askle-
pieion.
Man darf überhaupt nichlt mit einem vorgefafsten Schema
an die Gedichte herantreten, das ihnen dann aufgezwungen wird,
sondern mufs von dem Tatbestande ausgehen. Da trifft es sich
gut, dafs Theokrit einige wirkliche Lieder gemacht hat, im An-
schlüsse an die äolische Poesie, die wir zwar nicht besitzen, von
der wir aber wissen, dafs die späteren Ausgaben sie in Distichen
absetzten. Da läfst sich nun das 30. zwar durch zwei dividieren,
aber die Sätze und Gedanken fügen sich einer Gliederung in
Disticha durchaus nicht. Die Spindel hat 25 Verse, und an die
Kinderei, einen auszuwerfen, also einen Interpolator zu erfinden,
der äolisch dichtete, verschwende ich kein Wort. Gleichwohl
bieten sich ohne weiteres, wenn man richtig rezitiert, am Anfange
zwei Disticha, ebensoviel am Ende, und 8—12, 15 — 18 fügen
sich auch. Aber ebenso unverkennbar sind die Tristicha
138
Heilage: 2. Strophische Gliederung.
OJtJKüg §E1>V0V EfJLOV TEQlj)Ofl' iöcuv xdvvMpi/lrjoofiai'
vvlde yciQ Jiköov evdvefiov alxr)iieüa Jtäg Aiög,
Nixlav XaQivcov IftBQoqxbvmv Ieqöv (pvvov
und 12
6lg yäg ftavigeg agvcov /LiaXaxoig f.v ßordvat Jiöxotg
jie^atvz' avtOEVEi HevyEvlöog y' ewex' £vog>vQ(0'
ovtcog avvoiBQyog, q)iMei Ö' oaaa aaöfpQoveg'
und 19
vvv fiäv olxov e%oio' ävE'gog, ög Jt6k/J ödat] aocpd
dv&Qcbjioi(H vöaotg <pdQ/j,axa Xvygaig dnakalxifJUEv,
oixrjoeig xavä MiX/.avov s'gavväv sied' Iaövayv.
Diese letzten drei Verse hängen untrennbar zusammen ; bei den
beiden ersten Tristicha könnte man 2 und 1 abteilen, was im
Resultat auf dasselbe herauskommen würde. Also strophische
Abteilung hat der Dichter nicht gewollt; er hat aber doch seine
Worte und Sätze so verteilt, dafs oft etwas Ähnliches herauskommt.
So steht es auch in dem ersten Knabenliede. Da stehn erst
unverkennbar vier Disticha, aber danu ein ganz scharf abge-
setztes, für den Sinn ganz besonders bedeutsames Monostichon
ji(bg raör' äg^ieva vöv <piX6ovT' dvlmg öiÖatv;
Damit schliefst der erste Teil des Gedichtes ab. Und wieder
kommen Disticha, diesmal 6, dann aber wieder eine bedeutsame
Mahnung in einem Monostichon
iplh) d' dg xe £6r)ig*) vöv v/noto» lyeiv de/.
Worauf zehn untadelhafte Disticha folgen.
Meines Erachtens gibt es da nur eine Erklärung. Theokrit
las die lesbischen Gedichte noch nicht durch die Paragraphos in
Disticha oder Tetrasticha abgesetzt; aber er empfand den Bau
der Rede, die eben darauf aus war, solche kleinen Einheiten
abzugliedern. Mit Recht sah er darin den spezifischen Reiz
dieser Gedichte, der für die Griechen darum ein Reiz war, weil
ihre herrschende Kunst in der Poesie und noch mehr in der
Prosa ganz andere Tendenzen verfolgte. Theokrit sucht in diesen
Liedern nicht nur hinter dem Distichon oder Tristichon, er sucht
so ziemlich hinter jedem Verse die metrische Pause auch für den
') C als weiches s gesprochen wie Timotheos Perser 203 mit meiner
Anmerkung S. 39.
Beilage: 2. Strophische Gliederung.
139
Sinn einen Ruhepunkt bilden zu lassen. Das macht nicht nur
die Sätze kurz und die Gedanken im Gegensatz zu der Lang-
atmigkeit des damaligen Stiles gedrungen 1 ), sondern es stellt die
Form des Liedes in schroffen Gegensatz zu aller rezitativen Poesie.
Diese fordert das Enjambement; Hexameter, in denen die Sätze
nicht übergreifen, sind auf die Dauer unausstehlich. Ein »gutes
Distichon wird als solches zwar eine Einheit sein, aber die Ruhe-
pause gehört entweder vor den fünften Fufs des Hexameters oder
innerhalb der ersten anderthalb Füfse des Pentameters. Die iam-
bischen Trimeter bauten die Komödie und Sophokles ohne Rück-
sicht auf das Versende; die andern respektieren es: um so kunst-
voller mufs das Enjambement der Satzglieder behandelt werden.
Euripides vollends, der rhetorisch gebildet ist, aber dabei doch
ein Dichter, weifs auf das weiseste zu disponieren: lese einer
mal den Prolog der Medea darauf hin, wo die Punkte stehn, wie
man also rezitieren mufs. Am letzten Ende entspricht das En-
jambement der Zäsur, das Absetzen der Verse der Diärese. Daher
denn das Lied, von so musikalischen Dichtern gehandhabt wie
Sappho oder Aischylos, die ki&g durchaus dem Rhythmus dienstbar
macht. Die kleineren Strophen der Lesbier und der Tragiker
sind mindestens für uns unendlich melodiöser als die grofsen
Gebilde Pindars, dem man es anmerkt, dafs er keine Verse ab-
setzte. Den epischen Vers aber kann man auch von dieser Seite
her verstehn: wer die Zäsur für eine Diärese hält und den Hexa-
meter zu einem Saturnier macht, der verrückt die Schranken
zwischen Sangvers und Sprechvers'): er soll die lyrischen Dak-
M Nun lebt er aber doch in der Zeit der Poriodisieruug, der xattotQttu-
utvt) Xfzt;, ihm selbst snbjiingieren sich die Gedanken und er bringt sie künst-
lich in die Parataxe. Dabei kommt dann so etwas heraus wie der Schlufs des
ersten Uattiixoi: den Vahlen gegen die Umstellerei verteidigt hat. Da war
der Gedanke selbst etwa in folgender Periode konzipiert tat' J> «>, ntf.f^i
xaintQ vvv tn't rö ta^aia iixoi.ov»^aat not tiotftas wi , ot-t)' tav 'vohquv «vroi
xaXfa, vTtaxüiaouttt oüJ' toflif ifc oixi'm tfrl&fir. Die künstliche Parataxis
l&fet den ersten Bedingungssatz besteht], macht aber den Konzessivsatz selb-
ständig und erzeugt so den Schein eines ganz unlogischen Fortschritts.
2 ) In meiner Übersetzung des Adonis habe ich mir einen freien deutschen
Khvthmus gewählt, der ein Distichon gab, das etwa Hexameterlänge hatte.
Ich ging auf dem Wege weiter, den P. v. Winterfeld mit seinem WaUharius
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140 Beilage: 2. Strophische Gliederung.
tylen bei Aischylos und Euripides und die in Sapphos zweitem
Buche mit Homer vergleichen oder mit den Hexametern, die
auch Sappho homerisch baut: dann wird er sehen, dafs die Zäsur
ein Kind der Rezitation ist. Andererseits sehe er die lesbischen
Mafse bei Horaz:
seu plures hieine», seit tribuü luppiter idtimam,
quae nunc oppositis debilitat pumicibus mare
Tyrrhenum; sapias, vina liques et spatio brevi
spem lonyam reseces. dum loquimur. fuyerit invida
aetas. carpe diem, quam minimum credula postero.
Oder gar
siccis omnia natu dura deus proposuit, neque
tnordaces aliter dijfugiunt sollicitudines.
Es sind wirklich ganz andere Verse geworden. Das macht das
Bestreben, die geglaubten Fugen der Versglieder durch Wortende
herauszuheben, damit das fremde Mafs dem Lateiner ins Ohr
falle, und daneben das schrankenlose Enjambement. Horaz war
doch ein Kenner; ich wenigstens traue ihm zu, dafs er die Poesie
der Lesbier nicht flacher empfunden hat als Theokrit; aber er
war ein Lateiner und in Rede und Theorie an die Herrschaft
der rhetorisierenden Manier gewöhnt, wie das ja schon die
Peripatetiker waren, auf deren Konstruktionen die ganze antike
Stillehre beruht, und vor allem: er sang seine Verse nicht, er
rezitierte sie. Da ist denn etwas herausgekommen, das, wem es
gefallen kann, jedenfalls den entgegengesetzten Effekt macht wie
die Originale. Diese soll man aber nicht nach Horaz modeln.
Theokrit also ahmte in der Weise nach, dafs er einfach von
dem ausging was er las, und den Eindruck anstrebte, den er
empfing. Die Verse, die ja ganz gleichartig wiederkehrten,
waren ihm stichisch gebaut; aber er empfand die Abgliederung
jedes einzelnen, oder doch dies als Regel, und er empfand die
Gruppierung in kleinen Komplexen. Wenn er nun Hexameter
mir gewiesen hat. Es ist ganz wider meine Absicht geschehen, wenn meine
Verse den Eindruck erweckt haben, als sähe ich den griechischen Hexameter
für ein Distichon an.
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Beilage: 2. Strophische Gliederung. 141
baute, bestimmt für seine Rezitation, so fiel die unmittelbare
Imitation und die unmittelbar lyrische Wirkung weg. Der Kyklop,
die beiden Lieder aus den Thalysia und der Aites sträuben
sich so vollkommen gegen jede Versgruppierung 1 ), dafs sie von
den meisten in Ruhe gelassen sind. Der Wettgesaug von Da-
moitas und Daphnis (6) verzichtet sogar auf die Gleichheit der
konkurrierenden Lieder, die von den Nachahmungen in 8 und 9,
allerdings bei sehr kleinen Komplexen, gewahrt ist. Aber jene
Kunstmittel der Lyrik konnte Theokrit ohne weiteres auch in
epischen Gedichten anwenden; und so hat er es getan. Seine
Helena ist zuerst ganz episch: mit Bedacht hebt sie an ev aox'
äoa Sadovai wie ouh äoa [iovvov irjv igldcov yivog, wie sein
Freund Nikias ihm geschrieben hatte, fjv äo' d/.r)ftkg vovto
OeoxQivt, wie Rhianos // äoa örj fid).a jzävveg äfiaQnvöoi jteAd-
fiea&a. Überall liegt darin u ihr kennt die Geschichte, den
Satz . . .". Das schafft hier rasch den Übergang zu dem Hyme-
näus, der durchaus alte Lyrik nachbildet. Aber diese Nachbildung
macht gar keinen Versuch, den Takt des lakonischen Reigens
wiederzugeben. Es ist vollkommene Begriffsverwirrung, hier
Strophen zu erwarten. Sieben Verse harmlose Verspottung des
Bräutigams, sechs Verse Gratulation an ihn: das ist gar nicht
als Parallele empfunden. Und doch sind vier Tristicha hinter-
einander gar nicht zu verkennen, 26—38, und 43—48 stehen
drei Disticha. Also die Gliederung ist ein Kunstmittel, das
dazu bestimmt und geeignet ist, an die musikalische Wirkung
des gesungenen Liedes zu erinnern ; aber sie ist kein Stück der
Tektonik dieser epischen Gedichte. Die Dioskuren geben sich
als einen epischen Hymnus. Wer wollte aber am Schlüsse die
zwei stark ins Ohr fallenden Tristicha verkennen, die durch den
gleichen Anfang vfxlv hervorgehoben sind? Der Ptolcmaios ist
') Auch das Lied der Sängerin iKitharodin) in den Adoniazusen gehört
dahin. Denn wenn man zuerst zufällig zwei Perikopen von G Versen ab-
gliedern kann, so geht das nachher ganz in die Brüche; nicht einmal die
Gewaltsamkeiten haben den letzten Teil in Strophen zerschneiden können.
Hier sind wir übrigens sicher, dafs ein solches Kultlied die Formen der da-
maligen Lyrik hatte', aller Wahrscheinlichkeit nach der Kitharodie: unter
allen Umständen war es ohne Responsion.
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Beilage: 2. Strophische Gliederung.
ein Gedicht ganz derselben Art: er beginnt mit sechs Disticha,
die ganz besonders kunstvoll abgesetzt sind 1 ).
Die Chariten haben am Anfange nnr zwei Disticha; aber
Absicht und Wirkung ist auch in ihnen unverkennbar. Danach
wird man erkennen, wie der Anfang des Hylas zu rezitieren ist
ovx äfifuv tbv "Eqwtcl debg zexev, d)g iöoxevfieg
Nixla öitivi tovto tiswv jioxa tixvov fyevto'
ovx äfifiiv td xaXä Jigdtotg xaÄä (palvstai slvai
ot frvatoi neköfieofta, tb <5' avgiov ovx ioogay^eg'
dkXd xai 'AfKpitQvowog ö xalxeoxdodiog viög,
og tbv Xlv vKSfiEivE tbv äyoiov, rjoavo jmuööq
via x^Qlevrog "YXa
Hinter jedem der drei Distichen mufs inne gehalten werden:
"der verliebte sich auch in einen Knaben"; damit ist der Ge-
danke des Einganges fertig; mit der Nennung des Hylas ist das
Thema der Erzählung gegeben, in die wir sofort eintreten, und
die dann in epischem Flusse abrollt 3 ).
In den Ergatinai (10) wollte Theokrit ein wirkliches Arbeits-
lied nachbilden, ein Volkslied, das der Vorarbeiter bei dem
schweren Geschäfte der Weizenernte sang. Das war ein Lied,
wie wir sie nun zu schätzen wissen, wenn wir auch keines der
Art aus dem Altertum erhalten haben. Auf eine simple Melodie
') Ganz unmöglich ist es, dies zu zerstören, indem man etwas aus dem
nächsten Verse herüberzieht, schon um des Stiles willen. Aber auch der
Sinn duldet keine Einschränkung von naqa (ju>q(« tlmiv olm »tot ibv «Qiaior
iriutjauv ßaatlfjtt. Die Disposition, die im folgenden regiert, ist ix nuiiqwv,
oio; uh> 'irjv Tlioktpaiot (13) öl« tfl RfQirixr) (34). ix narigtov x«t
to yivof fiiv, xai ooov fiiv xuta tö yivot.
2 ) Freilich Homerische Gleichmäßigkeit ist vermieden. Es steigert sich
das Pathos bis 24. Da macht der Rezitator eine Pause und setzt wieder
ganz schlicht erzählend ein. 52 ist wieder solch Haltpunkt, hier durch
Asyndeton und rekapitulierenden Neuanfang bezeichnet: den Schlufs vorher
gab ein gesuchtes Bild. 61 setzt mit einem gar nicht verzahnten Gleichnis
ein neuer Teil pathetisch ein; 66. 67 ziehen das Fazit, an den persönlichen
Eingang mahnend. 68—71, 71—75 kann man sogar Tetrasticha abteilen;
allein die Zahl ist unwesentlich, da kein Parallelismus der Gedanken vor-
handen ist.
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Beilage: 2. Strophische Gliederung.
143
werden eine Anzahl konventioneller Verse gesungen, die sich
als echte Poesie mit dem beschäftigen, was die Sänger gerade
tun. Die Verse brauchen mit nichten innerlich zusammenzu-
hängen: die Gelegenheit, bei der sie erklangen, gab den Zu-
sammenhang; ein begabter Sänger mochte auch improvisieren.
Dem Theokrit kam es in diesem Falle darauf an, das alte Lity-
erseslied wiederzugeben; er hatte es offenbar von lydischen
Schnittern gehört: denn da gehört Lityerses hin, der keinen
griechischen Namen führt; das Lied war natürlich längst grie-
chisch, nicht als Übersetzung, aber vielleicht mit Herübernahme
der lydischen Melodie. Diesem Volksliede, das des Individuellen
notwendig entbehren mufs, stellt er ein Liebeslied gegenüber,
wie es eben auch bei der Arbeit die begabten Kinder des Volkes
improvisierten. Mit grofser Feinheit hat der Dichter erreicht,
dafs der verliebte Bauernjunge possierlich wird; es ist seine erste
Liebe, und er hat ganz die Gefühle eines Primaners, aber er
kann Verse machen: die Kameraden mögen ihn auslachen, mit
gutem Rechte, aber er imponiert ihnen doch dabei'). Diese
Improvisation geht natürlich auch auf die gewöhnliche Melodie,
denn einen Ton erfindet nicht gleich einer. Der Dichter mufste
also auch für sie die Transposition in den epischen Vers ent-
sprechend vornehmen. Dazu hat er sich nun in beiden Fällen
der Disticha bedient und hat auch die beiden Lieder dadurch
zu vollkommenen Gegenstücken gemacht, dafs sie aus je sieben
') Der Rat, den ihm der ältere Kamerad am Schlüsse gibt, er sollte
seiner Mutter die Liebe gestehen, ist gut gemeint. Hoffentlich hat Bukaios
ihn befolgt: die wandernde syrische Musikantin ist seiner Mutter keine
präsentable Schwiegertochter gewesen. Es ist, als sollte eine Bauersfrau,
wenn sie auch nur ein Stückchen Land hat, so dafs der Sohn anderswo als
Tagelöhner auf Arbeit geht, eine böhmische Harfenistin anerkennen. Das
Gedicht ist ein rares Stück Leben. Ich habe es früher nicht verstanden:
da klebte ich an den formalen Kriterien. In der Tat haben die Verse einen
etwas anderen Klang und einen onorfoiiiZan' wie hier (höchst spafshaft) am
Schlüsse gibt es sonst bei Theokrit nicht. Und doch stimmt zu xat tvvav
ög&Qfvoioat gerade Philitas, Stob. 104, 12 uriat Ttioixnotr. Was hier anders
klingt, ist beabsichtigte Stilisierung; 5 und 1 klingen auch sehr verschieden.
An 8 kann man metrische und prosodische Gegensätze, an den Lenai
solche des Verhältnisses von l&s und Vers ermessen, die denselben Verfasser
ausschliefsen.
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Beilage: 2. Strophische Gliederung.
Disticha bestehen. Diese Form hat dann der Verfasser von 8
nachgeahmt; auch Moschos hat Fgm. 2 in Distichen gebaut;
aber dafs es die epische Nachahmung einer kleinen lyrischen
Strophe ist, wird nicht mehr unmittelbar fühlbar; es entspricht
der Abgliederung einzelner Teile von 13. 16. 17. 18.
Der Wettgesang zwischen Komatas und Lakon ist insofern
ähnlich, als er ganz aus Distichen besteht; sie improvisieren ja
auch; aber da immer Personenwechsel eintritt, und die Gegen-
reden vor dem Versduell häufig dieselbe Form haben, fällt
die Kunstform nicht so sehr ins Ohr. Daher hat der Dichter
von 8 je ein paar elegischer Disticha gewählt, die dann freilich
sehr stark an das Epigramm anklingen, also dem Gesänge noch
ferner stehen'); es ist das keine löbliche Neuerung, die denn
auch Vergil, obwohl er gerade dies Gedicht so bevorzugt, nicht
mitgemacht hat.
Ein weiterer Schritt ist im Komos geschehen. Da ist auch
ein Lied nachgebildet, und der Dichter kehrt den Gegensatz
hervor, indem er den Hirten, ehe er ihn vor die Grotte gehen
läfst, in der sein Schätzchen wohnt, einige Verse sprechen läfst;
es sind füuf. Die Zwischenzeit, den Gang zur Grotte, mufs eine
Pause des rezitierenden Künstlers markieren. Dann drei Disticha;
die unterscheiden wir leicht, denn der Hirt hält nach jedem
inne, in der Hoffnung, die Dirne würde irgendwie reagieren.
Man kann diese Worte noch nicht gesungen denken; aber den
Unterschied zwischen seinen Reden vor dem Gesänge und dem
Gesänge selber hat Theokrit überhaupt nicht genügend markiert,
aufser das eine Mal, das eben dadurch so deutlich ist, dafs es
den bis zum Ende fortgehenden Gang von Tristichen unterbricht,
so dafs die Modernen besonders viel geändert haben. Und doch
ist es ja sonnenklar, dafs 24 als Dissonanz wirken soll
äftoi eyc6, vi näfto), vi 6 dvooooq; oö% imaxovEig.
») An die alte Weise, dafs die Elegie, also auch die Theognideischen
Sprüche, zu konventionellen Flötenmelodien vorgetragen wurden, hat der
Dichter schwerlich gedacht, obwohl sich die Syrinx an sich zur Begleitung
eignete: es ist ja kein Unterschied zwischen den Sängern und den oryixmf,
wie ihn Theokrit im Thyrsis macht. Und hätte er daran gedacht, so wäre
die Mischung von Epik und Lyrik für antikes Empfinden stillos.
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Beilage: 2. Strophisch* Gliederung
14.S
Das soll man so rezitieren, dafs es als gesprochen zwischen den
Liedversen sich abhebt. Das Ganze also ist wieder die Nach-
ahmung eines Liedes, das seiner Natur nach in der Wieder-
holung von lauter kleinen Strophen bestand.
Die Pharmakeutriai sind zu Anfang ähnlich. Eine Weile
redet Simaitha, dann kommt die Zauberei; dazu setzt der Vers
ein, mit dem sie das Zauberrad in Bewegung setzt
/V/£, EÄxe zu vijvoi' Bfiöv novi dcbf.ia vöv dvÖQa.
Sie mufs das Rad immer wieder drehen; das gibt eine regel-
mäfsige rhythmische Bewegung, setzt also Strophen ab, Vier-
zeiler, wenn wir den Schaltvers abrechnen, der übrigens am
Anfange und am Ende der ganzen Reihe steht. Es ist von
keinem Gesänge die Rede, also von keiner wiederkehrenden
Melodie: der Vers, der an das Rädchen gerichtet ist, kehrt nur
regelmäfsig wieder und erweckt so den Eindruck, als hörten
wir das Rädchen selber dazu schnurren. Als die Magd fort ist,
sagt Simaitha "nun bin ich allein, ich kann meine Liebe be-
klagen. Mit dem Anfange will ich beginnen: lieber Mond,
künde mir, woher ist mir die Liebe gekommen". Das klingt
uns gar nicht wie ein leerer Schaltvers, es gibt die Stimmung
der Verlassenheit, in der sich der natürliche Mensch an das
Element wendet; aber es ist doch schon Schaltvers: sie hat an-
gefangen, ehe sie den Mond anruft; das ist geschehen, um diese
Anrufung zum Schaltverse zu machen. Und so geht es dann
weiter; die Anrufung hat gar nicht immer besondere Bedeutung,
ja sie steht sogar in der direkt eingeführten Rede des Delphis.
Erst als die Liebe da ist, als das verhängnisvolle Geständnis
der Liebesnacht beginnt, setzt der Vers aus, und nur ganz am
Schlüsse kehrt die Anrede an Selene wieder, nicht der Vers.
Hier ist die Sache also wesentlich anders geworden: der Dichter
gliedert als Vortragender seine Rede, nicht mehr die seiner
eingeführten Person; er ruft uns immer wieder durch den Vers
ins Gedächtnis, wo wir sind und wer da redet. Wer sich über-
legt, wie störend die lange direkte Rede des Delphis im Munde
des Mädchens sein würde, wenn der Vers uns nicht immer wieder
in die Situation zurückriefe, wird den Dichter loben; gewifs; aber
hier hat er wirklich um der Stimmung willen den Vers ein-
Phüolog. Untenuohung^a. XVIII. 10
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146
Beilage: 2. Strophische Gliederung.
geführt, und er hat im ersten Teile fünfzeilige. im zweiten sechs-
zeilige Strophen gebildet, t nicht als Nachahmung gesungener
Poesie, sondern um Effekte zu erzielen, die wir lyrisch nennen,
die aber mit der Leier und der Musik gar nichts zu tun haben.
Das rituelle h) Jtadjov, le jicudv und seine Umbildungen in der
Kunstlyrik (z. B. bei Philodamos), vfitjv vfiivai" fö u. dgl. mufs
man mit dem Refrain der romanischen und danach der germani-
schen volkstümlichen Lieder vergleichen: sie sind inhaltlose
Klänge, aber geben in ihrer konventionellen Geltung oder auch
nur durch die Wiederholung eine für das Lied wesentliche Stim-
mung. Die epische Konkurrenz mit der Lyrik strebt dasselbe
an: aber sie sieht sich genötigt, auch dieses Beiwerk in die
epische Form zu kleiden und das, was jene Interjektionen mittel-
bar durch Ideenassoziation andeuten, in Worten unmittelbar
und nachdrücklich auszusprechen.
Die Kunst in Bions Adonis habe ich früher erläutert. Da ist
gar keine Rede von einem wirklichen Refrain, geschweige von
Strophen; die wiederkehrenden Klagerufe sind auch nicht immer
ganz identisch. Sie geben die Grundstimmung und dienen daher
dazu, immer wieder zu ihr zurückzuleiten. So gliedern sie die
einzelnen Bilder passend ab, in welche der Dichter kunstvoll genug
die Geschichte, die er erzählt, zerlegt hat. Der Refrain hat also
hier eine Funktion, die seiner Verwendung in der Musik analog
ist, insofern er dem Rezitator seine Pausen markiert und das Band
für die sehr verschieden klingenden Stücke seines Vortrages liefert.
Bei Bion, daneben auch bei Theokrit, hat der Nachahmer
gelernt, der das Gedicht auf Bions Tod gemacht hat. Sein
Refrain ist im Grunde eine Selbstaufforderung zu der Totenklagc.
Er beginnt nicht mit ihm; er kann auch nicht mit ihm schliefsen:
das allein lehrt schon, dafs durchgehende Strophenbildung gar
nicht vorhanden sein kann. Der Überlieferung nach steht er
nach 7, 4, 5, 5, 10, 8, 4, 6, 6, 20, 12, !>, 4 Versen, dann folgen
noch 13. An allen Stellen pafst der Vers, insofern eine Pause
angemessen ist'); nur über die letzte Stelle wird ein Wort nötig
>) Ad keiner Stelle sonst ist eine Pause, wo er stehn könnte, aufser
nach 70: da hat ihn ein Apographon, oder vielmehr, da das schwerlich die
Vorlage der ältesten Drucke war, haben ihn mehrere Gelehrte de6 15. Jahr-
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Beilage. 2. Strophisch« Gliederung.
147
sein. Der Dichter hat eben gesagt, dafs Hion an Gift gestorben
wäre, und sich verwundert, dafs es in seinem süfscn Munde nicht
die Kraft verloren hätte
vlg öf ßgovog voooovvov dvdiwoog (hg xegdaat tot
rj öovvai y.akeovn vö (pdofjiaxov ; exgwysv (biddv 1 )'
äoxere mxekixai vm jiiv&eog, ao^fire fiolaat.
dkkä Aixa xi%e aavtag.
"Wer war so grausam dir das Gift zu mischen oder es dir zu
geben, als du ihn riefest?" Das erste Glied ist ohne weiteres
verständlich ; das zweite insinuiert, dafs ein Freund oder Haus-
genosse oder Sklave statt eines Trankes oder einer Speise, um
die Bion bat, das Gift reichte. Dafs hier eine Andeutung steckt,
die wir nicht ganz verstehen und verstehen sollen, ist nicht nur
angemessen, sondern notwendig, wenn man die folgenden Worte,
ohne sie zu vergewaltigen, hinnimmt wie sie sind. u Er ist dem
Gesänge entgangen .... aber die Gerechtigkeit hat noch jeden
erreicht." Zu deutsch: "Ich nenne den Täter nicht; aber er wird
seiner gerechten Strafe nicht entgehen 1 '. Das fügt sich alles
sehr gut zusammen: da wird dann der Schaltvers an der Stelle,
wo der Dichter etwas verschweigt und davon redet, dafs er es
verschweigen und nichts als klagen wolle, ganz besonders be-
rechtigt sein. Hat man denn aber auch nur die geringste Veran-
lassung, für den Schaltvers eine andere Verwendung anzunehmen,
als die Überlieferung bietet? Gewifs, er steht zweimal hinter-
einander nach 5, zweimal nach 6 Versen; aber ist der Bau etwa
auch nur da in dem Sinne respondierend wie in dem Schlüsse
der Dioskuren oder im Innern der Helene? Nun kommen die
Kritiker und bilden sich ein, es wäre etwas, wenn sie Zahlen
aufschreiben können, 7. 5. 5. 7. 14. 14 usw. Hört man das?
hunderts ergänzt. Aber auch das ist nicht richtig: Der Dichter hat 60
nüvia toi, m ßovia, ovyxiaöavt und 86 näon, B(ütv, ÖQ^iti ot xlvir, noXis
als zwei entsprechende Kapitelanfange gestaltet.
') Es sind ziemlich viele Schreibfehler gerade hier, toi ist sogar Kon-
jektur von Ahrens für os S, ijf der übrigen. xfQÜoai 101 Konjektur einer Ab-
schrift für xtnuonao oder Korruptelen daraus. Dann Variante laktoiti, und
txyvyu nur S, t] (ftytv die übrigen. Aber das kann alles nicht lange auf-
halten.
10*
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14*
B«ilap>: Strophische GlifldcnitiK.
Und wenn man's hört, was kommt dabei heraus? Wirkt es etwas?
Entspricht den gleichen Zahlenkomplexen ein Parallelismus des
Inhaltes, des Anfbaus? Wo haben sie überhaupt diese ver-
schieden langen Strophen her, bei denen die einmalige Wieder-
kehr das Wesentliche sein müfste? Aus den gesungenen Chor-
liedern des Dramas. Was soll das hier im Epos? Das Ganze
ist ein eiteles Luftgebilde gewesen, und leider hat es gleicher-
mafsen das Verständnis der Poesie geschädigt und das Ansehen
der Philologie heruntergebracht. Der ganze Nonsense der Re-
sponsion in der Elegie und dann gar im Dialoge der Tragödie
stammt ja am Ende aus dieser Wurzel. Das sind wir los; dafür
haben wir die innere Responsion der nicht respondierenden
Cantica wie sie Blafs und Schröder, und der Prosa, wie sie Blafs
betreibt.
Nun sind wir so weit, an das erste Gedicht heranzutreten,
das man leicht verkennen kann, wenn man die Art des Theokrit
noch nicht kennt. Der Gesangesvortrag, der ausdrücklich als
etwas besonders Gelungenes angekündigt ist, beginnt mit der
Erklärung "fangt an, Musen der Bukolik, Thyrsis aus Sizilien
singt 7 '. Das ist sozusagen Überschrift und Verfasser. Das Lied,
das Theokrit hier nachbildet, ist der sizilische Bukoliasmos
d. h. der Kuhreigen, daher handelt es von dem Erfinder dieser
Weise, Daphnis, und da Theokrit 7, 75 den Daphnis an den
Himeras versetzt (wie den Kyklopen um des Philoxenos willen
an den Anapos), so hat er auch hier nicht blofs an das volks-
tümliche Lied der Rinderhirten Anschlufs gesucht, sondern an
die alte Lyrik des Himeräers Stesichoros. Die Aufforderung
an die Musen tritt als Schaltvers an jeder Stelle ein, wo eine
Pause gemacht werden soll: wir werden uns bei den Rinderhirten
selbst nicht sowohl einen gesungenen Refrain an diesen Stellen
denken, als ein paar Töne auf der Syrinx geblasen: die Syiinx
hat ja Daphnis sich als das Instrument des Hirtengesanges ver-
fertigt und vermacht sie als sein Symbol dem Pan: sie mufs
also in Aktion getreten sein. Aber der epische Dichter hatte
sie für die Nachbildung nicht zur Verfügung: zu ihrem Ersätze
nimmt er einen Vers, der richtig rezitiert wirklich diese musi-
kalische Wirkung tut. Genau besehen kann die Aufforderung
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Beilage: 2. Strophische Gliederung.
149
"fangt an" nur am Anfange, nicht am Ende eines Abschnittes
stehen ; für den ersten mufs dann die Überschrift mitgerechnet
werden. Wenn man das Zeilenzahlen betreibt, ergeben sich
demnach für die Strophen, wenn's denn so heifsen soll, die Zahlen
7. 3. 3. 3. 5. 5. 5. Darunter ist eine Stelle, wo der Dichter
neckisch den Einschnitt mitten im Satze macht, 84: aber eine
solche Ausnahme bestätigt nur, dafs freie Kunst regiert, nicht
dafs der Schaltvers planlos dazwischenfährt. In Wahrheit ist
die letzte Pentade auch gar nicht vorhanden. Denn nach der
letzten Aufforderung "fangt an Musen" folgt in zwei Versen der
Schlnfs von Priaps Rede. Hinter der ist eine stärkere Pause
als je vorher. Aber da durfte der Vers nicht stehen, da fordern
wir wirkliche Pause: wir warten auf die Antwort des Daphnis.
Statt dessen sagt der Dichter "Daphnis antwortete nicht, sondern
er ging in Liebe und Leben bis zum Ende". Daran schliefst
sich als Einleitung des zweiten Teiles "Fangt von neuem an,
Musen", und diese Aufforderung bildet nun den Schaltvers. Es
ist gar nicht auszudenken, wie man zahlenmäfsig hier die
Strophen gliedern sollte. Es gibt eben keine. Doch wir wollen
die Zählung fortsetzen. Sie ergibt für den zweiten Teil die
Ziffern 5. 5. 4. 3. 3. b. 3. 5. Man kann schwerlich behaupten,
dafs es eine wirkliche Responsion wird, wenn man die eine Vier
vertreibt, und dafs irgend ein Ruhepunkt unangemessen wäre,
kann vollends nicht behauptet werden. Befremdet wird man
zuerst sein, dafs der Schaltvers in seiner letzten veränderten
Form schon 127 einsetzt "Pan. verlasse Arkadien und komme
nach Sizilien — h)ytTb ftolaat — komm, mein Herr, und emp-
fange meine Syrinx": aber dann mufs man sich's überlegen und
wird bald einsehen, dafs die Aufforderung zum Aufhören, also
der Beginn des letzten Teiles, da gemacht wird, wo der Erfinder
der bukolischen Lieder seine Sangestätigkeit aufgibt "hört auf
Musen; Pan, nimm du meine Syrinx".
Wenn das Ganze ein künstliches Rechenexempel, ein Gebäu
wäre wie ein musikalisches Kunstwerk oder auch ein rhythmisches,
so schickte es sich freilich, dafs wir die Teile und ihre Unter-
abteilungen in ein Zahlenverhältnis bringen könnten, so dafs die
Hauptlugen des Gebäudes sich deutlich erkennen liefsen. Aber
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1 50
Beilage: J Strophische Gliederung.
der Dichter hat ein episches Gedicht gemacht, das nur dem Buko-
liasmos entsprechend, den die Hirten mit Syrinxakkorden hie und
da unterbrachen, je nachdem es ihnen die Stimmung eingab, in
kleine Komplexe zerfällt, die ein Schaltvers statt der Musik ab-
gliedert. Es sind Komplexe von Ii oder 4 oder 5 Versen, die
manchmal in derselben Weise wirklich respondiercnd gebaut sind,
wie wir es in Ptolemaios und Helene und Hylas gefunden haben
(71. 72 : 74. 75), aber meist gar keinen Parallelismus anstreben.
So sind es denn in dem letzten Teile, wenn man Ajjyere als
Einleitungsvers nimmt, 4. 6. 5; als Abschlufs des Ganzen folgt
noch eiumal Xrjyeve: es geht wirklich nicht an, wenn man mit
Effekt rezitieren will, diesen Abschlufs des Ganzen als einen
Teil der letzten Strophe zu sprechen, damit die Responsion 6. 6
herauskommt: man hat ja auch lieber vorher gestrichen — doch
ich kann mir die Polemik gegen diese Vergewaltigungen wohl
erlassen. Gerade die Freiheit der Bewegung bewirkt den un-
gemeinen Reiz dieser Dichtung: der Effekt ist lyrisch, musika-
lisch, aber die Mittel sind diejenigen der Rezitation, der Epik.
Diese in die taktmäfsige Responsion der Musik zu zwingen ist
eine Verirrung des Verstandes; dieselbe Verirrung, die heut-
zutage den Prosarhythmus in schematische Responsion zwängen
will. Die moderne Poesie ist überreich an Gedichten, die dem
Inhalte nach erzählend sind, der Form nach lyrisch. Ihre Dichter
denken gar nicht an die musikalische Begleitung oder an den
Gesang; ob sich später ein Komponist findet, ist für den Wert
und den Bau der Gedichte ganz einerlei: sehen wir doch, dafs
strophische Gedichte im Widerspruche zu ihrer Form durch-
komponiert werden. Und doch erreichen die Dichter, Franzosen,
Engländer, Deutsche, Italiener, um die Literaturen zu nennen,
deren Kunst ich nachempfinden kann, die vollkommensten musi-
kalischen Effekte mit ihrem Worte und ihrem Verse. Das sind
die rechten Analogieen zu der hellenistischen Epik, wie sie uns
Theokrit und Bion und Kallimachos allein noch zeigen. Man
wird diese nicht richtig schätzen können, wenn man die Ana-
logieen nicht heranziehen kann: aber man soll sich auch klar-
machen, dafs die vergleichbaren Blüten aus ganz verschiedener
Wurzel stammen. Die Modernen bewegen sich in Formen der
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Beilage: 3. Zeitbestimmung der Gedichte Tbeokrits. 151
lyrischen Poesie, auch wenn sie nur erzählen; die Griechen gaben
die lyrischen Formen auf und beschränkten sich auf den alten epi-
schen Vers, weil sie eben nicht sangen, sondern rezitierten. Ver-
gleichbar ist immer noch am ehesten der französische Alexandriner.
3. Zeitbestimmung der Gedichte Theokrits.
Theokrit mufs in einer Umgebung verstorben sein, die das
Gedächtnis an seine Person ebensowenig erhielt wie sie seine
Werke sammelte. Das Gedicht äV.og ö Xlog gibt die Namen
der Eltern und aufserdem die Heimat Syrakus, die er selbst in der
Spindel und im Kvklopen bezeugt hatte. Weiter wissen wir
nichts. Der Name Simichidas, den sich Theokrit in den Thalysia
beilegt, hat jemandem den Anlafs gegeben, sich in koischen
Urkunden umzusehen, er hat da einen Iifiixiöag IleQixkiovg
'Ogxo/ih'iog aufgetrieben, der vermutlich bei der Gründung
von Kos eingewandert war (Schol. 7, 21); aber die Wahl des
Namens ist damit in Wahrheit nicht erklärt, und die Hypothese
der Verwandtschaft schwebt in der Luft. Da der Name nur in
dem einen Gedichte vorkommt, auf das die Syrinx durch ihren
Griphos zurückblickt, der allgemein verbreitete Sikelides für
Asklepiades nahe anklingt, Theokrit auch eine besondere Ver-
ehrung für diesen bekennt, so wird eher mit diesem ein Zu-
sammenhang obwalten; aber wir sind nicht imstande das zu
durchschauen: nicht einmal soviel ist gesichert, dafs Theokrit,
bevor er die Thalysia dichtete, oder auch nachher, Simichidas
genannt worden ist, zumal der Name mit der Hirtenmaske ver-
bunden ist.
Biographische Angaben haben wir sonst nur die eine in
einer der Hypotheseis der Thalysia enthaltene £mör)tir}oag 6
toeöxQtToc vfji Km y.afi' ov xqövov eig 'AXe^dvögeiav ngög
TlvoXe^alov ijioQEVBTo (pilog xaveovrj <I>Qaoiddf.i(oi xai 'Avvtykvet.
Da ist die Datierung der Bekanntschaft mit den vom Dichter
genannten Freunden ohne Zweifel Kombination; aber dafs Theokrit
über Kos zu Ptolemaios gegangen wäre, liefs sich ohne weiteres
nicht erschliefsen, oder doch nur so: Theokrit war einmal in
Kos, Theokrit war einmal in Ägypten: das ordnet sich also
passend in dieser Reihenfolge. Über die Zeit fehlt eine positive
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152 Beilage; 3. Zeitbestimmung der Gedichte Theokrits.
Angabe; über den weiteren Verbleib des Dichters, etwa in
Ägypten, auch. Herkunft und Gewicht der Angabe ist ganz un-
bestimmbar : es zeigt sich keineswegs Bekanntschaft der Scholien
mit der Landschaft oder den Familien von Kos: wir wissen
durch die Inschriften bereits mehr. Was über die Burina von
Kos beigebracht wird, ist gar entlehnt aus den Scholien des
Nikanor von Kos zu Philitas: das sagt das Scholion unzweideutig
faklvag- vdaaazo <V £v TCQoxorjiai fieXafmirQoio BoQivtjg. Ni-
xdvcog d' 6 Kmog vjtofivqfiaxl^ayv (prjoi' Botigiva jit)YV & tfi
vrjacot r)g vö jtQÖoionov ßoög otvi nagankrjatov. Wir wissen
von diesem Nikanor gar nichts; denn es ist Willkür, ihn mit
dem Homererklärer gleichen Namens aus Alexandreia zu identi-
fizieren; nur taugt er wenig, denn als Koer sollte er die Burina
nicht um der Etymologie willen mit einer Ochsenschnauze ver-
gleichen. Für Theokrit kommt er nicht in Betracht So sind wir
lediglich auf das angewiesen, was die Gedichte selbst ergeben.
Ich gehe von dem Notorischen und Unwidersprechlichen aus,
dafs Adoniazusen und Ptolcmaios verfafst sind, während Arsinoe
neben ihrem Bruder Königin war'). Das erste Gedicht zieht
eine Parallele zwischen dem Regimente des jungen und des alten
Königs; aber das kommt innerhalb dieser Grenzen kaum in Be-
tracht. Es gibt sehr anmutig den Eindruck der Weltstadt wieder;
selbst ein Syrakusier kam sich wie ein Provinziale vor, und nicht
ohne inneren Anlafs hat Theokrit Landsmänninnen gewählt.
Der Ptolemaios dagegen rückt nach der unteren Grenze. Der
König ist aixfiardg, er betätigt sich also überhaupt kriegerisch;
djiotifjLvetai <Poivixag und von anderen Grenzprovinzen des
Seleukidenreiches, während der ägyptische Bauer vor jeder In-
vasion sicher ist; aber Ptolemaios hat doch noch nötig, Gott um
Gedeihen zu bitten. Das ist alsc gesagt, als der Krieg gegen
Syrien, der 274 begonnen hat, guten Fortgang nahm, aber noch
im Gange war. Das Ganze ist so getränkt mit Anspielungen
auf ägyptisches Wesen') und die höfisch alexandrinischen Kulte,
») 276 (wenn so früh) - Juni 270. Vgl. Otto, Priester und Tempel
Ägyptens 147 ffg.
*) Ich habe früher gezeigt, Herrn. 25, 520. dafs Theokrit das Buch des
Hekataios von Teos über Ägypten benutzt hat; der Besucher des raerk-
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Beilage: 3. Zeitbestimmung der Gedichte Theokrits.
153
und so geeignet, gerade in Alexandreia Beifall zu finden, dafs
man es dort vorgetragen glauben wird, ganz wie die BsQevixa,
die dem Kulte der auch hier gefeierten Mutter des Königs galt.
Dafs für Kos Stimmung gemacht wird, zeugt für die Verbindung
des Dichters mit Kos und Umgebung, keineswegs filr Vortrag
dort. Der Dichter hat sich sein Thema frei gewählt; zumal an
TJTolefidia, die dem Soter gelten würden, ist nicht zu denken l ).
Zu dem Ptolemaios stehn die Chariten in naher Beziehung;
in welcher, darüber sollte eigentlich kein Zweifel sein ; Vahlen
hat es zudem bündig gesagt. Der Ptolemaios behandelt in seinem
letzten Abschnitte den Reichtum seines Helden; daran schliefst
sich, dafs er von diesem den richtigen Gebrauch zu machen
wisse. Das ist ein vöjtog der Epinikien Pindars und seiner Ge-
nossen, mit denen dieses Gedicht sonst keinen Zusammenhang
hat. "Tempel, Könige und Städte und Freunde bekommen Ge-
würdigen Landes informiert sich aus der besten modernen Darstellung. Spe-
zifisch Ägyptisches hat er nicht berücksichtigt. Die Disposition ist ganz
schulmäfsig rhetorisch ; man merkt, das hat er gemacht, weil er es sich vor-
genommen hatte, es ist nicht ans einer poetischen Stimmung erwachsen.
Daher macht der reizvolle Schmuck, mit dem das dürre Gerüst umkleidet
ist, den Eindruck der äufserlichen Verzierung ganz mit Hecht.
») Über die Abstammung Soters hören wir hier unbedingt dasjenige,
was nach der Einsetzung seines Kultes offiziell galt. Er sitzt im Olymp
neben Alezander; so erscheint er auch in dem Festzuge, den Kallizeinos be-
schreibt, und diese Gemeinschaft war das einzig Angemessene. *' Herakles
freut sich an seinen Nachkommen, denn sie gehen beide auf den berühmten
Herakleiden zurück und schließlich auf Herakles/' Also 'dMl;av<hn>i ^tKnnm-
AQyfädug und Tlioktfiutos .iäyov 'Eugdatos stammen beide von einem Hera-
kliden ab, dem Gründer des Reiches Makedonien, ich kann nicht sagen, ob
Karanos oder Archelaos; schwerlich gab es auch für Theokrit eine aus-
gebildete Genealogie. Aber erst in solcher Ferne liefen die Stammbäume
zusammen. Ganz lächerlich ist es, mit einer obskuren Schwindelgeschichte
zu operieren, die den Lagos als Vater des Ptolemaios zugunsten Philipps
eliminierte: dann wären die beiden neuen Götter ja Brüder. Sie sind nur
beide "aus königlich makedonischem Blute", also Herakliden. Alexandros,
der Sohn des Ammon, existiert hier ebensowenig wie die immer wieder heran-
geholte Abstammung der Ptolemäer von Dionysos, die Satyros darum erzählt,
weil sie eben von Pbilopator aufgebracht war; dabei wurden die Phylen und
Demen Alexandreias umgetauft. Hier allein haben wir die alte jrute An-
schauung, strtunm makedonisch.
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154 Beilage; 3. Zeitbestimmung der Gedichte Theokrits.
schenke, und jeder Dichter, der zu den Dionysien heranzieht.
Daher wird Ptolemaios auch von den Dichtern gepriesen. Und
Nachruhm ist das Beste, was ein Reicher sich verschaffen kann ;
den haben die Atriden, während die Beute von Ilion, so grofs
sie war, jetzt irgendwo in den Wolken verborgen ist, d. h. in
Rauch aufgegangen." Diese Mahnung bewegt sich auch in dem
Pindarischen Gedankenkreise; aber sie hat hier kaum etwas zu
suchen, da Ptolemaios bereits wegen seiner 'Milde' belobt ist.
Die Atriden schneien ganz seltsam herein, und der Dichter mufs
gewaltsam von ihnen auf sein Thema zurückspringen. In den
Chariten ist der Ausgangspunkt, dafs die Menschen für die Poesie
nichts mehr übrig haben; was Ptolemaios tut, wird hier ge-
fordert, insbesondere die Belohnung der Dichter. Wie diese
den Nachruhm geben, das erläutern erst die alten chorischen
Lyriker, dann Homer. Schliefslich bietet sich der Dichter selbst
an, erst im allgemeinen, dann dem Strategen Hieron von
Syrakus, der die Karthager in das Sardonische Meer treiben
soll. Was im Ptolemaios Beiwerk ist, ist hier Hauptsache; was
dort entbehrlich, ist hier notwendig. Es heifst die Sache per-
vertieren, wenn man annimmt, die Chariten bildeten aus was
dort embryonisch vorhanden ist. Denn dort ist gerade das un-
organisch, was hier wesentlich ist: das Exempel der Homerischen
Helden. Aufserdem aber: der Dichter der Charites rechnet mit
der geringen Chance, dafs es in seiner Heimat so weit gut gehn
könnte, ihm einen Unterschlupf zu gewähren, da es ihm sehr
schlecht geht. Von seiner Dankbarkeit und überhaupt seiner
Moral weifs ich nichts und lasse sie daher aus dem Spiele: aber
wenn er sich auf Erfolg in Alexandreia, im Zentrum des da-
maligen literarischen Lebens, berufen konnte, wenn er den Ptole-
maios wegen seiner Liberalität gepriesen hatte und dann diese
seiner Person und seinem Anliegen günstigen Momente ver-
schwiege, so wäre das eine unbegreifliche Torheit. Aber ich
gebe zu, dafs zehn, zwölf Jahre nach dem Aufenthalt in Alexan-
dreia so viel unbekannte Schicksale zwischengetreten sein konnten,
dafs Theokrit mit jenen Erfahrungen gar nicht mehr rechnete.
Nur liegen zwischen Ptolemaios und Adoniazusen und Charites
keine zehn, zwölf Jahre, denn sie berühren sich so*nahe, dafs
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Beilage: 3. Zeitbestimmung der Gedichte Theokrit«. 155
jeder, der Poesie individuell-psychologisch aufzufassen gelernt hat,
auf ziemlich die gleiche Entstehungszeit schliefsen mufs.
Ein jedes literarische Denkmal soll man aus sich selbst verstehn;
als Historiker brauchen wir es nicht selbst, sondern die Folge-
rungen, die sich aus ihm ergeben ; daher müssen wir immer auf der
Hut sein, das, was wir folgern möchten, hineinzutragen. Es ist
genau so unkritisch, ein Zeugnis zu verwerfen wie ein Scheinzeugnis
zu verwenden. Von der sizilischen Geschichte der Zeit wissen wir
so blutwenig, dafs verschiedene Anordnungen der Ereignisse sich
mit Wahrscheinlichkeit aufstellen lassen; es ist begreiflich, dafs
man das einzige zeitgenössische Zeugnis gern für sich verwerten
möchte. Gewifs mufs man das, aber auf Grund des individuellen
Verständnisses. Theokrit sagt aus, dafs sich die "Phoiniker im
äufsersten Westen" (die Karthager) "fürchten, da sich die syra-
kusischen Hopliten zum Kampfe anschicken und unter ihnen
Hieron wie ein Achilleus oder Aias mit flatterndem Helmbusch
sich rüstet": also als der vorkämpfende Held. Und er wünscht
den Erfolg, dafs die Karthager in das Sardonische Meer gejagt
werden, die Städte Siziliens ihre alten Bewohner erhalten, Hierons
Ruhm bis über die Maiotis und bis Babylon dringt. Das ist also
gesagt, als ein Krieg gegen Karthago bevorstand. Einen solchen
hat Hieron seit 263 mit den Römern zusammen geführt. Kann
dies da gedichtet sein? Damals war Syrakus als Bundesgenosse
Karthagos von Rom besiegt und in ein Bündnis getrieben, das
eine grofse Demütigung war. Der Barbar, der Bundesgenosse
der Mamertiner, Über die Hieron seine glänzendsten Siege er-
fochten hatte, stand im Lande, und von der Rückgabe der alten
Städte an die vertriebenen Bewohner, von den alten Idealen, die
man wohl noch erhoffen durfte, als man Pyrrhos rief, konnte im
Ernst keine Rede sein. Theokrit müfste also sehr übele
Journalistenphrasen gemacht haben. Damals war Hieron König:
bei Theokrit ist er bezeichnet als Feldherr der Syrakusicr, gewifs
mit einer Hervorhebung, die in ihm mehr als einen von vielen
Strategen sieht; aber fein zum mindesten ist diese Poesie, und
wenn unter den Heroen des Troischen Krieges gerade die hervor-
gehoben werden, deren Wert in ihrer persönlichen Leistung ruht,
nicht der König, der sich doch gerade so prächtig zu seiner Aristie
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156 Beilage: 3. Zeitbestimmung der Gedichte Theokrits.
bei Homer wappnet, so ist es nicht nur willkürlich, wenn man
den König Hieron zwischen den Zeilen liest, sondern es ist nur
zulässig, wenn Theokrit ungeschickt gedichtet hat. Der Hieron,
der sich durch glänzende Siege und staatskluge Mäfsigung in den
Rang von Antiochos und Ptolemaios erhoben hatte, war bereits
in Tanais und in Babylon ein bekannter Mann: es ist lächerlich,
so etwas einem Könige erst in Aussicht zu stellen. Unter dein
Kommando eines römischen Konsuls war der Ruhm der Schlacht
am Longanos nicht mehr zu überbieten. Wer das Gebet des
Dichters zu würdigen weifs, wird in dem Gedichte die Widmung
' ' 7 r an den kommenden Mann erblicken, nicht an den König, dessen
Souveränität nur noch precario besteht.
Hat es denn aber eine Zeit gegeben, auf die Theokrits Ge-
dicht so pafst, wie es sich selbst gibt? Trogus hat sein 23. Buch
mit einem Enkomion auf Hieron geschlossen (es stammt aus
Timaios, der sich so einen schönen Schlufs schaffen konnte).
Daraus gibt Justin post profectionem a Sicilia Pyrri magistratvs
Hiero creatur, cuins tanta moderatio fiiit, vi consentiente omnium
cicitatium favotr. duz adversus Karthaginienses primo, mox rex
crearetur. Als Stratege sämtlicher Staaten in einem Karthagi-
schen Kriege tritt er auf, nach Pyrrhos Abzug, 276/75. Das
stimmt genau. 275/74 ist Hieron nach Pausanias 6, 12, 2 zur
Herrschaft gelangt. Das stimmt auch genau. Wer das vor
Augen hat, mufs sagen, das Gedicht ist datiert. Dafs der ge-
hoffte Erfolg für Sizilien und für Theokrit ausgeblieben ist,
ändert daran nichts: der Dichter ist kein Prophet. Die Kar-
thager sind freilich nicht in das Sardonische Meer geworfen
worden, in dem sie ihre feste Position Sardinien und Lipara
hatten, so dafs es der Dichter statt des libyschen nennt. Hieron,
der sich nach Justin unter Pyrrhos ausgezeichnet hatte, mochte
bei dem Dichter dieselben Hoffnungen erwecken wie bei den
Städten, die sich als Rest des Bundes, den Pyrrhos geführt
hatte, diesen Strategen wählten. Was aus einem siegreichen
Feldherrn ward, wufste damals jeder. Aber geleistet hat Hieron
damals nicht was man von ihm erwartet hatte. Wir haben ab-
solut keine Überlieferung über diese Jahre; aber es ist klar und
wird auch allgemein anerkannt, dafs Friede geschlossen worden
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Beilage: :\. Zeitbestimmung der Gedicht« Theokrits.
K>7
ist und Karthago und Syrakus und was sonst noch nominell oder
faktisch frei war nebeneinander standen. Vermutlich war es
sehr verständig, dafs man sich vertrug; aber Hieron mutete eine
andere Gelegenheit abwarten, sich zum Herrn zu machen: ein
solcher Friede ist kein Sprungbrett auf einen Thron. Die Ge-
legenheit ist ihm 269/68 geworden, denn Polybios rechnet seine
Herrschaft zu ö4 Jahren, und er starb 214. Es kann keine
andere gewesen sein als die Erhebung der Söldner in Mergane,
von der Polybios I, 8 erzählt, die dort aber nur durch #odvot£
ov jvolkolg vor der Einschliefsung der Mainertiner in ihre Stadt
datiert ist; diese ist identisch mit der Schlacht am Longanos:
das lehrt die simple Interpretation der Stellen I 8, 2 und 9, 8.
Darauf folgt keineswegs unmittelbar (davon steht genau so wenig
da, wie die Schlacht am Longanos notwendig unmittelbar auf
den Fall von Rhegion folgt), aber es folgt darauf die Spaltung
der Mamertiner und die Intervention erst der Karthager, dann
der Römer: erst diese ist datiert, 264 63. Die Akklamation zum
König durch das Heer der Bundesgenossen (die hellenischen
Könige werden durch eine solche genau so ernannt wie die
römischen Imperatoren; so wichtig und so klar das ist, so oft
wird es verkannt) ist nach der Schlacht am Longanos erfolgt;
aber Polybios und Diodor haben das effektive Königtum schon
früher begonnen 1 ), noch früher Livius (Dio-Zonaras I p. 140,
Boiss., er enthält da eine Charakteristik ähnlich wie bei Justin;
also am letzten Ende liegt Timaios zugrunde), der ihn als
Bundesgenossen der Römer 271/70 einführt. Hieron hat seine
M Wenn Diodor den Hieron in der Schlacht am Longanos König nennt,
so mag er so flüchtig gewesen sein, wie man will: die Thronbesteigung mufs
er irgendwann erzählt haben und wahrhaftig nicht nachher; also vorher, also
anders als Polybios I 9 erzählt, aber in Einklang mit den 54 Jahren oder
gar so wie Pausanias rechnet. Am Schlüsse des Exzerptes aus Diodor steht
hinter der Heimkehr des siegreichen Hieron noch der Satz ot 6i Ka^x^övtot,
xal 'Kntuv tt7iü7ifniiQXOTtg tijg A/taoijvrjg ovvtjX^ur tts avAloyov x«i ovufiaytav
niföi «Uqlovg mur^attiuvot ovvt&tvio xotrtji noKeutjaai Mtaai)\/r)V. Das ist
keine andere Situation als die XXIlI 1, 2. Ii wieder erzählte vom Jahre 265.
Also hat Diodor am Schlüsse seines Buches vorgreifend den Fortgang der
Ereignisse zusammengefafst, die sich aus dem Siege am Longanos ergaben. ,
Sein Exzerptor hat nur den letzten Satz des Buches noch aufgenommen
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158 Beilage: 3 Zeitbestimmung der Gedichte Theokrits.
Königsjahrc nicht gezählt. Die Annahme des Diadems fiel später
als die effektive Macht. Die Historiker haben verschieden gerechnet;
Timaios, der nur seine Anfänge erlebt hat, rückt ihn unmittelbar
an Pyrrhos heran: seine Datierung hat bei Polybios keine Nach-
achtung gefunden, wohl aber in der Chronik, der Pausanias
folgt, und vorher, wie gewöhnlich, in der römischen Annalistik.
Die Schlacht am Longanos und die Besetzung Messenes durch
die Karthager können wir meines Erachtens nicht genau datieren ;
ich habe keine Veranlassung darauf einzugehen: die Data, die
zu Theokrit stimmen, werden damit nicht beseitigt, dafs man
sie als Torheiten verwirft, sondern Theokrit verlangt eine histo-
rische Situation, wie sie sie liefern 1 ). Seine Charites sind 275/74
gedichtet; danach also, ziemlich bald danach Adoniazusen und
Ptolemaios.
Als Theokrit die Chariten dichtete, hatte er noch wenig
Anklang gefunden; er suchte einen Gönner, und Hieron ist es
nicht geworden. Wo er sich befand, sagt er nicht 2 ), denn
äxXrjTog fikv fitvoifu xev, ig de xa/.£vvton> loifj,' äv kann er
ebensogut sagen, wenn er nur sein Haus verläfst, wie wenn er
erst eine Reise machen mufs. Er rechnet sich nur unter die
vielen Dichter, die Syrakus und Hieron preisen sollen. Aber
wir wissen doch, dafs er aus Syrakus war, und hier nimmt er
an den Schicksalen und Hoffnungen seiner Heimat aus so genauer
Kenntnis Anteil, dafs man ihn sich wirklich am besten, wie
') Beloch hat früher und nun in seiner Geschichte III 1, 575. 666 flg.
2, 226 ffg. sehr viel Vortreffliches gesagt; aber es fehlt nicht an Vergewalti-
gungen; am schlimmsten ist das Gedicht des Theokrit gefahren, das er in
den Punischen Krieg rückt. In Wahrheit wird seine Darstellung durch die
Einreihung der von ihm verworfenen Angaben nicht beeinträchtigt, sondern
bereichert.
3 ) Indiskutabel ist die Verirrung, ihn nach Orchomenos zu spedieren,
weil er 104 von den Chariten sagt, das wäre ihr Lieblingssitz. Dann müfste
er die Thalysia in Milet gedichtet haben, weil er die Eroten von dort zitiert,
1 15. Das ist mythographisch-historische Gelehrsamkeit, darum herangeholt,
weil die XaQUfs jetzt zuletzt grofse Göttinnen sein sollen; bisher waren sie
nur seine /«»m?, seine Gedichte. Ebenso unzulässig ist es, den Ztui/Jdus
rTtmxUovq 'Onxoufrios heranzuziehen. Wenn Theokrit wirklich mit Orcho-
menos persönlich etwas zu tun gehabt hätte, so würde er f/ua) to«/ gesagt
und die Sache erzählt haben. Denn so konnte es niemand merken
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Beilage: 3. Zeitbestimmung der Gedicht« Theokrits
159
Legrand tut. in Sizilien selbst oder doch im nächsten Umkreise ' u 5 -
(Ihurioi, das er kennt, würde auch passen) denken kann.
Also Theokrit war 274 als Anfänger im Westen, hoffte auf
den Erfolg des Hieron und auf Erfolg bei Hieron. Das hat sich
nicht erfüllt; so hat er es in Ägypten versucht, wo er demnach
kurz darauf gewesen ist. Indessen das schliefst eine Reise Über
Kos, wie sie das Scholion angibt, keinesweges aus.
In Sizilien hat er die Inschrift auf eine Statue des Epicharm
im Theater gemacht; das konnte er zu allen Zeiten, aber es ist
der einzige Beleg dafür, dafs seine Landsleute ihn verwendet
haben. Aus Sizilien hat er den Kyklopen an seinen Freund
Nikias geschickt, ein Gedicht, das in der Form manche Härten
hat ') und von der Eleganz nicht nur der Chariten, sondern auch
der übrigen Mimen stark absticht. Er rät dem verliebten Freunde
sich die Liebe durch Poesie zu vertreiben ; die Mahnung an den
Kyklopen, es gäbe noch andere gefälligere Schönen, ist auch auf
den Freund berechnet. Die Scholien haben noch den Eingang
der Antwort des Nikias erhalten, der ihn mit einem Euripides-
zitat abführt: "es ist schon recht, die Liebe macht zum Dichter,
aber das heifst nicht, dafs die Dichtung die Liebeskrankheit hebt,
sondern im Gegenteil, dafs sie das Talent erweckt". Wir haben
von Nikias ein paar Epigramme: daraus sehen wir, dafs er in
der Jugend ordentliche Verse gemacht hat, aber billigen, dafs er
dann im Leben den ernsthaften Beruf eines Arztes ergriff und
den Musen Valet sagte. Er sagte auch dem Liebeln Valet und
nahm sich eine brave Hausfrau. Wie man sich danach den brief-
lichen Verkehr zu denken hat. ist leicht zu durchschauen. Nikias
! ) Elision in der männlichen Zäsur, die sogar die einzige ist (was sie
oft ist), 7; mit der bukolischen öfter; nicht selten ist spondeisches Wortende
vor dem fünften Fufse, sogar eine Positionslange, 79. Hiat und Verlängerung
der SchluTs8iibe eines gar zweisilbigen Wortes in der Zäsur 4">. 46. Mono-
syllabon am Schlüsse 74. Fehlerhaft ist das alles nicht, kommt also vereinzelt
vor; aber hier häuft es sich. Auch der Ausdruck ist von der Präzision und
Eleganz der späteren Gedichte weit entfernt. Offenbar hörte Theokrit noch
nicht, dafs ein Vers wie 71 schlecht klingt, oqvZav, ta; ariaSy, (nii xr^ybtv
avuuuai, mit der Sinnespause hinter dem ersten Spondeus, Verkürzung eines
schweren Diphthonges (vielmehr schon Vokales) in der Zäsur, Wortende in
der vierten und fünften Hebung. Vgl. Nachträge.
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]£0 • Beilage: 3. Zeitbestimmung d*>r Gedieht« Theokrits.
klaut über Verliebtheit in eine spröde junge Dame. Theokrit
nimmt das nicht ernster, als sie manche Liaison miteinander
durchlebt haben mochten, und rät, sich nicht zu verbeifsen, wie
der Kyklop. Aber bei Nikias war es Ernst gewesen; die Ant-
wort lautete: ''Siehst du, lieber Freund, mir hat die Liebe
Dichterkraft gegeben, ich hab's erreicht"; die Verlobungskarte
mit Theugenis lag dabei. Da war es denn für Theokrit etwas
fatal, als er in das Haus der Theugenis kommen sollte, und er
nahm seine Dichtkunst zusammen, denn Geld hatte er nicht,
ein splendides Hochzeitsgeschenk mitzubringen; es war nicht
mehr als eine Spindel. Aber wofür war er Dichter, ein ganz
anderer Dichter als Freund Nikias? Er überreichte seine Spindel
mit einem artigen Gesänge, frei nach Sappho. Theugenis mufs
gebildet genug gewesen sein, das Äolisch zu verstehen, und so
hoffen wir, dafs sie auch die Huldigung des Jugendfreundes an-
nahm, den ihr Mann ihr ins Haus brachte, obwohl er nicht nur
etwas Boh6mien scheinen konnte und die geflissentliche Huldi-
gung gegen die Hausfrauentugend der Theugenis mit Vermeidung
aller persönlichen Komplimente etwa danach schmeckte, dafs
der Verfasser sich eine Ehefrau zwar wer weifs wie erfahren in
Nähen und Stricken vorstellte, aber auch sonst ganz als Gegen-
satz zu den hübschen und umgänglichen Damen, an deren Ver-
kehr er allein gewöhnt war. Das Verhältnis Theokrits zu Ni-
kias hat vorgehalten ; er hat ihm ein Epigramm für die Asklepios-
statue seines Sprechzimmers verfafst und später den Hylas an
ihn gerichtet. Er wird noch manches Mal in dem Haus am
Aphroditetempel vorgesprochen haben.
Die Spindel zeugt für eine Reise des Theokrit von Syrakus
nach Milet. Damit haben wir eine Station zwischen Syrakus und
Ägypten, und wenn er über Milet ging, also zunächst erst in
Asien eine Unterkunft hoffte, so bietet sich der Besuch von Kos
ganz von selbst, den die Scholien angeben. Einen absoluten
Anhalt für die Zeitbestimmung gibt uns Nikias nicht; dafs er als
Mitschüler des Erasistratos geführt ward, lehrt gar nichts. Denn
wir wissen nicht, wo Erasistratos gelernt hat, und Mitschüler
kann sowohl einer heifsen. der zu gleicher Zeit gelernt hat, wie
auch einer, der denselben Lehrer gehabt hat. Eins dagegen ist
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Beilage: 3. Zeitbestimmung der Gedichte Theokrits.
161
unverkennbar: Theokrit mufs irgendwo im Osten mit Nikias die
Freundschaft geschlossen haben, also früh aus seiner siziiischen
Heimat fortgezogen sein und seine eigentliche Bildung, also auch
die für seinen Dichterberuf entscheidenden Anregungen, im Osten
erhalten haben. Er hat dann versucht in der Heimat sein Glück
zu machen; das mifslang; er kehrte daher nach Asien zurück,
aber von dort trieb ihn die gerade damals im Zenit befindliche
Macht des Ptolemaios und der Glanz des dortigen Musenhofes
nach Alexandreia. Dort war er in den letzten siebziger Jahren,
aber einen festen Platz hat er auch dort nicht gefunden. Es
gibt Gedichte genug, die Nachklänge des ägyptischen Aufenthaltes
an sich tragen, aber keines weiter, das diesen Boden voraussetzt.
Die Liebe der Kyniska behandelt ein Sujet, das an die
gleichzeitige attische Komödie erinnert: ob der Anklang an
Sophron weiter geht als in einer Wendung 1 ), entzieht sich unserer
Kenntnis, aber das Gedicht gipfelt in der feinen und sehr indi-
viduellen Charakteristik des Philadelphos. So redet jemand, der
sich etwas darauf zugute tut, dafs er den König kennt und die
Chancen des Dienstes in seinem Heere übersieht. Wo das Ge-
dicht spielt, ist nicht gesagt, es ist auch gleichgültig; irgendwo
in einer griechischen Freistadt, wo allerhand Leute verkehren,
auch Ätoler und Thessaler, also aus den Gegenden, die besonders
viele Söldner stellen. An Sizilien ist nicht zu denken. Offenbar
verwertet Theokrit anderswo seine ägyptischen Erfahrungen.
Die Thalysia sollen nach den Scholien einen Besuch in Kos
auf der Durchreise nach Ägypten behandeln, der dann also aus
späterer Erinnerung dargestellt ist. Hier führt sich Theokrit
als einen Hirten ein und nennt sich Simichidas. Er ist bereits
ein angesehener Dichter, dessen Name "bis zu Zeus" gelangt
ist; das heifst, bis dorthin, von wo die Welt regiert wird, an
den Hof des allerhöchsten Herrn, eine unverkennbare Hindeutung
auf seinen Besuch in Alexandreia. Natürlich durfte das nur von
fern angedeutet werden, wenn der Besuch auf dem Landgut des
Phrasidamos vor die Reise nach Ägypten fiel. Neben Theokritos-
Simichidas kommt ein Ziegenhirt Lykidas vor, von dem aller-
l ) V. 53 nach Sophron 145.
Phllolog. Untersuchungen. XYIU.
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162 Beilage: 3. Zeitbestimmung der Gedichte Theokrits.
band Persönliches mit liebenswürdigem Spott angedeutet wird;
das ist also ein Name wie Simichidas, den wir nicht deuten
können; nur die Heimatsbezeichnung Kydonia mufs als real
gelten 1 ). Neben den wirklichen Namen koischer Personen, die
zum Teil leicht geändert sind 3 ), stehen also fingierte Namen,
die aber durchschaut werden sollen. Das Ganze ist gar nicht
vorstellbar, ohne dafs wir uns Theokrit in einem ziemlich weiten
Kreise koischer Bürger und in Kos lebender Literaten und Musi-
kanten lebend denken: das meiste gilt also nicht jener Ver-
gangenheit, die es schildert, sondern der Gegenwart, wie das
natürlich ist. Theokrit mufs nach seiner ägyptischen Reise in
Kos oder nächster Umgegend länger gelebt haben.
Das bestätigt sich. Den zweiten Kyklopen hat er an Aratos
von Kos gerichtet, den wir aus den Thalysia kennen, und zwar
später. Da in ihm Daphnis eine konventionelle Figur ist, mufs
das erste Gedicht früher fallen, das den Erfinder des Hirtenliedes
in unübertrefflicher Weise einführt, neben den Thalysia nach
dem Urteil des Artemidoros wie nach dem unseren Theokrits
Hauptgedicht. Und wirklich, das Gedicht spielt auf Kos; aber
der Held ist ein sizilischer Hirt Thyrsis, der also auf Kos lebt,
und von dem erzählt wird, er hätte einen Libyer Chromis besiegt.
Thyrsis ist kein Pseudonym für Theokrit wie Simichidas; der
Hirt, dem Theokrit den sizilischen Bukoliasmos in den Mund
legt, mufste wohl aus Sizilien stammen; aber dafs er, wie schon
die Nennung der Heimat zeigt, aufserhalb derselben lebt, ist
doch allein darum erfunden, weil Theokrit der Sizilier aufserhalb
lebte. Thyrsis vertritt den Theokrit gewissermafsen ; und dafs
der Hirt, den er im Gesänge besiegt hat, aus Libyen ist, mufs
eine Beziehung haben: libysche Hirten pflegen keine hellenischen
') Den Ziegenhirten Lykidas in seinem stinkenden Vliefs wie er ist als
real zu nehmen, ist so lächerlich, dafs ich kein Wort daran verliere. Meine
alte Deutung auf Dosiadas scheint mir auch jetzt nicht übel, denn ein
Dosiadas hat ein Scherzgedicht nach der Sjrinx des Theokrit gedichtet, und
ein Kreter Dosiadas ist Schriftsteller gewesen: Kreta hat deren nicht viele
aufzuweisen. Aber es liegt auf der Hand, dafs wir zu wenig wissen, um einen
zuverlässigen Schlafs zu ziehen.
2 ) "Aqiatu ist Kurzname für irgend einen '4qioio — .
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Beilage: 3. Zeitbestimmung der Gedichte Theokrits. 163
Lieder zu dichten. Das bezieht sich auf eine den Hörern ver-
ständliche Sache, die den Theokrit anging, ich denke nicht ent-
fernt an einen Sieg in einem Agon; die Konkurrenz gehört zur
Hirtenmaske; aber wohl, dafs Theokrits Überlegenheit einem
Dichter gegenüber hervorgetreten war (es brauchte nur im Urteile
des Publikums geschehen zu sein), den die libysche Heimat
bezeichnete 1 ): der Name Chromis hat nicht mehr Bedeutung als
der Name Thyrsis. Nun denkt bei dem Libyer in jener Zeit
jeder an Kallimachos von Kyrene; es dem zuvorzutun, was nicht
im mindesten einen Gegensatz der beiden Dichter in sich schliefst,
sondern ein Verhältnis wie es die Thalysia zwischen Simichidas
und Philitas und Asklepiades angeben, war damals bereits ein
Ruhm, und es konnte passend so bezeichnet werden. Aber ich
will nichts dagegen haben, wenn man sich dabei bescheidet, es
wäre ein Chromis aus Libyen genannt um zu sagen, Theokrit
hat in Libyen-Ägypten Erfolg gehabt; mich befriedigt diese Deu-
tung namentlich deshalb nicht, weil man gemeiniglich Ägypten
nicht zu Libyen rechnet. Auf jeden Fall beweist der Thyrsis,
dafs Theokrit nach der ägyptischen Reise in der dorischen Gegend
Asiens gelebt hat, die damals unter der Oberherrschaft Ägyptens
stand.
In eben dieser Gegend spielten die Pharmakeutriai ; das
zeigt der Myndier Delphis. Den Hörern war der Ort ganz genau
bezeichnet ; sie kannten die Palaistra des Timagetos (Namen der
Bildung sind auf Kos, noch viel mehr auf Rhodos beliebt). Die
Hörer kannten auch den Hain der Artemis vor der Stadt, zu
dem eine Prozession ging, in der sogar eine Löwin auftrat 2 ).
Ich glaube nicht, dafs das Kos war, denn da tritt Artemis ganz
zurück, die z. B. in Knidos einen namhaften Kult hatte. Aber
die Beziehung auf Kos steckt, wie ich vor Jahren bemerkt habe,
J ) Mir drtagt sich die Vermutung immer wieder auf, dafs Theokrit das
Lied auf Daphnis zuerst allein gedichtet und vorgetragen hatte, und dann,
stolz auf den Beifall, die Rahmenerzählung zufügte; ich könnte mir sogar
denken, dafs er als Lohn einen silbernen Becher erhalten hatte, den er nun
beschreibt, als Kompliment für den Geber, einen Flötenspieler.
2 ) Für den Kult der dianoiva 9t\q(Zv interessant; tnti ae Mona yvwtt&v
Zeus 9fxtv, sagt Hera in der Theomachie zu ihr.
11*
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164 Beilage: 3. Zeitbestimmung der Gedichte Theokrits.
in dem Läufer Philinos, denn Philinos von Kos hat im olympi-
schen Stadion nach der Liste des Africanus 264 und 260 gesiegt.
Dafs freilich der Sieg des Delphis über ihn früher fallen müfste,
ist eine verzweifelt naive Ansicht: hat es denn den Delphis ge-
geben? Hat der Greis aus Acharnai, der sich bei Aristophanes
rühmt, den Phayllos von Kroton eingeholt zu haben, das vor
den olympischen Siegen des Mannes getan? Die berühmte Person
wird herangezogen, weil sie berühmt ist; in Kos konnte das
Philinos schon vor seinem Hellenensiege sein, daher kann Theo-
krit das Gedicht auch früher, wenig früher, gemacht haben als
264: aber noch besser, als der Name in aller Munde war. Jeden-
falls bestätigt sich ein längerer Aufenthalt des Dichters in dem
dorischen Asien.
Er hat in Rhodos und in Teos Inschriften für öffentlich auf-
gestellte Statuen gemacht; das harmoniert aufs beste. Sein
Dichten war das Handwerk, das ihn nährte. Wohl möglich, dafs
wir Verse von ihm auf den Steinen seiner Zeit lesen, ohne es
je wissen zu können.
In den Thalysia will Lykidas zur Feier eines Erfolges sich
von zwei Flötenspielern etwas vorpfeifen lassen, einem aus
Acharnai, einem Avxconlras, und Tityros iyyv&ev 'von nebenan',
soll singen. Nach dem Demos bezeichnet man aufserhalb Athens
keinen Athener; Lykope in Ätolien ist zwar eine Ortschaft ge-
wesen 1 ), aber keine, die man als Heimatsbezeichnung brauchen
konnte, sonst würde sie auf den delphischen Steinen nicht fehlen.
Es ist auch zu erwarten, dafs der Hirt auf Kos sich ein paar
Hirten aus der Nähe einladet: man ist nicht gleich ein wandern-
der Virtuose, wenn man die Flöte spielt. Avxcoalvag, richtiger
l ) Das sagen die Scholien Theokrits 7, 72 und folgt aus dem Eponymos
Avxwjtoi, der Sohn des Agrios ist, Apollodor Bibl. 1, 62; der Ort wird also
im Gebiete der Agrianen gelegen haben, oder vielmehr, da die Ätoler lange
Zeit keine Städte hatten, es ist der Eponymos einer Unterabteilung der
Agrianen. Lykopos kommt als ätolischer Eigenname vor. Zweite Deutung
der Scholien ist ?y anb äfaov Avxtonog yiiQ J^o? anotxm\ unverständlich:
AhtoXüiv zu machen, verkehrt; dann wfire es keine neue Deutung und würde
Avxttinaq von Avxbinr\ nicht differentiiert sein. Dritte Deutung: l* Avxto-
7i(ovg %xa)v rr)v xlrjan; was ich auf den Lykopeus beziehe, der in dem Ge-
dichte selbst genannt war.
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Beilage: 3. Zeitbestimmung der Gedichte Theokrits. 165
AvxQ>Jieltag hat schon vor mir ein Scholiast auf den Namen
Avxcoaetig zurückgeführt, den der Vater von Theokrits Gast-
freunden führt; nach dem hiefs also griechischer Sitte gemäfs
ein Landgut 1 ). Acharnai wird also ebenso ein ursprünglich
karischer Ortsname sein, den Theokrit an einen attischen d. h.
literarisch bekannten angeähnelt hat, wie er aus den Alyi]Xldai
das Aigilon gemacht hat, dessen Feigen er im Thyrsis lobt und
Ilv^a zu <fr5|a, IleXrj (wie ich betonen möchte) zu UxsUa
gemacht hat (Paton, Inscr. of Kos, p. 213). Der Tityros, der
einen Satyrnamen führt, ist ein Sänger: es könnte ein beliebiger
leerer Name sein, und dabei müfsten wir uns beruhigen. Auch
das würde nichts ändern, dafs im Komos ein Hirt gleichen
Namens begegnet, denn Theokrit verwendet Personennamen oft,
ohne dafs Identität beabsichtigt sein müfste. Allein der Geifshirt
des Komos, der diese Standesbezeichnung statt Eigennamen
führt 2 ), redet am Anfang den Tityros kfilv vb xaXov jieyiXrm&e
an: so spricht man nicht zu einem Knechte oder einer beliebigen
Füllfigur. Die Stelle der Thalysia gewinnt beträchtlich, wenn
Tityros ein Neckname ist wie Lykidas, und dann erst ist der
Anfang des Komos gerechtfertigt. Man braucht es für einen
Menschen mit poetischem Gefühle nur zu sagen: Theokrit hat
so den Komos dem Genossen gewidmet, den er Tityros nannte,
oder der vielleicht in seinem Kreise so hiefs. Denn dazu dafs
sie sich zu Ziegenhirten umkostümierten, hat natürlich Theokrits
Poesie den Anlafs gegeben: es kam den eleganten Städtern
spafsigvor, die Naturburschen zu spielen; aber keine Spur führt
darauf, dafs es mehr als Spiel war. Insbesondere die Kult-
vereine, deren Genossen sich ßovxöXot nennen, haben hier nichts
zu suchen. Die Zeugnisse für sie fallen Jahrhunderte später und
durchaus in das nördliche Asien, wo der Untergrund thrakisch
war, und nach Thrakien. Selbstverständlich sind die antiken
Anknüpfungen der Bukolik an den Artemiskult ebenso nichtig:
*) Diese onomatologische Frage zu verfolgen wird sich sehr verlohnen.
Mir sind eben an der Mykale Tylwii« (iixga), Burg von Neupriene, die noch
den Kult des alten Besitzers TfjXuv pflegt, und 'EQaatatoaTios (nvQyos), später
als Grab des Arztes mifsdeutet, begegnet.
2 ) Nur so ist nQoanTvgai fit iov alnölov, 19, gut gesagt.
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166 Beilage: 3. Zeitbestimmung der Gedichte Theokrits.
dieser Kult existiert in Asien nicht, und wenn etwas davon in
Sizilien bestanden haben sollte, so weifs Theokrit nichts davon.
Das Schätzchen des Ziegenhirten im Komos heifst Amaryllis;
ebenso heifst ein Mädchen in den Hirten (4), in das mehrere
der eingeführten Personen verliebt waren, namentlich ein frecher
Geselle Battos, der den gutmütigen aber herzlich dämlichen
Korydon damit nasführt, dafs er höchst pathetisch um den Tod
der Amaryllis klagt. Seine Identifikation mit dem Hirten des
Komos ist durch den Charakter ausgeschlossen. Also gehört
Amaryllis zu den Namen, die Theokrit sich für seine Hirten er-
funden hat und mehrfach verwendet. Dies Gedicht spielt bei
Kroton, wir wissen nicht weshalb, und erwähnt einen Milon,
der den Namen von dem berühmten Sieger des sechsten Jahr-
hunderts erhalten hat und daher als Faustkämpfer nach Olympia
zieht: damit ist das Gedicht keineswegs in das sechste Jahr-
hundert versetzt, sondern nur das krotonische Lokalkolorit ge-
steigert. Theokrit scheut sich nicht, diese unteritalischen Hirten
Lieder der Glauke singen zu lassen, die unter Philadelphos in
Alexandreia Furore machte 1 ); sie war nicht nur Kitharodin,
sondern auch Dichterin. Er mag sie dort gehört haben; in
Sizilien hatte er schwerlich ihre Verse gelesen 2 ). Der Wett-
gesang zwischen Komatas und Lakon (5) spielt bei Thurioi; der
heroische Hirt der Legende Komatas, der dort zu Hause war,
hat dazu die Veranlassung gegeben; er wird auch in den Thalysia
erwähnt. Schon das rückt die Gedichte zusammen; aber es
kehren auch einige Verse aus 5 im Thyrsis wieder, wie sich ja
J ) Neben sie, die auch Hedylos erwähnt, tritt IIvqqos, eher der von
Saidas (ZoitaJtjs) erwähnte milesische Dichter von 'Itovtxd (Athenaus nennt
ihn UvQT}t\ als der Erythräer älterer Zeit, vermutlich Dithyrambiker, den die
Scholien aus Lynkeus anführen. Auch den wird man nicht in Sizilien ge-
sungen haben. ul\>(u) iav it Kgutma, fährt Korydon fort, u xaXa noktt a ie
Z«xvr»o(". Das singt er als Probe; das versteht man; was Zakynthos soll,
aber nicht. Es wird an ein Lied von Glauke oder Pyrrhos anklingen.
2 ) 22 wird eine Gegend aro^ttX^vov genannt. Die Form ist singulur;
man sagt otouk).(uv% schon Homer Z 4 (richtige Lesart), aber appellativisch
von der Skamandermündung. Das Wort ist ionisch gewesen, denn es kehrt
für die Rhonemündung wieder, Strab. IV 184. Aufserdem aber war es Orts-
name auf Kos, Strab. 657. Da wird ihn Theokrit doch wohl her haben.
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Beilage: 3. Zeitbestimmung der Gedichte Theokrits. 167
Theokrit zu wiederholen liebt, und wenn auch 5 das ältere zu
sein scheint, so liegt es doch am nächsten, die Entstehungszeit
von Gedichten, die Versteile gemein haben, nicht weit auseinander
zu rücken. Es kommen auch Kameen vor (88): das spezifisch
dorische Fest konnte in Thurioi nicht wohl gefeiert werden; in
der asiatischen Doris ist es selbstverständlich und auch für Kos
genügend bezeugt.
Das Lityerseslied der Ergatinai stammt aus Lydien ; in ihnen
ist der Name Milon aus dem vierten, obwohl kein krotonisches
Lokal da ist, einfach geborgt. Das gibt die relative Datierung ; also
alle die Hirtenmimen fallen in eine Zeit und an einen Ort. Es
sind ja wenig Gedichte, und wenn ein solches Spiel, wie Thalysia
und Komos zeigen, denen schon anderes vorausgehen mufste, in
guter Laune ein paar erzeugt hat, wenn's eine Weile gedauert
hat, so wird man es satt. Seinen Freunden war doch Theokrit
noch nicht der Bukoliker, und von den sentimentalen Tändeleien
der modernen Pastorale wufsten sie nicht nur nichts, sie wufsten
auch wenig von Sentimentalität ,
Als Theokrit das zweite Paidikon dichtete, hatte er an den
Schläfen weifse Haare und fühlte sich alt; aus einer Periode
verwandter Stimmungen stammen nicht nur die anderen Knaben-
gedichte, sondern auch der Hylas, der an Nikias gerichtet ist
Das deutet ziemlich direkt darauf, dafs Theokrit auch weiter in
Sehweite des Nikias von Milet blieb. Als er den Hylas dichtete,
hatte er die Argonautika des Apollonios gelesen; dessen Ten-
denzen, die aber keineswegs ihm allein eigentümlich waren,
widersprechen auch die Thalysia. Dieselbe theoretische Über-
zeugung bekennen die Dioskuren am Schlüsse und führen sie
praktisch durch: auch sie mit einem Seitenhieb auf Apollonios.
Das würde von chronologischer Wichtigkeit sein, wenn wir die
Entstehungszeit der Argonautika kennten; aber sie wird ja
wesentlich durch diese Berücksichtigung bestimmt. Es genügt,
dafs nichts dagegen angeführt werden kann, dafs Apollonios in
den sechziger Jahren, nach der Hekale des Kallimachos, sein
Werk ausgegeben hat. Gedichte wie Dioskuren, Helene, Hera-
kliskos, die des persönlichen Elementes entbehren, sind durch
ihre vollendete Form dem Thyrsis und der Thalysia ebenbürtig;
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168 Beilage: 3. Zeitbestimmung der Gedichte Theokrits.
wir werden sie als Dokumente der agonistischen Tätigkeit des
Dichters betrachten.
So ist denn aufser Zweifel, dafs er nach einer kurzen Gast-
rolle in Alexandreia während der letzten siebziger Jahre in und
um Kos gelebt hat. Nichts führt auf eine Tätigkeit über die
sechziger Jahre, ja nur an ihr Ende. Von einer Verbindung mit
Sizilien ist vollends keine Rede: ich schäme mich fast zu sagen,
dafs man gefälschte Ibisscholien nicht benutzen darf 1 ). So fallen
die Gedichte Theokrits in einen kurzen Zeitraum, 274—260 etwa;
es kann ja noch etwas weiter ausgedehnt werden, aber nicht viel.
Er wird dann eben gestorben sein. Wann er geboren ist, ahne
ich nicht: wer darf sagen, wie alt er war, als er den Kyklopen
dichtete? Dafs er sehr viel mehr produziert hätte, als Artemi-
doros fand, ist nicht sehr wahrscheinlich. Dafs er nach einer
Jugendperiode dichterischer Tätigkeit sich andere Lebensaufgaben
gestellt hätte, verbietet seine sehr kenntliche Art und das Ge-
ständnis des Alterns.
Es ist kein Unglück, dafs er nicht hoch zu Jahren ge-
kommen ist; was er zu sagen wufste, war gesagt Das war
nicht viel; aber es war ein reiner und frischer Ton. Nichts
kam aus der Tiefe des Herzens, und schwerlich hat er etwas
noch nicht Gesagtes gesagt. Es gibt unter den Griechen keinen
namhaften Dichter von so geringer Originalität in der Erfindung,
denn Aratos und Apollonios dürfen für uns nicht als wirkliche Dichter
*) Ovid sagt 549 nur, dafs ein Dichter ans Syrakus erdrosselt ward, nicht
einmal, ob von fremder oder eigner Hand. Die Scholien reden von einem
Theodorus oder Teditus, der sich im Wahnsinn das Leben genommen hätte,
weil er Iuppiter oder Diana gelästert hatte. Von Theokrit und Hieron er-
zählt erst eine noch jüngere Fabel: nichts steht in dem zuverlässigen Kodex
P. Also gesetzt, Ovid meinte den Theokrit, so wäre von einer Heimkehr
nach Syrakus doch nichts gesagt. Wenn die Scholien eine Tradition wieder«
geben, könnte es Theodoridas sein. Aber es ist aussichtslos zu raten: wir
können ja die Dichter von 523. 525 und so vieles andere nicht deuten.
Belochs Behauptung, dafs die Exempel aus der Diadochengeschichte bei Ovid
aus der Ibis des Kallimachos stammten, dessen Lebenszeit dadurch noch
i um Jahrzehnte verlängert wird, kann ich auch nicht ernst nehmen: er hat
wohl Y. 449 nicht gelesen, wo Ovid das Gedicht des Kallimachos einen
exujuua Ubellus nennt. Selbstverständlich ist auch die Ibis nicht siebzig Jahre
nach der Argonautika verfafst.
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Beilage: 3. Zeitbestimmung der Gedichte Theokrits. 169
gelten. Theokrit übernimmt eigentlich immer fremde Motive.
Gleich der Kyklop hat den des Philoxenos zur Voraussetzung;
die Chariten spinnen durchaus die Gedanken der chorischen
Epinikien aus, sowohl die notwendige Verbindung von Heldentaten
und Sängerlob, wie von Reichtum und Freigebigkeit. Beide Male
zitiert er sogar die Vorlagen. In Alexandreia geriet er, offenbar
weil er den Gegensatz zu der modernen Wunderwelt lebhaft
empfand, auf den glücklichen Einfall, seinen heimischen Sophron
episch nachzubilden; das hat er dann in Kyniska (wo auch die
zeitgenössische Komödie wirkt) und Pharmakeutriai weiter ge-
pflegt: der epische Mimus ist der glückliche Griff, der ihn be-
rühmt gemacht hat, und doch ist die Kunst auch in ihm nur
Umstilisierung. Sophron leitete ihn dann zu den Hirtenmimen;
das war wieder ein Treffer, und er hat das Thema mit Geschick
variiert. Die Abhängigkeit üönnen wir gerade hier leider gar
nicht kontrollieren, aber das eine ist klar: er holte noch etwas
anderes heran, das Volkslied, sowohl das lydische von Lityerses
wie den heimischen Bukoliasmos von Daphnis. Es wird wohl
auch in den Ritornellen des Komatas mancherlei aus dem Volks-
munde stammen. Daneben geht die Erneuerung der äolischen
Lyrik, die vielleicht am meisten in bare Imitation sinkt; ge-
lungener ist die Verwertung der Epithalamien von Sappho, Stesi-
choros, Alkman in der Helene. Der Herakliskos ist von Pindar
angeregt, Hylas und Amykos von Apollonios; hier allerdings
lieferte dieser nicht ein Vorbild, sondern er rief die Konkurrenz
hervor; der Polydeukes lehnt sich an die Kyprien. Wir sehen,
dafs Theokrit sich dessen ganz bewufst ist, dafs in der Behand-
lung seine Stärke liegt, in ihr will er ausgesprochenermafsen
originell sein, und er ist es: dafs er sich mit Kallimachos be-
rührt, geht nicht weiter, als die gleiche Zeit und geistige Rich-
tung bedingt; aber die Berührung ist vorhanden. Kallimachos
mufste ihn hochhalten und hat es getan. Er hat nicht nur das
Epigramm auf die jüngere Berenike mit bewufstem Anschlufs
an ein Wort aus Theokrits Ptolemaios gepriesen (vgl. S. 52):
das könnte einen anderen Grund haben als die Verehrung für
den damals verstorbenen Dichter; er hat den Kyklopen direkt
aufgenommen, als er das Liebesgedicht machte, d>g äyatiäv UoXv-
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170 Beilage: 3. Zeitbestimmung der Gedichte Theokrits.
(pafiog ävevQeto xäv knaoidäv t<hgafiivcoi * val yäv otfx äfiadifg
ö KvxAcoip: nicht ohne Absicht ist das Epigramm dorisch. Als
er es dichtete, war er ein armer Schlucker und litt unter der
(pO.oncug vöaog, von der seine Epigramme so zahlreiche Proben
geben. Wann war das? Wir haben keine Mittel eine genauere
Zeitbestimmung zu versuchen. Je vertrauter man mit der Kunst
dieser Zeit wird, in der die individuelle Freiheit der griechischen
Einzelperson allein sich mit der modernen vergleichen läfst, um
so schmerzlicher vermifst man, dafs wir über die Werke so wenig
und über die Menschen gar nichts erfahren; man mufs sich mit
den Philosophen beschäftigt haben, die neben den Dichtern und
Gelehrten stehen, und von denen wir wirklich etwas wissen.
Hier können wir nur sagen, die Möglichkeit ist vorhanden, dafs
Kallimachos und Theokrit sich in Alexandreia gekannt haben,
denn Kallimachos lebte dort (oder in dem Vorort Eleusis) und
war bereits ein namhafter Dichter von sehr ausgesprochener
Haltung und reizbar polemischem Naturell; Theokrit hatte noch
nichts aufzuweisen was in der Welt Eindruck machen konnte:
auf die Lebensjahre kommt ja nichts an. Theokrit verehrte den
Asklepiades, mit dem Kallimachos um den Wert des Antimachos
stritt; aber im Epigramm hatte er doch bei ihm gelernt. Theo-
krit hat solche Epigramme nicht gemacht; im Epos hat er sich
theoretisch zu Kallimachos gestellt. Er hat bei ihm gelernt,
einerlei ob sie sich persönlich kannten oder nicht. Und Kalli-
machos hat die Hekale so stark mit Theokritischer Kleinmalerei
ausgestattet, dafs wir auch da sagen müssen, er hat bei Theokrit
gelernt. Da wird denn die persönliche Berührung auch wahr-
scheinlich; die Huldigung für Theokrits Kyklopen ist das eine
Dokument, das andere liegt darin, dafs Theokrit den Zeushymnus
des Kallimachos berücksichtigt (vgl. S. 55), der aus den Jahren
zwischen der Thronbesteigung des Philadelphos und seiner Ehe
mit Arsinoe stammt. Wenn sie sich denn wirklich berührt haben,
so ist die Beziehung des Chromis von Libyen auf Kallimachos
noch weit glaublicher, obwohl wir die Pointe nicht mehr erfassen,
die dahintersteckt, und es wird bedeutsamer, dafs Theokrit
theoretisch und praktisch die künstlerische Überzeugung des
Kallimachos vertritt und gegen Apollonios Stellung nimmt.
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Beilage: 8. Zeitbestimmung der Gedichte Theokrits. 171
Wir haben über das Leben des Kallimachos gar keine An-
gabe, die irgend etwas lehrte. Es ist begreiflich, wenn Beloch,
der sich als Historiker den Philologen so überlegen dünkt, weil
ihm die Poesie fern liegt, zuerst an die Locke Berenikes gedacht
hat, die nebenher auch ein Dokument für die politische Historie
ist; nicht ganz so begreiflich, dafs er sie datiert ohne sie ge-
lesen zu haben, oder wenigstens nur bis V. 7. Denn er datiert
sie nach dem Leben des Konon: sie ist aber überhaupt unver-
ständlich, wenn sie nicht gleich nach der Heimkehr des Euergetes
aus dem Asiatischen Kriege verfafst ist, also bald nach der Mitte
der vierziger Jahre. Nun kann aber auch ein Historiker nicht
gut leugnen, dafs ein einzelnes Gedicht ebensogut das letzte wie
das erste "Werk seines Verfassers sein kann. Und ob Philologe
oder Historiker: das macht nichts dafür aus, dafs ein Schlufs
wie der Belochs eitel Wind ist: "Bei Atheniius (144 e) steht,
Kallimachos hatte ein elegisches huvlxiov auf einen Sosibios
verfafst, dem viele eine sonst Theophrast beigelegte Schrift an
Kassandroä zuschrieben: das glaube ich nicht, sondern dieser
Sosibios mufs der Minister Philopators sein: also lebte Kalli-
machos bis nach Euergetes." Konnte man dem Minister Sosibios
eine Schrift an Kassandros beilegen? Der betreffende Sosibios,
von dem Athenaeus redet, also ein Literat der Zeit um 300,
war dem gelehrten Publikum gar nicht weiter bekannt als durch
das Gedicht des Kallimachos, das auf einen Sieg ging, der, wenn
wir bedenken, dafs der Geehrte ein Literat war, vermutlich ein
literarischer war. Wir dürfen ihn natürlich mit dem Lytiker
und dem Lakonen durchaus nicht identifizieren: beide kommen
bei Athenaeus mit ihren Beinamen vor. Aber wer dem Kassan-
dros eine Schrift gewidmet haben konnte, dessen Sieg wird kaum
viele Dezennien später fallen als der Tod des Kassandros. In
Wahrheit haben wir keine Spur von irgendeiner Tätigkeit des
Kallimachos, die nach der Locke Berenikes fiele 1 ).
] ) Was Beloch anführt ist alles nichtig: was soll man zu einem Schlüsse
sagen, wie "der Zeushymnos erwähnt Arsinoe nicht, also ist er nach ihrem
Tode verfafst"? Der Kult des Philadelphos war ja erst nach diesem Tode
eingesetzt und ungemein populär. "Kallimachos nennt den Euhemeros ytqüiv,
also mufs der über 70 Jahre gewesen sein": wie alt ist Dikaiopolis, sind
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172
Beilage: 3. Zeitbestimmung der Gedichte Theokrits.
Dagegen fällt der Zeushymnus allerspätestens 278, in Wahr-
heit wohl etliche Jahre früher. Er ist nur verständlich als Tisch-
gebet für einen Kreis so stark grammatisch interessierter Leute,
dafs ihnen die neckische Gelehrsamkeit Spafs machte, weder für
den Hof noch für das grofse Publikum. Arats Proömium ist in
gleicher Weise zu verstehn; der Hymnus des Kleanthes auch,
ebenso der des Antagoras an Eros. Der Hymnus gilt dem Zeus;
die Huldigung an den König ist dabei genau so angemessen wie
die Bitte des armen Dichters um äyevoq. Ein Kreis lustiger
armer Literaten ist auch der Hintergrund für die feinsten Liebes-
epigramme. Doch ich kann hier diese köstlichsten Perlen
hellenistischer Poesie nicht erläutern: wir brauchen nur das
Datum 1 ).
überhaupt die y£oovrts der Alten Komödie? Die griechische Sprache hat
zwischen viarfat und ytytov keine Altersbezeichnung, und daher wird im
Altertum -wie heute beides sehr viel freigebiger verwandt. Natürlich gibt
der Iambus gegen Euhemeros gar kein Moment für die Chronologie ab. Ich
wollte, ich könnte die Beziehung verstehn, die in den Versen liegt (Pgm. 86)
"Auf in das Heiligtum vor dem Tore, da sitzt der alte Schwindler, der den
Zeus von Panchaia erfunden hat, und kritzelt infame Bücher". Wo safs er?
Wer ruft wen dazu auf, in jenes Heiligtum zu gehn? "Kallimachos hat sich
jünger als Arat genannt"; das hilft wieder gar nichts, denn von Arat kennen
wir nur seine Berufung nach Makedonien, und die Phainomena sind durch
den Hymnus des Kleanthes auch nicht datiert, den jener doch nicht erst als
Schulhaupt verfafst hat. Von den Mifsdeutungen der Hymnen auf Apollon
und Artemis kann ich schweigen, da sie gar nichts für die Chronologie ab-
werfen. Um die Schüler des Kallimachos, Hermippos, Istros, Philostephanos,
die Geschichte des Epigramms, dafs Aristophanes den Kallimachos nur als vios
hören konnte, u. a. hat sich Beloch nicht gekümmert. Eratosthenes hat in Athen
den Zftnon noch hören können; also ist das Suidasdatum, geboren Ol. 126
(272) zu niedrig. Aber die Angabe, dafs ihn Euergetes berief, braucht darum
nicht falsch zu sein: sein Buch Arsinoe (Athen. VII 276), also ein Dialog,
hiefs nach der Schwester und Gattin des Philopator: denn dieser ist der
Ptolemaios, der die Dionysosfeste gestiftet hat, von denen jenes Buch er-
zählte. Das Bruchstück wird aus dem Eingang sein, der die Szenerie des
Dialoges gab. Die Produktion des Eratosthenes reicht etwa bis dahin, wo
Beloch den Kallimachos die Ibis dichten läfst: schon das schiebt Kallimachos
ein Menschenalter hinauf.
l ) Das brillante Spottepigramm auf Diodoros Kronos (Fgm. 70) wird
sich freilich gegen den lebenden wenden, nicht gegen sein obskures Logik-
buch; aber ein Datum würde das nur ergeben, wenn Diodoros in Ägypten
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Beilage: 3. Zeitbestimmung der Gedichte Theokrits. 173
Das Pallasbad ist von Asklepiades oderPoseidippos (A.P. V.202),
also spätestens in den siebziger Jahren, parodiert worden, wahr-
scheinlicher von Asklepiades, der mit Kallimachos auch um die
Lyde des Antimachos Polemik gehabt hat. Den Hymnus auf
Demeter wird man dann unmöglich weiter herabrücken: die
Metrik ist keine verächtliche Instanz, und wer sich um sie ge-
kümmert hat, ist immer auf diese frühe Zeit gekommen. Der
Hymnus auf Delos kann nicht verfafst sein, als Ptolemaios die
Herrschaft über die Kykladen verloren hatte, vielmehr zieht er
die Parallele zwischen dem Keltensiege des Apollon und dem des
Ptolemaios, der wahrlich keine dauernd merkwürdige Sache war,
fällt also bald nach diesem um 266. Die Hekale ist vor Apol-
lonios' Argonautika verfafst. Also die Haupttätigkeit des Dichters
Kallimachos fällt in die Jahre 280 oder noch früher bis 260.
Das ist doch auch ganz begreiflich. Kallimachos hat sich, nach-
dem er in Hellas studiert und sich in Alexandreia etabliert hatte,
sehr kümmerlich durchschlagen müssen, bis er eine Anstellung
bei Philadelphos fand: das geschah, indem er die Bibliothek zu
katalogisieren erhielt: das ist überliefert, nicht mehr. Nirgend
mit Soter zusammengekommen wäre; aber da Stilpon mit zn der Gesellschaft
gehört, der den Ptolemaios 307 in Megara sah, ist das ausgeschlossen. Ware
die Anekdote wahr, dafs Diodoros an seiner Blamage starb, nicht ohne noch
rasch sein Buch geschrieben zu haben (Diog. Laert. II 111 = Plin. VII 180,
aus Hermippos), so konnte Kallimachos gar nicht den Lebenden angreifen.
Die Anekdote, die auch den Beinamen Kronos (fälschlich, da er geerbt war)
aus dem Urteil des Ptolemaios bei jener Gelegenheit ableitet, ist (von dem
unpassend angeflickten Tode abgesehen) gut erfunden, mit viel historischem
Hintergrund, also früh. Es ist niedlich, dafs nun die Sophisten so mit-
einander streiten wie einst Homer und Hesiod, noch früher Kalchas und
Mopsos. Ich erinnere daran, dafs Stilpon einen Dialog Ptolemaios verfafst
hat. Kallimachos aber braucht sein Gedicht gar nicht erst in Ägypten ge-
macht zu haben: er wird doch auch als athenischer Studeut Verse gemacht
haben, und Student sein heifst damals philosophieren. Beiläufig: iji'ufe xuv
*6(>axti rtyioiv eni xoTa ouirjniai xQtüCovatv. 0. Schneider hat ganz recht,
xov pafst nicht, xat ist erfordert, "selbst die Raben auf den Dächern schreien
jetzt die Logik des Kronos aus (denn logisch ist dies avvdmta&ut) n . Aber
das ist nicht die richtige Änderung, sondern xol. Das konnte sich nicht
halten, und doch ist um des Klanges willen notwendig, dafs die Aspiration
ausbleibt: Kallimachos hat also mit Bedacht die ionische Psilosis aufgenom-
men. Sie rangiert mit dem plattionischen xoia.
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Beilage: 4. HylaB und Aites.
steht, dafs er Bibliothekar geworden wäre. Das bestreite ich
heute, wie ich es zeitlebens bestritten habe. Das war dann aber
eine gelehrte Aufgabe von einem Umfange, wie nicht leicht ein
Mann des Altertums sie getragen hat. Da beginnt die riesige
gelehrte Tätigkeit des Kall imachos, bei der er eine ganze Reihe
Schaler gebildet hat. Er hat sich auch eine Frau genommen,
eine Tochter des Euphraios aus Syrakus: da wird er die Erotik
gezügelt haben. Auch sonst mochte die Poesie verstummen, ab-
gesehen von so besonderen Gelegenheiten, wie der Vertretung
der ägyptischen Ansprüche auf Kyrene, die der Kyrenäer durch
den Vortrag des Apollonhymnus in seiner Heimat besorgt, oder
der Huldigung an die kyrenäische Königin. Menschliche Dinge
soll man doch menschlich auffassen : bei einem grofsen Gelehrten
gehört das poetische Spiel der Jugend; die Berufsarbeit, das
Forschen und Schülerziehen mufs es in den Hintergrund drängen.
Es ist ganz wider seine richtige Beurteilung der politischen
Geschichte, dafs Beloch sich in der literarischen Chronologie so
arg versehen hat 1 ): auch in der Literatur beginnt der Nieder-
gang sich schon um die Mitte des dritten Jahrhunderts anzu-
kündigen. Die Blütezeit der hellenistischen Dichtung ist 300
bis 260.
4. Hylas und Aites.
Warum stebn diese beiden kleinen Gedichte, die der Ver-
herrlichung der Knabenliebe dienen, wenn auch an dem Rande,
so doch eben noch mit unter den bukolischen? Die Modernen,
die im Hylas nur ein Epyllion, also epische Erzählung finden,
würden es gewifs zum Herakliskos gestellt haben, manche viel-
leicht auch den Aites zu den äolischen Knabenliedern; aber das
sind eben Lieder und der Aites ist episch: da zwang den alten
Grammatiker die Form. Für uns kann die Anordnung ein
Fingerzeig für das richtige Verständnis sein. Wenn beide nai-
öixd waren, pafsten Aites und Hylas zusammen, und wenn die
Tonart zu den ßovxoXixd pafste, nicht zu der epischen Erzählung,
so war die Sache -entschieden.
l ) Ich verzichte auf eine Besprechung der übrigen Dichter; es ist sehr
viel Neues darin, aber Richtiges von Belang habe ich nicht gefunden.
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Beilage: 4. Hylas und Aites.
175
Der Hylas ist dem Nikias gewidmet wie der Kyklop; die
Widmung ist schon etwas. Und was hat Theokrit dem Freunde
zu sagen? "Ja, lieber Nikias, die Liebe ist nicht blofs für uns
kurzsichtige Sterbliche da; Herakles hat sich auch verliebt, in
den Hylas mit den schönen langen Haaren 1 ). Um den hat er
sich bemüht wie ein Vater, alles hat er dafür getan ihn zu
einem vollkommenen Manne zu erziehen. Er liefs ihn nicht von
seiner Seite und nahm ihn daher mit auf die Argo." Diese
Liebe hat nichts von Schmachten und Kosen, von sinnlicher Be-
gier und sinnlichem Genüsse an sich. Ich meine nicht, dafs
das ausgeschlossen wäre; es ist nur als selbstverständlich aber
nebensächlich beiseite gelassen. Dieser Eros entspricht der
Definition des Polemon tiecöv vnrjQeoia . sl% vecov impiXeiav.
Es ist das ywjo/a>g aatdegaotelv der Akademie, wie es jemand
auffafst, der die sokratische Bändigung der Sinnlichkeit ignoriert,
weil er sie nicht begreift. Aber die schönen Worte von dem
pädagogischen Werte der Knabenliebe greift er gern auf, weil
sie ihm passen, und so ist es von Bedeutung, dafs der Vater
des Eros als unbekannt bezeichnet wird; das war in den damals
berühmten Versen des Antagoras ausgesprochen, die eben aus
der Akademie Poleraons stammen. Eine solche Liebe ist an sich
unter keinen Umständen etwas Tadelnswertes, ganz im Gegenteil.
Als die Rede auf die Argo und ihren Zug gekommen ist,
beginnt der Dichter zu erzählen, nicht ohne "bukolische" Züge.
Die Jahreszeit wird bezeichnet "als die jungen Lämmer schon
auf die Weide getrieben wurden", die Gegend des Abenteuers
bezeichnet als das Land, "in dem die Binder der Kianer breite
Furchen ziehn", die Quelle, an der Hylas schöpfen will, wird
beschrieben, auch die Wiese, auf der die Argonauten Mittagsrast
halten. Aber geographische Belehrung fehlt durchaus; die
Nymphen erhalten klangvolle Namen, Mädchennamen wie bei
Hesiodos, aber die Quelle selbst bleibt unbenannt. Das alles
war der an die Argonautensage angeknüpften Perigese eigentlich
] ) 6 iav nloxaptöa (fOQiaiv; das steht als ein Kennzeichen des Hylas;
unmöglich ist es gleichwertig mit uv^ßov, weil der Ephebe die Haare kurz
tragt. Aber ich kenne die Beziehung nicht: Apollonios liefert sie nicht.
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176
Beilage: 4. Hylas und Aites.
die Hauptsache; man sieht es bei Apollonios. Ebensowenig ist
der Kult des Hylas angegeben, obwohl gesagt wird, dafs er ein
Gott geworden ist; das ist nicht mehr, als die Aufnahme in den
Kreis der Nymphen selber sagt 1 ). Nicht einmal die Herkunft des
Hylas erfahren wir. Also nicht was erzählt wird, sondern wie es
erzählt wird, ist dem Dichter die Hauptsache. Das Interesse
hängt an Herakles. Wie der unruhig um den Geliebten wird,
ihm nacheilt, ruft, eine täuschende Antwort bekommt und nun
den Kopf verliert, u 2xivhot ol g>tXiovvsg: er lief unbedacht in
die Irre. Die Argonauten bekamen recht, ihn einen Fahnen-
flüchtigen zu nennen, und mufsten ohne ihn abfahren. Hat
nichts geschadet, er ist schliefslich zu Fufse ebensogut wie sie
zum Ziele gekommen".
Das ist der Schlufs, bedeutungsvoll genug, um so mehr, als
Theokrit das erfindet: denn mit späten Romanen, die Herakles
bis Kolchis mitfahren lassen, soll man nicht rechnen; dem Heros,
i) Ich kann ea nicht lassen, das wandervolle Epigramm des Kallimachos
herzusetzen :
'Aaxaxtdt\v rby Kg^ra tbv alnblov fjQnaoe Nvfuf q
i£ dgios' xal vvv legöi "Aaraxt^ris.
oiixiit dixiairjtotv vnb igvoiv, ovxfxi /tätpviv
noiuivti all' altl ditpviv detoofit&a.
Ein Hirt ist im Diktäischen Gebirge verschwunden, ätfayijs iyivtto. Da er-
zählen sich die Hirten, was sie sich auch heute erzählen würden, eine
Nereide hat ihn geholt. Aber damals war die Nereide kein Teufel, und die
Entrücknng ins Feenland kostete nicht die ewige Seligkeit, sondern verlieh
sie. Die Hirten werden nun eine Ballade vom Raube des Astakides singen,
er wird ein fjoue alnokixös werden, wie es bisher Daphnis war. Was ist das
also? Eine Umbildung eines Grabgedichtes. Das Gedicht fürs Grab und
seinen Stein ist erst zum Gedicht auf den Tod geworden: dies ist eine
weitere Umbildung. "Sucht den verschollenen Kameraden nicht, weint nicht
um ihn. Er ist entrückt in seliges Heroentum. Huldigt ihm als einem
Heros." Natürlich hat Kallimachos keine realen Beziehungen zu kretischen
Geifsbuben, sondern literarische zu ihren Volksliedern von Daphnis und zu ihrem
Volksglauben; daraus nimmt er sich ein Motiv, wie Uhland von den Pro-
venzalen, Heredia von den Griechen. Und seine melodische Kunst trägt die
Schlichtheit und die ahnungsvollen Klänge des Volksliedes hinein. Aber
Eibbeck sagt "der pp. Astakides war nämlich ein Dichterkollege von Kalli-
machos, und zwar ein Bukoliker"! Und solchen geschmacklosen Unsinn
käuen sie dann wieder!
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Beilage: 4. Hylas und Aites.
177
der die ganze Welt besucht hat, traut der Dichter und sein
Publikum ohne weiteres zu, dafs er auch dorthin gelangt ist.
Also das Exempel lehrt, dafs die Liebe freilich den Herakles
unbesinnlich gemacht hat, wie uns andere Menschen, 01 tö atigiov
ovx tooQÜfiev, aber das hat seiner Heldenkraft und Tugend
keinen Abbruch getan: im Grunde hatte er die Vorwürfe nicht
verdient.
So stellt sich das Gedicht als eine Apologie der Knabenliebe
dar, ihrem Wesen nach und in ihren Wirkungen auf den Lieben-
den. Diese Apologie richtet Theokrit an Nikias. Damit rückt
das Gedicht vollends in die persönliche Sphäre. Es kann keine
leere Widmung sein; das liegt schon in dem (bg idoxev^Bg.
Danach waren sie geneigt gewesen, nur die unbedachten Menschen
den Anfällen der Leidenschaft ausgesetzt zu glauben. Und nun
stellt Theokrit das durch die Geschichte des Herakles richtig.
Die Geschichte war doch wohl ihm selber keine Neuigkeit und
dem Nikias auch nicht; es gab auch wahrhaftig Exempel heroi-
scher Verliebtheit genug. Es kann sich auch nicht etwa um
Erinnerungen an gemeinsame holde Jugendeseleien handeln: der
EQCog Jicudtxög, wie er hier geschildert wird, ist keine Leiden-
schaft der ersten Jugend und Theokrit hatte graue Haare, als
er seine jtaiöixd dichtete. Mit dem iÖoxBvfieg nimmt Theokrit
höflich die falsche Beurteilung der Liebe mit auf seine Kappe.
Nikias lebte glücklich verheiratet seiner Praxis in Milet. Theo-
krit war ein fahrender Poet und machte Knabenlieder. Ist es
verwunderlich, wenn Nikias meinte, er sollte das lassen, wenn
er ihm sagte (das Versemachen war ihm wohl vergangen) "lieber
Freund, Liebestollheiten treibt man nur, solange man an das
Morgen nicht denkt; darüber kommt ein bedachter Mann hinweg".
Und ist es nicht niedlich, wie Theokrit sich verantwortet?
Für seine Antwort konnte er manches Exempel wählen;
dafs er auf Hylas geriet, lag daran, dafs er gerade das Epos
des Apollonios gelesen hatte, das ihm nicht nur den Stoff bot,
sondern ihn auch reizte, es besser zu machen. Gewifs hat er
nicht sein Gedicht gemacht, um literarische Polemik zu treiben;
aber die Reproduktion wird zur Korrektur, und das Publikum
sollte diese empfinden. Knaack (Gotting. Gel. Anz. 1896 884)
Philolog. Untersuchungen. XV1IF. 12
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178
Beilage: 4. Hylas und Aites.
hat gezeigt, dafs V. 21 direkt auf Apollonios' erste Verse hin-
deutet; es sollte ohnehin kein Mensch zweifeln, der das Gleichnis
vom Löwen liest, da sich Apollonios mit seinen Gleichnissen
(1241. 1265) so arg verhauen hatte. Nicht absichtlich, sondern
in unwillkürlichem Anschlüsse an Apollonios ist Telamon der
Zeltgenosse des Herakles geworden; bei Theokrit war jeder Name
gleich gut; dieser bot sich als ein allgemein bekannter (statt
des Lokalheros Polyphemos), weil er bei Apollonios, und sicher
aus eigener Erfindung, die Partei des Herakles nimmt (I 1289).
Weil hier die direkte Beziehung auf Apollonios nachgewiesen
ist, auch für solche, die nur durch buchstäbli he Anklänge zu
überzeugen sind, und weil Theokrit sich in ten Thalysia und
in den Dioskuren scharf gegen die Konkurrenz mit dem Homeri-
schen Epos wendet, also seine künstlerischen Überzeugungen
in Wort und Tat zu erkennen gibt, ist auch in den Dioskuren
das Amykosabenteuer als eine bewufste Parallele zu Apollonios
notwendig aufzufassen, und sind die weiteren chronologischen
und literargeschichtlichen Schlüsse zwingend.
Die Gliederung des Gedichtes ist unverkennbar. Mit 25
fängt die Erzählung an. Wir müssen erwarten, dafs die Wirkung
des Eros auf Herakles berichtet wird, und auch etwas von der
Fahrt, die so ausführlich eingeleitet war. Von Herakles heifst
es im letzten Verse ae£äi 6' eg KöXxovg re xai ä^evov Ixsto
<Päaiv. Dem entspricht, wie die Verteilung des Stoffes zeigt,
beabsichtigt und bestimmt bei der Lektüre scharf hervorgehoben
zu werden, von der Argo
äXXä öie£di£ev (dr/' ov rote zoiQddeg eatav)
aletög fog fieya Xalvfia, ßafruv ö' slotÖQape <Päoiv.
u Die Argo hat die Symplegaden nicht berührt, sondern ist ge-
fahren (und daher blieben die Felsen damals stehen) durch das
weite Meer wie ein Adler und im Phasis eingelaufen." Die
parenthetische Erwähnung des Wunders würden wir gern preis-
geben; aber diese kleinen Gelehrsamkeiten erlaubt sich jeder
Alexandriner; das Miöeavlöog 7)Q(olvr)g unmittelbar vorher ist
nicht notwendiger. Wir mögen tadeln, dafs man öisZ-di^ev zuerst
auf die Symplegaden bezieht, weil die Parenthese das Objekt
fiiya Xalv^xa abtrennt. Dennoch ist die Umstellung der Ilemi-
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Beilage: 4. Hylas und Aites.
179
stichia d<p' ov und ßativv ö 1 unabweisbar, die Jacobs gefunden
hat. Denn als die Argo durch die Symplegaden hindurch war,
lief sie eben nicht in den Phasis, sondern in den Pontus. Sie
schiefst wie ein Adler nicht blofs auf der Passage gerade zwischen
den Klippen durch, sondern so geht's auf ihrer ganzen Fahrt 1 ).
Der Aites wird überhaupt nicht verstanden, wenn man ihn
ohne Humor liest. Ohne die Selbstironie wäre das Gedicht eine
unausstehliche Plattheit, und wer von "Grundgedanken" und
"zarter Ausführung" redet, der täte besser die Hand von Poesie
zu lassen. Wir können freilich einen Hauptreiz, mit dem Theokrit
rechnete, nicht mehr empfinden, die Reminiszenzen an die alte
Lyrik, die hier ebenso zugrunde liegt wie in den ncuöixd, wie
Sophron in den Mimen und eigentlich überall etwas älteres
Literarisches. Hier hat dieser Anschlufs ein wenig von Parodie.
Ganz und gar unklar ist mir wenigstens noch immer, wo die
Vorbilder liegen, die zu dem ionischen Dialekte geführt haben;
man denkt leicht an Anakreon, den Sänger des Smerdies und
Bathyllos. Der Eingang selbst stammt aber aus Sappho; das
hat eine schöne Entdeckung von Bidez gelehrt, der im Anschlufs
an Reiske in Julians 60. Briefe sapphische Verse erkannt hat,
die dem Versmafse nach in ihr zweites Buch gehörten. Ich
kann sie nun ganz herstellen
äv 6' etpkv^ag ifiav (pQkva xaiofikvav JttJ#G)t s ).
Herübergenommen ist nur ein äufserliches Motiv des Einganges,
1 ) Die Landungsabenteuer kümmern den Dichter alle nicht; er hat auch
die ganze Geschichte von Lemnoa (und die von Kyzikos) ignoriert, nicht aus
Gelehrsamkeit, weil etwa Pindar den Besuch von Lemnos auf den Bückweg
verlegt hatte, sondern aus dem echt künstlerischen Streben nach Isolierung
der Geschichte, die er behandelt.
2 ) Überliefert rlftts xat Inotyaas {i\l&is y«Q xal unoiv olt yQnq-Hs)
iyu) ä£ fff jutt (ofiav, av tT ((fvkal-ag etc. Das hat Bidez richtig abgeteilt
und sonst verbessert; nur Z(flv(as schien mir gegeben, statt Ziflefac, und
gern restituierte ich das seltene Verbum, vgl. Isyll 120; das Herz brannte
vor Sehnsucht: jetzt kommt die Geliebte, da schlägt die Flamme empor,
oder auch, es ist wie ein siedendes Wasser, das plötzlich überkocht, xal«
(wem's Spafs macht, schreibe xdlla) tnoirjattg entspricht spaterem xal&s
TlOtOUO«.
12*
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IM)
Beilage. 4. llxlas uud Aite$.
denn die Stimmung ist weit entfernt von dem unmittelbaren
Ausbruch der Leidenschaft. Die Überschwenglichkeit der Freude
Theokrits kontrastiert nicht ohue Absicht mit der Kürze der
Trennung, und sie spricht sich in einer Fülle von Vergleichungeu
aus, die ganz ernst zu nehmen mehr als naiv wäre. "Wie der
Lenz süfser ist als der Winter und der Apfel (ykvxv/iakw sagt
Sappho) als die Holzbirne; wie das Mutterschaf wolliger ist als
das Lamm und ein frisches Mädchen annehmbarer als eine dreimal
verwitwete Frau, wie das Reh flinker ist als das Kalb und die
Nachtigall der allermclodischste Vogel." Hatte Artemidor nicht
recht, das zu den Bukolika zu stellen? Ist es nicht aus dem-
selben Geiste geboren, aus dem der Hirt des Komos sagt oaoi'
aiye$ t t uiv yiP.at öooov äjiiaßijg, und aus dem Bukaios seine
Bombyka feiert? Das waren Hirten und Bukaios eine unfrei-
willig komische Figur: wenn Theokrit aus eigener Person solche
Töne anschlägt, spielt .er doch wohl ein bifschen Bukaios.
Auf die Wonne des Wiedersehens folgt der Wuusch, das
Liebesverhältnis möchte so exemplarisch werden, dafs sie in alle
Ewigkeit als ein Typus von siowijtos und dittjg gefeiert würden.
Die verschollenen Vokabeln sind gelehrte Reminiszenz aus der
damals beginnenden Glossographie l ); inhaltlich kehrt der Wunsch
im ersten aaiöc/.öv wieder, wo die Form ist, sie wollten 'AydJMoi
fpiXoi werden. Aber hier wird der Ruhm ins Überschwengliche
gesteigert. Womit wieder die nächste Gcdankenrcihe seltsam
kontrastiert. "Das werde wie es werden soll J ), ich will mir
') 12, 13 i> fih' tiom>r)io;, / ' töuL-xXuiu^iür, ioj» J' 'iitnov nukiv
ü'i xti> ö ÖtoouXöi tiuoi t<äfjv. Aus tlen Scholien und unserer sonstigen
Kenntnis wissen wir sehr wohl, dafs uiua lakonisch war; den thessalischeii
Brauch lernen wir nur hier kennen. Schon darum kann die Überlieferung
nicht richtig sein, und xtr lüfst sich auch nur mühsam entschuldigen. Das
war offenbar xa( y eine jener Äuderuiigen, die eigentlich keine sind. Aus den
Glossen etwa des Philitas oder Simias hat Theokrit gelernt, dafs dies Wort
aufser in Sparta, wo es ihm Alkman gezeigt haben mochte, auch in Thessalien
gebraucht worden war.
2 ) tovtujv ph' vnfyTHwt avQurtmn toiorö' tü&ovatv enthält eine
uugeheilte Verderbnis, denn intytfoos kann nichts anderes sein als ein tum
Nomen gemachtes vntQ; es ist superi oder su/wriores im Sinne von x(>tinorti.
Etwas anderes heifst es nie und kann es nicht heifsen; und hiefso es xvotoi,
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Beilage: 4. Hylas und Aites.
18J
keine Lügepickcl auf meiner dünnen Nase verdienen 1 ): es ist
die lautere Wahrheit wenn ich dich preise, denn du sorgst dafür,
dafs man sich gut steht, selbst wenn du erst etwas bissig gewesen
bist." Vorläufig ist es also mit der exemplarischen Freundschaft
noch nichts, und die dreitägige Abwesenheit ist natürlich keine
Reise gewesen, sondern ein dreitägiges SchmolLen. In der über-
schwenglich zur Schau getragenen Zuversicht liegt also vielmehr
ein Wunsch, nicht für das Leben nach dem Tode, sondern für
das Liebesverhältnis. Hoffentlich hat er keine Lügepickel be-
kommen; kamen sie doch, waren sie schwerlich die ersten.
Nun geht es von einer ganz anderen Seite los. Aus irgend-
einem historisch-antiquarischen Winkel hat Theokrit aufgelesen,
es hätten in Megara zu Ehren des Diokles von Athen Schönheits-
wettkämpfe für Knaben bestanden, die mit Küssen konkurrierten.
So etwas konnte den dezenten Menschen der hellenistischen Zeit
nur eine pikante Reminiszenz aus einem naiven Mittelalter sein.
Theokrit ist auf die Lesefrucht nicht minder stolz als auf die
Glossen vorher; aber wenn er durchblicken läfst, "bei solcher
Kufskonkurrenz in der Jury sitzen, das müfste nicht übel sein",
so sieht man ihn so lüstern und schalkhaft schmunzeln, dafs
alle Sentimentalität vertrieben ist. "Da mufs der Preisrichter
ja zum yaQQjtoQ 1 ) Ganymedes beten, einen Mund zu haben wie
so pafste nicht toovrat: dann würde es heifsen eaaeuu Idüovow (Meineke).
Der andere Weg ist, v7ifgT(Qoi als superi zu nehmen, ansprechend erstens
wegen Homer E 898 htQKQoq oiQavtwvcov, zweitens weil die Szene eben
bei den rtyrtooi war. Dann steckt in eooovuu ein Verbum, das den Genetiv
regiert, intiuX^covriu; das ist zu suchen, denn tfjjtfovr«* oder {trjoovot
(Piccolos) fordert noch eine Präposition, also Zerstörung von vntQTtQoi in
V7l€Q 9to(.
>) Die Lügepickel erklärt der Scholiast, und es ist gar kein Grund zu
bezweifeln, dafs es einen öo&tjv Lügner tfjevatrjg gegeben hätte. Vollends
die Nase Theokrits — wenn er sagt, sie war «pea«, weifs es jemand besser?
Die Glosse hat er von den ('coaial ylwaaat der Wölfe, ZT 161, genommen, im
Sinne von temos, wie dort die Scholien haben, und eine ltntr\ $(s hat
Aristoteles Physiognom. I 66 Förster.
a ) Ganymedes ist /«po/io? ; das ist der Blick des Löwen und des Helden.
Asklepiades Anth. Pal. 5, 151 schildert, wie das nodota ßfßaf/^iov qöv
nQoaionov eines Mädchens, ein l 'süfses Gesichtchen, das nicht die Schminke,
sondern die Sehnsucht gefärbt hatte", abwelkt, weil es zu oft am Fenster
182
Beilage: 5. Üioskuren.
ein Prüfstein, XQ V ™ V d^oity nEv&ovrai f.iij (pavkog ivrjtvfiov
äQYVQafioißoL" Diese Lesart von K, neben der pij (pavlov gar
nicht in Betracht kommen kann, hat seltsame Schicksale gehabt.
Die Kritiker haben sich daran gestofsen, dafs die Geldwechsler
etwas sehr Überflüssiges tun, wenn sie echtes Gold daraufhin
prüfen, ob es falsch wäre. Ohne Zweifel; wenn alles echt ist,
so ist die Prüfung überflüssig. Die Wechsler bezweifeln aber,
ob alles echt wäre, und vermutlich werden sie dazu Grund
haben. Aber als Laertes von Philine einen Kufs bekommt, die
er kennt und wie alle Weiber einschätzt, meint er doch, "seltsam,
dafs so etwas immer gut schmeckt", und wenn Theokrit der
(piXojtaig der Ansicht ist, dafs jeder Kufs von frischem Munde
Gold wäre, so ist das eine neckische Kritik der megarischen
Konkurrenz. Ohne die Hilfe des himmlischen Jialg xa?.6g kann
der Richter nur finden, dafs sie alle süfs schmecken. Und wenn
darauf das Gedicht hinausläuft: wird nicht vielleicht Theokrit
auch so denken und so handeln, wird er sich nicht vielleicht
trotz aller Seligkeit des Wiedersehens zu trösten wissen, wenn
der zeitweilige d/r?;g wieder zu beifsen anfängt?
5. Dioskuren.
Der Dichter beginnt mit der Angabe seines Themas: das
ist so gut wie eine Überschrift; im Buche gab es damals schon
Titel, aber für den mündlichen Vortrag war noch erfordert, dafs
der Dichter sein Thema im Gedichte selbst bezeichnete; das ist
gestanden bat und von den x«Q°"<*i AxrTvet getroffen ward, die Kleophon,
der an der Türe stand, anb yluxtQov ßlffiftaTos schofs. Die Liebe darin gab
das yXvxtqöv: das yaQonöv ist das Männlich- mutige, das dem zuchtigen
Mädchen imponiert. Wenn Ganymedes /aoonos ist, so hebt ihn das also
über die xalot, die molles, in die heroische Sphäre, wie es sich für den
Knaben des Zeus schickt. Beiläufig: wenn nöSoioi ßtfiX^utvov überliefert ist,
so sollte man sich die Härte von ßißX. überlegen; dem sollte auch zugäng-
lich sein, wer die Poesie nicht empfindet, die kein no&oßlrjrov nqöaianov
duldet, ehe der Blitz der Augen einschlug. Wer aber daran gemahnt ist
ßtßafift4vov herzustellen und statt dieser minimalen Änderung ßtßqtyftivov
daraus macht, dem ist's nicht darum zu tun, dafs der Vers verbessert wird,
sondern dafs er eine Konjektur macht, wenn's auch eine spottschlechte ist.
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Beilage: 5. Dioskuren.
183
noch in Bions Adonis so, während Herakles und Megara ohne
die Prosaüberschrift (oder Rede) unverständlich sein würden. Wir
haben also mündlichen Vortrag. Der Dichter war aber in der Wahl
seines Themas frei: nirgend eine Spur, dafs er gehalten war,
die Dioskuren zu besingen; es ist also nicht etwa ein Gedicht
für ihren Kult. Dafs der Dichter gibt was ihm beliebt, sagt er
auch in dem Epiloge, obwohl der an die Form der epischen
Hymnen mit ^atoere Arjöag texva anklingt.
Bei der ersten Nennung wird Kastor nur mit dem Namen
genannt, Polydeukes erhält reichen Schmuck: das ist Vorbereitung
dafür, dafs mit ihm begonnen werden soll; sonst ist keine Spur
mehr davon, dafs Kastor geringer, aus sterblichem Samen gezeugt
ist, keine Spur auch von der Heteremerie. Es liegt selbst an
der Herkunft von Zeus nichts; oft heifsen sie Söhne der Leda
oder des Tyndareos. Der Ursprung von Zeus bedeutet nicht
mehr als die Göttlichkeit der makedonischen Herrscher: ihre
Taten und ihre Gesinnung beweisen ihre Göttlichkeit, und weil
sie sich als göttlich erweisen, wächst eine Abstammung von einem
persönlichen Gotte nach, aber sie ist nur facon de parier, An-
schlufs an die Vorstellungsweise vergangener Zeiten. Die Gött-
lichkeit der Dioskuren, die als Zwillingsgötter keine zwei ver-
schiedenen Personen sind 1 ), wird in dem Proömium grofsartig
geschildert, wie es sich für Götter schickt, in ihrer Epiphanie,
nicht ein einmaliges, sondern ein typisches Faktum, wie sie ein
Schiff aus dem Sturme retten; auch hier zeigen sie sich nicht durch
sinnliches Eingreifen oder auch nur durch sinnliche Erscheinung
der Sterne oder des St. Elmsfeuers, sondern nur durch den
Erfolg. Das Element gehorcht ihrem gnädigen, rettenden Willen:
da müssen sie wohl Götter sein. In diesem Sinne glaubte Theo-
krit und seine Zeit an die fieol acovfjQeg 2 ); alles Mythische war
*) Das sind sie nie und können sie nicht sein: von einem besonderen
Gotte Kastor zu reden ist arge Verkehrtheit.
2 ) Dabei sei doch gegen die unerträgliche Torheit protestiert, die immer
wieder fragt, wer die teol atoj^geg des Pharus wären. In der Widmung trägt
der Gott wie der Mensch seinen Namen. Die "rettenden Götter" sind sie,
weiter nichts: dafs sie retten, erfährt der Schiffer; je nach Kasse und Her-
kunft wird er dabei an die Dioskuren oder Kabiren oder Portunus oder Jahve
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Beilage: 5. Dioskuren.
ihr längst pvftog; aber der Rationalismus der Stoa, der die Götter
streicht und die vergöttlichten Menschen behält, wie ihn Horaz
gerade an den Dioskuren zu bekennen liebt, hatte die gesunde
Religion noch nicht verdrängt.
Es ist sehr erfreulich, dafs wir für den ersten Teil, die
Epiphanie der oovTjQeg, die Homerische Vorlage besitzen. Es
ist der letzte Hymnus der erhaltenen Sammlung, auch ein schönes
Gedicht, geboren aus genau der gleichen religiösen Stimmung.
Auch dies beginnt mit der Nennung der Dioskuren und ihrer
Herkunft und bezeichnet die Sphäre ihrer Wirksamkeit, otovt)Qag
smyßovlcov v' ävftQomcov (bxvd?.cov te veüv, und an dieses
Glied wird gleich die Schilderung der Epiphanie angeschlossen,
"wenn Winterstürme über das grausame Meer jagen. Dann
schlachten die Schiffer am Hintersteven, über den die Wogen
schon hingehen, weifse Lämmer und rufen die Dioskuren. Die
erscheinen plötzlich mit schnellen Fittichen durch den Äther
stürmend, bändigen die Stürme, glätten die Wogen: das ist für
die Schiffer ein schönes Zeichen. Sie freuen sich und sind die
Mühen los" 1 ). Theokrit behält den ganzen Aufbau bei; er
oder Isis oder St. Nikolaus oder St. Jakob denken. Das ist alles richtig, steht
aber alles unter der universellen Religion, die Sostratos (den sie immer noch
kindischerweise für einen Baumeister halten) mit den Gebildeten seiner Zeit
bekennt, und die universell und menschlich ist wie der Hellenismus.
l ) Üas Gedicht ist im Hymnus 17 ausgeschrieben. Der Anfang up<fl
Jibs xovqovs fontit Movaui stimmt zu den kitharodischen Proömien; aber
solange die Kitharodie sich an epische Texte hielt, machte das keinen
Unterschied. guvSvs in der falschen Bedeutung "schnell" (vgl. zu Eur. Her.
488) gibt keinen zeitlichen Anhalt. Die Dioskuren sind von Leda im Hoch-
gebirge des Taygetos geboren: das zeigt einen Dichter, der alle Ilcroen-
ge6chichten abstreift, das Ei des Eurotas, Pephnos, Amyklai; aber die Tynda-
riden und damit Sparta im allgemeinen hat er doch, nur entrückt er die
Götter aus der profanen Menschenwelt. Die atoifjQfg werden beflügelt ge-
dacht: das hat nicht in der Kunst seinen Ursprung, nicht einmal seine
Analogie, aber es ist darin jene Richtung der Phantasie mächtig, die im
G.Jahrhundert zur Beflügelung vieler Götter geführt hat, auch in der Kunst;
Nike, Eros n. a. haben sie behalten. Dafs die Dioskuren nicht reiten, deutet
auf Schifferbevölkerung, und es wird ja auch das Lammopfer aus dem Leben
der Schiffer erzahlt. So wird der Hymnus etwa im Kulturkreise von Delos
entstanden seiu, nicht in dem von Korinth, Aigina, Athen, und im 6. Jahr-
Beilage: 5. Dioskuren.
185
mufs dem Polydeukes und seiner Agonistik eine besondere Be-
handlung gönnen, weil er gleich von seinem Faustkampfe er-
zählen will'); er fügt zwischen acovrjQeg ävftQibncov und vmv
die Fürsorge für die Reiter ein, aber das beeinträchtigt die
Struktur des Ganzen nicht. Dann läfst er das Opfer und den
sinnlichen Flug durch die Wolken fort (der bei Homer doch auch
schon allein in der Sphäre der Phantasie bleibt) und steigert
die Gefahr, wie die gewaltige Woge von der jtgvfiva ins Boot
geschlagen ist, "oder nach vorn oder wo sie wollte" (die Jigiyua
war nur bei Homer notwendig: man sieht hier die bewufste
Tätigkeit des Nachahmers), wie die Wände eingedrückt sind, die
Takelage zerrissen flattert, Regen und Hagel toben. Ent-
sprechend wird die Witterung ausgemalt, als der rettende Um-
schlag eingetreten ist; die Wolken zerteilen sich, die Sterne
erscheinen (weil dies den Wetterumschlag sinnlich erkennen
läfst, wird der Sturm jetzt ein nächtlicher), und zwar bestimmte
Sterne, der Bär, nach dem die Schiffer sich orientieren, und die
Krippe, die nach dem Volksglauben unsichtbar wird, wenn Sturm
im Anzüge ist. Dann folgt auch hier die abschliefsende An-
rufung an die Götter. So also stellt Theokrit sein Proömium
neben das Homers, in bewufstem und hier sehr engem An-
schlüsse, und doch hat er ganz recht, dafs er ein freier selb-
ständiger Dichter ist. Dazu gehört nicht die Hascherei nach
Originalität, die Unfreiheit der negativen Imitation, sondern die
BYische der eigenen Empfindung und ihr individueller Ausdruck.
Nach dieser allgemeinen Einleitung wird ganz kunstlos die
Disposition gegeben, dafs jeder der Zwillinge sein Teil erhalten
soll; nicht minder kunstlos wird V. 135 der Übergang yoii
Kastor zu Polydeukes gemacht. Dafs ein kurzer Grufs an beide
den Abschlufs bildet, verstehe sich von selbst. Der Reiz mufs
also in den beiden Einzelgeschichten beruhn; damit aber das
hundert. Mit dem Opfer eines Lammes wird noch jetzt auf den griechischen
Werften ein neues Schiff geweiht; "hinterher kommt der Papas und segnet
es christlich ein", horte ich einen Schiffer sagen.
l ) Der Dichter des Hymnus hat in entsprechender Überlegung den
n vi- aynfto; eliminiert und den alten Vers so gegeben: Kaarood &' Inno-
öauuv xal fifuuurfior ffoXvdfvxta.
186
Beilage: 5. Dioskuren.
Ganze wirklich ein Gedicht sei, müssen diese aufeinander be-
rechnet sein.
Unvermittelt setzt die erste Erzählung ein und geht zuerst
ganz rasch vorwärts. Die Argonauten liefen in den Bosporos
ein, landeten im Bebrykerlande, die Zwillinge fanden eine Quelle,
der Riese Amykos ') wehrte ihre Benutzung. Hier erst gibt es
eine ausgeführte Schilderung, sowohl der lieblichen Quelle wie
des wüsten Riesen. Dann streiten die Gegner in plötzlich ein-
geführter dramatischer Stichomythie. Unsere jämmerliche Kenntnis
der heroischen Epik gestattet uns nicht zu wissen, ob das eine
Theokritische Neuerung war. Aber da Theokrit diese Dramatik
in seiner biotischen Epik oft geübt hatte, ist ihm die Kühnheit
schwerlich ganz zum Bewufstsein gekommen: für ihn war doch
auch Daphnis und das Duell zwischen Komatas und Lakon Epik.
Dann folgt die Hauptsache, der Faustkampf. Ihn können wir
nicht voll würdigen; dazu müfsten wir diesen Sport, seine
Finessen und seine Roheit besser kennen und goutieren. Denn
die Hörer sollten ihre Erfahrung aus der Palästra und den
gyinnischen Spielen dazu verwenden, die Erfindsamkeit und Sach-
kunde des Dichters zu bewundern. Unmittelbar vor der Ent-
scheidung ruft der Dichter die Muse an; das klingt sehr home-
risch, und doch ist es etwas ganz anderes, denn der Schalk
legitimiert damit seine ganz neue und freie Erfindung, nicht nur
den famosen Coup des Polydeukes (in so etwas sind alle Dichter
ganz frei) sondern auch das Ende: statt dafs der Unhold, wie
er es verdient hatte, unschädlich gemacht wird, begnadigt ihn
Polydeukes unter der Bedingung, dafs er hinfort Gastfreiheit
übe. Der hellenische Heros ist eine zivilisatorische Macht; er
will die Barbaren nicht mehr ausrotten, sondern hellenisieren.
Zweiter Teil. Gleich wird ein Bild gezeichnet Die Dios-
kuren sind mit den Leukippiden, die sie geraubt hatten, bis an
den Grabhügel des Aphareus gelangt; da werden sie von den
Apharetiden, ihren Vettern und Verfolgern, eingeholt und alle
*) Sein Name steht erst hinter der Stichomythie 75: die Geschichte
mufs also den Hörern ganz vertraut sein. Am Schlüsse, 133, wird sein Vater
Poseidon beiläufig genannt: auch dessen Kenntnis wird vorausgesetzt; doch
versteht auch der Unkundige alles.
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Beilage: 5. Dioskuren.
187
(d. h. beide Parteien) steigen von den Wagen; Lynkeus hält nun
eine lange Rede, durch die wir über die Situation und die Vor-
geschichte aufgeklärt werden. Kastor antwortet begütigend,
und da die Versöhnung unmöglich ist, beschränkt er wenigstens
das Blutvergiefseu , indem er durchsetzt, dafs nur je einer der
Brüder in den Zweikampf treten soll, der über alles entscheidet.
Es folgt das Duell; Lynkeus erliegt, und als Idas vertragswidrig
miteingreift, erschlägt ihn Zeus mit dem Blitze. So behalten
beide Zeussöhne ihr Leben und ihre Bräute.
Der Epilog ist so persönlich wie die Sphragis des Homeri-
schen Hymnus an Apollon. Theokrit verallgemeinert den Preis
der Dioskuren zu dem der Heroen überhaupt, und wenn diese
von Homer verherrlicht sind, so tut er dasselbe, aber nach seinen
Mitteln und in seiner Weise. Er fordert also geradezu die Ver-
gleichung mit Homer, hier also mit den Kyprien heraus, und
sagt unverblümt, dafs er nicht durch Nachahmung, sondern durch
ganz verschiedene Behandlung konkurrieren will. Damit stellt
er uns dieselbe Aufgabe wie seinen Hörern, ihn mit Homer zu
vergleichen. Den Amykos hatte Homer nicht erzählt; es ist
nicht nötig, dafs Theokrit auch dort im Gegensatze zu einer
andern Darstellung gedichtet hat; aber ob er es getan hat, mufs
der Interpret auch hier fragen.
Die beiden Geschichten sind darin parallel, dafs sie beide
einen Zweikampf erzählen; aber diese Parallele bedeutet viel
weniger, als dafs die Erzählung so verschieden ist; das erste-
mal eine kurze Stichomythie, dann die Spannung der Aufmerk-
samkeit durch die Anrufung der Muse, und ein höchst modernes
Faustkämpferstückchen; das zweitemal knappe Schilderung einer
Situation, zwei lange Reden, und nach dem Kampfe ganz kurz
der Ausgang, der doch nicht minder eine überraschende neue
Erfindung bringt. Die Art, wie zum Ruhme der Götter eine
einzelne ihrer Taten erzählt wird, ist sehr verschieden von den
herkömmlichen Hymnen, die die Geburt und den Eintritt in den
Götterkreis behandelt'); vollends wie die Exempel sozusagen sich
l ) Es gab natürlich auch Darstellungen einer einzelnen Epiphanie wie
den Homerischen Hymnus an Dionysos; aber die Regel ist das nicht, und
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Beilage: 5. Dioskuren.
in das gröfsere Ganze des Gedichtes einordnen, das erinnert
weit mehr an die Lyrik. In der Behandlung standen die Kyprien
diesem Epos sehr viel ferner als Pindars zehntes nemeisches
Gedicht: aber 'Jheokrit hat ja so oft alte Lyrik in seine rezita-
tive epische Poesie umgesetzt, dafs das nicht befremden kann.
Da der Dichter uns direkt an Homer, d. Ii. die Kyprien
weist, so müssen wir uns umsehen, wie weit wir diese vergleichen
können. Zum Glück ist gerade diese Partie in musterhafter
Weise von G. Wentzel hergestellt worden 1 ): wenn die mytho-
oft mag ein bestimmter Kultort besonderen Anlafs zur Auswahl einer Ge-
schichte gegeben haben. Der Dionysoshymnus ist nicht weiter zu lokali-
sieren als auf den Küsten oder Inseln des Archipels; alle Vermutungen sind
windig.
l ) Epiklesis V 33; dazu Epithalamion für W. Passow. Ich füge etwas
über die Leukippiden bei. ^itvxinm'öti sind ein weiblicher Thiasos in Sparta
(Eur. Hei. 1466, Pausan. III 13, 7. 16, 1), der seinen Namen nicht von einem
Vater Leukippos hat, sondern von den Göttinnen, die er verehrte. Diese
sind später .ltvxinniötg, heifsen Phoibe und Hilaeira und bekommen Leu-
kippos zum Vater, der in die Heroengenealogie eingereiht wird, so dafs sie
Cousinen der Bruderpaare werden, die nun um sie werben. Es versteht sich
aber von selbst, dafs die Göttinnen eigentlich Xtvxit Xnnto waren, so gut wie
die Dioskuren Thebens (also auch Spartas) Itvxui nojXüi. Es ist auch leicht
zu fassen, was sie bedeuten. Die Frauenwelt Spartas verlangte nach einem
Kulte, analog dem der himmlischen Zwillinge, die von den spartanischen
Männern so stark verehrt wurden. Das ist also spartanisches Gewächs, nicht
älter; aber Analoga konnten sich auch anderswo bilden. Es lag sehr nahe,
dafs dann diese Schimmelstuten zu Gattinnen der Schimmelhengstc wurden.
Die Kyprien, in denen die Frauen der Dioskuren Töchter des Apollon waren,
wufsten noch nichts von Leukippos; ob sie die Namen Phoibe und Hilaeira
hatten, möchte ich auf Grund von Pausanias III 16 nicht unbedingt ver-
sichern, denn die Meidiasvase nennt sie Elara und Eritime, und die Frauen
der Dioskuren waren in den Kyprien ganz Nebensache. Jedenfalls sind die
Individualnamen zwar sekundär, aber sie gehn noch die beiden Göttinnen an.
Phoibe ist bekanntlich auch für eine Tochter des Tyndarcos verwandt. Der
Kult konnte weder bei den ewig jungen Dioskuren, noch bei ihrem ewig
jungfräulichen Pendant von der Ehe Gebrauch machen, noch weniger von
Deszendenz, die also Mythographenfiktion ist gerade wie Leukippos. Der
Raub des weiblichen Götterpaares durch das männliche ward schon erzählt,
als der Kypricndichter seine Erfindung darauf baute, ganz ebenso wie natür-
lich die Überwinduug der Dioskuren von Pharai durch die von Las längst
erzählt war: man darf nicht vergessen, dafs auch Lakedaiinon einmal keine
Einheit gewesen ist, der gemeinsame Glaube an die göttlichen Zwillinge sich
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Beilage: 5. Dioskuren.
189
graphischen Studien mit ernsterem Fleifsc betrieben würden, so
müfste schon längst mindestens das erste Buch der Kyprien
ähnlich rekonstruiert sein. Der Inhalt war folgender. Als
Alexandros an die lakonische Küste kam, nahm ihn Helene in
Las auf und gab ihm ein Festmahl, bei dem ihr die asiatische
Pracht des fremden Prinzen gewaltig in die Augen stach. Die
Honneurs machten ihre beiden Brüder, und deren Vettern, die
Apharetiden Mas und Lynkcus, waren auch geladen. Beim
Weine machten diese sich über die Dioskuren lustig, weil sie
sich ihre Frauen, die Leukippiden, Töchter des Apollon, ohne
Brautschatz zu zahlen erworben hätten, also durch Raub. Wir
also in verschieden benannten und angesiedelten Paaren niederschlagen
konnte. Der Raub mufste zunächst als Entführung aus dem tanzenden
Thiasos erscheinen, denn dio zu Itvxtnniän gewordenen Xtvxal naikot waren
natürlich nun Tänzerinnen zu Ehren der Gottheiten, die nunmehr anders
benannt werden mufsten; Artemis lag in Sparta am nächsten. So ist denn
eine Gruppe von Vasenbildern, darunter die Mcidiasvase, zu verstehn, wo
das Götterbild zugegen ist. Wenn dann alte und junge Mannschaft Anstalt
zu Widerstand und Verfolgung macht, so liegt das io der Situation und
führt nicht im mindesten auf dio Hochzeitsfeier mit den Apharetiden. Diese
ist dagegen vor Thcokrit auf dem Gemälde Polygnots iu Anakeion und seinem
Nachklange, dem Relief von Trysa, dargestellt; aber dafs die Entführung aus
dem Tempel das ältere ist, zeigt die Anwesenheit von Tempel und Chor bei
der Hochzeitsfeier. Da hat also ein Poet glücklich geneuert, und er hat die
Vulgata bestimmt, indem seäue Erfindung sich mit dem tragischen Ende der
vier Heroen iu den Kyprien verband (Schol. Pind. Nein. 10, 112). Es ist
wichtig, dafs so die Ehe nie vollzogen ward. Iu der Apollodorischen Biblio-
thek 3, 135 — 37 steht der Sehl ufs auch nach den Kyprien; vorher der Braut-
raub (Leukippos wohnt in Messenieu) ohne Konkurrenz mit den Apharetiden;
den Kouilikt motiviert ein gemeinsamer Rinderdiebstahl in Arkadien und ein
durch fiov./ayiu des Idas erzeugter Streit. Das klingt echt peloponnesisch,
aber man denke an die Fehde der Messenischen Kriege, damit man es nicht
gleich vor die Kyprien rücke. Eigentlich sind die Leukippiden in Sparta zu
Hause; als ein Leukippos erfunden war, mufste der irgendwo sonst unter-
gebracht werden; das ist alles sekundär. Das Grab des Aphareus mufste
von den Kyprien in Lakonien gedacht werden, denn Lynkeus der Messenier
steigt auf den Taygetos, um die Räuber zu sehen; aber an das Grab, das auf
dem Markte Spartas lag (Pausan. III 11, 11) ist natürlich nicht zu denken.
Dafs man nicht zu viel mit dem obskuren An-xinni^tov xardloyos operiere,
den Krates dem Hesiod beilegte, vgl. Herrn. 39, 123. Vgl. Bethe, Dioskuren
bei Wissowa, Robert, Sarkophage II 2, 220.
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Beilage: 5. DioskureD.
sehen, der asiatische oder kyprische Dichter macht Gebrauch
von seiner Kenntnis der spartanischen, besser hellenischen
Ärmlichkeit gegenüber der asiatischen Pracht, und von seiner
Kenntnis der spartiatischen Raubehe, die mindestens der Form
nach noch bestand. Der Zank führt dazu, dafs die Dioskuren
drohen, dann würdeu sie sich die zum Brautkaufe nötigen Rinder
aus Messenien holen, der Heimat der Aphareussöhne. Wie sie
die Drohung ausgeführt haben, ward als Episode erzählt: die Ab-
wesenheit der Brüder gab dem Paris zu seinem Anschlage auf
Helene Raum. Als die Dioskuren mit den gestohlenen Rindern
schon beinahe nach Hause zurückgekehrt waren, entdeckte sie
Lynkeus, vom Taygetos niederschauend, in einer Eiche versteckt.
Die Apharetiden stürmten vor, ereilten sie an dem Grabe des
Aphareus. Idas stach den Kastor nieder, aber den Polydeukes
konnten sie mit den Steinen, die sie von ihres Vaters Grab fort-
rissen, nicht bezwingen, sondern er erschlug den Lynkeus, und
den Idas tötete der Blitz des Zeus, der für seinen Sohn eintrat;
den Schlufs bildete die Einsetzung der Heteremerie. Wir dürfen
den letzten Teil dem zehnten nemeischen Gedichte Pindars nach-
erzählen.
Theokrit eliminiert natürlich die Verknüpfung der Geschichte
mit dem Raube der Helene und ebenso das Viehstehlen, das
Pindar noch, wenn auch mit vornehmem Ausdrucke (äfiyi ßoval
ZO?.(o$etg) beibehalten hatte. Dagegen steigert er die Notwendig-
keit des Konflikts, indem er die Leukippiden zu Bräuten der
Apharetiden macht, denen sie die Dioskuren mit einem kühnen
Handstreich kurz vor der Hochzeit entführen. Es ist Insinuation
des Rivalen, dafs die Dioskuren den Leukippos durch reichere
Brautgaben bestimmt hätten, seine Töchter trotz dem älteren
Eheversprechen an die Apharetiden ihnen zu geben 1 ). Den
Konflikt der lakonischen und messenischen Zwillinge auf einen
Streit um die Leukippiden zu gründen ist nicht Theokrits Er-
findung; das war wohl schon damals die bevorzugte Fassung;
J ) Erfunden ist das im Stile der Zeit, die aus der Hesiodischen Werbung
um Helene spricht; aber es braucht nicht in jener Zeit erfunden zu sein.
Ernst kann es Theokrit darum nicht gemeint haben, weil das Einverständnis
des Vaters den liaub überflüssig machte.
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Beilage: 5. Dioskuren.
191
aber er gestaltet es aus. Er beseitigt dann den Tod des Kastor,
setzt den Idas ins Unrecht, da er wider die Bedingungen des
Duells vorbricht, so dafs er der verdienten Bestrafung durch
Zeus verfällt. Kastor dagegen proponiert ein Duell zwischen
den beiden Jüngeren der streitenden Paare, um das Blutvergiefsen
einzuschränken. So wird das Wesen der himmlischen Gestalten
geadelt, während einem unbefangenen Leser seiner Zeit die Per-
sonen derKyprien ziemlich klephtenhaft vorkommen mufsten. Das
ist das Inhaltliche. Formell können wir nicht vergleichen; nur
war dort sicherlich Erzählung, und zwar nicht sehr breite, hier
wesentlich Reden, also ij&og gegenüber dem /xv&og. Das Lokal,
am Grabe des Vaters der Apharetiden, und den wilden Zug, dafs
Llas aus dem einen Stein bricht, hat er beibehalten: die Gegner
der göttlichen Zwillinge durften barbarisch bleiben.
Diese Darlegung hat ohne weiteres damit operiert, dafs in
dem Gedichte nach V. 170 eine grofsc Lücke ist und dann in
einem Hauptpunkte nach 4» zu schreiben ist. Ich setze die
ganze Partie her; der Redende ist Lynkeus "Vergeblich habe
ich euch zugeredet
(S(po) */do äxr)/.rjTG) xai (heige'eg, dXX* sn xai vvv
170 nel&eoft; äfiyco ö' äfifuv ävetpiw ix Jtavgög iotov.
el d' v t ulv xgaöirj noXßfiov jio&ei, alf.iaxi de yx>tj
velxog ävaggi^avtag öfioüov ly^ea ?*vocu,
"Idag fihv xai öfiaifwg ijuög xgaregög nolvÖevxijg
yelgag igcorjoovoiv äjts/ßofiivijg votilvqg,
175 vä)i ö', eycb Avyxevg te, dtaxQiv(bfi€& > ägrji.
Das ist in dem Munde des Lynkeus unmöglich; also bevorzugt
man die Lesart //, die 175 vcöi d' iyto Käottoo re lautet; das
hilft aber noch nicht ausreichend, da ofiai^iog Ipög 173 unver-
ständlich bleibt: das mufs dann irgenwie geändert werden; etwas
Annehmbares ist freilich nicht gefunden 1 ). Nun soll beiseite
l ) Die Vulgata setzt ofint^tos fös statt luot, was bedeuten soll "sein
Vetter", als ob Polydeukes weniger des Lynkeus als des Idas Vetter wäre.
Dann könnte ja auch t t u6s bleiben. Aber uuiuuoq heifst Bruder, wenn es
nicht blofs consanguineus ist, und das ist hier zu wenig und überhaupt nichts
Bezeichnendes. Wie wird denn auch der Redende eine anwesende Person
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192
Beilage: 5. Dioskuren.
bleiben, dafs zwar begreiflich ist, wie jemand, der aufpafste,
den Lynkeus vertrieb, da der ja der Redende war, nicht um-
gekehrt: nur die Poesie soll entscheiden. Wenn jemand sagt
u gebt doch bitte jetzt noch nach", so kann es scheinen, es wäre
guter Anschlufs, "wollt ihr aber Kampf, so wollen wir ihn
wenigstens möglichst beschränken". Aber die Dioskuren wollen
ja überhaupt keinen Kampf. Die fahren mit ihrer Beute ab
und sind nur durch die Apharetiden gestellt, weil diese ihnen
kampflustig nachgefahren (nicht etwa nachgeritten, ndvtaq 142
ist richtig, kein Schreibfehler) sind. Nun treten sie natürlich
für ihren Besitz mit den Waffen zur Verteidigung ein, und so
konnte Lynkeus anfangen xl ndyijs Ifieigexe. "Leistet nicht
erst Widerstand, sondern gebt eure Beute gutwillig heraus";
das ziemt dem Verfolger, der den ersten Zweck erreicht und die
Räuber zum Stehen gebracht hat. Wer gesagt hat, "ihr habt
meinen berechtigten Vorstellungen früher nicht gehorcht; noch
ist es an der Zeit", der hofft noch auf Verständigung und darf
seine Sache nicht dadurch schädigen, dafs er ein Duell anbietet.
Dagegen wer eine Proposition ablehnt, die in höflichen Worten
um gütlichen Vergleich bittet, der hat den sicheren Kampf vor
Augen, ihm steht es an, das Blutvergiefsen möglichst zu be-
schränken und einen Schritt entgegenzukommen. Wichtiger ist
noch, dafs es ganz ungehörig wäre, wenn in dem Dioskuren-
hymnus nur der Gegner zu Worte käme, und vor allem, dafs
die Menschlichkeit auf Seiten der Dioskuren sein mufs. Auch
ist das was Lynkeus ihnen nachsagt so wenig zu ihrer Ehre,
dafs eine Verteidigung, die diese Voraussetzungen richtig stellte,
gar nicht zu entbehren war.
Lynkeus- konnte mit 170 schliefsen; aber es folgte wohl ein
drohendes Schlufswort: Kastors Rolle mufste sehr geschickt ge-
arbeitet werden, damit er der Überlegene bliebe; so etwas rät
man nicht, aber wer eine Lücke ansetzt, soll eine mögliche Er-
gänzung zeigen. "Verblendete, was wollt ihr in euer offenes
Verderben stürzen. Wir haben was wir wollen; nicht schnödes
nach der Verwandtschaft mit seinem Bruder bezeichnen, die für ihn genau
so gilt.
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Beilage: 5. Dioskuren.
193 .
Geld, sondern unsere gute Faust hat sich's genommen und wird
es auch behaupten. Aber wir möchten euch nichts weiter zu-
leide tun, sondern euch versöhnen (da wird er bestimmte An-
gebote gemacht haben). Die Heldenkraft gibt das bessere Recht :
sie hat einmal entschieden und wir können getrost ihre zweite
Entscheidung abwarten ; aber bitte, zwingt uns nicht dazu. Wenn
ihr's aber verlangt, so schlagen wir ein Duell vor, und die
Mädchen sollen dem Paare gehören, dessen Vertreter siegt."
Das ist eine grofse Konzession, wie sie dem zusteht, der sich
als der Stärkere fühlt, ein wenig wohl auch als der Schuldige.
"Das wollte denn Zeus nicht vergeblich gesprochen sein lassen",
fährt der Dichter fort: es war doch wohl der Vorschlag seines
Sohnes, nicht der des Gegners.
Der Ausfall der Verse fällt vor die Scheidung von II und
also noch in das Altertum. Zufälliger Ausfall einer Seite kann
nicht wohl der Grund sein, denn 171 schliefst an 170 gut an.
Dann hat also der Schreiber dadurch geirrt, dafs sein Blick auf
der nächsten Seite eine Versreihe fand, die er füglich für die
Fortsetzung halten konnte.
Die Geschichte von Amykos ist mit Geschick so erzählt,
dafs aufser den Dioskuren und Amykos kein einzelner namhaft
gemacht wird. Um die Geographie kümmert sich Theokrit so
wenig, dafs er den Ort, der die ganze Sage erzeugt hatte, nur
als Bebrykerland am Bosporos bezeichnet. Mit dem Siege ist
alles zu Ende. Es ist gut, zum Gegensatze Apollonios kurz zu
rekapitulieren. Die Argonauten landen 1 ); Amykos tritt an sie
heran und fordert den Faustkampf; Polydeukes erbietet sich;
das Duell geht programmäfsig vor sich: erster Gang, Pause,
zweiter Gang; Amykos versucht von seiner Gröfse Gebrauch zu
') Er gibt die Distanz von Kios auf einen Tag und eine Nacht an,
übergeht aber, dafs sie in die Enge des Bosporos bereits eingefahren sind.
Dessen Euge und seine Strudel werden erst 2, 168 erwähnt, auf der Fahrt
vom Amykoshafen hinüber an die 'bithynische' Seite, wo Phineus wohnt.
Bis dahin brauchen sie wieder einen Tag und eine Nacht, viel zu viel. Er
hat zwar geographische Genauigkeit angestrebt, fordert also unpoetisch die
Kontrolle heraus, aber erreicht hat er weder die geographische noch die
poetische Wahrheit.
l'hilolog. Dnterouchuagen. XVIII. 13
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. 19*
Beilage: 5. Dioskuren.
machen und von oben herab zu schlagen. Polydeukes fängt den
Schlag mit der Schulter auf, trifft selbst den Gegner hinters
Ohr, zerschmettert die Hirnschale, der stürzt aufs Knie und
stirbt. Seine Bebryker stürzen vor, Schlacht, Sieg der Argo-
nauten. Sie beschliefsen die Leiche unbestattet liegen zu lassen,
kränzen sich zum Siegesfeste mit Lorbeer von dem Baume, an
dem sie das Schiff befestigt hatten, und brechen am andern Morgen
auf. Die Schlacht mit den Bebrykern ist Erfindung des Apol-
lonios; es passiert keinem Argonauten etwas und die Namen
der Bebryker sind alle billige Erfindung, was von dem, der noch
am meisten hervorsticht, der Scholiast ausdrücklich angibt 1 ).
Apollonios hat das erfunden, weil es ihm beliebt hat, die histo-
rische Tatsache, dafs es keine Bebryker mehr gab, vielmehr
Mariandyner am Amykoshafen wohnten, mitzuteilen und so zu
motivieren, dafs die Bebryker nach der Niederlage durch die
Argonauten nicht mehr widerstandsfähig waren. Seiner epischen
Einheit, wie er sie versteht, dient es, dafs die Argonauten be-
dauern, dafs Herakles nicht dagewesen wäre, der würde den
Amykos ohne weiteres niedergeschlagen haben; wenig schmeichel-
haft für Polydeukes. Der Lorbeer kommt seltsam spät: das war
in Wahrheit das Wahrzeichen dieses Hafens. Man merkt, den
mufste er noch unbedingt anbringen. Es ist ganz klar, dafs in-
haltlich keinerlei Beziehung zwischen Theokrit und Apollonios
obwaltet 2 ), wie denn der Apolloniosscholiast gleich bei der ersten
Begegnung der Argonauten mit Amykos sagt: 6 SeöxQivog vavva
äXXcog iorÖQrjaeVy und ihn dann unberücksichtigt läfst.
Als Vorlage des Apollonios braucht man eigentlich nur einen
Periplus: elta 'Afivxov Xifii)v xal öäyvri eu/xtyiOr)g slg Tjv BÖtjoe
Hol.vöevxrjg "Afivxov vor Ilooeidüvog Beßgvxm' ßaotXea xava-
') Lykoreus, der Knappe des Amykos, 2,51 mit Scholion. Dafs die
Apollodorische Bibliothek 1, 119 dem Apollonios nacherzählt, ist notorisch:
man könnte es mit diesem Beispiel allein erhärten. Valerias Flaccus ist ver-
ständig genug gewesen und hat die langweilige Schlacht beseitigt, dafür
aber selbst vielerlei im Stile des Vergil hinzugefügt.
-) Dafs der Faustkarapf bei beiden einen ersten ergebnislosen Gang hat,
und dafs der Riese mit Typhoeus oder Tityos verglichen wird, ist ganz
belanglos.
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Beilage: 5. Dioskuren.
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jtvxrevaag. lyovai de ti)v ywoav MaQiavövvol tovg Bißgvxag
txßaXövreg. Das genügt, und so etwa wird es z. B. bei An-
droitas von Tenedos gelautet haben Natürlich mag er auch
andere poetische Darstellungen gekannt haben, er hat aber von
ihnen keinen Gebrauch gemacht.
Zu einem Hafen gehört selbstverständlich eine Quelle; die
spielt aber bei Theokrit nicht aus Erfindung eine Rolle, sondern
er fand sie in seiner Vorlage, die nicht geographisch, sondern
poetisch war. Denn die Quelle bildet den Mittelpunkt auf der
Fi coronischen Cista'), die niemand mehr für jünger halten kann
als das gute vierte Jahrhundert. Auf ihr hat Polydeukes den
Barbaren besiegt und bindet ihn an den Lorbeer: das stimmt
zu dem Ausgange, den der Apolloniosscholiast aus Epicharm
und Peisandros anführt. Das berechtigt uns nicht geradezu zu
sagen, Theokrit nahm die Geschichte aus seinem Landsmann
Epicharm, aber er kannte doch die verbreitete Geschichte in der
Form wie sie auch Epicharm gegeben hatte. Ihre Entstehung
ist ganz epichorisch, so alt, dafs noch nicht Mariandyner sondern
Bebryker am Amykoshafen lebten, oder vielleicht, als man die
Barbaren auch an diesem Teile des asiatischen Ufers noch all-
gemein Bebryker nannte, weil der Stamm so hiefs, den die mile-
•) Auf dessen IlenCnXovs TIoonovx(6ot verweist Schol. 159, also auf eine
ganz spezielle Arbeit; da ist es geratener, in den ITovnxa eines Apollodor,
die mitzitiert werden, auch solche Singularität zu sehen, statt zu ändern,
wie auch ich früher versucht habe, wenn auch natürlich ein Schreibfehler
sehr möglich ist. Aus solchen Küstenbeschreibungen stammt am letzten
Ende Plinius 5, 150. 16, 239. Dionys. Anapl. Fgm. 61. Ammian 22, 8, 14
geht, wie ich früher gezeigt habe (bei Mommsen, Herrn. 16, 625), auf einen
anderen Apollonioskommentar als den unseren zurück, was sehr merkwürdig
ist. So steht denn auch für das Land des Amykos der Name Mygdonia,
wozu nur Schol. 2, 786 von ferne verglichen werden kann, wohl aber die
Apollodorische Bibliothek in der Heraklesgeschichte 2, 100, aus der man er-
sieht, dafs die ganze Geschichte aus dem pontischen Herakleia stammt, also
wohl Herodor ist; Nymphis wird in den Scholien genannt und stimmt dazu;
aber der ist in diesen Dingen natürlich keine Primärquelle.
*) Bei Jahn ist natürlich auch über die Sage verständig gehandelt und
das Material beigebracht. Ich zitiere aber doch die Stellen, die ich für
wichtig halte, wieder, aber nur diese.
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Beilage: 5. Dioskuren.
sischen Siedler bei Kyzikos angetroffen hatten 1 ). Die Griechen,
die sich die Geschichte zuerst erzählt haben, waren die Kalche-
donier, deren Gebiet wenigstens später den Hafen umfafste, also
Megarer, Nachbarn der Athener und Korinther, bei denen wir die
Geschichte dann verbreitet finden ; wenn wir nicht Epichann gar
als Megarer, nicht als Syrakusier rechnen. Dafs die Kalchedonier
gleich eine poetische Bearbeitung der Geschichte lieferten, ist gar
nicht nötig: sie konnte auch mündlich bis Syrakus kommen. Dafs
Polydeukes eintrat, lag daran, dafs die Dioskuren als Retter in
allerhand Nöten an der Propontis und am Pen tos vielfach ver-
ehrt wurden, schwerlich weil sie von den Siedlern sehr ver-
schiedener Nationalität mitgebracht waren, somlorn weil sie mit
den grofsen Göttern von Samothrake identifiziert wurden, also
einem vorgriechischen Kulte, dem die Seefahrer der nördlichen
Gegenden alle huldigten. Aber die Hellenen verstanden damals
(im 7. oder 6. Jahrh.) bereits unter den Dioskuren die benannten
und differentiierten lakonischen Zeussöhne, Kastor und Polydeukes,
und der letztere war bereits der jzv£ äya&ög, wie immer er zu
der Ehre gekommen war 2 ).
') Die reduplizierte Form des Phrygernamens mit Verlust der Aspirata,
wie bei den Bmyes in Makedonien, wird doch aus dem Munde der Barbaren
genommen sein. Aber es ist zu viel geschlossen, wenn man darum die
Jifßpvxtg von den Phrygeru sondert, die am Sangarios schon Homer kennt.
Wenn Bebryker bei Ephesos und Magnesia erwähnt waren (Schol. Apoll. 2, 2,
leider ohne Quellenangabe), so werden die Griechen des 7. Jahrhunderts die
kimmerischen Einwanderer mit dem Namen genannt haben, der ihnen schon
vertraut war, weil sie von der Propontis herkamen. Die Umgestaltung der
pyrenäischen Berubraken zu Bebryken (Steph. Byz. u. a.) ist eine der törichten
Gleichmachereien, n.it denen die Griechen ihre gute Landeskunde so oft
verderben.
2 ) nv!- uya9og ist er seit- Homer r237; wenn es Hesiod durch atfrXoquQos
ersetzt, Neue Bruchstücke der Hesiodischen Kataloge (Sitz.-Ber. Berl. l'JOO,
843), so beweist das so viel, dafs Polydeukes seine Kunst in ä&Xa bewiesen
hat. Das Amykosabenteuer mufs jeder für junger halten; dann zeugt es aber
auch für jene älteren Wettspiele. Eigentlich ist der Faustkampf eines der
himmlischen Ritter, die man fortfuhr sich zu Hofs zu denken, und deren
Rosse benannt und berühmt waren, sehr seltsam, offenbar Poetenerfindung.
Ich kenne nur eine Gelegenheit, die a9Xtt f.il niXt'ai, der ich eine so be-
deutende Einwirkung zutrauen könnte. Schon weil es zu der Geschichte von
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Beilage: 5. Dioskuren.
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So ergab sich die einfache Lokalsage der Kalchedonier, dafs
an dem Hafen des Amykos, was wohl wirklich Name eines Bar-
baren der Gegend gewesen war, Polydeukes einen ungeschlachten
Bebryker des Namens, der den Argonauten die Quelle wehrte,
im Faustkampfe besiegt und an den Baum gebunden hätte, der
an dem Hafen stand. Was weiter aus dem Riesen ward, war
gleichgültig. Die niedliche Fortbildung, man dürfte von dem
Lorbeer nichts mit auf das Schiff nehmen, sonst gäbe es Hader,
hat unseres Wissens in der Argonautensage keinen Niederschlag
mehr gefunden. Diese Geschichte von Amykos haben die atheni-
schen Vasenmaler gekannt, wenn sie auch den Riesen einmal an
einen Stein binden lassen, und von ihr haben sich die Aus-
wanderer in Megara Hyblaia und Syrakus erzählt, sie ist
in die mythographischen Prosabücher gelangt, die den Namen
Peisandros trugen: denn an die Heraklee zu denken ist ver-
wegen. Sie hat Theokrit erzählen gehört oder irgendwo ge-
lesen; um sein Gedicht zu machen, brauchte er kein Buch auf-
zuschlagen.
Als er seine Neuerung, den Kunstgriff des Polydeukes und
die Begnadigung des Amykos, erzählen will, ruft er die Muse an:
eine Oed, av yäo otofta, iyoj d' evegeov vjioq)i}Ti)$
(pMy^oiiat ojg eM'/.eiq av xai öjtjmg toi (pilov aövfji,
dem bösen Pelias und dem Frevel der Feliaden nicht stimmt, also auch mit
der Argonautensage nichts zu tun hat, mufs dieses Leichenfest älter sein,
d. h. ein verschollenes Epos von ihm gehandelt haben, dessen Spuren in der
Lyrik und der bildenden Kunst reich sind; im 5. Jahrhundert existiert es
nicht mehr. Das schreckt mich nicht, und die Kritik, ich erfände alte Epen,
noch weniger. Es ist naiv, zu glauben, wir oder die Alexandriner kennten
alle, die es zu Anakreons oder Solons Zeit gab. Unsere mythographische
Tradition ist kümmerlich und schlecht ; das Beste ist der Kypseloskasten und
die korinthische Vase in Berlin; da fahrt ein Dioskur (Kastor auf der Vase,
Polydeukes auf dem Kasten) mit dem Wagen, siegt aber nicht; das wird
auch in dem Gedichte gestanden haben, das zwischen Stesichoros und Ibykos
strittig war, da die Pferde der Dioskuren erwähnt werden. Es ist wider-
sinnig, dafs sie nicht siegen. Auf dem Kasten war Herakles Kampfrichter;
der ist dann durch Mythographen zum Vorsitzenden von olympischen ä&lft
gemacht, Int ntXojn, wie Dionys von Halikarnafs 5, 17 berichtet, und in
diesen siegt nolvJfvxrjq 7nxrf tW, Pausan. V 8, 9. Das ist auch sekundär,
kann aber die echte Tradition der Leichenspiele fnl ntX(«i erhalten haben.
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Beilage: 5. Dioskuren.
also gerade die eigene Fiktion bezeichnet er als Inspiration der
Muse. Das ist einmal das freie Spiel der Erfindung, zu dem
Kallimachos sich im Hymnus an Zeus bekennt: ipevdoifjbrjv äiöwog
ä xev jiEJii&otev äxovriv, worauf er im Gegensatze zu Homer
als die Wahrheit verkündet, Zeus hätte den Himmel nicht durchs
Los erhalten, sondern durch seine Taten. Diese Wahrheit belegt
er nicht; er hätte aber Hesiod schon hier zitieren können, wie
kurz danach. Theokrit hält es offenbar mit den Musen des
Hesiod, die laxov ipbvöea noXXa Xiyeiv izvfiotaiv öjxoia.
Nun übt aber auch Apollonios nicht einmal, sondern mehr-
fach denselben Kunstgriff der Anrede. Zwar am Schlüsse seines
ProÖmiums sagt er nur nach Angabe seines Themas, das möchte
ich erzählen, fiovoat Ö' vjtoip^TOQeg ehv äoidyg (1, 22). Ich
schäme mich fast, zu sagen, dafs er damit bittet, die Musen
möchten ihm den Sang vorsagen, vTiayogevetv, vjtoßd?Miv; aber
es ist wirklich behauptet worden, man sollte es umdrehen, so
dafs die Musen auf das Wort des Dichters hin es weitersagten,
grammatisch ebenso ungeheuerlich wie inhaltlich. Aber 4, 1381
hat er das änlOavov zu erzählen, wie die Argonauten das Schiff
zwölf Tage lang auf den Schultern durch die Wüste getragen
haben; da hilft er sich so:
Movodcov ööe /xv&og, tyfo d' vaaxovög deiöco,
üiegldcov xai xi)v6e navatgexeg exlvov öpyip:
Noch alberner bittet er die Musen 4, 984 um Reverenz, als er
etwas Anstöfsiges zu berichten hat: l'Aare fiovoat, ovx iüilcov
hemo JiQotiQCOv enog. Das ist in allem das gerade Gegenteil
der Praxis des Kallimachos und Theokrit. Dieser Gegensatz
ist die Hauptsache: durch die Erfassung seiner poetischen Absicht
und seiner ästhetischen Überzeugung gelangen wir zu dem Ver-
ständnis des Kunstwerkes, zu dem des Künstlers und so zu dem
der Tendenzen und des Geschmackes seiner Zeit. Es bedarf
der Dioskuren nicht, um zu zeigen, dafs Theokrit den Apollonios
gelesen und abgelehnt hat; wenn das aber der Fall ist, dann
ist auch der Schlufs nicht nur erlaubt, sondern geboten: Theo-
krit erzählt eine Geschichte, die bei Apollonios steht, ganz
anders; er will sie also anders erzählen, tut sich ausdrücklich
darauf etwas zugute, dafs er nicht homerisiert, und er wendet
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Beilage: 6. Epigramm 4.
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eine Manier des Apollonios im genau entgegengesetzten Sinne
an: da hat er also den Apollonios treffen wollen, auch hier nicht
aus persönlicher Animosität, sondern indem der freie Künstler
gegen die unfreie Nachahmung protestierte.
Neun Disticha, das kann kaum ein hellenistisches Epigramm
sein. Was ist es dann? Schälen wir erst einmal den nackten
Gedanken heraus. "Ziegenhirt, biege da um, wo die Eichen
stehn, dann findest du einen dreibeinigen Priapos 1 ). Da setze
dich und bitte den Gott, er möge mir die Liebe zu Daphnis ab-
nehmen, dann soll er sofort einen schönen jungen Bock haben.
Will er nicht, so verspreche ich ihm ein Vollopfer, wenn ich
den Daphnis bekomme." Das ergibt die Stimmung des Dichters:
vergebliche Liebe quält ihn so, dafs er um des Gottes Hilfe
nachsucht, sie loszuwerden. Wenn er für den Fall der Ge-
währung dieser Bitte den Lohn genannt hat, so müfste für den .
Fall des Versagens eine Drohung stehn. Aber da schiebt sich
Tovde tvxtbv ein, und aus der Bitte um Befreiung von der Liebe
wird eine um Erfolg in ihr. Die Möglichkeit, dafs Priap alles
so läfst wie es ist, wird durch das verschobene Dilemma elimi-
niert, und die Differenz in dem versprochenen Opfer verrät,
wohin der Dichter eigentlich zielt. u Ich wollte ein Gott nähme
mir die Liebe aus dem Herzen; doch nein, wenn ein Gott inter-
venieren soll, dann lieber so, dafs meine Liebe ans Ziel kommt."
Gewifs könnte das ein Epigramm werden, in dem Sinne, wie
Asklepiades und Kallimachos solche kurzen Gefühlsäufserungen,
gerade auch mit überraschendem Umschlagen, in der Form der
alten Improvisation des Symposions gegeben haben. Aber hier
ist das mit anderen Motiven verquickt. Angeredet wird ein
alaökog; das ist ein Ersatz eines Eigennamens so gut wie in
Theokiits Komos; der allgemeine Hirtenname Daphnis ist dem
geliebten Knaben gegeben. Der Dichter mufs selbst ein Hirt
!) D. h. das hölzerne Bild geht unten nicht in einen dicken Pfahl über,
so zu sagen eine Herme, sondern steht auf einem dreibeinigen Bock.
6. Epigramm 4.
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Beilage: 6. Epigramm 4.
sein, denn er hat das Opfertier zur Verfügung: die ganze Bukolik
ist nichts als Einkleidung, wie bei den modernen Schäferdichtern
oder Anakreontikcrn, aber sie harmoniert mit dem Tone des
Gedichtes, dessen gröfsere Hälfte die Priaposstatue und ihre
liebliche Umgebung schildert, mit jener Anschaulichkeit und jener
Naturfreude, die nicht so sehr bukolisch wie Theokritisch ist.
Der Priap ist dQtiykvq)r)g , also das Heiligtum eben erst ge-
gründet. Man könnte denken, das Gedicht wäre durch diese
Stiftung hervorgerufen wie Poseidippos die Neugründungen des
Sostratos und Kallikrates in Alexandreia mit Epigrammen gefeiert
hat; aber diese Beziehung bleibt doch zu sehr im Hintergrund.
Dagegen scheint mit einem bestimmten Orte gerechnet zu sein:
dem Hirten wird der Weg genau angegeben und* sein Ziel genau
beschrieben. Damit tritt das Gedicht zu den wirklichen Auf-
schriften der Meilenzciger und Wegweiser, deren es seit Hip-
parchos viele gegeben hat. Das schöne Epigramm von Knidos
(Kaibel 781, dort einiges Verwandte) steht besonders nahe, denn
es steht auf einer Herme, dirigiert den Wanderer von der Strafsc
auf einen Nebenweg und verspricht ihm, was er dort finden soll :
ein Gymnasium, das ein gewisser Antigonos, Sohn des Epigonos,
mit seiner Frau gestiftet hat, durch Legat, denn er ist selbst dort
als cplXiog ijQcog, d. h. sein Grab ist dabei 3 ). Dafs das auf dem
Stein gefunden ist, garantiert uns, dafs wirklich sehr viele Ge-
] ) Es ist noch ganz unklar, wie sich der thrakische Gott, nach dem
die lampsakenische Stadt Priapos hiefs, von Lampsakos bald nach 300 überall-
hin verbreitet hat, so dafs die ithyphallischen Dämonen, die viclerorten ihre
Schnitzbilder hatten, in ihn aufgingen; sie waren vorher und werden noch
sonst einzeln auch äuf Dionysos bezogen, obwohl der nicht ithyphallisch ist;
auch Priap war ihm zunächst gleichgesetzt. Er erscheint zuerst als ansehn-
licher Gott in der Festprozession des Philadelphos Athen. 201c; da wird er
aber die würdige vollbekleidete Bildung gehabt haben, die wir aus Tompei
am besten kennen. Der Priap der Priapea ist er zuerst bei Theokrit. Die
Priapeen, die zu ihm stehen wie die Galliamben zu Attis, schafft erst Euphro-
nios unter Philopator. Man sollte diese Kreierung eines lebensfähigen Gottes
neben Sarapis nicht vergessen.
9 J Ich habe lange unter dem Eindruck von Useners glänzender Kom-
bination gestanden; aber die ruhige Interpretation kann beim besten Willen
den König von Makedonien nicht ertragen.
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Beilage: 6. Epigramm 4.
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dichte der Art dem praktischen dauernden Zwecke gedient haben,
obwohl sie aus der Freude über die frische Stiftung geboren sind
und auch literarisch verbreitet werden wollten, um diese aller Orten
bekannt zu machen. Ohne Frage setzt das Theokritische Gedicht
diese Gattung Epigramme voraus; es borgt von ihnen die Form;
aber dennoch gehört es nicht zu ihnen. Denn hier wird nicht
jedem Wanderer der Weg gewiesen, sondern ein bestimmter wird
des Weges geschickt zu einem bestimmten Zwecke. Auch die
Jahreszeit fixiert einen Moment: die Drosseln singen ihre
Frühlingslieder. Und es redet nicht der Wegweiser, sondern ein
verliebter Hirt.
So kreuzen sich verschiedene Motive, die wir gesondert
sehr wohl kennen; ein jedes reicht für sich aus, Gedichtchen zu
prägen, die alle zwar Spielarten des hellenistischen Epigramms
sind, in Wahrheit aber sehr verschiedene Wurzeln haben. Die
bukolische Farbe, die der individuellen Erotik gegeben wird, also
das was Theokritisch ist oder sein will, kommt dann noch hinzu:
sie ist es, die dem Ganzen die Einheit verleiht. Es ist wirklich
ein höchst anmutiges Produkt, viel ansprechender als Theo-
krits äolische jzeudixd. Natürlich setzt die Verschmelzung der
Motive voraus, dafs sie einzeln bereits bestanden; aber das
taten sie zu Theokrits Lebzeiten. Subjektiv glaube ich nicht,
dafs er's verfafst hat, möchte es vielmehr erst in das zweite
Jahrhundert setzen, aber wir wissen ja viel zu wenig, um zu
einem objektiven Urteile gelangen zu können.
Aber höher noch als der absolute Wert des Gedichtchens
steht der relative. Das Epigramm wächst sich zur Elegie aus,
nicht zu der der hellenischen Zeit, Solon, Mimnermos, oder zu
der Kallimacheischen, die wir in den AoyvQd und im 77Aoxa/iog
und in der Kvdinm) ganz wie die hellenische nahe beim Epos
stehen sehen, sondern zu der des Properz und Ovid. Aber
Artemidor stellte dies Gedicht immer noch unter die Epigramme.
Ich sollte meinen, für das Verständnis der Römer ergäbe sich
manches Beherzigenswerte. Andronicus und Ennius waren Schul-
meister; die übersetzten mit guter Einsicht die Standard tcorks
der damaligen gebildeten Gesellschaft; Ennius traf in deren
Bücherschränken auch Euhemeros Archestratos Sotades. Aber
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Beilage: 7. [Theokrit] 9.
Naevius schon und dann 'Plautus setzen an das wirklich gespielte
Repertoire der Gegenwart an, das des Tingeltangel neben dem des
Theaters. Die römische Beredsamkeit hat sich an der griechi-
schen von Asien, Athen, Rhodos gebildet, die römische Prosa
ist die Tochter der hellenistischen. Das erkennen wir immer
besser, so wenig wir auch von dem Vorbilde besitzen. Es gab
aber auch eine Poesie des Tages, bestimmt für die Rezitation
in thymelischen Agonen und für die Lektüre; und in ihr domi-
nierte das Epigramm, das man sich aber keineswegs blofs nach
den Umbildungen der Art des Leonidas und Kallimachos vor-
stellen darf. Es gab jene Bukolik des Bion und seiner Nach-
treter, Gedichte wie die Fischer; es gab die EQOvvXa schon von
Moschos. Man tut nicht gut, die römische Elegie immer blofs
an die gefeierten Namen der ersten hellenistischen Zeit anzu-
knüpfen, noch weniger diese sich nach dem römischen Modell zu
formieren. Von den Zeitgenossen, selbst von Parthenios, reden
die Römer nicht; aber sie setzen dennoch eine lebendige Praxis
fort. Das eben erklärte, bisher verachtete Gedicht stammt
wohl eher aus jener Praxis, denn von dem berühmten Dichter,
dessen Namen es trägt. Jedenfalls lehrt es, wie weit die Griechen
schon auf dem Wege von Kallimachos zu Properz waren. Dieser
relative Wert allein lohnt das Studium auch der geringen Nach-
fahren der Bukolik, die sehr tief unter sämtlichen römischen
Dichtern der Goldenen Zeit stehen und stehen müssen. Dies
'Epigramm' tut es nicht.
7. [Theokrit] 9.
Dies Gedicht hat .Vergil vielfach nachgeahmt'); man kann
nicht bestreiten, dafs er es an der Stelle und in der Gestalt ge-
lesen hat, wo und wie wir es lesen. Gleichwohl hat sich die
Ansicht ziemlich festgesetzt, es wäre ein Konglomerat aus Theo-
kritischen Bruchstücken und dem Kitte eines törichten Heraus-
gebers, und was man sonst für Geschichten erfunden hat. Die
Interpretation wird zeigen, dafs es bleiben mufs wie es ist und
') Die kritisch wichtige Stelle V. 2 ist oben S. 111 behandelt.
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Beilage: 7. [Theokrit] 9.
203
immer war, dafs es aber vom ersten bis letzten Verse herzlich
schlecht ist, wohl das schlechteste in der ganzen Sammlung.
Es beginnt damit, dafs der Redende den Daphnis, den her-
kömmlichen Hirtensänger, zum Wettsingen auffordert: auf den
kommt's ihm besonders an, daher bekommt der erst seine be-
sondere Aufforderung, dann auch der für den zweiten Platz aus-
ersehene Menalkas 1 ). Beide Personen gelten für bekannt, weil
der Verfasser sie sich aus dem jetzt vorhergehenden Gedichte 8
geborgt hat. Der Redende ist nicht bezeichnet: jtQOAoyi&t
vofievg Tic ö nal xQivijg sagt der Scholiast Ohne Einführung
folgt dann ein Lied von 8 Zeilen, dem ein gleichlanges respon-
dicrt. Beide sind verbunden durch den Vers "so sang mir
Daphnis, und so Menalkas". Der Vers ist sehr notwendig, sagt
auch das Notwendige; nur ist der Poet aus der Rolle gefallen,
denn er erzählt, während wir nach dem Anfange ßovxo?ud&o
Adqivi erwarten mufsten, dafs das Ganze mimisch gehalten wäre.
Daraus folgt nichts weiter als dafs der Poet die Fiktion nicht
durchzuführen verstand und aus der mimischen in die referierende
Form geriet. Vielleicht ist ihm das sogar bewufst gewesen, und
er hat sich die erforderlichen Eingangsverse geschenkt "ich war
einmal mit Daphnis und Menalkas auf der Weide, da sagte ich 1 ':
von solchem Referate konnte er in das Fortissimo seines Ein-
ganges nicht überspringen. Durchaus angemessen berichtet er
dann, was er den beiden Sängern als Lohn gegeben hat 8 ). Man
') ßovxoluitto J(t<fVf tv tf' wtdas «QX*v 7f(»«Toff, wiJ«? np«rof,
hfn}fua9to öi Alu'dXxai. Das soll die lebhafte und nachdrückliche Aufforde-
rung malen, gewaltsam uns in die Stimmung bringen. wäre besser
gewesen.
2 ) Freilich oW ttv toiog /utüfiäaajo i(xvtav tragt ein bedenklich pro-
saisches totos hinein; man soll sich erinnern, dafs der Zimmermann seit
Hesiod Typus des Handwerkneides ist. Die Scholien wundern sich bereits
darüber, dafs die Muschel, deren Fleisch für 5 Menschen reichte, bei den
Ikarischen Felsen gefangen sein soll; denn da Menalkas am Ätna wohnt, ist
doch wohl der Schauplatz des Gedichtes Sizilien. Dann ist die Konjektur
eines Gelehrten des 16. Jahrhunderts 'YxaQfatoiv allerdings ansprechend;
aber 'IxuQtttt nttQtti können sehr wohl ganz allgemein Felsen des Ikarischen
Meeres sein, ohne nähere Lokalisierung, und diesem Dichter ist der
Verstofs gegen die Einheit des Ortes zuzutrauen. Der Fallwind, der
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Beilage: 7. [Theokrit] 9.
nieint, nun wäre er fertig. Da hebt er von neuem an "Buko-
lische Musen seid mir gegrüfst und zeigt mir nun das Lied, das
ich einmal, als ich bei ihnen war, diesen Hirten gesungen habe."
Nach einem zugehörigen, später zu deutenden Verse folgt das
Lied in sechs Versen : man kann doch auch nicht verlangen, dafs
er bei einer beliebigen anderen Gelegenheit just ebensoviele
Verse gesungen haben sollte wie jetzt Daphnis und Menalkas.
Wenn die Musen bemüht werden, ihm das Lied, sein eigenes
altes Lied zu zeigen, (/alveiv, was kann das anders sein, als sie
sollen es ihm aus dem Dunkel, in das es ihm allmählich geraten
war, ans Licht hervorholen? In trivialer Prosa also "Dabei fällt
mir ein Lied ein, das ich einmal den beiden gesungen habe, und
das ich nun mitteilen will." Das mag man so abgeschmackt
finden wie man will, es ist das Mittel an den Wettgesang ein
eigenes Lied anzuknüpfen, und den Zweck erfüllt es.
Nun steht da noch der Vers iitjxiv' enl y/.coaaag äxQag
6?>oq)vyyöva (fvorjtg, "lasse dir auf der Zunge keine Blasen mehr
wachsen". Theokrit erwähnt 12, 24 den Glauben, dafs man vom
Lügen mitten auf der Stirn Pusteln bekäme; aber was auf der
Stirn Lügen bedeutet, braucht das nicht auch auf der Zunge zu
tun, obwohl bei uns gesagt wird, Blasen auf der Zunge kämen
davon, dafs man von dem Nächsten schlecht gesprochen hätte.
Die Scholien sagen denn auch (neben einer auf Vermischung
mit 12 beruhenden oder ganz erträumten Erklärung, yivevcu
rolg fitjötv aQäyfia ev?.oyov y.nivovai), dafs die Weiber zu dem,
der Blasen auf der Zunge hat, sagen anoTsfteiodv aoi fieglda
ovx (medcoxag: u du hast einen bei dir hinterlegten Anteil
nicht abgegeben", vermutlich zuerst von dem gesagt, der eine
Portion Opferfleisch für einen andern mitbekommen und selbst
aufgegessen hat. Das konnten sie sich nicht ausdenken, zumal
sie gar nicht gemerkt haben, wie gut es pafste. Denn wenn der
Dichter vor langer Zeit ein Gedicht, eine Musengabe, verborgen
hatte, nicht publiziert, so mochten ihm wohl Blasen davon
wachsen: das verhaltene Lied wollte aus dem Halse und Munde
heraus. Indem er es jetzt mitteilt, löst er seine Schuld ein,
die Rinder vom Felsen stürzt, ist eine Eigentümlichkeit des Ägäischen
Meeres.
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Beilage: 7. [Theokrit] 9.
205
und dafs er es kann, dazu ruft er die Töchter der Mnemosyne,
oder anders geredet, "Dabei fälllt mir ein alter Vers von mir
ein, den ich schon längst hätte mitteilen sollen". Der Gedanke
ist also so gut oder schlecht wie alles; nur die Form, diezweite
Person, p/xra yvoqig ist noch befremdend, da er es ist, der
die Blasen hat; weswegen auch Gräfe qvoco gebessert hat, das
ich annehmen würde, wenn es nicht leichter und besser ginge.
Gewifs könnten wir ein Sprichwort in zweiter Person sehr gut
anführen, auch wenn es sich, wie hier, an uns selbst richtete;
man denke einen Spruch, "du sollst nicht stehlen", einen Vers
"du glaubst zu schieben", ein Sprichwort, "dafs du die Nase
ins Gesicht behältst". Aber nicht könnten wir etwas zufügen,
wie es hier durch firjxevi geschieht. Dies aber ist gerade wichtig,
da es uns am deutlichsten sagt, bisher wäre geschehen, was die
Blasen hervorruft. Also ist die zweite Person aus der Form
des Sprichwortes eingedrungen, zu ändern, aber ist bei einer
Überlieferung, wie wir sie haben, so gut wie nichts, nur (pvct)i
an Stelle von yvorjig oder (pvorjq. Das Subjekt ist dann cotöd,
und das verhaltene Gedicht wird sehr gut als Urheber der Krank-
heit bezeichnet.
Gegen den Aufbau des Gedichtes ist also nichts zu sagen;
sehen wir uns nun erst näher an, was der Dichter und Hirt
den von ihm zum Singen Gedungenen zugleich für Aufträge gibt.
"Lafst die Kälber zu den Kühen, die Stiere zu den Färsen, sie
sollen zusammen weiden und in dem Walde schweifen, ohne
Unfug zu treiben." Offenbar hat er sich eingebildet, wenn jeder
zu dem käme, zu dem er wollte, so würden sie Ruhe halten.
Das ist freilich etwas wenig Sachverstand. Die Stiere, die an
das Jungvieh herankommen, werden schönen Unfug treiben.
Unser Poet ist so sehr Stadtkind, dafs er gar die Stiere vjiö
aveiomaiv vyltjoi, weil er das von den Kälbern gesagt hat, die
unter die Mutter zum Saugen treten. Zu helfen ist ihm nicht,
obgleich die Schulmeister mit dem schönen Kunstwortc Zeugina
zu Hilfe kommen werden. Auch im Zeugma ist es weder natür-
lich noch beruhigeud, wenn die Kuh auf dem Stier zu sitzen
kommt; aber bei den Porzcllantieren der Pastorale schadet es
nichts; ist's nicht natürlich, um so idyllischer.
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Beilage: 7. [Theokrit] 9.
Vielleicht haben diejenigen doch recht, die einen Flickpoeten
für den Rahmen des Gedichtes verantwortlich machen, aber die
drei Lieder oder doch die beiden ersten so schön finden, dafs
sie nur von Theokrit sein könnten. Sehen wir sie an, zuerst
das letzte, das des Dichters "Der Heuschreck liebt die Heu-
schreckin" — sagen wir einmal so für rivnl um an unser Scherz-
lied Anschlufs zu finden; "die Ameise die Ameise, die Habichte
die Habichte". Wenn das überhaupt Sinn hat, so besagt es nur,
dafs jede Gattung sich zu ihresgleichen hält. Dafür sind die
Tiere aber recht übel gewählt, zumal der Habicht gar nicht paar-
weise oder in Scharen auftritt; xokoiöq novi y.o?.oiov, das trifft
zu. Mit diesen bedenklichen Vergleichen aus dem Tierreich
parallelisiert er "mir aber ist die Muse und Gesang Heb" d Molaa
xai ihiöd, der Artikel bezeichnet seine, die bukolische Muse, die
samt ihrem Gesang wie durch Norwendigkcit zu ihm gehört.
" Von Liedern kann ich gar nicht genug kriegen, und Poesie ist
das wahre fuolv'\ was dann ganz artig ausgeführt wird, soweit
die verdorbenen Worte Sicherheit gestatten 1 ). Das Ganze ist
also im Grunde nichts als der Ausdruck, "ich bin ein passionierter
Verehrer der Bukolik; daher lasse ich mir auch die besten
Hirten etwas vorsingen und belohne sie fürstlich dafür". Gcwifs
alles ziemlich schief, aber nachdenken kann man dem Manne.
Sehr viel schiefer wäre dieses Lied als Schlufsstrophe eines
Sammlers Theokritischer Gedichte und Gedichtbruchstücke.
Sehen wir uns an, was Theokrit durchaus gemacht haben
soll, das Lied des Daphnis "Süfs brüllt das Kalb, süfs brüllt die
') ovte vnvos ovi' tan t$anlva$ yXvxiQÜtt iqov haben auch die Scholien.
t San trat ist elend genug; l^ytaCvais von Heinsius ist gewifs verlockend.
Aber es ist wahr, dafs der Reiz des ersten vollen Frühlingstages darin liegt,
dafs er jedes Jahr wieder durch sein Erscheinen überrascht, und die Ein-
mischung eines Nebenzuges, der eigentlich stört, ist 13 und 21 ebenso an-
zuerkennen. In der Schlufszeile haben die Scholien o'Cs f*lv 6q(opti, yct&tvow,
lovs «!' ovii, nöittit J«A»j<raro KfQxa, mit der Erklärung, die itfiovaoi sind
i-wtTf*?. Das ist doch wohl zu hart, und Valckenaer hat mit y«9tvaai das
Echte getroffen, dessen Korruptel die weiteren Entstellungen nach sich zog.
Bedenklich macht mich etwas, dafs yti&m>, zumal im Partizip, für xafQtw
ungebräuchlich ist. Je schlechter der Poet ist, desto schwerer ist zu sagen,
was ihm nicht zugetraut werden darf.
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Beilage: 7. [Theokrit] 9.
207
Kuh"; man möchte gleich fortfahren, "sie sagen alle beide Muh".
Was sagen sie anders? Wem brüllen sie wohl süfs? So süfs,
dafs er fortfahren kann "süfs die Schalmei und der Rinderhirt
und auch ich". Das Ganze soll also eine Steigerung sein; der
Salonbukoliker hat seinem Daphnis zugetraut, der raüfste doch
das Gebrüll schön finden, das ihm selber unausstehlich ist; er
selber gibt sich ja auch mit dem Rindvieh nicht ab. Aber der
wirkliche Hirt versteht zwar, was die Sprache seiner Tiere sagen
will, ob sie saufen wollen oder das Kalb suchen, aber ihm ist
der Gedanke unfafsbar, dafs Rindergebrüll als solches schön oder
häfslich klänge. Eine Mutter wird gern dem Rufe ihres Kleinen
horchen, vielleicht auch ein Vater; aber Kindergeschrei als
solches schön finden wird höchstens die Mutter in einem Alt-
jungferroman. Hier greifen wir die unwahre, angequälte Bukolik
um so sicherer mit den Händen, als wir ihre Vorlage haben.
Der Daphnis des achten Gedichtes ist ein Knabe, für den die
Liebe noch eine geschlossene Knospe ist. Er schwärmt die
schöne Nais an: wenn sie an die Herde herantritt, ist's als
blinkte ein. Frühlingstag. Aber noch ist er in der Zeit des
süfsen Tiäumens, und das Köstlichste ist ihm, den gleichaltrigen
Freund im Arme über das weite Meer hinzublicken. Daher hat
er die Augen niedergeschlagen, als ihn ein keckes Mädchen
anrief: für ihn brüllt die Färse schön, und riecht sie schön und
schön ist der Schlaf auf der Alm in der Sommernacht: er ge-
hört noch ganz zu seiner Herde. Das hat im Gegensatz seinen
Reiz, echten und hohen Reiz, und der Dichter, der ein Dichter
ist, erzählt uns am Schlufs "kaum war der Knabe ein Mann, so
bekam er seine Nais". Hier steckt eine Feinheit in der Erotik,
die weit über Theokrit geht, der nur lieben konnte, öaov stagog
afyeg Iqolvtcu oder sich unerquicklich mit den jzaidixä abquälte;
die Bukolik ist Folie. Und dann kommt der Nachahmer, der
fühlt gar nichts und versteht gar nichts, aber bildet sich ein,
wenn er die Typen und die Formeln variierte, so käme ein Ge-
dicht heraus. Und dann kommen die Kritiker, die auch meinen,
zur Kritik der Poesie reichte es hin, von den Typen und Formeln
etwas zu verstehen. Ich sehe voraus, dafs sie sagen werden,
ich trüge Fremdes in das achte Gedicht hinein; ich kenne das.
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208 Beilage: 7. [Theokrit] 9.
Es geht natürlich im selben Stile weiter. "Ich habe am
kühlen Born eine Streu, darauf sind gehäuft die Felle von weifsen
Färsen, die mir alle der Südwind von der Klippe geworfen hat.
Um die Sommerhitze kümmere ich mich nicht mehr als in der
Verliebtheit um die Vorstellungen der Eltern." Im Sommer sich
an eine kühle Quelle legen, das ist gewifs behaglich; aber wer
sich einen Pack Rinderfelle unterlegt, ist ein Narr, der die
schöne Quelle und den kühlen Rasen nicht verdient, mögen es
auch Felle von lauter schlohweifsen Kühen gewesen sein, und
mag sie auch der Wind von der Klippe geworfen haben, gerade
als sie Arbutus frafsen 1 ). Der Herr Dichter sang zwar von
oTißäg, aber er setzte sich nicht auf den blofsen Rasen, sondern
legte Teppiche unter; daher macht es sein Daphnis ähnlich. Be-
sagter Daphnis findet zwar das Muh der Kühe entzückend, aber
dafs ihm der Wind eine Anzahl umbringt, geht ihm nicht nahe:
die Felle bieten eine so schöne Unterlage beim Sitzen. Ob er
aber wirklich die Hitze nicht gespürt hat, darf man wohl be-
zweifeln.
Menalkas ist entweder ein grofser Renommist oder ein so
reicher Mann, dafs man nicht begreift, wie er bei einem Troglo-
dytendasein verharrt. Er rühmt sich in einer Höhle des Ätna
zu wohnen, und da er fabelhafte Herden von Schafen und Ziegen
besäfse, könnte er sich ein weiches Bett machen, Kaidaunen
kochen und Eicheln rösten: denn um den Winter kümmerte er
sich so wenig wie ein Zahnloser nach Nüssen griffe, solange er
Semmel hätte. Das Ganze ist besser, weil es ein Bild gibt, aber
freilich ein Bild, dessen Realität niemand glauben kann. Dieser
Menalkas ist von der Realität des Hirten bei Nemesianus, der
sich rühmt scis nulle iuvencas esse mihi (2, 35), ein Mann von
der Lebensstellung des Horazischen Grosphus te greges centum
l ) Die Herren Kritiker haben die Stärke des Windes beanstandet; denn
im Hereich ihrer Erfahrung blies er keine Kuh in den Graben. Wenn sie
sich über den Meltem auf den Kykladen unterrichtet hätten, aus Buchern
und Erzählungen wenigstens wie ich, so würden sie darin dem Dichter den
Glauben nicht versagt haben. Aber der Meltem ist der Boreas; ob der Süd-
wind wirklich auch die Kraft hat? Theophrast in dem reichen Büchlein
über die Winde 51 sagt, dafs er um Knidos und Rhodos besonders stark sei.
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Beilage: 8. Lenai.
20<>
Skulaeque circum mnyiunt vaccae (2, 16, 33): solche Leute wohnen
nicht in Höhlen und schmoren sich keine Kaidaunen.
Ich verzichte auf eine Kritik der Vergleichungen, zumal des
Zahnlosen; es reicht wohl auch so. Das Gedicht soll bleiben
wie es ist, aber es ist ganz erbärmlich von Anfang bis Ende,
eine ganz dumme Imitation nicht so sehr des Theokrit als des
achten Gedichtes. Der Verfasser hatte von dem wirklichen
Hirtenleben, besser vom Leben überhaupt keine Ahnung. Alle
seine Bilder sind nicht gesehen, seine Stimmung ist nicht gefühlt,
seine Vergleichungen sind gesucht und geziert. Aber mit den
Verschen bimmeln kann er, Klangwirkungen herausbringen, und
für neurasthenische Stadtmenschen wie er lieferte er jenes Sur-
rogat von Poesie, das auch heute bei dieser herrschenden
Menschenklasse Bewunderung findet.
8. Lenai.
Dies ist der Titel; in D steht die Glosse ßdx%ai noch ohne
Verbindung; Musuros hat rj zwischengeschoben und das hat sich
unbegreiflicherweise bisher behauptet. Es ist ein sehr gesuchtes
glossematisches Wort 1 ), das in dem Gedichte selbst keinen An-
halt hat. Um so sicherer rührt es von dem Verfasser her, und
jeder Gedanke, das wäre ein Hymnus auf irgend wen fällt von
selbst dahin. Eustathios führt das Gedicht mit dem Autornamen
Theokrit an, den ihm auch Musuros gegeben hat. Er bringt zu
H 463 eine Variante ägva fia/.tfv zu Ilias (er sagt Odyssee)
X310 (ägv' äiiah)v) y die wir sonst nicht kennen, öftev xal
Jiagä SeoxqIvcoi fia?.ojzdQr)iog t) äszaXojidQt}io£ y xal ^lakegög etc.
Das kann freilich mit der Etymologie entlehnt sein, aber es
ist nicht wahrscheinlich, da es einen Verstofs gegen die Quan-
tität in sich schliefst.
Das Gedicht zerfällt in drei Teile. 1—26 erzählt den Tod
*
') Hesych Xfjvai ßdxxai 'AQxdÖfg. Schol. Clemens Protr. 26, 9 St. Strabon
X 4G8 aus Apollodor. Bei Kallixeiuos (Athen. V 198 c) habe ich es hergestellt.
At]vtk heifst Dionysos auf Mykonos, kmvtt&tv von orgastischem Kult wie
fiitdta&at bei Herakleitos und aus dem bei andern, z. II. Clemens hat es
direkt aus ihm.
l'hüolog. Unterauohougen. XVUI. 14
210
Beilage: 8. Lenai.
des Pentheus durch die drei Kadmostöchter kurz, aber so dafs
auf die frommen Handlungen der Heroinen Gewicht gelegt und
die Gräfslichkeit des Mordes nicht verschleiert wird. 27 — 31
äufsert der Dichter seine Beurteilung der Tat. 33—38 ist ein
Schlufs, der zuerst an die Homerischen Hymnen erinnert
yaigoi fikv Aiövvaog, bv ev AQaxdvcoi vKpöevtt
Zevg vjzaTog fieydXav imyovvlöa xarftero kvoag,
yalQov ö' sveiöris lefiika xai äöelyeai avtäg
KaöfXBlai noWmg fufie?.r)fiipcu ygcolvai.
Da von Dionysos und Semele nur als dem Gegenstande des
Kultes der Kadmostöchter (ganz wider die herkömmliche Sage)
die Rede war, heifst das "ich grüfse die Kadmostöchter ebenso
als göttergleiche Wesen wie ihre vergötterten Verwandten". Die
Parataxe richtig aufzufassen ist sehr oft der Schlüssel des Ver-
ständnisses. Wenn dies ein Hymnus wäre, so wäre es einer auf
die Schwestern Semeies, die niemals göttliche Ehre erfahren
haben; dieser Dichter freilich möchte sie ihnen zuerkennen und
hat auch die Geschichte zu dem Behufe geändert. Aber dann
ist es eben kein Gedicht für den Kultus. Dionysos ist hier von
Zeus auf dem "schneeigen Drakanon" geboren, also auf einem
hohen Götterberge. Dieser Dichter hat auf keinen Fall an das
koische Vorgebirge Agdxavov gedacht, und an das ikarische
Aodxovov oder Agdxavov auch nicht 1 ). Er nimmt den gelehrten
J ) Strab. 639 steht jQaxavov; so auch bei Euphorion Anth. Pal. 7, 651.
jQnxttvtov Hesych. Aber Stephanas hat bei Strabon J^x'txovov gelesen und
so hat Nonnos 9, 16 von dem Orte, wo Zeus den Dionysos gebar, den er geo-
graphisch nicht bestimmt. $Q<nnvov 'Sichel' haben die Griechen öfter eine
Halbinsel genaunt; aber das klingt wohl nur zufällig an einen karischen
Namen an : /fQaxövios Mvxövwg sagt Stephanus. In dem Homerischen zweiten
Dionysoshymnus wird Drakanon neben Ikaros, Naxos, Elis, Theben als ein
Ort genannt, an welchen die Menschen fälschlich die Geburt des Gottes von
Semele verlegten; in Wahrheit habe ihn Zeus in dem arabischen Nysa ge-
boren, vermutlich ohne Beteiligung einer Matter. Wenn die Überlieferung
richtig ist, mufs Drakanon von Ikaros gesondert sein. Wir müfsten dann diesen
Ort nicht kennen; aber dafs jener Dichter eine bestimmte seinen Hörern be-
kannte Angabe machte, ist klar, und man ist versucht zu schreiben oV p(r
y«Q jQnxnvbJi at tv 'IxnQtot iirtftotaatjt (für ui J' 7.).
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Beilage: 8. Lenai.
21]
Namen aus der Tradition, ohne dafs er mehr besagte als Nysa
besagen würde 1 ).
Sehr bedeutungsvoll sind die Schlufszeilen
al rode Soyov ege^av OQivavvog Atovvaov
ovx ijiificofiavöv ' fifjöelg vd decov övöaaivo.
Sie schärfen ein, dafs die fürchterliche Zerfleischung des Pentheus
keinen Vorwurf verdiente: damit ist zugestanden, dafs man sie
zunächst tadeln wird. In diesem Gedankenkreise bewegt sich
der zweite Teil, der den Untergang des Pentheus beleuchtet.
ovx äleyco, ßrjd' äXkog äjiey ¥ v x o t u£v(i) Atovvocoi
(pQovvl^ot, fiijö' ei ya?,6JtcbTSQa vowöe fxoyrjocu 2 ),
elf] <5' kvvaivr^g i] xai dexatco emßalvoi.
30 avrög d' evayioifii xai evayeeooiv äöoi/M'
ix Atög alyiö%(o vipäv eysi ahvög ovveog.
etioeßkov nalöeooi tä ).(bia, dvooeßecav ö' ov.
Die Tat der Kadmeerinnen war gut; man darf mit dem Frevler
kein Mitleid haben. Das ist dem Dichter die Hauptsache. Nun
sagt er aber nicht nur "alle Welt soll sich so wenig wie ich
um jemanden kümmern, den Dionysos hafst", sondern fügt mit
"selbst wenn er neun bis zehn Jahre alt ist", eine Beziehung hinzu,
die wir nicht verstehen, die aber den Hörern durch die sehr genaue
Altersangabe, die nichts Formelhaftes an sich hat, verständlich sein
sollte und vermutlich auch verständlich war. Es ist einfach
absurd, den Vers zu ändern, bis er irgend etwas Triviales sagt,
oder gar ihn auszuwerfen. Ist denn im Ernste zu glauben, dafs
Theokrit oder ein noch späterer Dichter sich über die Schuld
oder Unschuld der Kadmeerinnen aufgeregt hätte? Ist die
Heldensage ihnen mehr als Spiel oder Exempel? Für die Heroinen
machte niemand mehr ein solches Gedicht, sondern nur für das
*) Der Dichter verlegt die zweite Geburt des Gottes nach Drakanon,
ebenso Nonnos, weil sie die erste nach Theben verlegen. Das ist in dem
Homerischen Hymnus anders, einem Gedichte, das Antimachos benutzt hat,
der Nysa auch nach Arabien verlegt. Die Lenai zeigen keine Beziehung zu
dem Homerischen Hymnus, was auch nicht zu erwarten war.
2 ) Dafs Bergk das überlieferte (int/doutmi, Ahrens das rwi-J' f^äytjat
richtig geändert hat, erfordert kein Wort weiter. Es ist übel, dafs man
hinterher anderes versucht hat.
14*
212
Beilage: 8. Lenai.
was sich in ihrer Geschichte spiegelte. Doch hören wir eist
weiter. "Ich möchte selbst evayijg sein und den eöayelg ge-
fallen", was er offenbar tut, wenn er mit dein Sünder kein Mit-
leid hat. svayris ist öoiog xa&agög Evoeßi)g; das kommt nur
den Menschen zu, nicht den Göttern, aufser #ot/?og, der von
sich bei Euripides sagt, öalov yäg ävögög öoiog wv itvyxavov,
und der bei Kallimachos (4, 98) sagt, er wolle nicht in Theben,
der Stadt der Sünderin Niobe geboren werden, evayecov de xai
evayeeaai neXoifirjv^). Also wenn unser Dichter sagt, er wolle
denen, die evayelg sind, gefallen, so sind das die Kadmostöchter,
denen er am Schlüsse huldigt; ihnen empfiehlt er sich und
attestiert ihnen die Reinheit, gerade weil sie einen entsetzlichen
Mord begangen haben. Im nächsten Verse schreibt man seit
Scaliger owoc und erklärt aietög =■ oicovög, und dies wieder
soll 'Losung' sein, so dafs gemeint wäre "dieser Spruch wird
von Gott selbst garantiert". Das ist alles kein Griechisch.
vifiäv syst, tijiävai kann nicht sein iyxoivEvai, probatw; xifii) ist
immer etwas was der n^tofiEPog bekommt; was bekommt denn
ein Spruch? Und was soll elg oicovög ägiovog: das kann Hektor
doch nur sagen, weil eben ein wirklicher Vogel geflogen ist, um
den er sich nicht kümmert. Und wer beweist, dafs ahvög für
oicovög stehen konnte? Versuchen wir es also mit der Über-
lieferung. "So, also EJieiöij evayi)g ion xai EvayEEootv eaÖEv,
hat der Adler von Zeus Ehre." Die Ehre hat er; er ist der
Vogel des Zeus, und daher auch das Tier der Könige. Ist er
auch euaytlg? Die alte Geschichte, dafs er zuerst dem Zeus
(als oicovög vixrjcpÖQog) entgegenflog, als dieser in den Titancn-
') So lange ich mich unter die Vulgata ainoi ovios beugte, ging ich
davon aus, dafs der Dichter von einem Spruche redete, der von Zeus sank-
tioniert war, also den er anderswoher nahm. Dann lag es nahe, die Vorlage
bei Kallimachos zu suchen. Das fällt nun fort, war aber immer ein Fehl-
schlufs, weil bei Kallimachos Apollon, nicht Zeus spricht. Kallimachos von
dem angeblichen Theokrit abzuleiten war noch viel verkehrter: bei ihm
könnte eine Nachahmung nicht gedacht weiden, ohne dafs sie einen Zweck
hätte, also bemerkt werden sollte. Das läfst sich gar nicht ausdenken. Un-
bewufste Anlehnung an ein berühmtes älteres Gedicht ist bei einem Nach-
ahmer natürlich sehr wohl denkbar, und die halte ich noch für wahrscheinlich.
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Rdlage: 8. Lenai.
213
kämpf aufbrach 1 ), und daher das Tier des Zeus ward, ist nur
ein altiov für die r</<//, nicht für die evaeßeia. Aber es gibt
in den Vergilscholien auch die Fassung, dafs Aetos ein voll-
kommen schöner erdgeborener Knabe war, der als erster dem
Knaben Zeus gehuldigt hatte: da haben wir auch die svaißeta 2 ).
Einem hellenistischen Dichter steht die Anspielung auf eine für
uns entlegene Geschichte so gut an wie die Schenkelgeburt des
Dionysos auf dem Schneeberge Drakanon. Es ist ganz höfisch,
aber auch sehr elegant, dafs sich der Dichter mit einem Aetos
vergleicht; diejenigen, quibus se in officium dedit (mit dem
Scholiasten zu sprechen), sind die evayelg, die zugleich den
Mördern des Penthcus entsprechen: sie werden mit dem Zeus
parallelisiert, der sich die Herrschalt erkämpft. "Das Geschlecht
der Frommen erhält das Gute, nicht das der Unfrommen" ist
die Schlufssentenz; nalöeg darf man in solcher Wendung nicht
pressen; auf Pentheus liefse es sich sonst gar nicht anwenden.
Aber der Dichter denkt wohl kaum noch an das Exempel, sondern
an den realen Gegensatz, für den er in der Pentheussage ein
Bild gefunden hat. Uns ist alles nur in allgemeinem Umrisse
verständlich; nur das neunjährige Kind wies einen bestimmten Weg,
es reicht aber hin, sich den Anlafs des Gedichtes vorzustellen. Ein
Kind ist umgebracht worden; seine Mörder oder Mörderinnen finden
trotz ihres Erfolges feindselige Beurteilung: daher bekennt der
Dichter sich zu ihrer Partei und rühmt ihre Tat als Gott wohlgefällig.
Es ist mifslich, so etwas hinzustellen ohne die historischen
Tatsachen zu zeigen, deren Reflex das Gedicht ist. Ich habe
auch viele Jahre lang gewartet, ob ich sie nicht doch in der
Geschichte fände. Der Hof der späteren Scleukiden, der bithy-
nischen Fürsten, das epirotische Haus sind voll genug von
Greueln, manches unschuldige Kind ist hingemordet, manche
weibliche Hand hat sich mit Blut befleckt. Aber unsere Kenntnis
des Details, das allein Sicherheit geben könnte, ist zu gering,
Agiaosthencs in den Eratosthenischen Katasterisraen 30: die Ver-
stirnung ist, wie so oft in dieser Tradition, Znsatz.
*) Das steht in den reicheren Scholien zu Verg. Aen. I 394; es stammt
nicht aus den Katasterismen, sondern aus der Gelehrsamkeit, deren Nieder-
schlag in den Homerscholien Sl 293 steht.
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214
Beilage: 8. Lenai.
und das Gedicht fordert nicht einmal unbedingt, dafs das Opfer
ein Königskind war. Die lästerliche Gesinnung des Dichters
pafst ganz in die spätere hellenistische Zeit, der das Gefühl für
Mitleid fast gänzlich abgeht. Selbst ein Polybios kann berichten,
wie der syrische Minister Henneias getötet wird und die Weiber
und Kinder von Apamea seine Frau und seine Kinder umbringen,
und kann urteilen ovöe^iav vjiooyoyv d^iav tificoQiav uov avtcoi
,"i£jtQayf.iiv(ov (5, 56). Ich unterdrücke eine Anzahl ähnlicher
Wendungen. Wer die historische Literatur kennt, bedarf keiner
Zitate.
Die Pentheusgeschichte ist nur Folie; danach ist sie be-
handelt. Sie war seit dem 5. Jahrhundert so vielfach dargestellt,
dafs es müfsig ist, nach einer Vorlage zu suchen oder dieses
geringe Gedicht als Vorlage späterer anzusehen. Durch Euri-
pides stand es fest, dafs die eigne Mutter die Tat begangen
hätte, also die Kadmostöchter, während vor ihm, wie die bildende
Kunst zeigt, den Mörderinnen auch gauz andere Namen, beliebige
Mänadennamen, beigelegt 1 ) werden konnten. Dafs selbst die
Dreizahl nicht die Kadmostöchter fordert, lehrt das Gemälde der
Casa dei Vetti, auf dem die jugendliche Bildung der Mänaden
mindestens Agaue ausschliefst. Und doch ist die Art des Mordes
offenbar dieselbe wie bei Euripides und hier. Die wird also älter
als Euripides sein. So erscheint es auch einfacher, dafs Pentheus
sich in einem Busche verbirgt, als dafs er auf einen Baum
klettert, den die Bakchen erst umreifsen müssen. Diesen Zug
hat Euripides zugefügt, damit sein Protagonist, der Gott, auch
etwas zu tun bekäme. In all dem wird also der Dichter der
Lenai irgend eine zum Teil altertümlichere Tradition befolgen;
ein Buch braucht er nicht aufgeschlagen zu haben. Dagegen,
dafs er den Gottesdienst ausführlich beschreibt, die Schwestern
der Semele also wider alle alte Sage und allen alten Sinn als
gläubige Bakchen einführt, entspricht seiner besonderen Tendenz:
das wird er also erfunden haben. Da die drei Namen gegeben
waren, so ergaben sich drei Chöre und drei oder, wenns be-
liebte, dreimal drei Altäre von selbst. Da ist keine besondere
») Archäol. Jahrb. VII T. 5. r«b}vr).
Beilage: S. Lenai. 215
Mystik verborgen. Dafs die Altäre aus frischgepflücktem Laub-
werk bestehen, so dafs sie zertreten werden können, mag der
Übung entsprechen, wie der Dichter sie kannte, ebenso wie die
Cista mystica. Es ist das alles nicht merkwürdig 1 ).
Ob das anonyme Gedicht von uns dem Theokrit beigelegt
werden soll, wie von Eustathios und Musuros, will ich ganz un-
abhängig von sciaer Deutung erörtern. Ich erkläre aber, dafs
ich ihm ein solches Tendenzgedicht zur Entschuldigung eines
Verbrechens nicht zutraue; er hat nicht in der grofsen Welt
gelebt und ist daher von solchem Kontagium freigeblieben. Das
Gedicht ist nicht von ihm, weil es schon formell in jeder Be-
ziehung mit Ausnahme des korrekten Versbaues 2 ) zu schlecht
für ihn ist.
Ganz allein entscheidet schon der Mangel des Enjambements.
Die oben ausgeschriebenen Verse zeigen die Technik dieses Dichters
genügend, ich setze aber noch einige aus der Erzählung her:
fialveto fiiv ft' avva, fiaivovvo d' oq' evdv xai älkat.
Ilevfrcvg fiep yevysv Jte(poßr)fievog, dt <5' eöicoxov
nsaXcog ix ^coavfjQog ig iyvvav iQvaaaai.
Hevfrevg fiev röd' eeute "vivog xiy ¥ Qr)od'e yvvalxeg;"
Avvovöa vöö' eeute u %6.%a yvcbarji jzqiv dxovaai."
fcdvrjQ fiiv xscpaläv iivxr^oavo ncuöög elolaa.
Ich habe oben S.139 die Partieen des Theokrit herausgehoben,
in denen er bewufst das Enjambement meidet; ich will auch an
Kallimacheische Kunst mahnen, die mit diesem Mittel im
Demeterhymnus prachtvoll den verschiedenen Ton der Teile zu
unterscheiden weifs. Hier ist es Monotonie, Technik der Zeit
des Bion, die tief von der Kunst der Meister gesunken ist. Ja,
l ) Auf die Inschrift von Magnesia 215 einzugeben sehe ich keine Ver-
anlassung, da sie mit den Lenai oder den Kadmostöchtern gar nicht* zu
tun hat.
») Vermieden ist nicht Worteinschnitt nach der fünften Hebung bei
fehlender weiblicher Zäsur, und sogar mit Spondeus im vierten Fufse 29. 38.
Von den allerfeinsten Gedichten ist der Abstand also auch wahrnehmbar.
Das Monosyllabon am Schlüsse von 32 ist durch die Elision gemildert, macht
auch kräftige Wirkung, so dafs man es auch als Ausnahme loben mufs.
4 unlfj yäg ist ein Wort.
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Beilage: 8. Lenai.
es ist Stümperei, denn es kommen die Asyndeta hinzu, die nur
berechtigt wären, wenn solche Gruppen abgesetzt wären, wie wir
oben gesehen haben. Ich habe eine solche Gliederung hier ver-
sucht, aber es ist vergeblich. Absicht ist es natürlich, aber eben
darum kann der Dichter nicht Theokrit sein. Es ist eine Er-
zählung, der fortwährend der Atem ausgeht. Und dabei ist die
Häufung von f.Uv, dazu das Homerische per re blofs um des
Versinafscs willen, das auch nur so motivierte ö' aga, gar wo
man Diärese wünschte, ein Füllsel wie vdd' eeuze, alles für die
Kunst des Dichters wenig empfehlend. Der Dorismus ist nur
ein dünner Lack: nirgend mehr etwas wirklich Dorisches. Der
Tempusgebrauch ist mindestens V. 14 anstöfsig: notwendig fordern
wir den Aorist, wenn die Bakchen nicht schon vor dem Eindringen
des Profanen rasend gewesen sein sollen.
Ganz besonders bezeichnend ist der Wortgebrauch. 22 (bfio-
nXdvij: welcher Dichter hat das je gebraucht? 18 rivog x&XQV"
o#£, das hellenistische xgelav lyEXE, in älterer Poesie zQrji£ste.
Herakles 35 rivog xe%Qt)fiivos eihfiovOag; gewifs ist das nicht
unkorrekt, aber man horcht doch auf wie bei etwas Fremdem,
i) ihg Etiv/Adosi Aiövvoog, sonst unbelegte Bildung von &vfidQr)$,
die schwerlich gleich evÖ6xy}oe sein könnte. 20 pafst iwxao&ai
trotz der Vergleichung mit der Löwin schlecht für eine Frau:
Theokrit (Diosk. 75) bezeichnet so den tiefen Ton einer Muschel,
auf der der Unhold Amykos bläst. 32 rd /.ona ist inkorrekt für
Xcbiova, aber in geringer Poesie belegt, vgl. Her. IP 34. 1 1 heilst
der Busch, in den sich Pentheus verkriecht, egvog: das pafst
schlecht zu äviÖQafXEv eqve'i loog. 34 /LieydXr)v emyovvlöa ?»voag.
Zeus löst die Naht, von /.v&t $dfi/ia kommt difrvoafißog; das
Schenkelfleisch kann er nicht lösen. Das sind keine guten
Katachresen. Aber das Schlimmste ist 24
ai d' äkXai rd jtegiaoä xQEavofiiovto yvvalxEg.
vä jzsQiaad für rd lomd ist geradezu plebejisch; bei Lucill Anth.
Pal. XI 239 bezeichnet es gar rd JtsQirvcbinata. Das konnte
ein gebildeter Dichter des dritten Jahrhunderts sich wirklich
nicht erlauben. Und xQEavo(j.Eia&ai ist doch 4 die Fleischstücke
des Opfers vorteilen', vtfieiv rd xqecl. Darum heifst Lykaon bei
Lykophron 481 xoEavöfiog, denn er schlachtet den Nyktimos als
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Beilage: 8. Lenai. 217
Opfertier, und die Götter sollen von ihm essen. Aber hier sollen
wir "in kleine Stücke zerreifsen" vcrstchn. Es ist bezeichnend,
dafs Clemens Protr. 119, J in der Schilderung derselben Tat auf
denselben Ausdruck verfallen ist al 2sfäkr]g ädeXyai öva-
ayvov xgeavofilav ptvov/ievai: er sagt es, um die Scheufslichkeit
zu stigmatisieren. 20 ist dagegen das Abrcifsen des Kopfes
durch die Mutter mit xeqxx/.äv jzaidbg fwxdoavo IXolaa viel zu
schwach bezeichnet. Nur zufällig klingt Theokrit Heraklisk. 6
(bivofih'a xeq>aläg fiv{Hjaato naidög an; aber man kann doch
den Unterschied von guter und schlechter Poesie fassen. Ich
denke, für 38 Verse ist genug beigebracht, damit das Gedicht
in Zukunft als anonym betrachtet werde wie es überliefert ist.
Einige Worte fordert noch der erste Vers, über den ich
Klarheit nicht schaffen kann.
Ivd) xAvvovöa ya fiakojidgavog Ayavd.
Gewifs, da verlangt der Dichter, dafs wir an Hesiod Theog. 976
denken, 9 Iv<h xai le^iihp» xai Ayavip' xaX?ajidQi)tov Aurovo-rjv
ve, und ihn loben, weil er mit leiser Änderung den Vers wohl-
klingend gemacht hat (das spondeische Wortende vor dem fünften
Fufsc vermieden), und ein rares für ein gewöhnliches Beiwort
gefunden. Aber was er sich bei paXojtdoavog gedacht hat, kann
ich nicht sicher sagen. Man sagt ,u«/.a, Äpfel, für die Wangen
(oben S. 41), und so ist 'apfelwangig' sehr wohl denkbar.
jrdQava ist die äolische Form, die auch Pindar verwendet; das
ist in dem dorischen Gedichte passend, das auch eXoiaa sagt.
Nun steht aber im Hesych t aaXXög Xevxög, ^aXXomigavog Xevxo-
jidgetog, fidXovQog XevxovQog und fiaXovQig ähnlich. Es ist
nicht zulässig, die Doppelkonsonanz blofs als Schreibfehler der
Handschrift zu betrachten , denn Xevxög . steht unter iiaXXog
die Locke. Dies Wort /wiAög für weifs steht bei Theokrit Ep. 1 ;
es steckt, obwohl die Alten es verkannt haben, in fityojta
xaojtov vom Weizen bei Homer r) 104. Es mufs volkstümlich
gewesen sein, denn Dioskorides nennt eine Blume fiaXöiov, und
in dem Pferdeverzeichnis FJinders Petrie Pap. 115 heifst eine
Scheckstute [taXojiaQOva 1, 12, fiaXojtaoava 5, 9. Da ist das
zweite Element jenes ndgavog, xagfoog, das man von Hunden,
Pferden und der Schlange nagovag, aagelag sagt (also in An-
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Beilage: 9. Herakles (Theokrit 25).
lchnung an die Wange geändert) Älian H. An. 8, 12, 0. Schneider
zu Kallimachos 3, Dl. Es ist also die seltsame Tatsache zu
registrieren, dafs zu derselben Zeit im Munde des Volkes fialo-
jcanava "die weifsbraune" heifst und bei dem Poeten die "weifs-
wangige" oder "aplelwangige". Ich komme mit dem Materiale,
das ich kenne, zu keiner Entscheidung. Nur dafs die Hesych-
glosse nicht auf unseren Vers direkt geht, scheint mir sicher,
wie das ja auch nicht behauptet worden ist. Sie wird auf die
Stelle gehen, der unser Dichter die Glosse entnahm. Leider
weifs ich auch nicht zu ermitteln, in welchen Dialekten fuaX(k)6g
und .Tdoaiwg, naoeoog zu Hause sind; die schwankende Schrei-
bung beweist, dafs keines von beiden in der Literatursprache
festen Platz gewonnen hat; die Betonung ist selbstverständlich
aus Analogie gefunden, d. h. fiktiv.
9. Herakles (Theokrit 25).
Auch über diesem Gedicht ist bereits ein ganzes Gestrüpp
von Hypothesen emporgewachsen; es soll ein Bruchstück einer
Heraklee sein, von Theokrit oder einem anderen, zusammen-
hängend mit dessen Herakliskos oder gesondert, ein verstüm-
melter Rest eines ehemaligen Ganzen oder ein unfertiges Bruch-
stück, das unter den Papieren seines Verfassers gefunden war.
Auch hier wird die Interpretation die Überlieferung rechtfertigen,
aber zum Glück nicht so, dafs das Gedicht nichts taugt, sondern
mit beträchtlichem Gewinne für die hellenistische Kunst.
Es fängt mit einem röv di an; der Redner ist bezeichnet
als ein Pflüger, der sein Gespann stehn läfst 1 ), der Fragende
nicht Der Inhalt der Rede ist: "Gern will ich dir deine Frage
!) ßouiv IniovQog aQOTQivg mufs das Richtige sein, da der Mann sich 25
unter die Feldarbeiter rechnet, ßoaiv hat 77 und Triklinios; yviwvMV. Es
mufs also in der Vorlage von VTr Doppellesart gewesen sein. In 77 sind die
letzten Worte aus Homer durch tntßovxoXos dvi'ig ersetzt. Es ist natürlich
bequem, die Lesart MV ganz aufzunehmen; nur mufs man dabei auf das
Denken verzichten, denn was ist ein Pflüger, der auf Pflanzungen, Weinstöcke
oder Oliven, zu passen hat? Pafst er auf, damit er sie nicht umpflügt? Das
wird er ja tun; aber das macht ihn nicht zu einem tnfovQoi.
Beilage: 9. Herakles (Theokrit 25).
219
beantworten, denn es ist Pflicht, dem Fremden den Weg zu
weisen. Die Schafherden des Augeias weiden nicht alle hier,
aber wohl die Rinderherden. Das Gehöft liegt dort zur Linken
bei den Platanen, da stehn auch die Wohnhäuser für uns Ackerer;
die Winzer wohnen an der Landesgrenze oben im Gebirge'). Nun
sage mir, was suchst du hier, willst du Augeias sprechen oder
einen seiner Diener? Ich will dir gern Bescheid geben, denn
deine Gröfsc und dein Aussehn imponieren mir." Darauf sagt
Jtog äXaifiog vlög u Ja, ich möchte den Augeias sprechen. Wenn
der aber in der Stadt ist, so führe mich zu einem Verwalter."
Wenn vom, wie es zunächst scheint, etwas fehlt, so mufs
es die Frage des Herakles sein: wonach hat er gefragt? Man
denkt zunächst, nach dem Wege. Aber wohin? Den Augeias
hat er überhaupt nicht genannt; das zeigt sich später. Er würde
dann ja auch die Antwort erhalten "den Augeias kannst du
regelmäfsig in der Stadt sprechen, aber vielleicht heute auch auf
dem Gehöfte". Unmöglich konnte die Antwort mit der Schilde-
rung vou Augeias' Reichtum beginnen. Ebensowenig hat Herakles
nach dem Eigentümer der Herden gefragt, denn die sind gar
nicht in der Nähe; die Rinder, auf die es ihm nach der Sage,
die allem zugrunde liegt, allein ankommt, sieht er gar nicht.
Auch nach dem Herrn des Landes kann er nicht gefragt haben:
da würde die Antwort ganz anders lauten, und kannte er den
etwa nicht? Es ist gar nicht auszudenken, was Herakles gewollt,
wie er sich ausgedrückt hat. Fordern müfste man gerade die
Frage nach dem Wege, die ganz unausdenkbar ist: Also wird
es wohl so sein, wie es vor uns liegt: der Dichter hat mit der
Antwort eingesetzt, die zwar im allgemeinen eine Frage des
Herakles voraussetzt, aber nicht mehr. Der Pflüger ist ein-
geführt, Herakles nicht, ja er wird periphrastisch als "starker
Sohn des Zeus" bezeichnet, als er selbst redend eingeführt wird.
Das reicht in der Tat nicht. Man kann doch auch niemals ohne
l ) ovQovi fxrjP Tottot (fvtnaxtttfoi aunelofQyoi, fg Iqvovg <T Ixvtvviat,
fntjv 9tyos wntov tl&fji. Darin habe ich uuntkotoyoi evident für ot nolv-
(Qyot hergestellt. Die Stelle ist wertvoll, weil sie zeigt, wie das Latifundium
nur einen Kelterplatz hat: dem entspricht das lr}vatov für die Gemeinde der
Athener.
220 Beilage: 9. Herakles (Theokrit 25).
weiteres mit top d' 6 ytgcov JZQoasetJim' ins Haus fallen. Aber
so steht es ja auch nicht: es geht die Überschrift voraus, 7/oa-
x/.i}g agbg dygolxoi'. Wenn wir die lesen, sind wir genau so
weit im Zusammenhang als notwendig ist.
Der Pflüger führt den Herakles nach dem Gehöfte, wo er
heute den Augeias treffen soll. Die Wanderschaft und Ankunft
wird breit geschildert. Dann reifst es ab, 84. Aber da steht
auch eine neue Überschrift 'Emjzcb?»r}oig y deren Name aus der
Überschrift des A geborgt ist; aber kein Byzantiner und kein
Gelehrter der Renaissance konnte die 'Inspektion' des Heeres
durch den Herzog auf die 'Inspektion' des Landgutes durch den
Herrn übertragen. Es liegt in dem Titel jene Umsetzung des
epischen Inhaltes in den ländlichen, die dem Gedichte die Auf-
nahme in die bukolische Sammlung eingetragen hat. Wir hören,
wie am Abend die ungeheuren Herden beimgetrieben wurden,
wie Augeias mit seinem Sohne und Herakles sich das ansah,
und wie Herakles einen Stier bändigte, der auf sein Löwenfell
losfuhr. Zwischen dem ersten Teile und diesem klafft ein Spalt.
Wir hören nicht, wie die hohen Personen angekommen sind,
wie Herakles vor sie geführt worden ist, was sie sich gesagt
haben, bis er zur Begleitung aufgefordert ist. Aber aus dem
Folgenden erfahren wir, dafs er sich noch gar nicht zu erkennen
gegeben hat. Er geht, am Anfange des dritten Teiles noch immer
als ein unbekannter Fremder mit Phyleus nach der Stadt; Näheres
hören wir auch nicht. Es wird auch nicht klar, was er eigent-
lich auf dem Gehöfte gewollt hat, was er nun in der Stadt soll
oder will. Sein Aufenthalt bei Augeias kann ganz zwecklos er-
scheinen. Wenn der Dichter die Heraklesgeschichte fortsetzen
wollte, so konnte er doch nicht alle und jede jtgoaagaoxevrj ver-
meiden. Dagegen mufste er tun was er getan hat, wenn er nur
das erzählen wollte, was wir von ihm hören. Das heroische
Abenteuer des Herakles mit den Herden des Augeias, dem Rinder-
mist und der Ableitung des Peneios steht im Hintergrunde,
gewifs, aber es bleibt da auch. Denn wenn 152 auch wieder
eine Lücke in dem Zusammenhange ist, und wenn man wünschen
würde, dafs auch dieser dritte Teil einen Sondertitel gehabt
hätte (woran ich auch nicht zweifle), es fehlt wieder nichts als
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Beilage: 9. Herakles (Theokrit 25).
etwas poetisch ganz Gleichgültiges, nämlich dafs der unbekannte
Fremde von Augeias mit seinem Sohne in die Stadt geschickt
ward, und dafs sie dorthin gingen: nicht einmal ob in der Nacht
oder am andern Morgen, wird klar. Ergänzen werden wir uns
das Fehlende hier ebenso leicht wie das Bindeglied zwischen
1 und 2. Wir werden im Drucke drei Sternchen setzen oder auch
eine Zahl, wie in Heines Wallfahrt nacli Kevelaar und wer weifs
wie oft sonst.
In dem dritten Teile beginnt Phyleus zu fragen, ob
der Fremde, der ein riesiges Löwenfell trägt, wohl identisch
wäre mit dem Mann aus Argos, von dem ihnen neulich erzählt
wäre, er hätte einen riesigen Löwen bezwungen. Darauf gibt
Herakles seinen Bericht, mit dem das Gedicht schliefst. Was
weiter ward, erfahren wir nicht: auf das Löwenfell und die
Heldengröfse des unbekannten Fremden war in allen Teilen von
Anfang an hingedeutet, sie bilden das allen drei Teilen Gemein-
same; der Handel mit Augeias bleibt immer im Hintergrunde.
Im letzten Teile redet Herakles 205 von Eurystheus und seinen
Aufträgen. Da hat der Dichter vergessen, dafs Phyleus nichts
von diesen wissen kann und Überhaupt den Herakles noch nicht
kennt: so wenig lag ihm an diesen Personen und an der Wahr-
scheinlichkeit des Rahmens, in den er seine Einzelgemälde spannt.
Nach der Erzählung des Herakles ist unmöglich jemand bei der
Bezwingung des Nemeischen Löwen gegenwärtig gewesen; trotz-
dem hat das nach der Angabe des Phyleus der Achäer behauptet,
der ihnen von dem Abenteuer berichtet hat. Ob das eine Flüchtig-
keit des Dichters war, ob der Achäer aufgeschnitten haben soll,
ist nicht auszumachen; in jedem Falle zeigt sich, wie wenig auf
den Zusammenhang ankommt. Wie vorzüglich dagegen die ein-
zelnen Szenen sind, Herakles und die wilden Hunde, Herakles
und der Stier, Herakles und der Löwe, das führe ich nicht aus;
dafs und wie sie zusammengehören, liegt in diesen Namen, die
ich ihnen geben würde.
Wir haben drei Szenen; sie hängen nicht akkurat zusammen;
es fehlt immer etwas, aber niemals etwas, das man ergänzt lesen
möchte. In Wahrheit läfst es sich gar nicht ergänzen ohne Dinge
hereinzuziehen, die das Interesse ablenken würden. Im Hinter-
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1
222 Beilage: 9. Herakles (Theokrit 25).
gründe steht eine Handlung, die nirgend klar bezeichnet wird,
weil nirgend etwas auf sie ankommt. Sie darf so vage an-
gedeutet werden, weil jedermann sie im allgemeinen aus der
Schule kennt. Wer sich das überlegt, der wird weder vorn noch
in der Mitte noch hinten etwas anstücken, sei es durch die
Hypothese, dafs der Dichter es gemacht, aber der Zufall zerstört
hätte, sei es durch die, dafs der Dichter es zufällig zu machen
verhindert worden wäre. Dafs bei dieser Sorte Dichtung hinten
noch wer weifs wie viel kommen konnte, ist zuzugeben: nur
eben nicht das Augeiasabenteuer, und es fehlt jede Andeutung,
dafs etwas folgen inüfste. So wird es also bleiben wie es ist.
Dann haben wir freilich für die hellenistische Kunst zuzu-
lernen, dafs so etwas möglich war. Ein Rezitator steht auf und
sagt "'HQax/.rjg agög dygolxov" als Titel und setzt dann ein
töv 6' ö yegcov JiQoaieme. Es war nicht anders, wenn der
Rhapsode auftrat und sagte Vövooicog Jigög Evfialov öfukia.
avväQ d ix Xi/Uvog ngoaeßr}. Das zweite Stück, die 3 Emn(b-
Xrjoig, fängt vollends mit der Beschreibung der Tageszeit an,
■ißXiog (ikv hteixa jiotI ^6<pov erganev mnovg, wie so viele
Rhapsodieen Homers und der Späteren. Das dritte beginnt mit
tcj ö* dg äarv Xutövte xavavxöfti Jtlovag dygovg ioxiy£xr)v.
Das n, beginnt vcb d' avv' h x?.iair)t 'Oövoevg xai dlog vyogßög
kvxvvovT* ägtoTov. Also gerade der abrupte Eingang klingt
Homerisch. Die Teile, in die der hellenistische Dichter seinen
Vortrag zerlegt, sind viel kleiner als selbst die Rhapsodieen der
Odyssee: ob diese in der Praxis für einen Vortrag hingereicht
haben, wissen wir freilich nicht. Aber das Ganze ist in dem
Heraklesgedichte auch kein Ganzes, sondern nur so weit, als das
die Odysseerhapsodieen sind. Ich hoffe noch einmal zu zeigen,
dafs die lebendige Praxis, die doch nur Rhapsodieen kennen
konnte, auch in den Riesen epen ihre Spuren hinterlassen hat.
Der Dichter des Herakles hat episch sein wollen, nicht wie
Apollonios, der das Buchepos nachahmt, das die Ilias als Ganzes
war, sondern wie der Homer, den er nicht von der Lektüre her,
sondern von der Rezitation her auffafste. Das ist aber nur
graduell verschieden von der Art, die Theokrit im Herakliskos
befolgt hat. Wer sich sehr hoch auf das ästhetische Rofs schwingt,
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Beilage: 10. Tbyrsis 29. 30.
223
kann dies alles verwerfen: dann besteht nur das kleine in sich
vollkommene Kunstwerk, ökiyrj hßäg, äxoov äcovov. Billiger
wird man alle diese Versuche gelten lassen, zumal diesen, den
Balladenreihen unserer Romantiker vergleichbaren. Die Haupt-
sache bleibt immer, wie es der Dichter macht, nicht was. Vor
allem aber, es ist wider die Philologie ebenso wie wider die
Poetik, alles über den langweiligen Kamm der klassischen Gat-
tungen zu scheren; hat man das getan, dann hat man sich selbst
das Recht oder Unrecht geschaffen, in den 'Alexandrinern' Nach-
ahmer zu sehen.
10. Einzelne Stellen.
a. Thyrsis 29. 30.
xal ßaüv xtoavßiov xexXvGfjL&vov aök xtjocoi
äiupüeg vBOXSvykg Ivi yXvqpdvoio jzot6csdoi>.
v(7) jtegi fiev %tiXt) nactvevai mpofti xtoaög,
xiaobg kXi%Qvoon xexovifievog, ä dt nav' advöv
30 xaojtm £At£ el?,elxai Ayalko^sva xqoxöbvu.
An der Lesung ist nirgend ein Zweifel; die einzige Variante
ist 29, wo aeoi nur durch PQTTr gegen noxi geschützt wird,
das sich sogar ein Scholion in K zu verteidigen bemüht; es
wäre gleich nagd. Dann würde eben Jtaod stehen, aegi hat,
wie wir sehen werden, Nonnos gelesen, xexoviafievog neben
xexovifiivog ist ganz einerlei, mag das Richtige auch nur von
PTr gegeben werden, denn die falsche Schreibung (nach xexo-
fuafievog) meint keine andere Form, und die seit Homer normale
wird auch vom Etymologicum Gudianum ( Angel icanum Sorbonicum)
äxovitov geliefert, und dafs es im Magnum kUxQvoog in xexo-
firjfdvog, xsxokh)}iEvog steckt, von dem xexaXvfifievog erst eine
Korruptel ist (iu der sehr fehlerhaft geschriebenen Florentiner
Handschrift des Genuinum), liegt auf der Hand. Auf der Hand
liegt auch, dafs Vergil die Stelle so gelesen hat. In der dritten
Ekloge beschreibt er einen hölzernen Becher und sagt 39 pocula
ponam, lenta quibus facili torno siiperaddita viiis dijj'usos edera
vestü pallente corymbos. An diesem Becher befanden sich also
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•224
Beilage: 10. Thyrsis 29. 30.
zunächst ausgestreut Fruchtbüschel an den weifsen Ranken des
Efeus, weifsen d. h. von edera alba, dem beliebten xogvfißiag
oder äyaQvixög xittög, Theophrast Mist, plant. 3, 18, 6. Über
diese Efeuranken, an denen nicht die Blätter, sondern nur die
Früchte hervortraten, zog sich eine Weinranke. Folglich hat
Vergil die die sich bei Thcokrit xav 1 avtöv windet, durch
eine eili» übersetzt oder ersetzt, xav 1 avvöv aber xatä xbv
xiaaöv interpretiert, was für jeden Leser am nächsten liegt.
Dem xtaoög iltxQvom xexovifi&og entspricht diffusos edera
corymbos. Vergil hat sich selbst ein klares Bild gemacht: er
hat zwei Ranken, Weinrebe und Efeu, aber dafs an der Efeu-
ranke die Blütenbüschel 4 auseinandergegossen', verstreut sind,
würde er nicht gesagt haben, wenn er nicht in der Vorlage
hatte oder zu haben glaubte "Efeu mit Helichrysos bestreut".
Gerade wie er schwerlich dem Efeu ein Epitheton der Farbe
gegeben haben würde, wenn er nicht den xa^nbg xgoxöeig vor
Augen gehabt hätte. Wie er sich die SAef mit xoQVfißoi von
dem xiaaög getrennt gedacht hat, ist nicht zu- sagen. Er hatte
die Aufgabe etwas Vorstellbares zu geben, nicht den Theokrit
zu erklären. Dessen Verständnis dankte er natürlich der Gram-
matik, einerlei ob er einen Parthenios zuzog oder einen Kom-
mentar aufschlug. So lesen wir in K, der allein ein altes
Scholion hat, ov^utEnUy^evog als eine Erklärung: dahiuter
eine ganz andere, xexQiafdvog (die von Triklinios weiter aus-
geführt ist), und eine Erklärung der Pflanze £?UyQvaog, die
ähnlich aus reicheren Scholien im Etymologicum Magnum steht
und aus demselben Lexikon stammt wie die noch reichere Zu-
sammenstellung bei Athenäus XIV 681: dieser erst gibt den
Gewährsmann, Themistagoras in der XQvait) ßißXog, für die
wertlose Ätiologie, die auch im Etymologicum steht 1 ). Für
XExovi^dvog kommt nichts heraus.
Gefärbt, xexQia/itivog , das führt auf eine zweite Erklärung,
') Themistagoras ist also von der besten Grammatik exzerpiert, was
man so Pamphilos nennt, entweder wirklich oder wahrscheinlicher in helle-
nistischer Fiktion ein Autor, der den Atthidographen, am ehesten Fiktionen
wie Amelesagoras für Ionien entspricht. Das 'Goldene Buch' und das über-
triebene Ionisch stimmen gut zueinander.
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Beilage: 10. Thyrsis 29. 30.
225
die xovletv nicht wesentlich verschieden von xoviäv nimmt (so
Byzantiner), doch ist das nicht notwendig: 'bestäuben 1 ist viel-
leicht möglich von der Vergoldung eines Holzbechers zu sagen.
Zu dieser Deutung gehört Hesych iXlxQvoog, ol fiev äooevixöv, ol
dk tö ävfrog rjjjg khxQvoov ßotdvqg. Meinekes Gewaltsamkeit,
dies Zeugnis zu strangulieren, damit es nicht mehr existierte,
richtet sich selbst. Damit, dafs er ganz richtig empfindet, kXt-
XQvoog ist keine Farbe, beweist er doch nicht, dafs die ol fxsv
den Vers nicht hätten so erklären können wie Salmasius und
Valckenaer. Und wahrhaftig, Efeu mit Arsenikon, Auripigment
bestreut, das möchte man hier schon haben, und am liebsten
die Erwähnung der gelben Efeubeeren mithinzunehmen.
Eine dritte Erklärung steht im Gudianum äxövivov, das
als das von den Trinkenden Unbesiegte gedeutet wird, xovtov-
oftai yäg rö jzaXaleiv, BeöxQitog xiooög eXixqvooji xexovifiivog.
Weil dxovivi vixäv siegen ohne zu Boden gefallen zu sein be-
deutet, soll "sich bestäuben" "ringen" bedeuten, hier also
"Efeu von Helichrysos besiegt". Die Ranke, also des Helichrysos,
windet sich über den Efeu und stolziert mit der gelben Frucht.
Das ist eine falsche Deutung, gewifs; die Immortelle hat keine
Ranke, und das gelbe Kuöpfchen ist nicht ihre Frucht; aber
wenn wir von ihr bei Plinius lesen, 21, 168 ramulos habet can-
dido8, in orbem veluti corymbis dependenlibus, und dann
berichtet wird, dafs man den Göttern Immortellenkränze brächte;
Ptolemaeus Aegypti rex hätte das besonders getan, so kann man
sich bei einem Lytiker, der so die Schwierigkeit heben will, auch
über diese Deutung nicht wundern.
Nonnos hat 19, 128 die Stelle auch nachgeahmt; aber die
Verse sind verdorben und eine brauchbare Nonnosausgabe
existiert nicht. Es scheint überliefert,
tov jzeqI %eÜ.eog äxqov &t' äfutE?.6evn xogv^ißcoi
xiooög sfa^ XQvaicoi de iteoit- öaidäXXevo xöofiai.
Es ist sehr unwahrscheinlich, mit Meineke hinter eine Lücke
anzunehmen, da doch xiooög und eht- kaum nebeneinander be-
stehen können. Dagegen spricht die Nachahmung sehr dafür,
dafs Graefe £fo%nvooio für t?u% zQvo&m dt richtig gesetzt hat.
Nur hilft uns das nichts, da Nonnos auch das nicht geschrieben
Philolog. UnternuchongcD. XVIH. 15
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Beilage: 10. Thyrsis 29. 30.
hat: "um den äufsersten Rand ward oder war gearbeitet auf
dem traubenförraigen Frucbtbüschel (das ist gut gesagt) Efeu
riugs herum tfoxQvooio xöoficoi". Das kann man nicht kon-
struieren, und der Dionysische Taumel hat den Nonnos keines-
weges dazu verführt, grammatische Monstra zu bilden; man ist
sehr versucht rfydXXero für dcuddXXsvo zu schreiben. Aber ich
bin ängstlich, da so viel geändert wird, und die Stelle zeugt zwar
für jisqI und für holt' avtöv, aber gerade für xexovifiivog gibt
sie nichts aus.
Das Ergebnis ist klar. Seit den Tagen Vergils, der doch
auch von der Grammatik seiner Zeit profitierte, hat niemals
etwas anderes dagestanden als heute. Verstanden hat es im
Altertum niemand; die Dichter konnten sich helfen, die Gramma-
tiker versuchten abenteuerliche Deutungen ; schliefslich schwiegen
die Scholien sich aus, wie es moderne Herausgeber auch gerne
tun. Die modernen Erklärungen sind nicht besser als die alten.
kAlxQvoog ist kein Farbstoff und 4 bestäubt' bedeutet weder ver-
mischt noch überdeckt noch besiegt. Also mag man konjizieren ;
nur nicht so wie es Meineke getan hat oder Cobet, spielend
mit den Varianten, die es nicht gibt, oder ins Blaue. Wer kon-
jizieren will, der wisse, dafs er den Text ändert, den Theon vor-
fand. Ich sehe keine Aussicht auf Erfolg: xav' avvov führt, wie
Vergil es nimmt, auf eine andere Ranke, die sich durch oder
über den Efeu zieht, etwa ifal, die von Theophrast als eine ver-
wandte Pflanze von xtaaög unterschieden wird; aber die Frucht
von Safranfarbe spricht doch für Efeu, denn der hat gerade
solche; so fafst es das Scholion in H, das Ahrens unter die
recentia gesetzt hat; darüber kann erst ein methodischer Be-
arbeiter der Scholien urteilen. Und xexovifiivog pafst doch
nicht. Die Immortellen werden nicht einzeln, sondern in Bündel-
chen angebracht sein, wie es an den ägyptischen Kränzen ge-
schah, und wie wir sie verwenden, dann sehen sie den Efeu-
früchten nicht unähnlich, und ihre Farbe ist auch safrangelb.
Das Holzgefäfs ist gewachst: da verträgt es schwerlich irgend
welche Polychromie, am wenigsten den Auftrag metallischen
Staubes oder auch von Immortellenblättern. So verzweifele ich;
aber nicht deshalb rede ich yon der Stelle. Ich werde manche
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Beilage: 10. Thyrsis 29. 30.
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Kreuze setzen : denn es ist Pflicht des Herausgebers, seine Un-
wissenheit einzugestehen und nicht klüger zu scheinen als er ist;
ich führe die Stelle an, weil sie den Zustand unseres Textes
beleuchtet, im guten noch mehr als im schlimmen.
Verständlich ist dagegen im übrigen die Anordnung der
Dekoration. Die Pflanzenornamente befinden sich "oben" an
dem tiefen Gefäfse '). Es ist eine willkürliche Entstellung sie
aufsen zu denken. Denn zu üyjö&i ist hfdodt der Gegensatz,
in medio, wie Vergil es fafst, der, an die Emblemata der Metall-
toreutik seiner Zeit gewöhnt, zwei Porträtköpfe im Inneren
seiner Girlanden anbringt. Theokrit beschreibt zunächst ein
Mädchen; um das stehen zwei Courmacher zu beiden Seiten,
dfioißadlg, und mitten zwischen ihnen, rolg fiera, ein Fischer
auf einer Klippe: das ist nur so denkbar, dafs wir den tiefen
aber weit ausladenden Becher vor uns sehen, in ihn hinein-
blicken; da ist oben das Mädchen, auf dem Boden der Fischer,
und um das Mädchen, so dafs sie für uns links und rechts um
den Fischer stehen, befinden sich die beiden Männer. Gegen-
über von dem Mädchen, dicht unter dem Fischer, so wie wir
den Becher halten, also über ihm, wenn wir ihn umdrehen (und
das werden wir tun), sitzt im Weinberg der Junge, links und
rechts von ihm zwei Füchse, die also zu ihm in demselben Ver-
hältnisse stehen, wie die Courmacher zu dem Mädchen. Das ist
alles sehr gut vorstellbar, alles hat so viel Symmetrie als wir
nur fordern. Dafs Theokrit mit einigen Farben seiner Be-
schreibung an Szenen des Homerischen Schildes erinnert, ändert
daran nichts, dafs solche Szenen zu seiner Zeit auf einem
hölzernen Becher denkbar sein muTsten '). Es ist nicht meines
») Theokrit wählt das Homerische Kunstwort xioovßtov, das keine be-
stimmte Form gibt.
2 ) Bedenken habe ich am meisten bei der Holzschnitzerei gegen das
Beiwerk, den Felsen und die Weinstöcke; diese zumal klingen bedenklich
nach Homer und Hesiod, die Metalltechnik beschreiben. Aber er konnte
wohl einen Metallbecher vor Augen haben, und ihn für seine Hirten in einen
hölzernen umsetzen. Die nvovnim otaifvlni haben die Scholiasten nicht
verstanden. Ilvyvos nüXis KttQtas Stephanus; dafs er zufügt o nolitijs ITvQVtog
verschlügt nichts; bekanntlich besagen die Ethnika sehr oft nur was nach
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Beilage: 10. Thyrsis 29. 30.
Amtes noch liegt es im Bereiche meines Könnens, die gleich-
zeitige Kunst heranzuziehen; aber ich meine so viel von ihr zu
wissen, um sagen zu können, dafs die Beschreibung sehr merk-
würdig ist.
Eine Nachahmung ist der goldene rdlagog der Europa.
rdXaQog pflegt ein Korb zu sein für die Wolle der webenden
Frauen, aber auch für andere Zwecke. Aus Metall ist er nur
bei Homer ö 131; das ist Verschwendung des spätesten Epos,
die der Helene zur Wollarbeit auch alle Utensilien aus Edel-
metallen gab. Dem folgt Moschos, während seine Europa auch
besser einen leichten Flechtkorb zum Blumensammeln nehmen
sollte. Da war also aus Gold gearbeitet Io als Kuh, also eine
Kuh, die über das Meer schwamm, das aus avavoq, blauem
Schmelz, gebildet war. Am Ufer standen zwei Männer doUr}dr]v,
und sahen ihr zu. Ferner war darauf (iv ö' rjv 50 entspricht
dem h iikv hjv. 44, und gliedert die Szenen sicher ab) Zeus
von Gold, der die Io, eine Kuh von Bronze, berührte; darunter
das silberne Nilwasser. Das sind zwei genau respondierende
Szenen, eine Kuh auf dem durch Farbe bezeichneten Wasser
und aufrecht neben ihr stehend einmal Zeus, das anderemal
zwei Zuschauer, doV.rjdrjv, gedrängt nebeneinander: das sagt
er im Anschlufs zugleich und im Gegensatze zu d/xoißaölg
äX?.o&sv (UAog, wie bei Theokrit die Männer stehen. Die beiden
Figuren überschnitten sich: so entsprachen sie dem einen Zeus.
Rings um die Gveydvr} des rdXagog, also unterhalb des tektonisch
abgegliederten Randes, aber längs desselben war Hermes zu sehen,
der den Argos getötet hatte, und dessen lang hingestreckter Leich-
nam. Diese beiden Personen können das Rund nicht gefüllt haben;
also war dieses irgendwie orientiert, nicht nach allen Seiten gleich
gut zu drehen, wie gemeiniglich bei einem runden Korbe. Dafs
Hermes dem liegenden Argos entsprechen kann, ergibt eine
Stellung des Gottes vergleichbar dem Schema des Laufens in
der archaischen Kunst. Damals stellte man an solchem Orte
z. B. Herakles und den Löwen dar. Es ist sehr gut Yorstellbar.
der Kegel zu bilden war. In Kos kann eine karische Sorte Reben nicht
befremden.
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Beilage: 10. Thyrsis 105-107. 229
Aus dem Blute war der Pfau entstanden, hatte sein Rad ge-
schlagen und dieses Rad umgab wie ein Schiff xeilea vakagoio.
Denn dafs ich mit ragaög für tagaolg, 61, Satz und Sinn ein-
gerenkt habe, ist ohne weiteres klar. Vorstellbar ist dieser
Pfau, sind die /e/Aea, ist die ganze Anordnung nur so, dafs der
vdkagog eine Mündung hat, ein oröpa zu den yßXea. Unmög-
lich können diese wie bei Theokrit den ganzen oberen Rand
des Gefäfses bilden; da könnte sie ja das Rad des Pfaus nicht
"negioxtasiv umhüllen". Dagegen für eine Schnauze des Ge-
fäfses ist das sehr angemessen, eine wirklich artige Erfindung.
Nur ob die Verzierungen innerhalb oder aufserhalb an dem G'e-
fäfse angebracht waren, davon schweigt die Beschreibung. Aber
denken wir uns den Pfau als agoto/urj vortretend, sein Rad also
hinter ihm umgebogen, so wirkt es besser von aufsen her, wie
mich dünkt; doch gebe ich die andere Möglichkeit zu. Moschos
hat in Wahrheit keinen Blumenkorb, sondern ein aufsen skul-
piertes grofses Metallgefäfs beschrieben.
b. Thyrsis 105-107.
Theokrit hat sich überhaupt nicht gescheut eine Wendung,
die ihm gefiel, in ganz anderem Zusammenhange zu wiederholen,
bis zu ganzen Halbversen und mehr. 5, 101 ruft der Hirt seine
Ziegen "Hierher <bg vö xarawsg tovto yecoköyov al ve /a,vqi-
xai". Derselbe Vers steht 1, 13; dafs betont wird ä(i), und die
Variante ig tö xdvavteg auftritt, macht nichts aus. Ahrens hat
zwar gemeint, der Vers wäre in 1 falsch wiederholt wie 6, 41
und 8, 76, weil er in 5 noch unentbehrlicher ist; allein unent-
behrlich ist er auch hier. Thyrsis kann nicht sagen "setze dich
hierher", ohne den Ort zu beschreiben: das liegt in der Natur
der epischen Dichtung, und das ist diese trotz der dramatischen
Einkleidung, so gut wie das Volkslied trotz aller Wechselreden
für den Einzelvortrag bestimmt ist. Ja wenn der Unsinn Wahr-
heit wäre, dafs Herodas oder Theokrit für dramatische Aufführung
bestimmt wären, dann könnte die Hand es erläutern, obwohl auch
dann besser der Dichter als der Regisseur den Ort schmücken
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Beilage: 10. Thyrsis 105-107.
würde. Aber das ist richtig, in 1 ist es irrelevant, ob die Sänger
auf Felsen oder auf Rasen sitzen; der Dichter nahm, was ihm
aus 5 bequem im Gedächtnis war; dagegen dort haben die beiden
Parteien eine bestimmte Umgebung, die im Gegensatze steht, und
die Tamarisken gehören an das Wasser auf der Seite des Ko-
matas 1 ). Das ist wichtig, weil es die Priorität von 5 vor 1 zeigt.
Mit dieser Kenntnis bewaffnet wenden wir uns zu einer
anderen Übereinstimmung beider Gedichte. 5, 45 sagt Komatas
"ich komme nicht hinüber. Hier stehn Eichen, hier ist Gras,
hier schwärmen die Bienen an ihren Stöcken, hier sind zwei
kühle Quellen" usw. Schwerlich würde man Anstofs nehmen,
wenn in der anmutigen Schilderung ein Zug fehlte, z. B. die
Bienen, aber je voller das Bild, desto besser. Dem entspricht
nun 1, 105, Daphnis an Aphrodite:
oi> Xiyerai räv Kvagiv ö ßovxoXog; 2 ) — ggae aor' "Idav,
EQJie aov' 'Ayxloav ti?veI ögtieg, w<5ß xvjreiQog,'
<7>Ö6 xaköv ßoftßevvri Jtovl o/.idveooi fitfooocu.
Die Scholien haben so gelesen : ögtieg, &ove oxiaeiv röv 'Ayxioqv
ovveQxäfievov a^t^i. tvfrddB vaneivr) ßordvi] y.ai dvaaenva-
fievog 6 dr)Q xai ov dvvrjarji Xafteiv ovvovoid£ovoa. Es ist
nur in der Ordnung, dafs man das seit Valckenaer nicht erträgt,
und das Heilmittel der Athetese liegt ja so nahe; nur verfängt
es nicht, denn egne not' "Idav reicht überhaupt zur Bezeichnung
des Anchises nicht (man würde eher an Paris denken), und das
Böseste ist der Gegensatz zwischen Eichen und Gras : wo Daphnis
safs, hätte der Dichter ja schildern müssen, wenn er an einer
>) Sich das Landschaftsbild klarzumachen hat auch 5, 33 für die
Kritik Bedeutung. Lakon kann nicht von seiner Seite sagen "hier rinnt
kühles Wasser", was ja das Charakteristische für die Gegenseite ist, also
ii?»'f/, nicht jovitf (in S steht beides, die andern haben verschieden aus-
gewählt). Lakon weidet seine Schafe höher am Bergeshang, wo nur einzelne
Pinien stehen, 47, Büsche vom wilden Ölbaum, Heidekraut (65) und der
Blick bis an den Flufs Krathis reicht (IG), in den der Bach mündet, an
dessen Quelle Komatas sitzt. Den schlechtzumachen schilt Lakon auf das
kalte Wasser und zieht den Sonnenschein vor, in dem die Grillen vergnügt
zirpen.
2 ) Über diese Worte und die Notwendigkeit ov zu sprechen, nicht ov,
oben S. 21.
Beilage: 10. Thyrsis 105—107.
231
Hauptstelle davon Gebrauch machen wollte. Es kommt ja auch
gar nicht heraus, was Daphnis eigentlich will. Wenn sie ihn
verhöhnt hat, dafs er von der Liebe in den Tod getrieben wird,
weil er sie nicht abschütteln kann und ihr doch nicht nachgibt,
so ist es freilich eine schlagende Abfertigung, wenn er sie mahnt,
dafs sie der Liebe in anderer, für die Frau und Göttin be-
schämender Weise erlegen ist. Aber kann sie nicht erwidern
"gewifs bin ich der Liebe erlegen, gewifs, denn das ist die
Natur, und das ist die höchste Seligkeit; die Engel, die nennen
es Himmelsfreud"? Wir erwarten noch etwas mehr, das hinter
den Worten stecken mufs. "Geh zu Diomedes und fordere ihn
noch einmal zum Kampfe, weil du einen Hirtenbuben besiegt
hast": das hat seine Pointe, weil wir wissen, dafs Diomedes die
Aphrodite schmählich besiegt hat. "Auch Adonis ist hübsch,
denn er ist ein Hirt und schiefst sogar die Rehe und verfolgt
alles Wild 1 )." Das insinuiert doch wohl nicht blofs die zweite
Liaison der Göttin, sondern Adonis ist Hirt wie Daphnis, aber
er ist auch Jäger. Die Worte xai 'ärjgla Jtdvva ötcbxei stammen
wieder aus 5, 107, wo sie von einem Hunde stehen. Für den
sind sie ein Lob: aber an Adonis ist doch wohl das etwas Be-
sonderes, dafs er Rehe erlegt, aber alles Wild nur verfolgt.
Adonis auf der Jagd, mahnt das etwa nicht an sein Ende? Lehrt
es nicht, dafs der geliebte Hirt als Jäger ein elendes Ende ge-
nommen hat? Die Mahnung an die Jagdpassion des Adonis ist
so bitter wie die an den Kämpfer Diomedes. Wenn jemand den
Halbvers aus 5 etwas farblos findet, so widerspreche ich nicht;
es ist eben ein entlehnter Vers, aber ein von Theokrit entlehnter,
denn auswerfen kann man ihn nur, wenn man allen Sinn aus-
paalt, die Erbsen fortwirft und die Schoten serviert. Und nun
Anchises. Da tritt ein Zeugnis der Scholien hinzu, das uns auf
dem Umwege über die Vergilscholien erhalten ist: deren Ab-
hängigkeit von den griechischen Scholien der ersten Kaiserzeit
l ) tntl xai fiTjXa vofiivu xal nrwxag ßallei. Die xttl stehn korrelat,
und da das erste die Eigenschaft bezeichnet, die Adonis mit Anchises und
Daphnis gemein hat, wirkt die korrelate Verbindung ganz wie cum tum. Waa
sich die Kritiker bei xai vor n>fict gedacht haben, wenn sie den folgenden
Vers strichen, weifs Gott.
232
Beilage: 10. Thyrsis 105-107.
ist für jeden, der in diesen Dingen wirklich gearbeitet hat, eine
bekannte Sache, ebenso, dafs die Dichter für ihre Scholien ge-
nannt werden 1 ). Servius zu Än. 2, Anchises (ist abwesend)
Dahin gehört Servius zu 3, 500 circa Syracusas autem esse fossam
Thybrin nomine Theocritus meminit. Bei Theokrit 1, 118 steht nur noiftfiol
rol %ftt£ xaXbv xarä BvßQiSoq vdojq. In seinen Scholien stand, was Servius
vorher exzerpiert hat, der Graben wäre von den athenischen Kriegsgefangenen
gegraben und ano iijc SßQtwg benannt. Zu der Gelehrsamkeit der Vergil-
scholien gehört noch 8, 330. In unseren Scholien gibt es von dieser Deu-
tung nur noch eben eine Spur. Sie zeigen den Sitz eines alten fijDju« ; schon
der Myrleauer Asklepiades hilft sich mit einer Änderung TvßQiJot (die K auf-
genommen bat), das xara yXtüooav SaXaaoa wäre. Ausgedacht hat er sich die
Glosse nicht, denn er bringt sie erst durch Konjektur hinein; aber sie bleibt
rätselhaft und bedenklich. Theokrit konnte die Flüsse, die er neben der
Arethusa v n Syrakus nennt, nicht durch einen Znsatz bestimmen, der auf
alle Flösse -utrifft. Ein einzelner Flufs pafst auch nur dann, wenn er alles
Gewässer des Bergwaldes aufnimmt, in dem Daphnis seine Herde geweidet
und getränkt hat, wie in den nächsten Versen steht (die loszureifsen Wahn-
witz ist). Aber der Grammatiker, der einen Tvfjßatq nora/ioc ZixeUag kannte,
wird ihn sich wohl nicht ausgedacht haben, sonst hätte er nicht geändert.
Und wer einen von Herakles verschütteten Bvf/ßQK bei Kephaloidion auftrieb,
dem hatte sich Bicherlich kein bequemerer geboten, denn das liegt ja weit
ab. Ebensowenig kann der Graben GvßQtg erfunden sein. Aber eine sichere
Deutung gibt das nicht, im Gegenteil, der Name war offenbar in Sizilien
nicht selten, aber nirgend hervorstechend; der Tiber wird kein anderer sein.
Bücheler hat eine neue Xvaig versucht; QvpßQtg wäre ein Lokalname für das
Gebiet, wo Daphnis sitzt, und dann hilft eine kühne Etymologie zu fumidus
und das wird der Ätna. Aber fumidus ist von dem nur der Krater hoch
oben, und sein Eigenname stand wahrlich fest. Theokrit hat das Lokal nicht
genauer bestimmt, als dafs die Nymphen von Anapos und Akis und Ätna
eigentlich hätten teilnehmen sollen: das ist doch schon zu weit für ein Flufs-
gebiet; aber so ward es in Kos, d. b. im grofsen Publikum gut verstanden.
Mit QvßQK kommt etwas Spezielles, ein Lokalname, der als solcher wirkt.
Gewifs, das konnte der Name der Flur sein, über die die Flüsse hinabrinnen ;
eine Gv[fi)ß(>k yij. Nur ist es etwas kühn, das zu erfinden. Ebenso nahe
liegt es, wie die alten Erklärer alle, den Flufs oder Graben zu verstehn, in
dem das Wasser der Gebirgsbäche vereint hinabrinnt. Was hatte sich nicht
in der Zeit zwischen Theokrit und seinen Erklärern geändert; Syrakus war
von der Grofsstadt zu dem vergessenen Provinzialort herabgesunken. Da
war ein Graben Thybris; ein Graben hat keinen Eigennamen, sondern borgt
ihn von einem Gewässer, das ihn speist. Ein Kanal, der das Bergwasser
abfing, ist wohl denkbar; aber fern von Ätna und Syrakus tut man besser
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Beilage: 10. Thyrsis 105-107.
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propter caecitatem, ut docet Theocritus. Zu Än. 2, G87 Anchises
sieht zum Himmel contra opinionem Theocriti, qui eum fulmine
caecatum fuisse cornmemorat. Die ausführlichere Geschichte steht
zu 1, 617 und 2, 649, hier zwar bei dem Danielschen Scholiasten,
aber der repräsentiert ja nur einen besseren Auszug des alten
Kommentares, den auch Servius ausschreibt. Anchises, heifst es
hier, war ein Hirt, von dem Aphrodite den Aneas empfing und
am Simois gebar; später rühmte er sich ihrer Gunst, und sie
veranlafste, dafs Zeus ihn durch einen Blitz blendete. Seine
Lähmung durch den Blitz ist die alte Geschichte, die schon die
Iliupersis erzählt haben mufs 1 ); das Besondere ist die Blendung.
Wie die Scholiasten diese bei Theokrit finden konnten, ist zu-
nächst unklar; aber da hilft ein anderes Zitat. In den nur
durch Gisbert Longolius in Übersetzung erhaltenen Physischen
Fragen des Plutarch steht, von Meineke wie der Servius heran-
gezogen, aber nicht gewürdigt, Kap. 36 "die Biene, das keusche
Tier, verfolge den Ehebrecher, unde apud Theocritum iocose Venus
ad Anekuen a pastore ablegatur, uti apum aculeis propter adul-
terium commissum pungatur" te confer ad Idam,
confer ad Anchisen, ubi quercus atque cypirus,
crescit, apum strepitatque domus melliflna bombis
et Pindarus "parvida favorum fabricatrix quae Rhoecum pupugisti
aculeo domans Mim perfidiam". Die Deutung der Theokritstelle
kann nicht richtig sein, so wenig wie die unserer Scholien, dafs
die Bienen durch ihr Gesumme die Wanderer heranlocken
würden: jetzt sitzt kein Anchises mehr auf dem Ida. Aber die
Übersetzung liefert eine andere Lesart tyvel dgveg ?)<5e xv-
jteiQog, al de xaköv ßafißsvvn Jiovl ofiäveooi fiehaaai. Diese
Lesart ist in unsern Handschriften durch die Parallelstelle
aus 5 verdrängt; es ist gegangen wie V. 13: das ist also sehr
solche Fragen ruhon zu lassen. Es ist ein C^r^u« seit 2000 Jahren wie
xtxovifdtrog und wird es bleiben.
») Nur weil er gelähmt war, mufste ihn sein Sohn aus der brennenden
Stadt tragen, und das hat er in der Persis bekanntlich getan. Der Hymnus,
der dasselbe andeutet, ist nach den Kyprien entstanden, da z. B. das Saiten-
spiel des Anchises von Paris stammt, den die Göttinnen besuchen, vermutlich
mehr. Er wird also auch jünger als die Persis sein.
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234
Beilage: 10. Tbyrsis 105-107.
glaublich. Jetzt hören wir also "geh zu Anchises auf den Ida:
da sind die Eichen und das Gras und die Bienen", d. h. das
ist die Stätte, wo du der Liebe erlegen bist, und was hat An-
chises davon gehabt? Die Biene hat ihm geblendet. Anchises
ist also, wie wir es verlangen, ganz ebenso wie Adonis ein
Exempel, mit dem Daphnis, der bis in den Tod keusch bleibt,
der Verführerin zu Gemüte führt "ich bin dir überlegen; denn
du bringst mich niemals dazu, dein Werk zu tun, durch das du
dich erniedrigst und den begnadeten Sterblichen Elend statt
Lust gebracht hast". Von höchster Vortrefflichkeit ist nun die
ganze Partie; nichts werfen wir aus, sondern wir setzen eine
Variante ein, die nicht nur Plutarch las, sondern die im Texte
stand, als die Scholiasten des Vergil den Theokritscholien die
Notiz entnahmen, die Theon etwa so gegeben haben mochte:
iölcog Xiyei tbv "AyyiGv\v Tvg)X(OTtHjvat, ort ydg vnb xegavvov
eß?.rj'&r) öftoXoyeUcu. Die Blendung durch die Bienen haben
mindestens die Römer nicht mit ausgeschrieben; aber nur die
Bienen führen im Texte auf die Blendung.
Wir können noch etwas weiter und tiefer gehen. Erstens
ist die Blendung ein altes Motiv, denn auf einer sizilischen
Reliefvase führt Aineias seinen blinden Vater (Benndorf Vasen-
bilder Taf. XXXXVI). Die Blendung durch die Bienen kennen
wir für Anchises nicht, wohl aber für Daphnis selbst. In einer
verbreiteten Geschichte, die der Sikeliote Timaios vor Theokrit
erzählt hatte (Älian V. H. X 18, Diodor IV 84 u. a.), geniefst
Daphnis die Liebe einer Nymphe 1 ), die ihm die Blendung in
Aussicht stellt, wenn er je eine andere beglücken würde, was
dann geschieht. Die Biene kommt hier nicht vor (d. h, sie ist
ausgelassen); wir kennen sie aus der Parallelgeschichte von
Rhoikos 2 ), die den entscheidenden Zug am besten in dem
•) Auf die Namen JVo/u«, die von den vofi«(, der Weide, ni/unleta, von
einer Quelle, GkIhu ganz farblos, kommt nichts an. Theokrit hat mit weiser
Beschränkung den Gegenstand der Liebe seines Daphnis ganz in Dunkel
gelassen.
s ) Ich verfolge sie hier nicht; ich habe den Gegenstand für einen
anderen Zusammenhang untersucht und bearbeitet, aus dem ich dies nicht
lösen mag.
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Beilage: 10. Theokrit 5,73.
235
Pindarbruchstück bewahrt hat, das oben in Longolius' Übersetzung
ausgeschrieben steht. Theokrit hat natürlich sehr viele ver-
schiedene Geschichten von Daphnis gekannt, einer volkstümlichen
Figur, die niemand vor ihm dadurch auf eine einzelne ihrer
Geschichte festgelegt hatte, dafs er sie mit durchschlagendem
Erfolge bearbeitete. Höchst geistreich lehnt er die Geschichte,
die Tiraaios eben weithin verbreitete, in der Weise ab, dafs sein
Daphnis mit Entrüstung die Aphrodite an diejenige Anchises-
geschichte mahnt, die jener Daphnisgeschichte entsprach. Diese
Aphrodite vor Daphnis, das soll man auch nicht vergessen, ist
für den reinen Jüngling und seine Reize trotz allem Grolle
durchaus nicht unempfänglich, und sie repräsentiert an sich
ebensosehr eine Versuchung des keuschen Jünglings wie Priapos.
Es ist in der Ordnung, dafs er sie lästert, wie sein Gegenbild
Hippolytos das weibliche Geschlecht.
Doch hier wollte ich nur den Text feststellen: was sich er-
geben hat entspricht den Verbesserungen, die oben aus Vergil
gewonnen sind.
r
c. Theokrit 5, 73.
Wie ich schon oben S. 30 gesagt habe, halte ich Theokrit
5, 73 für unecht. Dafs er in K um eine Zeile verstellt ist, in
AEO am Rande nachgetragen, beweist gar nichts, da es klärlich
durch die Ähnlichkeit der Versausgänge verschuldet ist. So
etwas gehört nicht einmal in den Apparat. Die Scholien zu
Vers 1 zeigen, dafs der Vers durchaus zum alten Bestände
gehört; es ist also sehr kühn, ihn auszuweisen. Aber der
Zusammenhang entscheidet allein.
Komatas hat vorgeschlagen, einen Holzfäller Morson zu
rufen, der in Sehweite auf der Seite des Lakon, am Berghange,
seines Geschäftes waltet (65). Er schneidet die Büsche unter
den Pinien und liest das Reisig, wie man es in Griechenland
so viel sieht. Es ist nicht sicher, das Lakon den Morson bereits
kennt wie Komatas, denn dieser sagt ihm &ra de Möqocov. So
redet denn Lakon ihn auch a> ££ve an 1 ), als er ihn ruft, worauf
') Daher ist 68 tayaM der Variante w y tXt vorzuziehen, aber nicht nur
■
236 Beilage: 10. Theokrit 5, 73.
Komatas bestanden hat: der Gegner, der das Duell hervorgerufen
hat (denn als ein Duell erscheint der Wettgesang; das Urteil
schafft dem Komatas den hämischen Gegner definitiv vom Halse),
soll die Initiative ergreifen und den Richter einsetzen, den sein
Widerpart in Vorschlag gebracht hat Übrigens ist Morson ein
Städter, also aus derselben Stadt, der auch die Herren der
beiden Hirtensklaven angehören: ganz unbedacht sind die Worte
des Lakon beanstandet worden, 78 ela Xif ei ti Xeyeig xal tbv
gevov ig jtöXtv av&ig £ä>vt' äepeg. Der Mann will natürlich
sein Holz zu Markte bringen, und Komatas soll ihn nicht auf-
halten, nicht totschwatzen.
Nun also. Lakon hat den Morson gebeten, ohne Ansehen
der Person zu richten. Das bekräftigt Komatas
val stotl täv wfi<päv Möqowv (f lke fxrjts Ko/ndtat
tö a).lov ifrvvqig prjt' &v tvya tmöe yaolgrji.
ade tot d Jtotfivä tcb SovqUo iatl Stßvgta.
[EvfidQa de tag alyag ÖQfjig (plle tcb Ivßaolta.]
Ärgerlich ruft Lakon "hat dich denn einer gefragt, wem die
Herde gehört?" Dafs er es nicht gern hat, wenn man an
seinen Sklavenstand erinnert, haben wir schon gemerkt, und
klärlich neckt ihn hier Komatas wieder damit. Der Angriff ver-
liert von seiner Schärfe, wenn dieser seinen eignen Herrn dabei
auch nennt, und wozu diese Harmlosigkeit? Er hatte seinen
Namen genannt, so dafs wir daran nicht zu zweifeln brauchen,
dafs Morson ihn so gut kennt wie umgekehrt, und für Lakon
ersetzte die Nennung des Herrn die namentliche Vorstellung in
einer für den Gegner verletzenden Form. Man kann also
schlechterdings nicht absehen, welchem Zwecke der fragliche
Vers dient. Ferner erzeugt er die von den Grammatikern be-
merkte Schwierigkeit, dafs Lakon in Vers 1 als Sybarit be-
zeichnet wird, hier dagegen im Gegensatze zu Sybaris als
Thurier. Dem haben die Modernen so abhelfen wollen, dafs sie
iin ersten Verse schrieben tijvov tbv jiüifitva tovde lißvQta
für tbv SvßctQitav. Eine ganz abscheuliche Konjektur. Dafs
darum: <f<Xt sagt gleich darauf Komatas, und schon die Abwechselung kann
lehren, welche Variante den Vorzug verdient.
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Beilage: 10. Zum HeraHiskos.
237
uns der Dichter das Lokal seines Gedichtes sofort angibt, ist gut
und schön; das vertreiben sie und bringen etwas Gleichgültiges
dafür, nein etwas Schädliches, denn der spätere Spott auf den
Sklavenstand des Lakon wird ungehörig antizipiert, wo keiner
auf ihn hört, und dadurch abgeschwächt. Und was ist das für
ein Griechisch, dies rövde neben rrjvov, und sagt man denn auf
griechisch 6 notfi^v b SißvQTa, wie auf deutsch der Kutscher
des Herrn Meyer? Wenn man's sagt, kann dafür notfiifv öde
IißvQta stehen? Das alte Sybaris lag zu Theokrits Zeit seit
Jahrhunderten wüst und auf seinem Boden erhob sich Thurioi.
Dafs die Quelle Sybaris noch so hiefs, die den Namen der Stadt
gegeben hatte, war natürlich. Es könnte gedacht werden, dafs
es auch der Name einer xcofirj war, aber davon weifs man nichts,
und diese Worte hier führen auch nicht im entferntesten darauf;
es wäre auch kein Gegensatz, Kwwwvg und 'Afrrjvalog. Da-
gegen hatte mittlerweile Sybarit üblen Beigeschmack erhalten:
dafs Komatas den Lakon, der so gerne für einen Bürger, also
Thurier gehalten werden möchte, Sybarit anredet, ist wahrlich
nicht nur glaublich, sondern gut. Hinderlich ist also nur der
Vers, den wir als entbehrlich, ja als an seinem Orte störend
erkannt haben. Also fort mit ihm. Seine Entstehung ist leicht
begreiflich: er sollte eben die Vorstellung der beiden Gegner
vollständig machen. Wer ihn einschob, hatte das ganz richtige
Gefühl, dafs Komatas so nicht schliefsen konnte 41 die Ziegen
hier gehören dem Sibyrtas"; aber er verkannte, dafs Lakon,
empfindlich getroffen, dazwischen schreit "das ist ja ganz gleich-
gültig". Vergriffen aber hat sich der Ergänzer durchaus; wenn
er fortgefahren wäre "und ihr Hirt hcifst Lakon, der sich ein-
bildet ein grofser Sänger zu sein", würden wir seinen Vers von
denen des Theokrit schwerlich unterscheiden.
d. Zum Herakliskos.
Herakliskos 31, die Schlangen khaaia^v jtsol xalda öyl-
yovov yaladt]vöv vjiö roor/wt alkv ädaxQvv, Da schwankt man
in betreff der Verteilung der Worte und manche ändern. Theo-
krit hat zunächst öyiyovov gelehrt gesetzt: er bekennt so, dafs
238 Beilage: 10. Zum Herakliskos.
er das Homerische vqlvyetog so verstünde, vgl. die Deutungen
des Wortes bei Pollux 3, 20 mit den Parallelen, die Bethe an-
führt, und Plutarch Jt. noXvydlag 94 a. Dann erwartet Alkmene
keine Kinder mehr, wie sie ja auch keine bekommen hat: dafs
die Eltern so alt sind, widerspricht der alten Sage und der
naiven Auffassung, die wir alle hegen. Vollends Zeus wird
schwerlich eine alte Frau mit so unersättlicher Leidenschaft auf-
gesucht haben. Aber von der Vaterschaft des Zeus ist auch
keine Rede. Er lenkt nur die Geschicke zugunsten des Welt-
erlösers; der Hafs der Hera spielt freilich für uns befremdend
herein. Indessen das kann und wird in der Vorlage anders ge-
wesen sein, die Theokrit zu der ersten nemeischen Ode Pindars
herzugenommen hat; der Name Herakliskos kehrt als Titel eines
Sophokieischen Satyrspiels wieder, und das ist schwerlich Zufall 1 ).
Dann wird Herakles bezeichnet als yaXa^vbg tmö rgoycbi, so
ist zu verbinden, denn die Kinder bleiben bei der TQoyög noch
viel länger als sie ihnen die Brust gibt; Herakles ist aber trotz
seinen zehn Monaten (V. 1) noch nicht entwöhnt, sondern heifst
wie hier yaXad^vög im V. 54 imtMiog. Dafs er andererseits
nicht blofs als ya?.a4h)vög bezeichnet wird, liegt daran, dafs er
dann auch von Alkmene gesäugt werden könnte und in dem
Falle bei der Mutter schlafen müfste. So ist "als Säugling bei
der Amme" durchaus korrekt. Endlich heifst er alkv äöaxgvg:
die Herren Kritiker müssen sehr wenig Erfahrung mit kleinen
Kindern gehabt haben, wenn sie vsib TQotpcoi alev ädangw ver-
banden. Denn ein Kind, das bei der Amme ruhig ist, ist ein
ungezogenes oder unausstehliches Balg, das losbrüllt, wenn die
Amme fortgeht. Aber das war allerdings eine Vorbedeutung des
unvergleichlichen Helden, dafs er schon als Brustkind niemals
weinte. So lustig zeigt er sich auch, als er die Drachen um-
*) Diesen Titel gibt nur das Florilegium des Orion, aber zweimal. Da-
neben erscheint ein 'IlQaxXijg ««rt^txo,- ; ob das zwei Stücke waren oder eins,
steht dahin. Die tni TtuvaQuu aärvQot mit einem oder gar beiden zu identi-
fizieren, ist bare Willkür. Über den Inhalt geben die Bruchstücke nichts
aus. Übrigens ist bei Sophokles die sprachlich richtige und überlieferte
Form 'IfQtocltioxu; zu halten; vielleicht hat auch Theokrit so geschrieben.
Beilage: 10. Zum Herakliskos.
239
gebracht hat, während Iphikles krampfhaft vor Furcht zappelt,
dxQdxokog, das ich Herrn. 39, 138 gerechtfertigt habe.
76 jzoXXai 'Ayauädaw iialaxbv negl yovvan vfjfia yeiql
xaravQtyovoiv dxQtojieoov delöoioai 'AXxfxrjvav. Das ist eine
hübsche Situation, wie sie abends zusammensitzen und den Flachs
auf dem inlvqtQov oder dem övog reiben, wie das Robert an
der Hand der attischen övoi ausgeführt hat. Nur haben diese
Dorerinnen kein enivrjTQov, sondern reiben noch auf dem eignen
Schenkel: das ist das altertümliche Kolorit der Stelle, wie des
ganzen Gedichtes.
86. 87 haben aus einem andern Grunde den Erklärern
Schwierigkeiten gemacht. Der Seher sagt "Dein Sohn wird der
Schwiegersohn der Götter werden, die ihm diese Ungeheuer gesandt
haben". Wer die Götter waren, enthüllt er nicht; wie die Erhöhung
des Herakles sich zutragen wird, ebensowenig. "Dieser Tag wird
kommen, wenn der Wolf das Reh, das er auf der Schlafstätte
findet, nicht anzurühren wagt." Das ist ein Orakel, dunkel wie
sich schickt, bildlich wie sich schickt. Es wäre ja zu dumm ge-
wesen, wenn Teiresias die zukünftige Geschichte ausgeplaudert
hätte. In den Himmel eingehen wird Herakles; wann? ^fiegcbaag
yalav, negoag öelfjuava ^q&v, um mit Euripides zu sprechen,
den ich eben aus dem Pindarischen Gedichte erläutert habe, das
Theokrit hier vor Augen hat. Also wenn die Erde so friedlich
sein wird, dafs der Wolf sich von seiner angebornen ddixla
zurückhält, dann ist es an der Zeit, dafs der zu Raste gehe, der
die Erde befriedet hat. Das ist ganz vortrefflich. Theokrits
Hörern waren diese Gedankengänge aus der alten Poesie ver-
traut genug, das Orakel zu verstehn; und wenn sie's nicht
verstanden, so war es eben ein Orakel.
Dafs vor 50 nichts ausgefallen ist, hat Vahlen vorzüglich
gezeigt. Aber für die hellenistische Poesie und die Art ihres
Vortrages ist diese Stelle wichtig und die frühere 34 auch, wo
ja die Philologen, die nur ihren Homer oder besser ihre lateini-
schen Epiker im Kopfe hatten, auch eine Lücke angesetzt oder
ein Verbum dicendi hineingebracht haben. Alkmene hörte den
Iphikles zuerst schreien und wachte davon auf. "Steh auf,
Amphitryon, unser Kleinster weint". Und weiter "Amphitryon
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Beilage: 10. Zum Herakliskos.
rief die schnarchenden Sklaven, "Bringt Licht, macht die Türen
auf", "Steht auf Knechte, der Herr ruft", so sagte die phöniki-
sche Sklavin, die an der Mühle safs". Das ist sehr gut und
lebendig, aber wirklich durchaus wider Homerische Weise, ist
auch aus den Buchstaben der Papyrusrolle ohne Lesezeichen
nicht bequem zu verstehen. Das mufs man rezitieren, mit
Kunstpausen und mit geschicktem Stimmwechsel rezitieren, wie
ihn die Homerischen Rhapsoden noch nicht verstanden. Theokrit,
der ja auch Mimen genug gedichtet hat, belehrt, wie übrigens
Kallimachos auch, was diese Poesie ist: Deklamationspoesie, aber
für Virtuosen, lebendige Poesie für eine lebendige Kunst, und
zum Glück eine Kunst, die nicht aus der Rhetorenschule sondern
aus der Rezitation der grofsen Poesie ihre Nahrung und Technik
gezogen hatte, daneben höchstens von der Bühne. Statius ist
auch ein brillanter Deklamationspoet, man mufs es mit lebendiger
Stimme probieren; aber bei ihm sind es eingelernte Kunststücke,
die immer wiederkehren. Das Individuelle, der einzige grofse
und spezifische Charme des Hellenistischen, ist der neuklassischen
Konvention, der Schulrhetorik gewichen.
Für die 'HgaxXiovg naidsla ist ersichtlich ein ähnliches
Buch ausgeschrieben wie in der Apollodorischen Bibliothek, wenn
es auch nur von einem glücklicherweise überwundenen Stand-
punkte der Mythographie erfordert war, die Namensformen aus-
zugleichen. Das Buch mufs ein Bildungsroman gewesen sein,
wie ihn Herodoros geschrieben hatte: in der Tat eignete sich
Herakles, der vollkommene Held, besonders zu einem solchen
Versuche, und schon vor der Sokratik hat man das Problem
der Jugendbildung ventiliert, zuerst in den Hcsiodischen Xtgcavog
Unter den Lehrern des Herakles steht an erster Stelle der
yQafifiavtavrjg, der alte Linos, vlög 'ÄJtökkcovog /jLeXedovsvg
äynvjzvog tfocog, 106. Den Vers kann ich nicht verstehn. Das
Wort fiekedcüvevg gleich dem gewöhnlich ionischen fjieXedcovög
erklärt Hesych mit ytUctf, und es kann gewifs den Pädagogen
bezeichnen; aber wie gliedern wir es ab? äyQVJtvog gehört zu
rjQcog, das sonst leer ist; aber wie soll diese Apposition, die
eine dauernde Eigenschaft des Linos angibt, neben Jtaiöaycoyög
Beilage: 10. Epitaphios Bions 16. 241
stehen, das seine Funktion im Hause des Amphitryon angibt?
Ich kann nicht darüber hinweg, das Vaterland des Linos hier
zu erwarten, und wenn ich auch neben Theben und Chalkis
keins kenne, so erwarte ich eben hier etwas so Rares, wie Harpa-
lykos von Phanoteus und Kastor von Argos, über den es so-
gar eine Geschichte gegeben hat, auf die Theokrit anspielt,
uns ganz unbekannt. So rate ich freilich nur, aber Medecoviog
klingt so nahe an iceXeöcovevg, und ein fast verschollener und
doch durch das Epos gewährleisteter Ortsname aus der Nachbar-
schaft pafst so vorzüglich, dafs mir die Änderung ganz besonders
gefällt, obwohl sie sich nicht beweisen läfst.
Musuros hat das Gedicht als unvollständig bezeichnet; viel-
leicht hat auch der Schreiber von D so geurteilt, als er dahinter
Lücke liefs. Gewifs konnte etwas folgen; es ist kein Schlufs
als solcher stilisiert. Aber es mufste nichts folgen, und ein
solches Gedicht als Anfang einer Heraklee ist vollends undenkbar.
134 schliefst die breite Schilderung der Lehrmeister ab; hinzu
tritt die körperliche Trainierung des dorischen äMrjtyg, in Schlaf,
in Nahrung, in Kleidung. Das klingt den hellenistischen Menschen
etwas komisch, wie aus einer andern Welt, es kontrastiert mit
der musisch -gymnastischen Bildung vorher; der Hörer lächelt
dazu, und so meine ich, hat sich der vortragende Dichter mit
dem dorischen Brot, an dem sich ein Scheunendrescher satt
essen konnte, und dem dorischen Chiton, der die Waden freiliefs,
einen Abgang geschaffen, nicht schlechter als mit den Zötlein
in den Gedichten 4. 5, dem äjtQoaöö-Atjtov 12.
e. Epitaphios Bions 16.
In dem Gedichte auf Bions Tod werden nach den Gewässern
und den Blumen 1 ) und den Nachtigallen auch die Schwäne auf-
gefordert zu klagen
l ) Darunter der Hyakinthos vermutlich nach dem gleichnamigen Ge-
dichte Bions (Stob. Ecl. I, 5, 7); erweisbar ist es nicht. Zu Euphorion (36)
wird Bion selbst bewufst irgendwie Stellung genommen haben.
Philolog Untersuchungen. Will. 16
242 Beilage: 10. Epitaphios Bions 16.
15 yoegolg orofidveaai /neXladere nivfiifiov cbtödv
oiav vfistigoig Jioxl itiXwi yijQvg äetde,
eXnats d' av xovgaig Olaygioiv, elsiare adoaig
Biatovlaig NvfMpcuoiv, äacbhero Acbgiog "ÖQtpevg.
Die Schwäne ziehen von Norden nach Griechenland; daher
lokalisiert man sie gern in Thrakien, so Bakchylides 16, 5 und
Aristophanes Vög. 774 am Hebros. Als der höhere Norden be-
kannt wird, rücken die Schwäne auch höher, an Ister und Tanais,
Seneca Ag. 679. Der Strymon gehört bei den Römern gewöhn-
lich den Kranichen; aber das sind ja auch Zugvögel. Hier ist
er gewählt, weil Bion der dorische Orpheus sein soll, was nicht
mehr besagt als der dorische, d. h. bukolische Dichter, der die
ganze Natur bezaubert. Es ist nicht wunderbar, dafs Ovid die
Natur in ähnlicher Weise um Orpheus klagen läfst (XI 44):
wenn da ein direkter Zusammenhang geglaubt werden sollte, so
müfsten mindestens die Schwäne vorkommen.
Orpheus kommt noch einmal in dem Gedichte vor. 131
"Singe auch der Persephone ein sizilisches Lied; sie ist auch
aus Sizilien und hat in den Schluchten des Ätna gespielt und
kennt die dorische Weise: da wird sich dein Gesang lohnen und
sie wird dich hinauflassen, wie sie einst dem Orpheus für sein
Saitenspiel die Eurydike liefs". Die pedantische Frage "wo
steht, dafs Persephone am Ätna gespielt hat" ist eigentlich keiner
Antwort wert. Die Poeten fragen nichts nach dem geographischen
Detail: den Ätna kennt jeder, zumal wer Bukolik liest, als Ort
der sizilischen Hirten. Dagegen wenn Henna genannt wäre, so
würde sich gar keine Gemeinsamkeit zwischen Persephone und
Bion ergeben. Ebenso klar ist, dafs (iskog olöe rö Acoqiov das
Richtige ist: die bekannten Klänge sollen sie rühren, fjiöe (viel-
mehr aide) würde voraussetzen, dafs sie selber sänge oder am
Ätna gesungen hätte. Hat sie das etwa getan? Orpheus end-
lich ist hier lediglich um der Befreiung aus dem Hades willen
herangezogen; da war er kaum zu entbehren. Es sind alles Ge-
meinplätze.
Aber aus V. 15 ist nicht ohne Schein geschlossen worden,
dafs eine Beziehung auf ein bestimmtes Gedicht Bions vorläge.
Der Vers ist verdorben, denn die YVQ V 9 kann keine tbiÖr) singen.
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Beilage: 11. Zu den Technopägnieeu.
Also hat Kallierges yijovv gesetzt, was seltsamerweise Vulgata ge-
worden ist. Denn fu?.laÖBve (biöäv olav — äeide verlangt ein Sub-
jekt, erträgt aber kein zweites tautologisches Objekt neben (biödv
olav. Auf Grund dieser verkehrten Änderung sucht man dann
zu verstehen "singt ein Lied, wie er, Bion, eine Rede mit euren
Schnäbeln sang", d. h. wie er euch ein Klagelied auf Orpheus
in den Mund legte. Ein leidlich verständiger Dichter würde
das so ausgedrückt haben, dafs der Sänger Bion ebenso wie
der Gegenstand der Klage, Orpheus, kenntlich gemacht wäre.
Dieser Dichter ist so ziemlich ein Stümper, aber durch gram-
matische Verzwicktheit wird er nicht dunkel. Die Schwäne sollen \ a ,
ein Klagelied singen wie sie es entweder bei einer bestimmten
Gelegenheit gesungen haben, oder aber wie man es von ihnen iT (
erwarten kann. Sie singen im Tode, was sich schlecht wieder-
holen läfst, oder im Alter; dies die ältere Vorstellung 1 ). Der
Fehler sitzt in yfjQvg äeids: da liegt yi]Q a 9 äeidei wirklich nicht
fern. Ich habe die Freude gehabt, dafs ein Mitglied meines
Seminares die Verbesserung fand, als ich kaum begonnen hatte,
die Suchenden auf den rechten Weg zu bringen.
Mit der Anspielung auf ein Gedicht des Bion (bei mir im
Seminar ebenfalls erwogen) ist es dann allerdings nichts, oder
wenigstens, sie bleibt eine unerweisliche Möglichkeit; an einen
Orpheus des Bion zu denken fehlt überhaupt jeder Anhalt.
11. Zu den Technopägnieen.
Die drei Gedichte des Simias sind insofern Epigramme, als
sie Aufschriften sind; das sagen sie selbst. Das Beil weiht
nicht Epeios, sondern irgend wer, eben der Dichter, setzt eine
Inschrift darauf, die erzählt, Epeios hätte es geweiht, und der
wäre im irdischen Leben verachtet durch Homer zum ewigen
Leben erhöht. Als wirkliche Inschriften hat diese Gedichte
A. Hecker betrachtet; er hat keine Beachtung gefunden. Un-
abhängig von ihm und in anderer Weise habe ich dasselbe zu
beweisen versucht. Meine Erklärung (Jahrbuch des Arch. Inst.
') Zu Eurip. Herakl. 110.
16*
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244
Beilage: 11. Zu den Technopägnieen.
XIV 51) hat auch kaum Beachtung und durch Reitzenstein (Ar-
tikel 'Epigramm' bei Wissowa) Ablehnung gefunden. Nach ihm
sollen "mystische Nachahmungen etwa der Orphiker den ersten
Anhalt zu diesen Aufschriftkünsteleien 1 ) gegeben haben". Der
Appell an Aberglauben ist jetzt Mode; aber ich halte es für
unwahrscheinlich, dafs er auf die Dauer an die Stelle der Inter-
pretation treten wird 2 ). Dafs die Kontur des Gedichtes ein Beil
ergäbe, ist notorisch nicht der Fall: die Byzantiner, die das er-
warteten, sahen sich genötigt, den Stiel zuzuerfinden. Die Vor-
aussetzung ist also, dafs das von Epeios geweihte Beil bereits
existiert und durch diese Inschrift erklärt wird. Die Flügel
reden gar nicht von Flügeln, sondern ein Erosbild, das den Gott
als Kind (d. h. klein), aber bärtig darstellt, redet das Publikum
an und gibt die Erklärung dieser Bildung, damit man sich nicht
entsetze. Wie es zu diesem Gedichte eine Parallele bilden soll,
dafs ein Zauber vorschreibt, ein beschriebenes Plättchen in den
Rücken einer Erosstatuette einzulassen, ist mir verschlossen.
Und wenn ein Gedicht mit kevooe anfängt und mir dann ver-
>) Wenn Reitzenstein recht hätte, wären die Gedichte gar keine 'Auf-
' Schriften', Epigramme. Ich meinerseits mufs die Theorie von dem Buch-
epigramme, die Reitzenstein vorträgt, im wesentlichen ablehnen. Ein Epi-
gramm wie das des Kallimachos auf Timonoe (15) ist m. E. dummes Zeug,
wenn Timonoe weder gestorben ist noch existiert hat. Ich bin vollkommen
außerstande mich in die Seele eines Menschen zu versetzen, der sich solche
Grabepigramme fiktiver Menschen aus den Fingern saugt, oder auch in die
eines Publikums, das die Elaborate eines solchen Erfinders von Grabgedichten
auf fiktive Leute lesen mag. Die Manier, höchst merkwürdige Todesfälle
oder Weihungen zu erfinden, die dann natürlich erfundene Träger erhalten, m
ist von solchen ganz einfachen Situationen des Lebens vollkommen ver-
schieden; ich denke, man kann sie auch leicht auseinanderhalten.
") Welch ein Blödsinn früher aufgetischt ward, zeige Bergk Opusc.
II 778. Die Syrinx hat zehn Halme, weil sie Theokrit als Vorrede der
zweiten, vermehrten und verbesserten Auflage seiner naiyvia ßovxoXtxa (dies
der Titel) beigegeben hatte, die zehn Gedichte enthielt; daher gab er der
Syrinx zehn Halme, obwohl sie nur sieben hatte. Die erste Auflage hatte
nur sieben Gedichte enthalten, und zwar hatte Theokrit überhastet das Ge-
dicht 9 noch rasch zugedichtet, damit die Zahl der Syrinx entspräche; aber
damals, als es stimmte, machte er kein Gedicht Syrinx. Vorher hatte Bergk
die letzten zwei Zeilen kreisförmig drucken lassen, damit sie einen Ring zum
Anhängen der Syrinx bedeuteten.
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Beilage: 11. Zu den Technopäguieen.
245
sichert wird, "der Zweck beim Zauber ist nicht, dafs das Gebet
gelesen wird, sondern dafs es geschrieben wird", so sage ich
"dann ist dies eben kein Gebet (wie es das auch nicht ist) und
für keinen Zauber bestimmt". Übrigens glaube ich auch bei
dem dümmsten Aberglauben, dafs geschrieben wird, um den
Dämon zu zwingen: der soll dann also die Beschwörung lesen.
Das Ei sagt "sieh hier ein Ei der dorischen Nachtigall; nimm
es freundlich auf (Anrede an jeden Empfänger): das Legen ist
der Mutter sehr schwer geworden. Hermes hat es unter die
Menschen gebracht und geboten, vom Monometer zum Dekameter
fortzuschreiten" (d. h. richtig zu skandieren). Ein breit aus-
gesponnenes Gleichnis schildert das hurtige Strampeln seiner
Füfse, während er die Füfse der Verse taktiert. Da ist also
gewifs die Hauptsache das künstliche Gedicht; das ist das Ei,
gelegt von Simias, der Nachtigall von Rhodos. Es steht nicht
einmal da, wo das Gedicht steht, das sich selbst Ei nennt.
Wenn nun ein Zauber aus späterer Zeit verlangt, dafs ein Gebet
auf ein Ei geschrieben werden solle, so ist es notwendig, daraus
zu schliefsen, dafs man auf Eier schrieb, unmöglich, dafs man
das Oval nur auf dem Papier nachahmte. Wenn endlich ein
magischer Buchstabenzauber in ähnlicher Eiform auf einem
Strafsburger Papyrus steht, wie die des Simiaseies ist, wenn's
auf dem Papier steht, was werden wir anders glauben, als dafs
auch dieser Buchstabenkomplex eigentlich für ein Ei bestimmt
war. Denn die Kontur der Verse liefert nun einmal auf dem
Papier kein Eirund.
Die drei Gedichte haben lyrische Formen; die passen nicht
für Lesepoesie, also nicht für Epigramme: wie ist Simias auf
sie verfallen? Mir scheint die Erklärung unmittelbar ein-
leuchtend. Simias hat nach diesen verschieden langen Versen
gegriffen, weil er einen bestimmten Raum füllen wollte. Das
Papier liefert den nicht; die Schneide des Beiles, die Flügel der
Statue (warum er diese und nicht die Basis wählte, werde ich
Reitzenstein zeigen, wenn er mir die Statue zeigt), das Ei
lieferten einen solchen Raum. Die beiden ersten habe ich durch
Abbildungen erläutert; an einem Ei kann es jeder nachprüfen;
ich habe in meinem Leben manches Osterei beschrieben. Damit
246
Beilage: 11. Zu den Technopäguieeu.
hielt und halte ich die Sache für erledigt. Es hat gar keinen
Zweck, im Abdrucke der Gedichte die Kontur typographisch
nachzubilden und das Verständnis des Sinnes zu beeinträchtigen ;
dabei kommen nur Monstra heraus ähnlich wie in den Hand-
schriften der Byzantiner.
Die Syrinx gibt sich auch als Weihung einer Syrinx an
Pan, der auf ihr blasen soll, und Zahl und Länge der Rohre
bestimmen die Verslänge: wenn das Anathem das frühere ist, so
kann man nicht fragen, warum macht er zehn Disticha? Es ist
sehr viel angemessener, wenn die Aufschrift wirklich auf eine
Syrinx gesetzt war, als auf dem Papier: da hätte der Verfasser
wenigstens die Buchstabenzahl gleich machen sollen, wie Kasto-
rion in seinem Gedichte an Pan. Man bekommt jetzt doch kein
wirkliches Gleichmafs heraus.
Der dorische Altar gibt die historische Erklärung eines
wirklichen Altars der Chrysa auf den Niai bei Lemnos; nicht
als die Weihung des Stifters, sondern als Bericht darüber. Aber
es ist klar, dafs das Gedicht dort nicht stehen konnte, sondern
nur durch seine verschieden langen Zeilen den Eindruck erwecken,
als wären sie durch den Raum bedingt. Es macht also den
Fortschritt zum Carmen figuratum. Der ionische Altar ist das
durchaus und hat jede Fiktion aufgegeben.
Simias bedient sich der künstlichen dithyrambischen Rede,
zumal im Ei; aber es bleibt ein qualitativer Unterschied gegen-
über den drei anderen Gedichten. Dies sind yglyor, sie stellen
sich zu Lykophrons Alexandra, die in dem Altar des Dosiadas
benutzt ist (TQiiöJveQog = "Hgaulfig) ; aber die Rätsel sind hier
gehäuft, und zumal die Syrinx ist, wenn man einen solchen
Scherz überhaupt zuläfst, in ihrer Art kaum zu übertreffen.
Beide Gedichte haben viel gemeinsam; aber der Altar ist von
der Syrinx abhängig, fiegoip ist dort /xeqI^cov tyv öna, in ihm
nur ävOQO)7tog\ di&g dort di<pvt]g, hier nur dig ^qoag\ Penelope
die Mutter des Pan ist dort notwendig, hier Nebenwerk; äaä-
tcoq dort, "dessen Vater man aus der Menge der möglichen Väter
nicht herausfinden kann", hier simpel "der keinen Vater hat" 1 ).
l ) Spafshaft ist, dafs Synesios in seinen Hymnen auf die Tri ni tat an
diese yQtyoi angeknüpft hat; 3, 145 sagt er von Gott Vater naifQwv navituv
Beilage: 11. Zu den Technopägnieen.
247
Nach /.aQvaxoyvwg = y^könovg ist '/vi6yaky.og = xaXxooibfiavog
gemacht. Vor allem ist Ildgig = SsöxQivog um des Eigen-
namens willen trotz des grammatischen Fehlers nicht nur er-
träglich sondern witzig: deöxQitog für Ildgig nur durch diesen
Vorgang entschuldbar. Der ganze Aufbau ist ähnlich; es wird
beidemal eine Person durch ein Rätselwort bezeichnet, dann
mit ov eine falsche Deutung abgelehnt, und die richtige ge-
geben. Aber schon dafs nur in der Syrinx dieses letzte Glied
mit dem einzig passenden dXkd angeschlossen ist, zeigt, wo das
Original ist. Auch dafs Dosiadas nicht nur eine Glosse, sondern
überhaupt die troischen Geschichten von Lykophron hat, zeigt,
dafs er nicht der Erfinder ist.
Die Syrinx gibt sich als Theokritisch; sie setzt sowohl die
Übergabe des Instrumentes der Bukolik an Pan in Theokrits
Thyrsis wie den Simichidas und den Komatas der Thalysia
voraus 1 ). Man kann nicht behaupten, dafs nur Theokrit selbst
dies Gedicht auf sich hätte machen können, oder dafs es not-
wendig aus seiner Zeit stammen müfste. Der Altar ist eine
Nachahmung; man kann nicht behaupten, dafs sie und ihr Ver-
fasser, von dem wir nur den Namen kennen, in Beziehung zu
der Person des Theokrit stehn müfsten 2 ). Wann die Syrinx in die
Ausgabe seiner Werke aufgenommen ist, läfst sich nicht fixieren.
Das alles gebe ich bereitwillig zu. Aber ich vermisse auch jeden
Anhalt, dem Gedichte selbst zu mifstraüen, das seinen Verfasser
Theokrit nennt. In seiner Zeit gab es die Gedichte des Simias,
wurden yglyoi gern gemacht, trieb man die Homerische Glosso-
graphie (Philitas und Simias), und hat Kallimachos ein Rätsel-
nariQ avioninioQ ti oonnuoQ anänog. Das stammt von xhonomataQ ananop.
Eine andere Nachbildung (6, 34 nach dem Pterygion des Simias) habe ich
früher aufgezeigt; sie liefert die Verbesserung 7iQ«vi.6ya)t für ngavvtai.
1 ) Rätselhaft bleibt noch, wieso Pan "die Liebe des lydischen Weibes "
heifsen kann.
2 ) Die Argonautensage- ist nicht die des Apollonios; das ist nicht un-
wichtig. Nicht nur, dafs die ganze Weihung bei dem nicht steht: dafs die
Argonauten nach dem kretischen Abenteuer erst nach Lemnos kommen,
widerspricht dem Apollonios und der Vulgata, stimmt aber zu Pindar. Dafs
Medeia (iuÜQOtjv ist, «eil sie in Mannerkleidung aus Athen geflohen war, ist
überhaupt singulär.
24S
Beilage: II. Zu den Technop&gnieen.
gedieht auf Athena verfertigt. So halte ich die Athetese für
unberechtigt. Der Altar steht zur Syrinx wie der Wettgesang
8 zu 6; die zeitliche Distanz der Nachbildung von dem Original
vermag ich nicht zu messen. Dafs solche Scherze gerade in dem
Kreise, der sie erzeugt, Nachbildungen hervorrufen, ist eine Er-
fahrung, die man alle Tage machen kann. Dumm ist's wenigstens
nicht, den Verfasser in einem Genossen Theokrits, etwa in Ly-
kidas zu suchen.
Das Versmafs der beiden kleinen Gedichte des Simias sind
einfache Choriamben ; dafs der katalektische Monometer iambisch
sein mufs, ist natürlich. Der ionische Altar zeigt die Vers-
mengerei, wie sie der späten Zeit zukommt, aber lauter einfache
Formen, wie sie damals das metrische Handbuch lieferte. Die
Syrinx baut daktylische Reihen, und zwar auch akatalektische,
wie sie Sappho bot, also gerade Gebilde, die sonst nie nach-
geahmt worden sind, aber dem Theokrit gut bekannt waren, so
dafs sie sich zu seinen andern metrischen Experimenten gesellen.
Dosiadas wendet Iamben an; er kennt noch die Unterdrückung
der Senkung, sogar vor der Katalexe (tbv yvioxaXxov ovqov
eggaiOEv ), und die Verbindung des
Reizianum mit dem Dimeter. Aristophanes neivcbv TQidxovt'
rffieQag tov firjvög Sxdorov, hier di^coog Ivig t' ävÖQoßQ&vog
'D.ioQaiaräv*); es respondiert ä yayov xqIjioqüov, d. h. er baut
das Reizianum wie Plautus. Das ist alles schon interessant, denn
wir müssen für jede Information über die spätere Metrik dank-
bar sein; aber wirklich bedeutend ist nur die Metrik des Eies.
Mir war sie eine wichtige Offenbarung, als ich sie vor fünfund-
zwanzig Jahren untersuchte; die damaligen Stimmführer in der
Metrik hatten diese Gedichte überhaupt nicht gelesen. Aber das
unzweideutige Zeugnis, dafs den Dichtern siovg dasselbe war was
wir fisvQov nennen (was sehr wohl ein Glykoneus sein kann),
ist heute nicht mehr erforderlich. Es ist indessen immer noch
Beherzigenswertes zu lernen. "Hermes befiehlt ix fiirgov fiovo-
ßdfiovog di^etv dgiftfiöv elg äxQav dsxdd' l%vhov" Die Kor-
l ) Weil er das Metrum verkannte, hat Bergk 'flogaiarfir geschrieben;
ähnlich schon Triklinios. Aber dann müfste Philoktet den Ilos erschossen
haben.
Beilage: 11. Zu den Technopägnieen.
•249
ruptel in Nebendingen beeinträchtigt diesen Sinn gar nicht; der
Sinn ist klar: Fortschritt vom Monometer zum Dekameter; in
fiovoßdficov und in i'/vlov steckt unverkennbar der technische
Ausdruck aovq. Hermes selbst schwebt in der Luft und gibt
mit den schnellen Bewegungen seiner Beine den wechselnden
Takt an (ein höchst belustigendes Gegenbild zu dem irdischen
Kapellmeister, der den Takt tritt), 1%vbi Mvcqv IIieQldcav fiovö-
öovnov avddv. Auch hier ist trotz aller Korruptel deutlich,
dafs er mit seinem Fufse "jeden Einzelklang der Musik" tritt:
man sieht ordentlich die Götterbeine herumwirbeln wie den Takt-
stock des modernen Dirigenten. Wie schnell das gehn mufs,
illustriert die lustige Vergleichung mit einer Herde gescheuchter
Lämmer.
Eine unabweisbare Folge ist, dafs das Mafs vom Monometer
zum Dekameter steigen mufs. Das verspricht etwas Besonderes,
sobald man die Silbenzahlen betrachtet. 3. 7. 11. 15. 18. 22. 22.
25. 28. 30. Die ersten vier Verse sind einfach; die nennen auch
wir trochäische Monometer, Dimeter, iambische Trimeter, Tetra-
meter. Im letzten ist eine anhebende Senkung unterdrückt,
was für die Zeilenlänge nichts verschlägt, da gleichzeitig Auf-
lösung stattfindet. Nun aber der Pentameter
dgidfiöv elg äxgav dexdd' favicov xöoftov vefiovva QV&fjLCöv
Zwischen drei iambischen Metra der Hymenaicus (Yfirjv vfiivai'
(ö, stichisch bei Aristophancs) : das war also ein Dimeter.
Der Hexameter schliefst an einen iambischen Trimeter den
alkäischen Zehnsilbler: der ist also ein Trimeter, etwa
i ]
KJ\J | \J
Der Heptameter stellt vor ihn j — | | :
das ergibt also bei gleicher Silbenzahl einen Takt mehr, weil
die Senkungen unterdrückt sind.
Oktomcter | | ^ w w — | — | ^ ^ — | ^ _ w — |
Dafs so abzuteilen ist, lehren die Wortkomplexe, die ^ « w —
immer zusammenfassen, und es ist ja auch einfach: man mufs
nur das Reizianum anerkennen, das uns eben im Altar begegnet
ist. Hier scheint es iambisch und die spätere Metrik würde
250 Beilage: 11. Zu den Technopagaieeo.
von einem Hypermetron reden: es ist aber nichts zu viel da,
sondern fürs Auge zu wenig.
Enneameter:
__|__|
Das würde man daktyloepitritisch nennen können: das daktyli-
sche Glied hat den Wert eines Dimeters; am Schlüsse ein iam-
bisches Metron abzusondern rät die Wortverteilung; praktisch
ist natürlich I — w — dasselbe.
Dekameter:
|__| ww _| ww _|__| ww _| www _|__|_ ww
Zum richtigen Skandieren hilft auch hier die Wortabteilung.
Der Adonius ist ein Dimeter: das wird man nach der Analogie
des Dekasyllabus annehmen. Aber die scheinbaren Anapäste
sind jcoöeg wie die Daktylen: das ist neu, mufs aber anerkannt
werden, und man kann doch auch daktylische Strophen wie z. B.
in der Geryoneis des Stesichoros nicht anders messen.
Ich enthalte mich an diesem Orte aller Konsequenzen ; wem
die Erkenntnis der griechischen Verse mehr als Spiel ist, wird
das Zeugnis zu würdigen wissen. Und ob es Zufall ist, dafs das
Taktieren ein vevfia noddov ist und so an die Neumen des
Mittelalters anklingt?
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Berichtigungen und Nachträge
Da ich dieses Buch gleichzeitig mit dem Texte der Bukoliker
druckte, also die handschriftliche Überlieferung und die Theorie
der Recensio noch wiederholt an jedem Verse zu prüfen ge-
zwungen war, sind mir Bedenken und Berichtigungen erwachsen,
die ich nicht zurückhalten darf. Dafs dabei an den Tag kommt,
wie wenig abschliefsend meine Arbeit ist, kann der Sache nur
nützen.
Seite 17. Die Spuren dorischer Betonung sind in den
Handschriften zahlreicher als ich angab. Von Vereinzeltem wie
ivöol (15, 1), Xdße (15, 66; doch ist das nur 'EXXrjvixöv gegen
'Attmöv), älläi (2, 127) abgesehen wird namentlich otfxrög oft
betont, aber, soweit ich mich erinnere, nicht ovva>. Das hat
sogar Nachahmung gefunden, gleich als ob man von irgendeinem
ovtg) versichern könnte, dafs es niemals ein s gehabt hätte, es
sei denn bei Herodas 4, 71, wo die Herausgeber outco' juAofot
schreiben um einen Anapäst zu vermeiden, während ovvcog im-
Aofo? überliefert ist; ich wollte, sie hätten einen Beleg für ovzco
vor Vokal beigebracht. Ohne Zweifel sind diese Accente der
Byzantiner für den Forscher über die antike Tradition von der
dorischen Betonung von Wert. Aber zur Zeit mufs erst einmal
die Erkenntnis durchdringen, dafs die Lesezeichen für Schrift-
steller, welche keine setzten (d. h. für alle des Altertums), ein
durchaus unverbindlicher Zusatz sind, und dafs wir, von Aus-
nahmen abgesehen, noch ganz im Banne der spätesten byzan-
tinischen Praxis stehn. Nur die auf der Kontraktion beruhende
252
Berichtigungen und Nachträge.
Betonung der dorischen Futura, die auch die Handschriften oft
geben, habe ich durchgeführt, doch auch sie nur in den ganz
streng dorischen Gedichten.
S. 18. Von Epicharm heifst es in der Anthologie, der man
gemeiniglich folgt, jtoXXä ydo Jtovväv £6av xolg jtäatv eine
Zgiiaifta; aber Kil geben rolg acuclv. Ol jzävveg pflegt die
Summe im Gegensatz zu ihren Teilen zu bezeichnen, nicht so-
viel wie ndvteg ol äv&omjzoi zu sein. Dagegen pflegen yvcbfxai
ßMoyeXelg in der Schule gelesen und gelernt zu werden. Das
verdient also den Vorzug, lehrt aber dann, dafs Theokrit im
wesentlichen denselben Epicharm vor Augen hat wie Xenophon
und Euripides (bei dem doch auch nur dies Verhältnis in Wahr-
heit vorstellbar ist) und Ennius. Vor Apollodors kritischer Aus-
gabe war eben der Epicharm, den man zu lesen pflegte, gleicher
Art mit dem Publilius Syrus, den wir lesen und den Seneca las,
d. h. eine Sentenzensammlung, im Kern aus den Komödien, aber
beständig umgeformt und vermehrt, wie es solcher Literatur
geht, gerade wenn sie Knabenlektüre geworden ist. Andererseits
hat Apollodors Ausgabe von Sophron und Epicharm vielleicht
schon den Artemidor beeinflufst, als er die Bukoliker sammelte,
da ja die fiifxoi dvögelot und yvvaixeioi auch bei Theokrit zu-
sammenstehn. Sicherlich hat die Theokriterklärung aus Apollodor
besonders viel genommen, und wie sollte ein guter Erklärer
eines dorischen Gedichtes es verständigermafsen anders halten?
S. 20. Dem Bion brauchen wir zum Glück yiMco doch nicht
zuzutrauen. Zwar überwiegt das Falsche im Adonis und findet
sich auch Öfter bei Stobäus. Allein bei diesem wird sich's viel-
leicht besser stellen, wenn wir die urkundliche Überlieferung
erhalten; ich war meist noch auf Gaisford angewiesen. Einzelne
falsche a (wie tQuiöftaTov Ecl. I 8, 39, V. 15) können nicht stark
ins Gewicht fallen. Der Adonis aber steht nur in Wäre er
überliefert wie der Epitaphios Bions, so würde er anders aus-
sehen: das zeigt sich hier in iq)ü.i]aev V. 69, das aus Bion V. 14
stammt. Danach bin ich schliefslich im Adonis verfahren. Wenn
aber der Schüler Bions das Richtige hat, wird es der geborne
Syrakusier Moschos erst recht gehabt haben. Wir werden wohl
am besten tun, in den Gedichten, die $ allein erhalten hat, ohne
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Berichtigungen und Nachträge.
253
Rücksicht auf die Handschriften alles notorisch Falsche still-
schweigend auszumerzen, wie ich es mit den falschen Dorismen
von 3> gegenüber 11 getan habe. Ein schlimmes Versehen ist,
dafs ich S. 21 sage, Gellius IX 9 gäbe in Theokrits Komos 1
ne<pi?,afieve wie unsere Handschriften. Ich verdanke die Be-'
richtigung dem gelehrten Korrektor der Clarendon press, der|
mich auf Hertz' grofse Ausgabe verwiesen hat. Ich hatte ge-
glaubt, mich auf meinen älteren Text von Hertz verlassen zu
dürfen. So ist in Wahrheit das Richtige bezeugt, wjir aber nach
der Theokritvulgata von alters her geändert und daher von Hertz
zuerst selbst gegen seine Handschriften unterdrückt
S. 34. 'd'Qiipai rot Xvxtdelg, ftgiipai xvvag tog vv ydycovn
mufs ich schärfer erklären. Da3 Sprichwort kann nur gelautet
haben &Qhpai xvvag cog tv ydycovn, denn es wird mit Aktaion
in Verbindung gebracht. Davor schiebt Komatas, weil für diesen
Grad von Undankbarkeit der Hund nicht zuzureichen scheint,
dgitpai Xvxtöelg. Uns klingt es wie eine Antiklimax, aber das
liegt nur daran, dafs wir das Sprichwort nicht haben. "Zieh
dir einen Wolf. Das Sprichwort sagt schon, zieh dir einen Hund,
dann frifst er dich: wie viel ärger ist dies." Das gibt in lang-
atmiger Paraphrase, was Theokrits Publikum dem elegant ge-
rundeten Verse unmittelbar entnahm.
S. 40. Bei fiäka pommettes durfte ich nicht unerwähnt
lassen, dafs Ahrens im Erastes 8 QÖda fxdkcov hergestellt hat,
denn zu dem Blitze der zuckenden Lippe und dem Strahle des
Auges gehören die Rosen der errötenden Wangen. Die Rosen-
wange, QOÖöfiaXov, wie man früher schrieb, reicht nicht, da sie
einen dauernden Zustand bezeichnen würde. Die Überlieferung
()oöö(j,a?,Xov, von zweiter Hand (>odond?Mov, ist darum inter-
essant, weil sie offenbar mit dem neugriechischen fia?.Xiä, die
Haare, operiert.
S. 52. Ich durfte nicht unerwähnt lassen, dafs in den
Homerischen Epimerismen Anecd. Ox. I 264 ein Vers Überliefert
ist, den Hecker mit Wahrscheinlichkeit dem Kallimachos bei-
gelegt hat Äadyov (pllog vlög dp^Aog IIvoXBfiaiog (Anon. 337
Sehn.). Auch dieser ist aus einem dorisierenden Gedichte, denn
ionisch wäre es Adrjyog, und doch steht dgi^Xog. Aber da dies
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254
Berichtigungen und Nachträge.
von dem Gatten der Berenike gesagt ist, kann es das Vorbild
von Theokrits ägl^log Begevixa gewesen sein, freilich auch eine
Nachbildung.
S. 89. Ich mufste den Vers 22 des Bukoliskos so schreiben
<bg xtaoög notl Jtgifivov ifiäv knvxa^ov vjvrjvav, nicht Meinekes
aegi für jzotI aufnehmen. Denn Jiegl empfiehlt sich schon des-
halb nicht, weil es im folgenden Verse mit dem Dativ verbunden
steht, und aovi mit dem Akkusativ findet sich, wo wir den Dativ
erwarten oder gar eine andere Präposition. Sophokles El. 931
rjv Jtgög xd(pov xTsglofiata, wo Kaibel eine sehr künstliche
Rechtfertigung des Akkusativs vorträgt. Philoktet 23 eyu (er
befindet sich) x&Q ov ^Q^g atobv tovöe, wo man viel anderes
mit Gewalt versucht hat. Homer M 64 oxöXojzsg, jzoti d' avvovg
telxog 'Axcu&v, wo schlechte Überlieferung eben das jieqI gibt,
das hier Meineke gesetzt hatte. Bion bei Stob. 64, 21 V. 3 i£6-
(j&vov moxl xXddov. In allen Fällen entspricht unser "an", und
wir werden zuzugestehen haben, dafs die Griechen dieses Orts-
verhältnis mit "auf . . . zu" bezeichnet haben. So werde ich
trotz der Nachahmung des Nonnos zweifelhaft, ob ich im Thyr-
sis 29 nsgi mit Recht dem schwierigeren Jtovl vorgezogen habe
(S. 223).
S. 104. Ich fürchte, ich habe die Möglichkeit zu bestimmt
abgelehnt, dafs $ sich auch in den ersten zwölf Gedichten als
eine Sonderüberlieferung, geradezu als eine antike Ausgabe, ab-
sonderte. Mit meinem Materiale kann darüber nicht entschieden
werden, und ich glaube auch nicht, dafs eine umfänglichere
Kenntnis von V daran etwas ändern würde; bei Triklinios ist
die Kontamination selbstverständlich. Aber zugrunde wird
allerdings diese alte Ausgabe überall liegen. Wenn wir B be-
säfsen, würde doch aller Wahrscheinlichkeit die Verbindung mit K
sich durchführen lassen, die in den Epigrammen, dem ersten
Paidikon und den beiden kleinen Gedichten des Simias zutage
liegt, so dafs wir auch das Zeichen il über den ganzen Bestand
von BK ausdehnen könnten. Aber unser Material gestattet zur
Zeit wenigstens diese Vereinfachung des Apparates leider nicht;
und es ist nur ein Glück, dafs für den Text der Schade kaum
grofs sein kann.
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Berichtigungen und Nachträge.
255
S. 135. Ich mufste aussprechen, dafs ich Qvcbvizog mit
Sv(üvr) und Bvoivevg in Verbindung bringe, welche sjilxkrjoig
des Dionysos sich zufällig nur bei Ovid Met. 4, 13 findet; aber
Bvmdöag nach Hesych in Rhodos: da haben wir die Sphäre, in
der Theokrit den Namen fand oder erfand.
S. 152. Thalysia 7 heifst es von Chalkon Bovgivav bg ix noöög
ävvs xgdvav ev ivegeiadfisvog izitgai yövv. Das Imperfektum
ist kaum zu ertragen, wenn blofs die alte Geschichte erzählt
wird; daher hat P äwoe gesetzt, denn für Überlieferung darf
man das nicht halten; dafs der Scholiast so las, ist mindestens
unerweislich. Aber auch die Stellung des Chalkon würde be-
fremden, wenn Theokrit nur die Geschichte erzählte, ix noÖog
ist wirklich der Erklärung bedürftig. Die Anstöfse schwinden,
wenn Theokrit eine bildliche Darstellung vor Augen hat. Der
Heros stemmt das eine Knie gegen einen Felsen, als wollte er
ihm das verhaltene Nafs ausquetschen, und tritt mit dem anderen
Fufse fest auf den Felsboden: unter dem quillt dann das Wasser
hervor; was nicht gerade zu bedeuten braucht, dafs dieser Tritt
das Wasser hervorlockt. Von einer Statue redet wirklich ein
Scholiast; ich bezweifle nur, ob er das aus tatsächlicher Kenntnis
tut Einen alten Heros stellt man nicht in einer solchen Aktion
dar, wenn man ihm eine Statue setzt; aber für ein Relief an
dem Brunnenhause war es durchaus angemessen.
S. 159. Unter den metrischen Härten des Kyklopen mufste
ich vor allem anführen, dafs 54 und 79 das i von ön elidiert
ist. Das ist wirklich fehlerhaft und findet sich später weder bei
ihm noch bei seinen Nachahmern. Es ist durch Homerische
Stellen hervorgerufen, in denen in Wahrheit ö te elidiert ist.
54 wird ort in KP ausgeschrieben. Das ist richtiger, und ich
hätte es am liebsten befolgt, denn das i kann eben nicht un-
gesprochen bleiben; es tritt also eine Synalöphe ein wie im
Lateinischen, wie das von der s. g. Elision des i des Dativs im
alten Epos auch gilt und den Grammatikern bekannt war. Ein
vielleicht noch interessanteres Zeichen der singulären Stellung
des Kyklopen ist 73 alx Mwv raArigcos nXexoig. Da xe un-
möglich ist, haben wir wieder jenes alx, das an otix seine
Parallele hat, zuerst erkannt von W. Schulze im Arkadischen,
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256
Berichtigungen und Nachträge.
nun, wie Kaibels Index zeigt, im Syrakusischen des Epicharm
mehrfach belegt. Im asiatischen Dorisch habe ich es auch auf-
gezeigt, in dem knidischen Orakel bei Herodot I, 174. Die In-
schriften der asiatischen Doris kennen es nicht mehr; die Schrift-
sprache hat es eben allerorten verdrängt, und Theokrit hat sich
auch später solcher gar zu fremdartig und falsch klingender
Dialektfonnen enthalten wie diese und dylxevoo, das eben auch
im Kyklopen steht. Ich würde mir auch ein Futurum fiaftevfiai
60 ohne weiteres gefallen lassen, wenn nicht vvv aM ya velv
ye fia&svf4,ai mit dem doppelten und dazu in verschiedener Form
überlieferten ye dabei stünde.
S. 209. Es ist mir begegnet, in der Betonung zwischen
Xrjval und Xfjvai zu schwanken. Das kam davon, dafs die Byzan-
tiner, also auch unsere Drucke schwanken. Die Überschrift des
Gedichtes gibt Xrjvcu und so die Clemensscholien; Hesych, der
nach Herodian accentuieren will, Xrjval; auch in Philostrats
Bildern ist die letzte Silbe betont. Die wirkliche Regel Hero-
dians steht bei Theognostus, Kanon 687 S. 113 tä diä tov i)vr]
ötavXkaßa ßaqmova vö ij jiaQaXrjyevar 'Ptfvr} övofia xtigiov
2i]vt) (ov% y 2vrivi)*)' fpr)vrj eldog ögveov nt)vri i) oeXrjvrj-
Xtfvy, h>$ev xal xarapjvi? tö xavayiXaofia' xQtjvrf yk/jvi)*)'
hr\vt). Folgt Ausnahme axrjvi). Arkadius gibt nur weniger.
Davon waren zur Zeit des Herodian in der Sprache lebendig
1 ) ov/t}ovT]vr] die Handschrift, von Lentz I 330 unterschlagen, von
Lobeck Proll. 199 vergewaltigt; Theognost kannte Sena nicht, sprach aber
Syene auch Smi.
a ) Dam gibt Arkadius die Erklärung 6 $ünos; wie der Thesaurus lehrt,
fordern andere byzantinische Glossen die Schreibung yltvij. Et. Sorb. yl(va
xal nivu xal nfros 6 (>vno;. Ob Hesychs yXotn hergehört ist fraglich. Aber
seine bessere Glosse yi-r^t) xÖQrj d</9aXuov, xal natyvtov, xal oiJtrbg «fror,
xal TrjV 7it7iXaO(x(vijv xÖQtjv (d. i. das mtfyriov), 7tQoao\fjiv t xal ylqvas ia
xrjQla t(üv ufitooiöv rj oQf) (längst getilgt; es ist xoqtj) und yXdvtj ovJevos
«&ov, das man nicht tilgen soll, lehren, dafs das altionische yX^v^ die
Pupille, zur Puppe ward wie xöqt) und dadurch zum ovJiid; ü^iov. Puppe
war es schon, als Ö 163 CQot xaxij yl^n gedichtet ward. Zum Schmutz
führt von hier kein Weg. Also hat Herodian unrecht, es sei denn, dafs sich
y iiji'i? neben yX^urj, l i u 1, eingedrängt hatte. yXlvt\ erweckt auch wenig Ver-
trauen.
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Berichtigungen und Nachträge
257
nur xQrjvr) und axrjvrj; von prjvy und xavazy v V wird man die
wirkliche Betonung gekannt haben. Von (prjvr) hat es sicher eine
nagdöooig gegeben, weil das Wort bei Homer vorkam. Aber die
Analogie reichte wahrlich nicht, um ?.r)wj zu bestimmen. Für
unseren praktischen Gebrauch mag Herodian die Diktatur üben;
aber die Sprachwissenschaft mufs sich daran machen, ihn zu
kontrollieren, wenn das auch sehr oft zum Eingeständnisse des
Nichtwissens führen wird. Nicht nur hierfür ist eine Bearbeitung
des Theognostos ein dringendes Bedürfnis. Da steckt noch eine
Menge wertvollen Sprachmateriales verborgen.
Noch ein Wort zu zwei Stellen der äolischen Gedichte, die
ich mit mehr oder weniger Zuversicht zu verbessern versucht
habe. 30, 13 steht in C Xevxäg ovx inlatrjad'', ötti yögrjg kv
xgord<poig vg(%ag und gefordert ist der Sinn olofta, iaiaTaoai.
Das Überlieferte könnte man tarjio&7)oai (as) lesen, aber das hat
selbst als Glosse keine Wahrscheinlichkeit. Ich denke, die Glosse
war ijzlovaoai, und sie glossierte öldtjofta. Dies hatte Theokrit
in einem lesbischen Gedichte gefunden. Et. M. = Epimer. Horn.
I 331 ol Alokelg rö olöa oFd^u Xeyovoi xai tö devvegov otdtjg
xai ijtexvdoEt oUrjotia xai xavä ovyxojzijv olafta. Da kann
fraglich sein, wie viele Formen tatsächlich belegt waren; er-
schlossen können sie nicht alle sein. Die Trennung des Diph-
thonges bezeugt Stephanos Byz. Kagla. Dafs er auf olöa führt,
und eine reduplizierte Form zugrunde liegen wird, also wirklich
mit einer Länge, macht für das Aolisch des Theokrit nichts aus.
Ein Imperfektum von jUaa/u, an das man denken könnte, ist
nicht bezeugt, und das Verbum ist spezifisch dorisch.
29, 18. Der Dichter sagt zu seinem Knaben "Du bist
wetterwendisch. Wenn dir einer ein Kompliment macht, be-
handelst du ihn wie einen alten Freund und deinen ersten Ver-
ehrer wie eine Bekanntschaft von vorgestern, dvögöjv rcov
VTiegavogecov doxieig nviuv. Du mufst dich zeitlebens an den
einen halten, der zu dir pafst". vnegavögeog kann es nicht
wohl neben ÜJieQijvcog geben; von da gelangt man auch zu
keiner Sentenz. Daher hat Ahrens vnkg dvogiav gesetzt, was
ich für evident halte. Nur ist das im Anschlufs an das Frühere
Philolog. Untersuchungen. XVIII. 17
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258
Berichtigungen and Nachträge.
ganz müfsig "xöv (piXovvxa xcöv dvög&v, (ov vsieg xrjv dvögeiav
nvelg". Die Antithese vorher ist abgeschlossen; wir erwarten
auch, dafs der Vers in sich ein Satzglied oder ein Satz ist. "Du
hast ein aiV, einen humour, der über die dgexi) xal övvafMg
hinausgeht" — von wem? das steckt in dvögcbv xtbv. vjtegrj-
yavog el fiäXXov rj xaxd — xlva; Ich meine, da pafst nur
fi xax' äv&gajiov. Also arftgcbacov vneg dvogiav.
Und zwischen Tür und Angel noch die Frage, ob nicht
V. 6') der Pharmakeutriai ganz richtig ist, obwohl man zu seiner
Erklärung schon im Altertum 61 zugesetzt hat. td ftgöva xav&'
vjtöfia^ov vag xtfvco <pXiäg, xadvnegxegov dg en xai vvv. Das
heifst nach dem was S. 45 gesagt ist " streiche diese Zauber-
mittel unten an seine Tür, so lange es noch mächtiger ist".
An exi xal vvv mag man nicht rühren, vgl. Homer S 234,
Hermeshymnus 508; an der Bedeutung von xadvjiegxegov darf
man nicht zweifeln, vgl. 24, 100. Was aber ist mächtiger? Wenn
es die ftgöva wären, würde man ganz sicher sein; dann läge
darin, dafs die Kraft des Zaubers leicht verfliegt; vor dem
Hahnenkrat, der die Hekate und ihre Gespenster scheucht, mufs
das ylXxgov an Ort und Stelle sein. Aber xavhmigxega würde
ich nur für zulässig halten, wenn die Interpunktion dahinter
wäre. So frage ich: kann nicht das vji6f,ta£(u xd ftgova das
xavS}JteQXEgov sein? mg exi £vöezexai der Scholien ist nicht
korrekt: mg exi äyeXel sollte es heifsen.
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Register.
1. Theokrit und d
Handschriften :
Ambrosianus G 32 (A) .... 12
75 (C) .... 86
„ B 99 (F) . . . . 100
„ 222 (K) . . . . 6
Baroccianus 50 (des Erastea) . 50
Basileensis (der Europa) . . .100
Laurentianus 32, 16 (S) ... 10
32, 37 (P) . . . 8
„ conv. sopp. 15 (W) 69
Papyrus Oxyrynch. 694 (des
Hylas) 17
Parisinus 2726 (D) . . . 39. 85
2831 (L) 39
2832 (Tr) 9
2884 (Q) 8
Patavinus (B) ....... 7. 85
Vaticanus 38 (T) 8
40 (O) 11
„ 42 (E) 12
913 (H) 10
„ 915 (M) 11
„ 1311 (X) .... 69. 96
„ 1824 (V) 8
„ 1S25 (U) 12
n 84. 102
«/» 69. 102
Textgestalt in den Scholien . . 33
bei Stobäus 33. 34. 44. 76
u bei Vergil 101
anderen Bukoliker.
Bearbeitungen und Ausgaben:
Ahrens 2
Amarantos 108
Artemidor 124
Hiller 3
Iuntina 7. 86
Kallierges 7. 86
Munatius 108
Musuros 7
Stephanus 1
Tbeon 110. 124
Triklinios 9. 70
Ziegler 3
Accent jation 16. 86. 251
Bau der Gedichte 92. 160. 222. Beil. 2
Dialekt . . . . 18. 19. 2G. 88. 252
Eigennamen . . . 165. Beilage 1
Illustrationen 9
Reihenfolge der Gedichte 14. 65. 85-87
Theokrit 1 148. 162
- Titel 112
- Hypothesis 14
- V. 11 28
- »13 229
- «17 33
- „ 29. 30 . . . 223. 254
- „36 23
- „56 36
- „62 21
17»
260
Register.
Theokrit 1 V. 85
.... 23
Theokrit
— •
—
„ 105—107
. . 21. 229
—
„13
—
„35
—
—
13 passim .
. . 7. 17. 174
„ 147 .. .
—
V. 23. 24 .
178
—
„48
—
„58
—
1 JA
—
—
1 J
„14 ...
—
„55
15 ....
j
1 /> /%
. . , 48-51
» Ol ...
.... 20
c
61-64
On
.... 230
17 ....
142. 152
#• o
J j|
passim . .
. . . 56-61
[Theokrit 19] KrjnwxX^nt^ . . 79'
„ 118 .. .
[Theokrit 20] ßovxoUoxog ... 80
„ 146 .
„
V. 5-7 78
6 V. 24 ,
„ 26 . 74
7 . . . .
[Theokrit 21] 'AlieTg
. . . 82—84
Theokrit 22 ... 93. 94. Beil. 5
V. 170 . .
191
[Theokrit 23] '^«otijs
81
„25 ...
>»
V. 22 81.254
„59 ...
•
„
„ 30-32 75
[Theokrit] 8
. 122. 144
Theokrit 24 . . . 96
-99. 237-41
V. 22
[Theokrit 25] 'Hgaxlni
. . . Beil. 9
„49 ...
[Theokrit 26] ^»>«i .
. . . Beil. 8
„ 57-60
[Theokrit 27] 'Ottounis
. . 90-93
[TheokritJ 9
n.:| m
V. 50 . . 41
Theokrit 10
. 142. 167
Theokrit
V. 3 .
.... 29
137. 160
„ 14 ....
29 ....
138
„32 ...
„14 ...
Epigramme .
. . 113—121
» 4
. . . Beil. 6
18
. . 18. 252
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Register.
Epigramm äXloe b Xiof . .
10. 125
Moschos Eros . . .
76. 77. 80
. . 12
. . . 99-101
- „ 44
-61 . . . .228
Epitapbios Bioos 66
-68. 146. 147. 241
Eis vtxqbv "Adarnv
71
[Bion] farifrri. 'ä X 'lX(tas .
72-74
Tecbnopägnien . .
89. 108. Beil. 11
2.
64
. . . 183
Accente 17. 88.
000
213
138. 214
22
195. 252
193
Epigramm . . 119—121.
199-202
233
„ 781 Kaibel
. . .200
Fgm. Anonym. 262 Schneider .
49
„ „ 357 „
253
— Grammatiker
. . . 107
Antholog. Pal. 5, 83. 84 ... .
105
Erinna
. . . 117
„ „ 7, 658—664 . . .
114
. 128
105
Euhemeros
. . . 171
. . 209
118
Apollonios de pron. 105 . . . .
48
. . .205
— von Rhodos 177. 193-
■198
19. 112
Argonauten 175. 193. 247
- 4,11
. . .251
111
24
157
163
. . 233
Asklepiades A. P. 5, 151 . . . .
181
- „ 7 . . . .
Ausonius Epist. 14, 133 . . . .
36
196
„ 34 . . . .
109
Bukolik 111.
165
140
22
Hylas
. . .175
112
. 105
234
9
Demoineles von Paiania . . . .
118
Dialekte 26. 66
lustin 23, 3
... 156
157
112
— Dialekt . .
. 19. 27
173
- Aitia ....
. . . 127
197
... 176
Dionysosgeburt
216
Dionysoskult im Baume . . . .
105
Epinik. auf Sosibios 171
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262
Register.
Kallimachos Hyran. 1, 96 . . . . 55
— „ 4, 98 ... . 212
— fgm. 70 172
— „86 172
— „ 226 .... 38
— „ 498 3
Knabenliebe 175
Komparativ für Superlativ ... 50
Kyrenäischer Dialekt 27
Laevius 112. 113
Leichenspiele 197
Leonidas v. Tarent 114
Leukippiden 188
Lityerses 123
Longus 2, 3 80
Metrik 248
Milet 22
Nikanor v. Kos 152
Niketes Eugenianos 105
— „ 4,315 ... 80
Nikias v. Milet ... 118. 160. 177
Nonnos Bukolikerlektüre . . . .106
- 19, 128 225
Ovid Ibis 549 168
Pelias 196
Pentheus 219
Pharos 183
Piatontext 15
Polydeukes 196
Priapos 200
Properz 2, 34. 68 112
Ptolemaios Genealogie 153
Pyrnos 223
Pyrrbos v. Milet 166
Reizianum 248
Sappho fr. 4 121
„ bei Iulian ep. 60 ... 179
Schol. Apollon. 2, 159 195
„ zu Vergil 110
„ „ Än. 3, 394 . . 213
„ „ „ 3, 500. . . 232
Sextus adv. gramm. 314 .... 108
Simias 244
Simichidas v. Orchoraenos . . .151
Sophokles Herakliskos 238
Sophron 133
Sostratos v. Knidos 183
Stilpon 173
Suidas QfoxQiioi 128
Themistagoras 224
Theognost S. 113 256
Theokrit Person und Leben 52. 117.
Beil. 3
„ u. Apollonios . . . 117. 198
„ u. Kallimachos 53. 54. 163. 170
Timaios 156. 157. 234
Vergil Ecl. 3, 39 223
Vestinus 109
3.
'AyQoitö J35
äyto Aorist 28
«/x 255
180
]A(jittQvXXls . 134
äfijutg v/upts 25
CCQttTI 54
yXrjVt} ylivt) 256
sllvfov, dlvoq 133
Jgaxavov . . . • 200
(WvXhov 129
tyao&at 19
f(tvo S 206
t{>an(s 133
toxi hU 33 f
EvfidQag 135
tvaoos 97
hpaaSui 111
rjXeos TiXiuaxos 48
!j/nnf iifttv 25
GivuKQtfas 135
QvßQ* 232
IXttv 23 | »vftaQtlv
216
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Register. 263
Svcivt^oi 255
' Innoxloiv 135
xardyQtjv 120
xovitiv 223
xoqo( 72
xQetcrojLieh' 216
KuloiMs 134
Xtüff xore 19. 173
Anfing 135
l<i»QV . . . 24
A»)r«* 209. 256
Avxtonos, Avxutntiitts 164
palöi, paXu7id(>auog 216
MtXt$w 134
/iijA« metaphorisch . . . .41. 253
lg viov 50
SlJ« 257
"Olms 134
(Uf407llatt] 216
7i ai Ji xu {aioucua) 85
Ktf 165
rä TTtQioou 216
71T) 7T(t 24
noTi 68. 254
nvxtiCttv 81
aro/jaXluvt] 166
t(qo<o 94
i(tvyn«i 98
rrtöf Tiife 25
TirvQoi 165
loaa^vog 24
vfivoi; Epigramm 116
üpia 21
ized by Google
Druck ton W. Pormette r in Berlin.
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Google